L 1 B 426/08 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 111 KR 2003/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 B 426/08 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Entscheidungen dürfen dabei grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe auch Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Ganz allgemein ist ein Zuwarten umso eher unzumutbar, je größer die Erfolgschancen in der Sache einzuschätzen sind (ständige Rechtsprechung des Senats, insbesondere als 32. Senat, vgl. z. B. Beschluss vom 25.September 2007 - L 32 B 1565/07 AS ER -, vom 3. Juli 2007 - L 32 B 723/07 AS ER -; vom 5. September 2007 - L 32 AS 1423/07 AS ER -).

Hier liegt bereits kein Anordnungsanspruch vor. Die Antragsstellerin hat jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein solcher Anspruch wahrscheinlich zusteht: Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) können Versicherte die Versorgung mit Hör- und Sehhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln beanspruchen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, eine Behinderung auszugleichen oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die letztgenannten Ausnahmen liegen bei der begehrten Orthese nicht vor. Ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist dann erforderlich, wenn es dazu dient, natürliche Funktionen auszugleichen, fehlende Körperteile und Funktionen wieder herzustellen, zu ermöglichen, zu ersetzen, zu erleichtern oder zu ergänzen. Dabei genügt eine nur unwesentliche Verbesserung nicht. Das Hilfsmittel muss unentbehrlich oder unvermeidlich sein, um die Ziele bzw. Zwecke der Krankenbehandlung zu erreichen (so bereits Bundessozialgericht [BSG] SozR 2200 § 182 b Nr. 30, 33 mit weiteren Nachweisen). Maßgeblich sind die individuellen Verhältnisse beim Behinderten bzw. Erkrankten, wobei insoweit auch eine Abwägung von Kosten und Nutzen anzustellen ist. Im Rahmen der Krankenversicherung hat ein Versicherter nur Anspruch auf eine ausreichende Versorgung nach dem jeweiligen Stand der Medizin und Technik, nicht aber auf eine optimale Ausstattung zum umfassenderen Ausgleich in allen Lebensbereichen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 34) (so insgesamt zutreffend LSG Baden-Württemberg Urteil vom 05.04.2005 - L 11 KR 2161/04 - JURIS).

Die Antragstellerin hat hier nicht glaubhaft gemacht, dass sie zwingend eine weitere Orthese benötigt. Sie behauptet lediglich, ihre ältere sei zu alt und die neuere ungeeignet. Es gibt allerdings eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankversicherung (MDK) vom 10. Juni 2008, wonach zwar die alte Orthese etwas eng sitze, aber funktionell intakt sei. Ferner sei die neue weiter geformte aus dem Jahre 2007 funktionell intakt und passgenau. Da das Beinvolumen - aufgrund der extremen Übergewichtigkeit - im Laufe des Tages stark ansteige, werde empfohlen, die neue Orthese abends zu tragen. Die Stellungnahme ist verwertbar. Die Ärzte des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nach § 275 Abs. 5 SGB V nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen.

Unabhängig vom fehlenden Anordnungsanspruch scheitert der Eilantrag auch an der fehlenden Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund). Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm derzeit durch ein Abwarten einer positiven Hauptsacheentscheidung nicht ausgleichbare wesentliche Nachteile drohen. Sie ist mit Orthesen versorgt, die sie nach Aktenlage zudem nur zum Umsetzen zwischen den Elektrorollstühlen oder ähnlichen Handlungen benutzt und nicht zum Gehen. Aus demselben Grund scheitert auch ein Anspruch bei einer reinen Folgenabwägung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtstreits. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved