L 16 R 823/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 R 4705/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 823/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. März 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung einer stationären onkologischen Rehabilitationsleistung.

Die 1936 geborene Klägerin ist seit 1. Februar 1996 Altersrentnerin. Nach der Diagnostizierung eines Nieren-Karzinoms im Jahr 2003 erfolgte am 23. Dezember 2003 eine Tumornephrektomie. Die Primärbehandlung der Krebserkrankung war im Januar 2004 abgeschlossen, ohne dass sich nachfolgend eine Chemotherapie anschloss. Stationäre onkologische Rehabilitationsleistungen gewährte die Beklagte der Klägerin im Jahr 2004 (Anschlussheilbehandlungsmaßnahme) und zuletzt vom 7. Juni 2005 bis 28. Juni 2005. Auf den Entlassungsbericht der S-Klinik B S vom 30. Juni 2005 wird Bezug genommen.

Im Februar 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung einer weiteren stationären onkologischen Rehabilitationsleistung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2006 ab mit der Begründung, dass Leistungen zur onkologischen Rehabilitation nach Maßgabe der hierzu ergangenen Richtlinien nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung erbracht werden könnten. Diese Ausschlussfrist könne nicht verlängert werden.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin einen Befundbericht der die Klägerin behandelnden Internisten F/Dr. F vom 9. Juli 2007 erstatten lassen, auf dessen Inhalt nebst Anlagen verwiesen wird. Mit Urteil vom 6. März 2008 hat das SG die auf Gewährung einer stationären onkologischen Rehabilitationsleistung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren stationären onkologischen Rehabilitationsleistung, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Die Beklagte könne als sonstige Leistung zur Rehabilitation nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (Ca-Richtlinien) onkologische Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen erbringen. Die Leistungen könnten spätestens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch die Komplikationen bzw. Therapiefolgen vorlägen (§ 1 Abs. 2 Ca-Richtlinie). Die Klägerin habe den Antrag auf Gewährung einer weiteren – hier dritten – onkologischen Rehabilitationsleistung aber erst nach Ablauf der genannten Zweijahresfrist gestellt. Denn die Primärbehandlung des Tumorleidens sei bereits im Dezember 2003 abgeschlossen gewesen. Bei der genannten Frist handele es sich um eine Ausschlussfrist. Im Übrigen würden auch die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Rehabilitationsleistung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien nicht vorliegen. Denn es sei nicht ersichtlich, dass noch erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen vorliegen würden. Die Klägerin habe auch nach den übrigen für andere Rehabilitationsträger geltenden gesetzlichen Regelungen keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Leistung zur Rehabilitation.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung vom 25. Juni 2008 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre medizinische Rehabilitationsleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und ärztlichen Unterlagen Bezug genommen.

Die Rehabilitationsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Zwar ist die von ihr erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung einer (weiteren) stationären medizinischen Rehabilitationsleistung in Gestalt einer onkologischen Nach- und Festigungskur statthaft. Denn die Entscheidung, ob der Klägerin medizinische Rehabilitationsleistungen in der begehrten Form zu gewähren sind, steht nicht im Ermessen der Beklagten, sondern ist davon abhängig, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) sowie die in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI i.V. mit den Ca-Richtlinien genannten Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Dem steht nicht entgegen, dass in den gesetzlichen Vorschriften (vgl. § 9 Abs. 2 SGB VI, § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) die Wendung gebraucht wird, medizinische Leistungen zur Rehabilitation "können erbracht werden". Denn insoweit unterliegt die Entscheidung über die Voraussetzungen, d. h. das "ob" der Leistung der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, während (nur) das "wie" der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten steht (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2000 – B 5 RJ 8/99 R = SozR 3-2600 § 10 Nr. 2 mit weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – B 5 RJ 15/05 R = SozR 4-2600 § 10 Nr. 2).

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI liegen bei der Klägerin – was zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig ist – vor. Denn sie hatte bei Antragstellung die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Der Altersrentenbezug der Klägerin steht der Erbringung der von der Klägerin begehrten Leistung zur medizinischen Rehabilitation trotz des Leistungsausschlusses in § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI nicht entgegen. Denn nach der vorliegend einschlägigen Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI können Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen auch für Bezieher einer Rente erbracht werden. Der Anspruch der Klägerin auf eine derartige onkologische Rehabilitationsleistung scheitert aber daran, dass die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen, wie sie in den maßgebenden, nach Maßgabe des § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ergangenen Ca-Richtlinien vom 4. Juli 1991 in der Fassung vom 9. Mai 2001 festgelegt sind, in der Person der Klägerin nicht erfüllt sind.

Gemäß § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien werden die Leistungen bis zum Ablauf eines Jahres nach einer beendeten Primärbehandlung gewährt. Darüber hinaus können spätestens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung Maßnahmen im Einzelfall erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen vorliegen. Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen werden gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI "nur" aufgrund dieser Richtlinien erbracht, die von den Trägern der Rentenversicherung im Benehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erlassen worden sind. Sie konkretisieren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erbringung der entsprechenden Leistungen (vgl. Tiedt/Schulz-Weidner, Richtlinien der Rentenversicherung über sonstige Leistungen zur Rehabilitation, DRV 1992, S.1 ff.). Den nach § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erlassenen Richtlinien kommt insoweit kraft gesetzlicher Anordnung gegenüber den Versicherten normative Wirkung zu (vgl. zu den Richtlinien nach § 92 SGB V: BSG, Urteil vom 20. März 1996 – 6 RKa 62/94 = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6; aA KassKomm-Niesel § 31 SGB VI Rz. 15).

Unabhängig davon, ob die in § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien festgelegte Zwei-Jahres-Frist nach beendeter Primärbehandlung, bis zu deren Ablauf "spätestens" onkologische Rehabilitationsleistungen erbracht werden können, ermächtigungskonform ist, liegen bei der Klägerin jedenfalls keine Folgen der Krebserkrankung und der entsprechenden Operation vom Dezember 2003 vor, aus denen körperliche oder psychische Funktionsstörungen resultieren. Ein Rehabilitationsbedarf besteht somit weder nach § 10 Abs. 1 SGB VI noch nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Die die Klägerin behandelnden Internisten F/Dr. F haben in ihrem Befundbericht vom 09. Juli 2007 bestätigt, dass bei konstantem Gesundheitszustand der Klägerin Funktionsstörungen durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen nicht vorliegen. Eine Therapie wird bei der Klägerin im Hinblick auf die durchlaufene Krebserkrankung derzeit weder durchgeführt noch ist insoweit eine Therapie angezeigt. Die Nachsorgeuntersuchungen haben insoweit konstante Befunde ergeben. Zudem liegt eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung der Klägerin nicht vor. Die Voraussetzungen für die Erbringung sonstiger Leistungen zur onkologischen Rehabilitation sind damit nicht erfüllt.

Auch die Gewährung von stationären Rehabilitationsleistungen nach Maßgabe der im Übrigen hierfür einschlägigen gesetzlichen Regelungen, die nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) im Verhältnis der Beklagten zur Klägerin ebenfalls als Rechtsgrundlagen heranzuziehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 R – veröffentlicht in juris -; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 1) kommt nicht in Betracht. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI werden Leistungen zur Teilhabe nicht für Versicherte erbracht, die – wie die Klägerin – eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente beziehen. Eine Leistungserbringung nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) scheidet vorliegend aus, weil bei der Klägerin eine ambulante Krankenbehandlung – wie aus den eingeholten Befundunterlagen ersichtlich – ausreicht, soweit diese hinsichtlich der im Stadium der Heilungsbewährung befindlichen Krebserkrankung derzeit überhaupt erforderlich ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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