L 18 B 2026/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 AS 26545/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 2026/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. September 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.

Mit dieser verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 24. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2008, mit dem die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. August 2008 bis zum 30. Januar 2009 teilweise aufgehoben worden war, anzuordnen.

Statthafte Antragsart ist insoweit ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Mit der teilweisen Aufhebung der dem Antragsteller zuvor mit Bescheid vom 8. Juli 2008 bewilligten Leistungen hat der Antragsgegner über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entschieden, sodass die hiergegen gerichtete Klage gemäß § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) keine aufschiebende Wirkung entfaltet.

Die im einstweiligen Rechtsschutz über die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen sind auch in den Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges stets das Ergebnis eine Folgenabwägung. Dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 24. Juli 2008 ist gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers der Vorrang zu gewähren; denn bei summarischer Prüfung bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids noch hat die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (Rechtsgedanke des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG).

Die mit Wirkung für die Zukunft, d.h. für den Zeitraum nach Bekanntgabe des aufhebenden Bescheides, ergangene Teilaufhebung der Bewilligung vom 8. Juli 2008 erweist sich als rechtmäßig, wobei es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keiner abschließenden Klärung bedarf, wann genau der Bescheid vom 24. Juli 2008 dem Antragsteller zugegangen ist. Jedenfalls bis zur Widerspruchseinlegung vom 30. Juli 2008 war dies der Fall, so dass für die Zeit ab dem 31. Juli 2008 von einer wirksam verlautbarten Verwaltungsentscheidung auszugehen ist. Rechtsgrundlage für die zukunftsgerichtete Teilaufhebung ist § 45 Abs. 1 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) iVm § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 2008 ist insoweit von Anfang an objektiv rechtswidrig iS des § 45 Abs. 1 SGB X, als dem Antragsteller die (volle) Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II zugebilligt worden ist. Denn es ist davon auszugehen, dass der ledige Antragsteller mit der mindestens seit März 2005 in seiner Wohnung wohnenden und von ihm als "Untermieterin" bezeichneten ledigen Frau B. eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II bildet, so dass ihm gemäß § 20 Abs. 3 SGB II lediglich 90 vom Hundert der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II zustehen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören der erwerbsfähige Hilfebedürftige (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) und nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II als sein Partner eine Person, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. "Als Partner" im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II kommt jede Person in Betracht, der – was bei Frau B. der Fall ist - die Eingehung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen rechtlich möglich wäre. Mit dieser Gesetzesfassung wird lediglich bezweckt, einerseits neben der eheähnlichen Gemeinschaft auch die (homosexuelle) lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft in die Regelungen über die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen und andererseits solche Gemeinschaften von diesen Regelungen auszunehmen, deren Mitglieder - wie z.B. Geschwister - von Rechts wegen keine Ehe oder Lebenspartnerschaft miteinander eingehen können (vgl. Hänlein, in Gagel, SGB III, Stand: Juni 2008, § 7 SGB II Rn. 41; Spellbrink, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, 2008, § 7 Rn 44 f. mwN). Kennzeichnend für die weiterhin erforderliche Haushaltsgemeinschaft ist das gemeinsame "Wirtschaften aus einem Topf" (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2008 –L 28 AS 1065/07 -, veröffentlicht in juris). Nach den vom Antragsteller nicht bestrittenen Angaben des Prüfberichts vom 4. Juni 2008 ist eine derartige Haushaltsgemeinschaft gegeben. Der Antragsteller und Frau B. nutzen Mobiliar und Hausratsgegenstände der Zwei-Zimmer-Wohnung gemeinsam und haben die Wohn- und Schlafbereiche nicht aufgeteilt. Mit den nicht erheblichen Ausnahmen der Bekleidung und Körperpflegemittel sind keine persönlich zuordenbaren Gegenstände in der Wohnung vorhanden. Lebensmittel werden nicht erkennbar getrennt aufbewahrt. Schließlich werden die Kosten für Strom, Gas und Telefon je zur Hälfte von den Bewohnern der Wohnung und damit ohne Berücksichtigung der vom Antragsteller behaupteten überwiegenden Nutzung der Wohnung durch Frau B. getragen. Angesichts dieser ein "Wirtschaften aus einem Topf" hinreichend belegenden Hinweistatsachen kommt dem Vorbringen, der Antragsteller und Frau B. verfügten über eigene Konten, keine wesentliche Bedeutung zu. Der Antragsteller und Frau B. leben schließlich so zusammen, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ein entsprechender Wille, eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft einzugehen, ist nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II zu vermuten, wenn – wie hier – Partner länger als ein Jahr zusammenleben. Diese Vermutung wird durch die bloße Behauptung des Antragsstellers, er lebe mit Frau B. nicht in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen, nicht entkräftet. Erforderlich für eine Widerlegung der Vermutung ist vielmehr, dass der Betroffene plausibel darlegt und gegebenenfalls nachweist, dass alle Kriterien des § 7 Abs. 3a SGB II nicht erfüllt werden bzw. die Vermutung durch andere Umstände entkräftet wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. März 2007 – L 7 AS 640/07 ER-B -, veröffentlicht in juris). Der Antragsteller hat keine Umstände plausibel dargelegt, die den Schluss auf das Vorliegen einer reinen Zweck- oder Wohngemeinschaft zulassen. So deckt sich seine Behauptung, die geräuschempfindliche Frau B. und er nutzten das Doppelbett im nach hinten gelegenen Schlafzimmer, weil das nach vorne gelegene andere Zimmer der Wohnung "recht laut" sei, nicht mit der im Prüfbericht vom 4. Juni 2008 wiedergegebenen Angabe der Frau B., sie schlafe mit dem Antragsteller in einem Bett, weil sie sich sehr vertraut seien. Die weiteren Angaben des Antragstellers, seitdem Frau B. mit in der Wohnung lebe, habe er mehrere Freundinnen gehabt und sich überwiegend bei diesen aufgehalten, sind unsubstantiiert. Die gesetzliche Vermutung für das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft wird schließlich auch nicht durch die - im Übrigen nicht belegte – Behauptung des Antragstellers entkräftet, die ursprünglich "wegen einer Notlage" (welcher ?) nur für einen kurzen Zeitraum bei ihm eingezogene Frau B. sei "zwischenzeitlich" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, sich (selbst) nach einer eigenen Wohnung umzusehen. Zu Recht hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass der Frau B. entgegen der ursprünglichen Absicht gewährte Daueraufenthalt in der Wohnung des Antragstellers zeigt, dass sich der Antragsteller für Frau B. verantwortlich fühlt und mithin dieser Umstand eher für als gegen die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft spricht.

Auch hat die Vollziehung des angegriffenen Bescheides für den Antragsteller keine unbillige Härte im Hinblick auf die abzuwartende Entscheidung des Gerichts im Hauptsacheverfahren zur Folge. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die Existenz des Antragstellers trotz der Kürzung der Regelleistung um lediglich 10 % nicht hinreichend gesichert ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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