L 8 B 338/08 AL ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 6 AL 266/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 B 338/08 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 16. September 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht beanspruchen kann. Der Antragsteller begehrt Leistungen, die ihm noch nicht zuerkannt sind. In diesem Fall setzt eine einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin voraus, dass bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch nach materiellem Recht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung [ZPO]; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit feststellbar sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund). Es fehlt bereits an einem Anordungsanspruch, der sich gegen die Antragsgegnerin richten könnte. Der Antragsteller gehört nach Lage der Akten (weiterhin) zum Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die von ihm gewünschte Leistung kommt nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) angesichts der Länge der in Aussicht genommenen Maßnahme nur nach den Vorschriften über die Förderung der beruflichen Weiterbildung (§ 77 ff SGB III) in Betracht. Leistungen nach dem Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III – also nach den §§ 77 ff SGB III – werden nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes aber nicht an erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II erbracht, § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB III. Wenn der Antragsteller im Schriftsatz vom 11. November 2008 ausführt, § 22 Abs. 4 SGB III lasse "in den Sätzen 2 ff Ausnahmen von der Leistungserbringung an Hilfebedürftige im Sinne des SGB II zu", so muss er sich entgegen halten lassen, dass ersichtlich keine der Ausnahmen zur Anwendung der §§ 77 ff SGB III auf erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II führt. Kein für den Antragsteller günstigeres Ergebnis kann sich daraus ergeben, dass er und die Antragsgegnerin am 9. Mai 2008 eine "Ziel-/Eingliederungsvereinbarung" geschlossen haben, in der als Aktivität der Antragsgegnerin unter anderem angegeben wird: "Wir unterstützen die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Rechtsanwalt durch die Förderung eines zugelassenen Fachanwaltskurses mit Bildungsgutschein". Es kann dahingestellt bleiben, ob die Eingliederungsvereinbarung, die nur in § 35 Abs. 4 SGB III eine Rechtsgrundlage haben kann, als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 53 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu qualifizieren ist (so Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, § 35 Rz. 52 mit weiteren Nachweisen dazu), oder als vertragsähnliches Konstrukt ohne eigenständige verbindliche Außenwirkung (so etwa mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien Peters-Lange in Gagel, SGB III, § 35 Rz. 27 und Brand in Niesel, SGB III, 4. Auflage 2007, § 35 Rz. 29; ferner Mutschler in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, 3. Auflage 2008, § 35 Rz. 56; Rademacher in GK-SGB III, § 35 Rz. 96, 105). Wäre die Eingliederungsvereinbarung nicht als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren, könnte die von der Antragsgegnerin in der Eingliederungsvereinbarung gemachte Aussage allenfalls als Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X eine rechtliche Wirkung entfalten. Selbst wenn zugunsten des Antragstellers unterstellt würde, dass eine Zusicherung vorläge, und weiter davon ausgegangen würde, dass die im Zeitpunkt des Abschlusses der Eingliederungsvereinbarung noch nicht abgeschlossene Prüfung des Anspruchs auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II dazu hätte führen können, dass in diesem Zeitpunkt die Gewährung der "Förderung eines zugelassenen Fachanwaltskurses mit Bildungsgutschein" nach dem SGB III rechtmäßig in Betracht gekommen wäre, wäre die Antragsgegnerin an ihre Zusicherung spätestens ab dem Zeitpunkt nicht mehr gebunden gewesen, ab dem der Leistungsträger nach dem SGB II dem Antragsteller laufende Hilfen zum Lebensunterhalt aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende bewilligt und damit die Eigenschaft des Antragstellers als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger mit der Folge des § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB III festgestellt hätte. Denn gemäß § 34 Abs. 3 SGB X ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich nach deren Abgabe die Sach- oder Rechtslage derart ändert, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Aber auch wenn die Eingliederungsvereinbarung als (subordinationsrechtlicher) öffentlich-rechtlicher Vertrag angesehen würde, ergäbe sich nichts anderes. Der Vertrag wäre jedenfalls teilnichtig, § 58 Abs. 1 SGB X i.V. mit § 134 Bürgerliches Gesetzbuch und § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB III. Die letztgenannte Vorschrift schließt, wie bereits ausgeführt, Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach den §§ 77 ff SGB III an erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II aus und stellt damit ein "Verbotsgesetz" dar. Anders als der Antragsteller meint, bestand das Verbot auch bereits bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Denn insoweit kommt es allein auf die objektive Rechtslage an. Nach der objektiven Rechtslage war der Antragsteller aber im Zeitpunkt des Abschlusses der Eingliederungsvereinbarung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des SGB II, was sich durch die rückwirkende Bewilligung von laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt ab 1. April 2008 durch den Leistungsträger nach dem SGB II bestätigt hat. Ein Anhaltspunkt dafür, die Nichtigkeit aus Vertrauensschutzgründen einzuschränken, ergibt sich nicht. Zu unrecht verweist der Antragsteller auf die Entscheidung "BGH" (richtig: BGHZ zur Unterscheidung von "BGHSt") 114, 136. Es hatte sich kein Vertrauenstatbestand gebildet, der beim Antragsteller ein "berechtigtes Vertrauen auf den Bestand der Rechtslage" (s. unter 2 b bb der Entscheidungsgründe) hätte erwecken können: Er selbst hatte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beantragt. Auch wenn die Bewilligung der Leistungen angesichts der etwaig zu berücksichtigenden Einkünfte seiner Ehefrau ungewiss war, so wäre es doch lebensfremd anzunehmen, dass der Antragsteller mit seinem Antrag die Ablehnung der Leistung und nicht deren Bewilligung angestrebt hätte. Dann aber musste ihm auch klar sein, dass die Antragsgegnerin möglicherweise nur vorübergehend seine zuständige Ansprechpartnerin in Angelegenheiten der Arbeitsvermittlung und von Leistungen zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit sein würde (s. aus der Rechtsprechung des BSG zum allgemeinen rechtlichen Aspekt des Vertrauensschutzes beispielhaft BSG – Großer Senat –, Beschluss vom 25. September 2007 – GS 1/06 – zweiter Absatz unter II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dass die zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin geschlossene Vereinbarung in irgendeiner Weise "willkürlich" gewesen wäre, ist dagegen – unabhängig davon, welche Rechtsfolgen sich daraus überhaupt ergeben könnten – nicht einmal im Ansatz erkennbar. Die Ziele der Arbeitsförderung (§ 1 Abs. 1 Satz 2 SGB III) und der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II) sind die Beseitigung von Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von öffentlichen Transferleistungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts. Diesen Zielen widerspräche es, wenn angegangene Leistungsträger nach dem SGB III beziehungsweise dem SGB II mit ihren Bemühungen um Vermittlung in eine lebensunterhaltsichernde Beschäftigung so lange zuwarten würden, bis die Trägerzuständigkeit durch Feststellung der Voraussetzungen des § 7 SGB II geklärt ist. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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