L 3 R 1609/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 21 RJ 2225/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 1609/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 05. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin Halbwaisenrente auch für die Zeit vom 03. September 1993 bis zum 31. Dezember 1999 zu gewähren hat.

Die 1991 geborene Klägerin ist die Tochter des am 03. September 1993 bei einem Verkehrsunfall in Polen verstorbenen, als selbstständiger Autohändler bei der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel (BG) Versicherten SJ B. Mit Bescheiden vom 28. März 1994 gewährte die BG der Witwe und Mutter der Klägerin eine Witwenrente i. H. v. monatlich 1.100,00 DM und der Klägerin eine Halbwaisenrente i. H. v. monatlich 550,00 DM, teilte dies der Beklagten mit Schreiben vom 28. März und 12. April 1994 mit und wies darauf hin, dass die Rentengewährung auf eigener Beitragsleistung des Versicherten beruhe.

Mit Bescheid vom 13. Februar 1996 gewährte die Beklagte der Mutter der Klägerin eine große Witwenrente i. H. v. monatlich 694,20 DM. Eine Anrechnung der Unfallrente erfolgte nicht. Ebenfalls mit Bescheid vom 13. Februar 1996 gewährte die Beklagte der Klägerin Halbwaisenrente und teilte mit, dass diese wegen der Höhe der zu berücksichtigenden Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu zahlen sei. Die Bescheide wurden dem Reichsbund als damaligem Bevollmächtigten der Mutter und gesetzlichen Vertreterin der Klägerin übersandt.

Gegen den Bescheid vom 13. Februar 1996 – ohne Bezeichnung, um welchen der Bescheide es sich handeln solle – legte die Mutter der Klägerin Widerspruch ein, in dem sie eine nachfolgende Begründung ankündigte; diese gelangte jedoch nicht zu den Verwaltungsakten. Sie nahm in der Folgezeit mehrfach telefonisch und auch persönlich Kontakt mit Mitarbeitern der Beklagten auf. Aus den Verwaltungsakten ergeben sich hierzu folgende Vermerke verschiedener Verfasser:

Vermerk vom 16. April 1996: "Anruf von Witwe, Nachfrage nach EA-Abrechnung. Da die Akte in der Widerspruchsstelle ist, konnte keine Auskunft gegeben werden. Witwe teilt mit, dass der Reichsbund vor drei bis vier Wochen den Widerspruch zurücknehmen wollte. Sie wird sich erkundigen, wann der Reichsbund den Widerspruch zurückgenommen hat."

Vermerk vom 17. April 1996: "Anruf vom Reichsbund, Herr W: Nachfrage nach EA-Abrechnung. Er wurde auf umseitigen Vermerk (vom 16. April 1996) verwiesen. Daraufhin teilte er mit, dass der Widerspruch nicht vom Reichsbund erhoben wurde und somit auch nicht von ihm zurückgenommen werden kann. Im Gegenteil, der Reichsbund soll der Witwe ausführlich erklärt haben, dass ein Widerspruch keinen Erfolg haben wird (Widerspruch &8594; große Witwenrente)."

Vermerk vom 23. April 1996: "Witwe erkundigte sich telefonisch nach dem Sachstand. Sie möchte den Widerspruch zurücknehmen. Nach telefonischer Rücksprache mit Herrn E von der Widerspruchsstelle werden der Witwe Anträge auf Rücknahme übersandt, welche ausgefüllt und unterschrieben zurückgesandt werden sollen. Die Akte wird uns dann übersandt. Witwe wurde telefonisch () davon in Kenntnis gesetzt."

Vermerk vom 23. April 1996: "Herr K (Apparat ) teilt mit, dass die Widerspruchsführerin dort angerufen habe und die Widersprüche nach Rücksprache mit ihrem Bevollmächtigten zurücknehmen wolle."

Vermerk vom 29. April 1996: "Witwe erkundigte sich abermals nach dem EA. Die Schreiben wegen der Rücknahme des Widerspruchs hat sie am Freitag erhalten und gleich wieder zurückgesandt. Ihr wurde mitgeteilt, dass die Akte noch in der Widerspruchsstelle ist, damit das Verfahren dort abgeschlossen werden kann. Sie versteht die Verzögerung nicht, zumal Herr E angeblich den EA bereits aufgestellt hat. Ihr wurde erklärt, dass ohne die Akte keine weitere Bearbeitung möglich ist. Sie wird am Ball bleiben. Im Übrigen hat sie dem Reichsbund "auf Wiedersehen" gesagt." Vermerk vom 29. April 1996: "Witwe rief noch Mal an und teilte mit, sie hätte mit Herrn E telefoniert. Er hätte ihr mitgeteilt, dass die Akte heute Nachmittag an die Arbeitsgruppe () zurückgegangen sein sollte. Witwe wird morgen bei uns nachfragen."

Am 26. April 1996 nahm die Mutter der Klägerin mittels zweier, ihr von der Beklagten zugesandter, vorausgefüllter Erklärungen ihre Widersprüche hinsichtlich der Halbwaisenrentenversicherungsangelegenheit der Klägerin (Versicherungsnummer: ) und hinsichtlich ihrer eigenen Witwenrentenversicherungs-angelegenheit (Versicherungsnummer:) zurück.

Am 05. August 2004 erteilte die Beklagte einen Bescheid gegenüber der Klägerin, in welchem sie die mit Bescheid vom 13. Februar 1996 gewährte Rente der Höhe nach neu feststellte und diesen Bescheid nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung vom 01. Januar 2000 zurücknahm, da nach erneuter Prüfung festgestellt worden sei, dass bei Erlass des genannten Bescheides von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und die gewährte Rente daher zu niedrig festgestellt worden sei. Gem. § 44 Abs. 4 SGB X würden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme des Bescheides erbracht, wenn der Bescheid für die Vergangenheit zurückgenommen werde. Die höhere Rentenleistung sei somit erst ab dem 01. Januar 2000 zu gewähren. Die Beklagte bewilligte nunmehr monatliche Leistungen aus der Halbwaisenrente i. H. v. 140,61 Euro. Für die Zeit vom 01. Januar 2000 bis zum 31. August 2004 erfolgte eine Nachzahlung i. H. v. 7.758,55 Euro.

Hiergegen legte die Mutter der Klägerin für diese Widerspruch ein, mit dem sie sich dagegen wandte, dass die Beklagte ihrer Tochter lediglich Nachzahlungen für die Zeit ab dem 01. Januar 2000 gewährt habe. Aufgrund ihrer damals sehr schwachen Deutschschreibkenntnisse habe sie Hilfe bei dem Sachbearbeiter der Beklagten, Herrn E, und in der Auskunfts- und Beratungsstelle (AB-Stelle) gesucht. Dort habe man sie glauben lassen, dass der Halbwaisenrenten-Bescheid vom 13. Februar 1996 richtig sei und es für ihren Widerspruch keine Begründung gebe. Die Verjährungsvorschriften seien ihr bekannt, jedoch könne sie nicht verstehen, dass ein Kind, das seinen Vater verloren habe, auch noch für einen Verwaltungsfehler bezahlen müsse, indem es die ihm zustehende finanzielle Unterstützung nicht bekomme. Sollte sie durch eine falsche Auskunft von der Verfolgung des Rechts ihres Kindes abgehalten worden sein, stelle sie einen Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bei nicht fehlerhafter Auskunft bestanden hätte.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2004 als unbegründet zurück, da die Neuberechnung der Halbwaisenrente in dem Bescheid vom 05. August 2004 entsprechend § 44 SGB X seit dem 01. Januar 2000 zutreffend erfolgt sei. Selbst bei Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches wäre auch für diesen § 44 Abs. 4 SGB X als Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens entsprechend anwendbar, so dass auch über diesen Anspruch lediglich eine Neufeststellung ab dem 01. Januar 2000 vorgenommen werden könne.

Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, ihr Begehren auf Zahlung von Halbwaisenrente rückwirkend für den Zeitraum vom 03. September 1993 bis zum 31. Dezember 1999 weiter verfolgt und ergänzend vorgetragen, die Voraussetzungen des Herstellungsanspruches seien gegeben. Der Beklagten sei seit dem Schreiben der BG vom 12. April 1994 bekannt gewesen, dass die Leistung der BG auf eigener Beitragsleistung des verstorbenen Versicherten beruht habe. Der Bescheid vom 13. Februar 1996 sei daher rechtswidrig ergangen. Den dagegen eingelegten Widerspruch habe die Klägerin nur deshalb zurückgenommen, weil der Mitarbeiter der Beklagten, Herr E, ihrer Mutter gegenüber am 13. Februar 1996 erklärt habe, er habe mehrere Male die Akte von D B geprüft und sei sich sicher, dass keine Aussicht auf Zahlung der Halbwaisenrente bestehe, sie könne jedoch einen Widerspruch schriftlich aufnehmen lassen. Gleich am Mittag des 13. Februar 1996 habe ihre Mutter die AB-Stelle aufgesucht, um zu fragen, warum die Rente an D B nicht zu zahlen sei. Die männliche Person habe ihr erklärt, dass die Rente mit einer Leistung aus der Unfallversicherung zusammentreffe und nur insoweit zu zahlen sei, als sie zusammen mit der Leistung aus der Unfallversicherung den maßgebenden Grenzbetrag nicht übersteige, was jedoch der Fall sei. Als sie am 26. April 1996 einen Brief von der Widerspruchsstelle bekommen habe, habe sie wiederum Herrn E angerufen, um ihn um Hilfe bei der Begründung des Widerspruchs zu bitten. Er habe jedoch gesagt, sie könne Hilfe in der AB-Stelle erlangen. Am gleichen Tage habe sie dort aber keine Unterstützung, sondern lediglich die Aussage erhalten, dass es keine Gründe für den Widerspruch gebe. Herr E habe noch gesagt, dass die Rentennachzahlung nicht erfolgen könne, solange das Widerspruchsverfahren laufe. Entmutigt durch diese Auskünfte habe sie den Widerspruch zurückgenommen. Die Beklagte könne sich nicht auf Verjährung berufen, da der Bescheid vom 13. Februar 1996 von Anfang an rechtswidrig gewesen und sie nicht richtig beraten worden sei. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG), habe entschieden, dass § 44 Abs. 4 SGB X nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch anwendbar sei.

Die Beklagte ist dieser Rechtsansicht entgegengetreten.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 05. Oktober 2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung der Halbwaisenrente auch für die Zeit vom 03. September 1993 bis zum 31. Dezember 1999. Der angefochtene Bescheid vom 13. Februar 1996 sei gem. § 44 SGB X nur für die Zeit ab dem 01. Januar 2000 zurückzunehmen, eine Rücknahme für die Zeit vor dem 01. Januar 2000 sei durch § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen. Für die Zeit vor dem 01. Januar 2000 könnten Leistungen auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gewährt werden. Der Herstellungsanspruch sei auf Vornahme einer mit Recht und Gesetz in Einklang stehenden Amtshandlung zur Herbeiführung desjenigen Rechtszustandes gerichtet, der eingetreten wäre, hätte der Versicherungsträger die ihm obliegenden Pflichten ordnungsgemäß wahrgenommen (BSG, Urteil vom 14. Mai 1985, 5 a RKn 23/84). Im Streitfall fehle es aber an der Verletzung einer Nebenpflicht. Der Mitarbeiter der Beklagten habe auch nach dem Vortrag der Mutter der Klägerin lediglich die Auffassung der Beklagten bestätigt, die zur Rechtswidrigkeit des nach § 44 SGB X zurückgenommenen Bescheides geführt habe. Die Sanktion dafür sei in § 44 SGB X normiert und könne nicht gleichzeitig das Vorliegen einer Nebenpflichtverletzung begründen. Bei einer korrekten Beratung der Mutter der Klägerin hätte diese ihren Widerspruch nicht aufrechterhalten müssen, da die Beklagte ihre fehlerhafte Rechtsauffassung erkannt hätte. Darüber hinaus würde § 44 SGB X als Spezialvorschrift gegenüber einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorrangig eingreifen (BSG, Urteil vom 28. April 1999, B 9 V 16/98 R). Es könne daher offen bleiben, ob § 44 Abs. 4 SGB X als allgemeiner Grundgedanke auch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Anwendung finde.

Gegen den ihr am 13. Oktober 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 13. November 2006 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) eingegangene Berufung der Klägerin, mit der diese weiterhin die Gewährung der Halbwaisenrente auch für die Zeit vom 03. September 1993 bis zum 31. Dezember 1999 begehrt.

Im Erörterungstermin vom 18. September 2007 hat die Mutter der Klägerin für diese ergänzend angegeben, man habe ihr auch von Seiten des Reichsbundes gesagt, dass die Ablehnung der Halbwaisenrente im Bescheid vom 13. Februar 1996 zutreffend sei, obgleich sie darauf hingewiesen habe, dass der Verstorbene eigene Beiträge entrichtet habe. Daraufhin habe sie sich mehrfach, sowohl persönlich wie auch telefonisch, an den Mitarbeiter der Beklagten Herrn E und auf dessen Rat auch an die AB-Stelle gewandt. Dort sei ihr ein Formular für die Einlegung eines Widerspruchs gegeben worden, das sie unterschrieben habe. Sie habe auch eine Widerspruchsbegründung gefertigt und diese an die Fallgruppe sowie die Widerspruchsstelle gesandt, wie ihr in der AB-Stelle geraten worden sei. Sie könne sich nicht erklären, warum in den Verwaltungsakten keine Widerspruchsbegründung vorliege. Den Widerspruch habe sie dann gleichwohl zurückgenommen, weil ihr Herr E und auch die Dame von der Widerspruchsstelle auf ihre Nachfrage, wann die große Witwenrente ausbezahlt werde, gesagt hätten, der Widerspruch "blockiere den Akt". Auf ihre Frage, was denn die Witwenrente mit der Waisenrente zu tun habe, sei ihr gesagt worden, dass das als "ganzes Paket" behandelt werde. Sie habe daraufhin den Widerspruch zurückgenommen, weil sie damals in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage gewesen sei.

In einem weiteren Erörterungstermin vom 29. Februar 2008 hat die Klägerin Kopien von Kalenderaufzeichnungen betreffend ihre Telefongespräche mit der Beklagten überreicht sowie des Weiteren eine Ablichtung der Begründung des Widerspruchs vom 28. März 1996, auf die hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird.

Die Berichterstatterin hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sozialversicherungsfachangestellten T K (ehemals E). Der Zeuge hat im Wesentlichen angegeben, er könne sich an den Sachverhalt und die Anrufe der Mutter der Klägerin nicht erinnern und erkenne auch die anwesende Frau B nicht wieder. Für den Fall, dass Frau B ihn um Rat gefragt hätte, hätte er sie an die AB-Stelle verwiesen. Des Weiteren wurde der Jurist N W vom Sozialverband Deutschland e. V. (ehemals Reichsbund) als Zeuge vernommen. Er hat ebenfalls angegeben, sich an den Fall überhaupt nicht erinnern zu können, da er so etwa vierzig Beratungen in der Woche habe und Akten nicht mehr vorhanden seien; diese würden nach zehn Jahren vernichtet werden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. Februar 2008 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 05. Oktober 2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 05. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2004 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 13. Februar 1996 auch insoweit zurückzunehmen, als die Zahlung von Halbwaisenrente auch für die Zeit vom 03. September 1993 bis zum 31. Dezember 1999 abgelehnt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und macht ergänzende Angaben zum Verfahrensablauf, so wie er sich aus der Verwaltungsakte ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten () sowie auf den Vorgang der BG, Bezirksverwaltung Berlin, (Aktenzeichen ) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zurücknahme des Bescheides vom 13. Februar 1996 auch insoweit, als die Zahlung von Halbwaisenrente für die Zeit vom 03. September 1993 bis zum 31. Dezember 1999 abgelehnt worden ist.

Da der die Auszahlung der Halbwaisenrente ablehnende Bescheid vom 13. Februar 1996 nach Zurücknahme des ursprünglich hiergegen eingelegten Widerspruchs bestandskräftig geworden war, konnte eine Zurücknahme des bestandskräftigen Bescheides nur unter den Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfolgen. Nach dieser Vorschrift sind Verwaltungsakte, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei ihrem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist. Die Beurteilung, ob die Beklagte im Rahmen des Rücknahme- und Neufeststellungsverfahrens das Recht unrichtig angewendet hat, richtet sich nach der Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 13. Februar 1996. Die Klägerin hatte nach dem Tode ihres Vaters Anspruch auf Halbwaisenrente (§ 48 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]). Der Bescheid vom 13. Februar 1996 war insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Halbwaisenrente nach § 48 SGB VI angerechnet hatte. Nach § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI (in der damals noch geltenden Fassung vom 25. Juli 1991) wurde die Rente, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung bestand, zwar insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag überstieg. Als Ausnahme davon bestimmte jedoch § 93 Abs. 5 Nr. 2 SGB VI, dass die Absätze 1 bis 4 u. a. dann nicht angewendet wurden, wenn die Rente aus der Unfallversicherung auf eigener Beitragsleistung des Versicherten beruhte, was hier der Fall war. Der Bescheid vom 13. Februar 1996 entsprach also bei seinem Erlass nicht der damals noch geltenden Gesetzeslage. Dies hat auch die Beklagte anerkannt.

Zwar wurde durch Art. 1 Nr. 17 des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I 1461) in die Vorschrift des § 93 Abs. 5 SGB VI mit Satz 3 eine Ausnahmevorschrift eingefügt, dass § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI insoweit eine Einschränkung erfahre, als er nicht auf Hinterbliebenenrenten anzuwenden sei. Gegen die gleichzeitig angeordnete Rückwirkung dieser Ausnahmevorschrift zum 01. Januar 1992 (Art. 12 Abs. 8 WFG) wurden allerdings von Seiten der Rechtsprechung verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht und der Zeitpunkt, von dem ab die Vorschrift unbedenklich angewendet werden könne, wurde unterschiedlich bestimmt, aber frühestens mit Wirkung vom Gesetzesbeschluss vom 09. Juli 1996 an angenommen (vgl. Vorlagebeschluss des BSG vom 28. Mai 1997, 8 RKn 27/95 u. a., in juris; vom BVerfG mit Beschluss vom 20. Februar 2002 als unzulässig zurück gewiesen, 1 BvL 19/97 u. a.; vgl. ferner Urteile des BSG vom 13. März 2002, B 8 KN 4/00 R, SozR 3-2600 § 93 Nr. 11 S. 106; vom 26. Februar 2003, B 8 KN 11/02 R, SozR 4-2600 § 93 Nr. 4 Rnr. 9; vom 31. März 1998, B 4 RA 59/96 R und Beschluss vom 18. August 2004, B 8 KN 18/03 B, jeweils in juris). Da es sich mit dem Ausschluss der Hinterbliebenenrenten jedoch um ein Versehen des Gesetzgebers gehandelt hatte, wurde die Vorschrift mit dem Rentenreformgesetz 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I, 2998) mit Wirkung vom 01. Januar 1998 korrigiert. Die Anrechnung der Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung hatte möglicherweise für einen Zeitraum ab dem 09. Juli 1996 der Rechtslage entsprochen, war dann aber aufgrund der Korrektur im Rentenreformgesetz 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I, 2998) ab dem 01. Januar 1998 wieder rechtswidrig geworden.

Gleichwohl findet sich für die von der Klägerin begehrte Rücknahme des rechtswidrigen bestandskräftigen Bescheides vom 13. Februar 1996 für den Zeitraum vor dem 01. Januar 2000 keine Rechtsgrundlage. Denn gemäß § 44 Abs. 4 SGB X werden bei Rücknahme eines Verwaltungsaktes für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 S. 2 SGB VI). Nur wenn die Rücknahme auf Antrag erfolgt, ist an Stelle des Zeitpunktes der Rücknahme der frühere Zeitpunkt der Antragstellung für die Berechnung des Zeitraumes der rückwirkenden Leistungserbringung maßgeblich (§ 44 Abs. 4 S. 3 SGB VI). Die Beklagte hat daher in zutreffender Weise ausgehend von dem Erlass des Rücknahmebescheides am 05. August 2004 die Halbwaisenrente für den Zeitraum von vier Jahren vor dem 01. Januar 2004, d. h. für die Zeit ab dem 01. Januar 2000 nachgezahlt. Ob nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben eine Anknüpfung der Berechnung des Zeitraumes der rückwirkenden Leistungserbringung an einen früheren Zeitpunkt als den Erlass des Rücknahmebescheides möglich ist, wie vom Senat zur Auslotung einer vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreites in der mündlichen Verhandlung am 18. September 2008 erörtert, kann letztlich offen bleiben. Diesbezüglich liegt höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vor und in der Literatur finden sich nur ganz vereinzelt Stimmen für einen Ausgleich im Rahmen eines Herstellungsanspruches für den Fall, dass die Behörde den Erlass des Rücknahmebescheides ohne triftigen Grund verzögert und dem Versicherten hinsichtlich der Vierjahresfrist hieraus ein Nachteil entsteht (vgl. Waschell in LPK-SGB X, 2. Aufl. 2007, § 44 Rnr. 59 m. w. N.). Dies würde zumindest voraussetzen, dass die für die Bearbeitung der Halbwaisenrentenangelegenheit der Klägerin bei der Beklagten zuständige Sachbearbeitung bereits vor dem 01. Januar 2004 die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 13. Februar 1996 erkannt und ohne triftigen Grund die Rücknahme des Bescheids verzögert hatte. Vorliegend vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die für die Bearbeitung der Halbwaisenrentenangelegenheit zuständige Sachbearbeitung bereits vor dem 01. Januar 2004 von der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 13. Februar 1996 Kenntnis erlangt hatte. Zwar gab die handschriftliche Wiedervorlagefrist des Zeugen K (ehemals E) im Rahmen der Prüfung einer Neuberechnung der Hinterbliebenenrente der Mutter der Klägerin zum 01. Juli 2003 unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Einkommensänderungen Anlass für derartige Überlegungen. Wäre bereits damals die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 13. Februar 1996 erkannt worden, wäre die Zurücknahme des Bescheids ein Jahr früher möglich gewesen und die Halbwaisenrente hätte unter Berücksichtigung der Ausschlussfrist nach § 44 Abs. 4 SGB X bereits ab dem 01. Januar 1999 nachgezahlt werden können. So heißt es in der Verfügung vom 31. Juli 2003, nach dem unter Punkt 1 die Mutter der Klägerin zur Mitteilung ihrer Einkommensverhältnisse aufgefordert worden ist, unter Punkt 2: "WV. 15.8.03/Rückl. Pkt. 1, RAV BX 01, Überprüfung BX 02 durch E". Eine Wiedervorlage am 15. August 2003 sowie eine Überprüfung des BX 02 (der Halbwaisenrente) ergibt sich jedoch nicht aus den Akten. Vielmehr lässt sich, nach dem die Mutter der Klägerin am 05. August 2003 telefonisch mitgeteilt hatte, dass ihre Einkommensverhältnisse sich nicht verändert hätten, eine weitere Bearbeitung der Angelegenheit vor dem 05. August 2004 nicht entnehmen. Aus der Verfügung vom 31. Juli 2003 kann allenfalls geschlossen werden, dass der Zeuge K sich die Wiedervorlagefrist für die abschließende Prüfung der Höhe der Witwenrente wegen evtl. geänderter Einkommensverhältnisse gesetzt hatte. Soweit er sich gleichzeitig die Prüfung der Halbwaisenrente vorgemerkt hatte, kann diesem kurzen Vermerk schon nicht entnommen werden, aus welchen Gründen er eine von ihm noch vorzunehmende Überprüfung für notwendig erachtet hatte. Erst Recht verbietet sich der Schluss, dass der Zeuge K zu diesem Zeitpunkt bereits die Fehlerhaftigkeit des die Zahlung der Halbwaisenrente ablehnenden Bescheides von 1996 erkannt hatte. Unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen K im Erörterungstermin vom 29. September 2008, sich an den Fall nicht mehr konkret erinnern zu können, sieht der Senat auch keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten. Es lässt sich daher nicht feststellen, dass dem Zeugen K bei Setzung der Wiedervorlagefrist überhaupt die Fehlerhaftigkeit des Bescheids vom 13. Februar 1996 aufgefallen war und dass er die Rücknahme des Bescheides ohne triftigen Grund verzögert hätte. Aus welchen Gründen die Akte zu der gesetzten Frist nicht vorgelegt wurde und die weitere Bearbeitung des Falles erst ein Jahr später erfolgte, war ebenfalls nicht feststellbar. Abgesehen davon, werden gewisse zeitliche Verzögerungen bei der Zurücknahme eines als rechtswidrig erkannten Bescheides bereits dadurch ausgeglichen, dass in § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X angeordnet wird, dass der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird, und nicht vom Rücknahmedatum an gerechnet wird.

Ein Rentennachzahlungsanspruch für Zeiten vor dem 01. Januar 2000 lässt sich auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ableiten.

Dieser beruht auf der Erwägung, dass für den Versicherungsträger mit der Begründung eines Sozialrechtsverhältnisses nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bestimmte Nebenpflichten, insbesondere die Pflicht zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 1. Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]), erwachsen. Verletzt der Versicherungsträger eine ihm dem Betroffenen gegenüber obliegenden Pflicht und fügt er diesem dadurch einen rechtlichen Nachteil zu, so soll der Versicherte über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als stehe ihm das infolge der Pflichtverletzung beeinträchtigte Recht noch in vollem Umfang zu. Die Rechtsprechung des BSG hat die Annahme eines Herstellungsanspruchs an drei Voraussetzungen geknüpft. Der auf Herstellung in Anspruch genommene Leistungsträger muss eine ihm gerade diesem Anspruchsteller gegenüber obliegende (Haupt- oder Neben-)Pflicht aus seinem Sozialrechtsverhältnis (objektiv) rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt haben, hierdurch muss ein sozialrechtlicher Nachteil bewirkt worden sein und diese Pflichtverletzung muss als nicht hinweg denkbare Bedingung (ursächlich) bewirkt haben, dass dem Betroffenen ein (verfahrensrechtliches oder materielles Leistungs-, Gestaltungs- oder Abwehr-) Recht, das ihm nach den Vorschriften des SGB gegen den Leistungsträger zugestanden hat oder ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte, nicht mehr, nicht in vollem Umfang oder überhaupt nicht mehr zusteht. Schließlich muss die verletzte Pflicht darauf gerichtet gewesen sein, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (vgl. hierzu ausführlich BSG in SozR 3 – 2600 § 58 Nr. 2).

Eine derartige Pflichtverletzung durch die Beklagten ist jedoch nicht festzustellen. Allein die fehlerhafte Rechtsanwendung bei Erlass des Bescheids vom 13. Februar 1996, die einen Rücknahmeanspruch nach § 44 Abs. 1 und 4 SGB X begründet, reicht dafür nicht aus. Ob nach Erlass eines rechtwidrigen Bescheids, der die Gewährung von Sozialleistungen ablehnt, erfolgte Pflichtverletzungen einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen können, ist zweifelhaft. Denn der Bescheid dürfte schon die wesentliche Bedingung für den sozialrechtlichen Nachteil, d. h. die Nichtgewährung einer zustehenden Sozialleistung, darstellen. Soweit die Klägerin eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung darin sieht, von Mitarbeitern der Beklagten hinsichtlich der Erfolgsaussicht Ihres Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid vom 13. Februar 1996 falsch beraten und zur Zurücknahme des Widerspruchs durch Vorenthaltung der Rentennachzahlung genötigt worden zu sein, hat sich ein solcher Sachverhalt zudem nicht beweisen lassen.

Die Mutter der Klägerin behauptet zwar, der Zeuge K (ehemals E) habe die Auskunft erteilt, dass kein Anspruch auf Halbwaisenrente bestehe bzw. diese nicht zur Auszahlung komme. Eine derartige Auskunft des Zeugen K gegenüber der Mutter der Klägerin konnte jedoch nicht festgestellt werden. Als Zeuge hat er im Erörterungstermin vom 29. Februar 2008 nach Einsicht in die Verwaltungsakten angegeben, er könne sich an den Sachverhalt und die Anrufe der Mutter der Klägerin nicht erinnern und könne nur sagen, dass er Frau B zur Einholung einer Auskunft an die AB-Stelle verwiesen hätte, er selbst halte sich mit Auskünften über die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs zurück. Diese Aussage erscheint auch plausibel. Die Mutter der Klägerin hat sich auf Rat von Herrn K tatsächlich an die AB-Stelle gewandt. Nachvollziehbar ist auch, dass ein Sachbearbeiter der Beklagten, schon unter Berücksichtigung der von ihm geschilderten arbeitsteiligen Vorgehensweise und unter Berücksichtigung der schwierigen Rechtslage und des Umstandes, dass ihm die Verwaltungsakte zum fraglichen Zeitpunkt nicht vorgelegen hat, keine Auskünfte über den Erfolg eines eingelegten Widerspruchs geben würde, zumal dieser nicht von ihm, sondern von der Widerspruchsstelle zu bescheiden gewesen wäre. Im Übrigen gibt die Mutter der Klägerin selbst an, Herr K habe ihr gesagt, sie könne gegen den Bescheid Widerspruch einlegen, wenn sie ihn für falsch halte, so dass nicht einleuchtet, warum er ihr in einem weiteren Gespräch zur Rücknahme geraten haben sollte. Gegen eine Pflichtverletzung spricht auch der Umstand, dass die Mutter der Klägerin bei ihrem Besuch in der AB-Stelle der Beklagten von der dort tätigen Mitarbeiterin ein Formular zur Einlegung des Widerspruchs sowie Kopien des Gesetzestextes (§§ 93 bis 95 SGB VI) mit entsprechender Markierung der einschlägigen – günstigen - Passagen erhalten hat (siehe Angaben der Mutter der Klägerin im Erörterungstermin vom 18. September 2007). Auch hieraus ist zu schließen, dass ihr Entscheidungsgrundlagen an die Hand gegeben werden sollten, um ihren Widerspruch zu prüfen oder zu begründen, nicht aber, um sie zur Rücknahme zu veranlassen. Soweit die Mutter der Klägerin weiter vorträgt, sowohl Herr K wie auch die Dame von der Widerspruchstelle hätten ihr auf die Nachfrage, wann die große Witwenrente ausgezahlt werde, den Rat gegeben, den Widerspruch zurückzunehmen, da dieser "den Akt behindere", mag durchaus der Hinweis ergangen sein, dass sich eine Auszahlung verzögern würde, wenn die Akten in der Widerspruchsstelle benötigt würden. Dies findet Bestätigung in dem Vermerk des Sachbearbeiters R vom 16. April 1996 über das mit der Mutter der Klägerin geführte Telefonat, die sich nach der Abrechnung des Erstattungsanspruches des Sozialamtes erkundigte und der eine Auskunft mit der Begründung nicht erteilt werden konnte, dass die Akte sich bei der Widerspruchsstelle befinde. Gleiches ist dem Vermerk des Sachbearbeiters K über das Telefonat mit der Mutter der Klägerin vom 29. April 1996 zu entnehmen. Bei der Annahme der Mutter der Klägerin, sie "müsse den Widerspruch zurücknehmen, sonst kein Geld" (Kalenderaufzeichnungen unter dem 16. April 1996) kann es sich daher nur um ein Missverständnis handeln. Zu den Eintragungen in den in Kopie übergebenen Kalenderblättern ist zudem anzumerken, dass diese in unterschiedlichen Handschriften ausgeführt sind, deren Verfasser jedoch nicht erkennbar sind.

Selbst wenn man aber annähme, der Mutter der Klägerin sei von Seiten der Beklagten geraten worden, den Widerspruch zurückzunehmen, ließe sich die Ursächlichkeit zwischen diesem – unterstellten – Pflichtenverstoß und dem sozialrechtlichen Nachteil nicht feststellen. Die Mutter der Klägerin war zur damaligen Zeit vom Reichsbund vertreten und war dort nach ihren Angaben im Erörterungstermin vom 18. September 2007 auf die Erfolglosigkeit ihres Widerspruches gegen den Halbwaisenrentenbescheid hingewiesen worden. Hierfür spricht auch der Vermerk des Sachbearbeiters R über das Telefonat mit der Mutter der Klägerin vom 16. April 1996, wonach diese mitgeteilt habe, dass der Reichsbund vor 3 bis 4 Wochen schon den Widerspruch zurücknehmen wollte. Bei dieser Fallkonstellation ließe sich nicht feststellen, ob eine – unterstellte – unrichtige Belehrung durch die Beklagte oder eine unrichtige Belehrung durch den Reichsbund die Mutter der Klägerin zur Zurücknahme des Widerspruchs veranlasst hat. Ein Herstellungsanspruch könnte aber nur dann bejaht werden, wenn die - unterstellte – Pflichtverletzung die wesentliche Bedingung für das Entstehen des sozialversicherungsrechtlichen Nachteils gewesen ist. Eine nähere Aufklärung des Sachverhalts war dem Gericht auch nicht anhand der Bekundungen der Zeugen K und Wmöglich. Beide konnten sich nicht an Einzelheiten der Gespräche erinnern, dies erscheint unter Berücksichtigung des langen Zeitablaufs von mehr als zehn Jahren auch plausibel. Unterlagen über das Mandatsverhältnis mit der Mutter der Klägerin liegen beim Reichsbund nicht mehr vor.

Im Übrigen dürfte auch bei Annahme eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die rückwirkende Leistungserbringung auf vier Jahre begrenzt sein. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteile vom 27. März 2007, B 13 R 34/06 R und B 13 R 58/06 R, in juris; vom 28. Januar 1999, B 14 EG 6/98 B, in SozR 3 – 1300 § 44 Nr. 25; vom 14. Februar 2001, B 9 V 9/00 R, in SozR 3 – 1200 § 14 Nr. 31; jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) wird überwiegend die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB VI sei insoweit entsprechend anzuwenden, da sowohl bei der nachträglichen Korrektur eines bindenden belastenden Verwaltungsaktes (§ 44 SGB X) als auch beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch eine vergleichbare Interessenlage bestehe. In beiden Fällen werde vom Leistungsträger das Recht unrichtig angewandt und in beiden Fällen erhalte der Leistungsberechtigte nicht die ihm zustehende Leistung. Daher könne es für den zeitlichen Umfang der rückwirkenden Leistung nicht wesentlich sein, ob der Leistungsträger eine Leistung durch Verwaltungsakt zu Unrecht versage oder er aus anderen, ihm zuzurechnenden Gründen den Berechtigten nicht in den Leistungsgenuss kommen lasse. Insbesondere könne die Verletzung einer Nebenpflicht nicht weiter reichen als der Anspruch nach § 44 SGB X als Rechtsfolge der Verletzung einer Hauptpflicht Für die Gleichbehandlung der Fälle einer nachträglichen Korrektur eines bindenden Verwaltungsaktes mit denen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches spreche auch, dass hiermit im Grenzbereich beider Rechtsinstitute unterschiedliche Rechtsfolgen vermieden werden. Auch in Anwendungsfällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X sei die Rückwirkung zugunsten des Betroffenen auf vier Jahre begrenzt (Abs. 4). Ein abschließendes Regelungskonzept durch § 99 SGB VI, § 44 Abs. 4 SGB 10 und § 45 SGB 1 liege nicht vor (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 13 R 34/06 R, a. a. O.). Weil der Gesetzgeber bisher von einer gesetzlichen Regelung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches abgesehen habe, bestehe auch keine Sperre, ein richterrechtlich entwickeltes Rechtsinstitut durch analoge Übernahme einer neuen gesetzlichen Regelung wie der des § 44 Abs. 4 SGB X fortzuentwickeln. Die in der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl. Urteil vom 26. Juni 2007, B 4 R 19/07 R, in juris; Urteil vom 06. März 2003, B 4 RA 38/02 R, in SozR 4 - 2600 § 115 Nr. 1; Urteil vom 02. August 2000, B 4 R 54/99 7 R, in SozR 3-2600 § 99 Nr. 5) geäußerte entgegenstehende Rechtsansicht, auf die die Klägerin sich bezieht, erfolgte bisher nur außerhalb der die jeweilige Entscheidung tragenden Gründe und bezog sich nur auf Erstfeststellungsverfahren, d. h. Verfahren, in denen die Verzögerung der erstmaligen Bescheidung eines Leistungsantrages/-anspruches auf Pflichtverletzungen der Behörde beruhte. Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben, da hier Pflichtverletzungen nach Bescheidung des Leistungsantrages geltend gemacht werden.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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