L 25 B 1774/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AS 18078/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1774/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2008 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller – jeweils begrenzt durch den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens – für die Monate Juni bis November 2008 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 1.846,41 EUR sowie für die Zeit ab dem 1. Dezember 2008, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 329,54 EUR monatlich durch Zahlung auf das Mieterkonto bei der , zu leisten. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten des Verfahrens für beide Instanzen zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2007 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn der genannte Beschluss ist unzutreffend, soweit dem Antragsteller hiermit die nunmehr im Wege der einstweiligen Anordnung zuerkannten Leistungen versagt worden sind. Insoweit hat der Antragsteller nämlich sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Unter Beachtung des sich aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes ergebenden Gebots effektiven Rechtsschutzes erweist sich die Sache zunächst hinsichtlich aller zuerkannten Leistungen als eilbedürftig. Denn dem Antragsteller ist es insoweit nicht zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Er ist nach Lage der Akten nicht dazu in der Lage, die zuerkannten Leistungen selbst zu finanzieren oder sich auf sonstige Weise selbst zu helfen, benötigt diese Leistungen jedoch, um in der von ihm bereits seit dem 1. Dezember 1987 bewohnten Wohnung weiterhin verbleiben zu können. Denn wie sich aus dem Schreiben seines Vermieters vom 27. November 2008 ergibt, ist Letzterer nur dann dazu bereit, das zwischenzeitlich mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 wegen Zahlungsverzugs (erneut) fristlos gekündigte Mietverhältnis fortzusetzen bzw. neu zu begründen, wenn die in der Zeit seit dem 1. Juni 2008 aufgelaufenen Mietrückstände in Höhe von 1.846,41 EUR ausgeglichen werden, die ersichtlich darauf zurückzuführen sind, dass der Antragsgegner die laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung bereits seit dem 1. Juni 2008 nur noch anteilig in Höhe von 396,00 EUR monatlich erbringt. Zudem kann der Antragsteller die von ihm bewohnte Wohnung auch zukünftig nur dann für sich als Wohnung erhalten, wenn ihm vom Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (1. Dezember 2008) an auch die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 725,54 EUR monatlich gezahlt werden.

Des Weiteren ist hinsichtlich der zuerkannten Leistungen auch ein Anordnungsanspruch zu bejahen, weil bei summarischer Prüfung davon auszugehen ist, dass der Antragsteller auch für die Zeit ab dem 1. Juni 2008 gemäß § 22 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches Anspruch auf die Gewährung seiner tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung hat. Wie das Sozialgericht mit Recht ausgeführt hat, ist die vom Antragsteller bewohnte 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 85,37 m² und einer Warmmiete von 725,54 EUR monatlich für einen Alleinstehenden zwar unangemessen groß und teuer. Nach Lage der Akten steht jedoch weiterhin nicht hinreichend sicher fest, dass es dem Antragsteller zuzumuten sein könnte, seine Unterkunftskosten durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken. Der Antragsgegner hat zwar, nachdem er durch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit seinen Beschlüssen vom 14. Juni 2007 und 8. August 2007 (L 14 B 492/07 AS ER und L 14 B 1192/07 AS ER) im Wege einstweiliger Anordnungen dazu verpflichtet worden war, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Mai 2007 und vom 1. Juni bis zum 30. November 2007 die Kosten der Unterkunft und Heizung (abzüglich geringfügiger Abschläge) in voller Höhe zu zahlen, ein medizinisches Gutachten dazu eingeholt, ob einem Umzug des Antragstellers gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Dieses Gutachten vom 21. Januar 2008 ist jedoch nur nach Aktenlage erstellt worden und stützt sich auf Befundberichte, die in den überreichten Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners nicht abgeheftet sind und sich deshalb nicht überprüfen lassen, was dem Gutachten als solchem die Überzeugungskraft nimmt. Überdies spricht bei summarischer Prüfung vieles dafür, dass der Antragsgegner den Antragsteller mit Blick auf das Gutachten vom 21. Januar 2008, das dem Antragsteller erst im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens bekannt gegeben worden ist, erneut dazu hätte auffordern müssen, seine Unterkunftskosten binnen einer Frist von sechs Monaten zu senken, bevor er die Kosten der Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe der aus seiner Sicht angemessenen Kosten leistet. Dies gilt hier erst recht vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner nach Erteilung seiner Kostensenkungsaufforderung vom 15. Mai 2006 durch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in den oben genannten Beschlüssen bereits zweimal darauf hingewiesen worden ist, dass einem Wohnungswechsel gesundheitliche Gründe entgegenstehen könnten, und der Antragsgegner darüber hinaus von sich aus für den Leistungszeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung gewährt hat, ohne in irgendeiner Weise darauf aufmerksam zu machen, dass diese Kosten aus seiner Sicht überhöht seien.

Die durch den Senat im Wege der einstweiligen Anordnung ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners musste allerdings – ohne dass hiermit für den Antragsteller bei sachdienlicher Auslegung seiner Anträge ein Unterliegen im hiesigen Verfahren verbunden wäre – zunächst dahingehend eingeengt werden, dass die von ihr erfassten Leistungen nicht an den Antragsteller, sondern direkt auf das ihn betreffende Mietkonto seines Vermieters gezahlt werden, um auf diese Weise sicherzustellen, dass die der Fortsetzung bzw. der Neubegründung seines Mietverhältnisses dienenden Beträge seinen bisherigen Vermieter auf dem schnellsten Wege sicher erreichen. Des Weiteren musste die ausgesprochene Verpflichtung unter den Vorbehalt des rechtskräftigen Abschlusses des Hauptsacheverfahrens gestellt und hinsichtlich der zukünftigen Leistungen ab dem 1. Dezember 2008 auf die Dauer von längstens sechs Monaten befristet werden, weil eine einstweilige Anordnung nicht über das im Hauptsacheverfahren erreichbare Ziel hinausgehen darf und der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bislang nur bis zum 31. Mai 2009 bewilligt hat. Die Möglichkeit, bei veränderten Umständen eine frühere Aufhebung oder Abänderung der einstweiligen Anordnung in analoger Anwendung von § 86 b Abs. 1 Satz 4 SGG zu erreichen, bleibt hiervon unberührt.

Zurückzuweisen war die Beschwerde demgegenüber jedoch, soweit sie für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. November 2008 den Betrag betrifft, der sich ergibt, zieht man von den vom Antragsgegner abgelehnten Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von (725,54 EUR - 396,00 EUR) = 329,54 EUR monatlich die für die genannte Zeitspanne nur noch bestehenden Mietrückstände in Höhe von 1.846,41 EUR ab. Denn hinsichtlich dieses Betrages in Höhe von 130,83 EUR fehlt es an einem Anordnungsgrund, weil insoweit keine gegenwärtige Notlage mehr besteht. Insoweit sind nämlich ausweislich des Schreibens seines Vermieters vom 27. November 2007 Mietrückstände nicht aufgelaufen, weil der Antragsteller selbst monatlich geringfügig höhere Unterkunftskosten gezahlt hat, als ihm bewilligt worden sind, und im Übrigen der Vermieter die dem Antragsteller zustehenden Guthaben aus den Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für das Jahr 2007 auf die offenen Mietkosten angerechnet hat.

Die in dem Schreiben des Vermieters vom 27. November 2008 erwähnten Anwalts- und Gerichtskosten sieht der Senat nicht als verfahrensgegenständlich an. Denn sie sind gegenüber dem Antragsteller bislang nicht geltend gemacht worden und müssten gegebenenfalls zum Gegenstand eines weiteren vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemacht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Antragsteller im Wesentlichen mit seinem Begehren durchgedrungen ist.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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