L 20 B 1261/08 AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 114 AS 26936/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 B 1261/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2008 aufgehoben.

Die Staatskasse hat dem Kläger die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 150,00 EUR sowie gegen die für den Fall der Nichtbeitreibung angedrohte Ersatzhaft.

In dem seit dem 23. Oktober 2007 beim Sozialgericht Berlin zum Az.: S 114 AS 26936/07 geführten Klageverfahren begehrt der Kläger die Verurteilung des Trägers der Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - (SGB II - Träger), entstandene notwendige Aufwendungen im Widerspruchsverfahren in Höhe von 35,00 EUR zu erstatten sowie hilfsweise die Verurteilung des SGB II - Trägers, ihm, dem Kläger, Reisekosten zu einem Gerichtstermin zu erstatten. Nachdem der Kläger zunächst mit gerichtlichem Schreiben vom 26. November 2007 davon unterrichtet worden war, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und der Kläger hierauf schriftsätzlich sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid erklärt hatte, hat das Sozialgericht die Beteiligten zu einem Erörterungstermin für den 23. Mai 2008 geladen und das persönliche Erscheinen des Klägers nach § 106 Abs. 3 Nr. 7 Sozialgerichtsgesetz SGG – angeordnet. Auf den Antrag des Klägers vom 25. März 2008, den Termin auf den 21. April oder 28. April 2008 bzw. nicht vor dem 15. Juni 2008 zu verlegen, wurde der Erörterungstermin auf den 13. Juni 2008 verlegt und mit der Umladung auf den Inhalt der ersten Ladung verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2008, eingegangen beim Sozialgericht am 28. Mai 2008, hat der Kläger beantragt, den anberaumten Termin zu verlegen und zur Begründung vorgetragen, er sei zum 15. Juni 2008 gekündigt worden und verbringe seinen Erholungsurlaub in der Zeit vom 03. Juni bis 15. Juni 2008 nicht in Berlin. Der Kläger hat sein Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung erklärt. Das Sozialgericht hat daraufhin um Übersendung einer Kopie der Reiseunterlagen, aus denen sich die örtliche Abwesenheit des Klägers ergeben sollte, gebeten. Mit Schreiben vom 30. Mai 2008 hat der Kläger ausgeführt, es sei allgemein unüblich, sich bei Privatreisen zu Bekannten und Freunden von diesen zuvor eine Reisebestätigung aushändigen zu lassen. Sollte das Sozialgericht eine namentliche Benennung der Bekannten in Baden Württemberg wünschen, verweise er auf die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes. Sollten seine Ausführungen nicht für ausreichend befunden werden, sei er mit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit einverstanden. Der Kläger hatte dem Schreiben Ablichtungen des Kündigungsschreibens seines Arbeitgebers und seines Urlaubsantrages beigefügt.

Das Sozialgericht hat am 13. Juni 2008 den Erörterungstermin mit der anwesenden Vertreterin des SGB II – Trägers durchgeführt, der Kläger ist dem Termin ferngeblieben.

In der Niederschrift zu dem Termin ist u.a. aufgenommen worden, dass das Gericht die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 150,00 EUR gegen den Kläger als erforderlich ansehe, da der Termin zur Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich der entstandenen Fahrkosten sowie der Notwendigkeit des Erscheinens in Freiburg gedient habe. Ferner sollten in dem Termin mit dem Kläger über die Erfolgsaussichten des Verfahrens gesprochen werden. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens sei erforderlich gewesen. Weiter ist in der Niederschrift die Absicht des Gerichts aufgenommen worden, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Mit Beschluss vom 13. Juni 2008, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2008 hat das Sozialgericht dem Antragsteller ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 EUR, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft "für je 50,00 EUR" auferlegt und zur Begründung angeführt, das Gericht habe das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet, da dies zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig gewesen sei, um die "Umstände der Fahrt nach Freiburg etc. zu ermitteln". Der ordnungsgemäß geladene Kläger sei der Sitzung fern geblieben. Im Übrigen habe der Termin zur Darlegung der Rechtsansichten dienen sollen, um eine Lösung in diesem Falle zeitnah zum Klageeingang zu finden. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 150,00 EUR sei im konkreten Fall geboten gewesen. Bei der Festsetzung könne das Gericht in seiner Entscheidungsfindung den Grund der Pflichtverletzung, die Bedeutung der Angelegenheit für den Prozess und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen einbeziehen. Der Termin sei ursprünglich auf den 26. Mai 2008 bestimmt und auf Bitten des Antragstellers verlegt worden. Eine neue Verlegung sei nach dem Vorbringen des Klägers nicht in Betracht zu ziehen gewesen. Die urlaubsbedingte Abwesenheit sei zum einen nicht glaubhaft gemacht gewesen und zum anderen sei der Entschluss erst nach Verlegung des Termins vom 26. Mai 2008 gefasst worden. Der Kläger habe bei der Urlaubsplanung den gerichtlichen Termin zu berücksichtigen gehabt.

Mit seiner Beschwerde vom 28. Juni 2008 macht der Kläger geltend, seine persönliche Ladung sei ohne jegliche Begründung erfolgt und damit mutwillig gewesen. Sein Erscheinen sei nicht notwendig gewesen. Das Gericht hätte von vornherein durch Gerichtsbescheid entscheiden können. Bereits bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens sei das Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt worden. Auch die Verhängung des Ordnungsgeldes sei ermessensfehlerhaft. Sein Verlegungsantrag habe nicht die ihm gebührende Achtung gefunden.

Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass der Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben sei. Dem Verlegungsantrag hätte durchaus noch problemlos entsprochen werden können.

Hinsichtlich der weitern Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren und zu dem beim Sozialgericht Berlin anhängigen Verfahren S 114 AS 26936/07 verwiesen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hätte kein Ordnungsgeld festsetzen dürfen.

Nach § 202 Sozialgerichtsgesetz SGG i. V. m. § 141 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung ZPO kann einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen wie hier zu einem Termin angeordnet worden ist und der im Termin ausbleibt, ein Ordnungsgeld auferlegt werden, wie gegen einem im Verhandlungstermin nicht erschienenen Zeugen. Nach § 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist der Beteiligte auf die Folgen seines Ausbleibens mit der Ladung hinzuweisen. Nach der mit den Akten vorliegenden Ladungsverfügung ist der Kläger bei der Ladung zunächst für den am 23. Mai 2008 vorgesehenen Erörterungstermin auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden. Nachdem der Kläger jedoch mit Schriftsatz vom 27. Mai 2008 nach Umladung des Termins auf den 13. Juni 2008 erneut einen Verlegungsantrag gestellt hatte und, auf Anforderung des Sozialgerichts, zu der von ihm zu seinem Verlegungsantrag dargelegten Begründung mit Schriftsatz vom 30. Mai 2008 weiter vorgetragen und Unterlagen eingereicht hatte, war nach § 202 SGG i. V. m. § 227 Abs. 4 ZPO über die Verlegung des Termins zu entscheiden. Eine solche Entscheidung ist vor Durchführung des Erörterungstermins am 13. Juni 2008 durch das Sozialgericht nicht ergangen. Nach dem Inhalt der Gerichtsakten ist der Kläger auch nicht darauf hingewiesen worden, dass nach Auffassung des Gerichts die angegebene Begründung den Verlegungsantrag nicht trägt. Erst mit dem angefochtenen Ordnungsgeldbeschluss hat das Sozialgericht den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass die vorgetragenen Gründe für den Verlegungsantrag nicht als ausreichend erachtet wurden. Damit fehlte es jedoch im Hinblick auf den Verlegungsantrag an einem erneuten Hinweis gemäß § 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO, um dem Kläger die Folgen seines Ausbleibens trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens zu verdeutlichen. Der Kläger ist hier in der Ungewissheit gelassen worden, ob seinem Vertagungsantrag stattgegeben oder ob - wie von ihm angeregt - der Rechtsstreit mit Gerichtsbescheid entschieden werde, so dass sein persönliches Erscheinen im Termin nicht erforderlich wäre.

Die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist daneben ermessen fehlerhaft. Nach der Vorschrift des § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat das Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Auferlegung eines Ordnungsgeldes sein Ermessen auszuüben und sich dabei an dem Zweck der Vorschrift zu orientieren. Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten zu einem Termin ist, das gerichtliche Verfahren zu fördern. Wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint, kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten angeordnet werden. Vor Verhängung eines Ordnungsgeldes ist daher abzuwägen, ob das Nichterscheinen der Partei zu einem im Sinne des Förderungszwecks ungünstigeren Verlauf des Verfahrens geführt hat, das Verfahren behindert oder verzögert worden ist, eine Entscheidung nicht getroffen werden kann (vgl. Oberlandesgericht – OLG – Frankfurt v. 21. 09. 2006, 24 W 66/06, juris; LSG Berlin-Brandenburg v. 27.10.2008, L 5 b 1180/08 AS).

Nach der mit der angefochtenen Entscheidung mitgeteilten Begründung hat das Gericht das eingeräumte Ermessen nicht am Sinn und Zweck der Vorschrift orientiert ausgeübt. Offensichtlich hält das Sozialgericht eine Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch mündliche Erörterung des Sachverhalts mit dem Kläger nicht für geboten, denn das Gericht beabsichtigt, wie sich bereits aus dem in der Niederschrift zum Termin vom 13. Juni 2008 erteilten Hinweis ergibt, den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 SGG durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Voraussetzung dafür ist nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt bereits geklärt ist. Aus welchen Gründen dann das persönliche Erscheinen des Klägers im Termin vom 13. Juni 200 im Sinne des § 141 Abs. 1 ZPO erforderliche gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Soweit mit dem Beschluss ausgeführt wird, dass der Termin zur Erörterung des Sachverhalts und dem persönlichen Erscheinen des Klägers der zeitnahen Lösung des Rechtsstreits und der Darlegung der Rechtsansichten der Beteiligten habe dienen sollen, trägt das Ausbleiben des Klägers jedenfalls nicht die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 141 Abs. 1 SGG. Die vom Sozialgericht für möglich erachtete Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid ermöglicht eine zeitnahe Entscheidung des Rechtsstreits auch ohne Erscheinen des Klägers und weitere Erörterung; Rechtsansichten können im schriftlichen Verfahren vorgetragen werden, weiterer Vortrag ist offensichtlich auch nach Auffassung des Gerichts nicht erforderlich, da ja beabsichtigt war, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Da im Termin vom 13. Juni 2008 offenbar auch keine Erörterung eines aufklärungsbedürftigen Sachverhalts mit der anwesenden Vertreterin des SGB II-Trägers erfolgt ist, kann auch im Termin nicht eine zuvor erforderlich gehaltene Aufklärung des Sachverhalts erfolgt sein. Daher war offenbar die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts von vornherein nicht erforderlich, die Anordnung nicht zulässig, so dass auch die Verhängung eines Ordnungsgeldes bei Ausbleiben nach § 141 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht kommt. § 141 Abs. 3 ZPO bietet keine Grundlage, eine etwaig angenommene Missachtung des Gerichts zu ahnden.

Für die im angefochtenen Beschluss ausgesprochene Androhung einer ersatzweisen Ordnungshaft fehlt es schon an einer Rechtsgrundlage, da § 141 Abs. 3 ZPO dies nicht vorsieht.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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