L 27 P 19/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 P 435/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 19/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I für den Zeitraum März 2004 bis einschließlich März 2007.

Die im Jahr 1935 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 10. März 2004 die Ge-währung von Leistungen der Pflegestufe I. Die Beklagte holte beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MdK) ein Gutachten ein, in welchem die Ärztin H nach einer Untersu-chung der Klägerin in ihrer Privatwohnung am 8. April 2004 einen Zweitaufwand für Grund-pflege von 31 Minuten täglich und für Hauswirtschaft von 60 Minuten täglich feststellte. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. April 2004 ab und wies den hiergegen ge-richteten Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004 zurück, nachdem beim MdK eine gutachterliche Stellungnahme der Pflegefachkraft Cvom 1. Juli 2004 eingeholt worden war, in welchem ein Zweitaufwand für Grundpflege von 40 Minuten und für Hauswirtschaft von 51 Minuten täglich angegeben wurde.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 13. Oktober 2004 erhobenen Klage weiterverfolgt. Nachdem das Sozialgericht Berlin einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Ortho-päden H vom 6. April 2005 eingeholt, die Klägerin zur Führung eines Pflegetagebuchs vom 18. April bis zum 1. Mai 2005 angehalten und ein Sachverständigengutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. F vom 6. Juli 2005 eingeholt hatte, hat es die Klage mit Urteil vom 20. Dezember 2005 abgewiesen: Die Klägerin sei nicht pflegebedürftig, weil der Grundpflegebe-darf unter Zugrundelegung der durch das Gutachten der Sachverständigen Dr. F und der beim MdK eingeholten vorgerichtlichen Gutachten unter 45 Minuten täglich liege.

Gegen das am 1. März 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. März 2006 Berufung zum Landessozialgericht mit dem Begehren eingelegt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen der Pflegestufe I ab März 2004 zu gewähren.

Nachdem der MdK durch die Pflegefachkraft S am 18. Juli 2007 in der Wohnung der Klägerin eine Untersuchung hatte vornehmen und unter dem 23. Juli 2007 ein Pflegegutachten erstatten lassen, in welchem die Gutachterin ab April 2007 zu einem Grundpflegebedarf von 47 Minuten täglich und einem Zeitaufwand für Hauswirtschaft von 60 Minuten täglich gelangt war, ge-währte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 31. Juli 2007 ab Mai 2007 und mit Be-scheid vom 22. Mai 2008 für April 2007 Leistungen nach der Pflegestufe I.

Die Klägerin beantragt unter Rücknahme der Berufung im Übrigen (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2004 aufzuheben und den Bescheid vom 31. Juli 2007 abzu-ändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr für März 2004 bis einschließlich März 2007 Pflegeleistungen nach der Stufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für die Zeit vor April 2007 für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der die Klägerin behan-delnden Ärzte Dr. S und H (Orthopädie) vom 13. Juni 2006 und 8. Januar 2007 sowie S(Allgemeinmedizin) vom 5. Juli 2007 sowie durch Einholung einer ergänzenden gutachterli-chen Stellungnahme durch die Sachverständige Dr. F vom 31. Juli 2007, auf die verwiesen und inhaltlich Bezug genommen wird. Ferner hat der Senat bei der Pflegefachkraft S eine ergän-zende Stellungnahme vom 5. August 2008 eingeholt, auf die verwiesen und inhaltlich Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Betei-ligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts waren, Bezug genommen.

Der Senat hat die Beteiligten zuletzt unter dem 13. August 2008 zum beabsichtigten Erlass eines Beschlusses gemäß § 153 Abs. 4 SGG des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) angehört. II.

Die Berufung ist gemäß § 153 Abs. 4 S. 1 SGG nach Anhörung der Beteiligten durch Be-schluss zurückzuweisen, weil der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die zulässige Berufung ist unbegründet, soweit sie nach der Rücknahme im Übrigen nur noch die Zeit von März 2004 bis zum März 2007 zum Gegenstand hat. Zu Recht hat das Sozialge-richt mit dem angefochtenen Urteil die Klage für den vorgenannten Zeitraum abgewiesen. Die in den angegriffenen Bescheiden der Beklagten enthaltene Ablehnung für März 2004 bis März 2007 ist nämlich rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I.

Ein Anspruch auf Pflegeleistungen nach §§ 36 ff. des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) setzt unter anderem voraus, dass der Betroffene pflegebedürftig ist und mindestens der Pflegestufe I zugeordnet werden kann. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krank-heit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Verlauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, im erheblichen oder höheren Maße der Hilfe bedarf, die nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der Unter-stützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernah-me dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrich-tungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Wa-schen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenent-leerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nah-rung, im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Aus-kleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Woh-nung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.

Die Zuordnung zur Pflegestufe I setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1. Nr. 1 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für we-nigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.

Dies zugrunde gelegt steht zur freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Ü-berzeugung des Senats gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG fest, dass die Klägerin die hier noch of-fenen Leistungen nicht verlangen kann. Sie erfüllte die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegeleistungen nach einer Pflegstufe im hier nur noch streitgegenständlichen Zeitraum von März 2004 bis März 2007 nicht. Die Klägerin gehörte in diesem Zeitraum bereits nicht zur Gruppe der erheblich Pflegebedürftigen der Pflegestufe I. Mit den im Klage- und Berufungs-verfahren erhobenen Beweisen konnte nicht zugunsten der Klägerin der Nachweis erbracht werden, dass bereits für die Zeit vor April 2007 eine Pflegebedürftigkeit bestand. Vielmehr bestand nach den überzeugenden und widerspruchsfreien Feststellungen der zunächst im Kla-geverfahren beauftragten Gutachterin Dr. F zunächst jedenfalls ab März 2004 bis zum Hausbe-such der Gutachterin am 6. Juli 2005 gerade kein 45 Minuten übersteigender, sondern ein ins-gesamt nur 29 Minuten betragender Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege. Die Gutachterin hat dies im Einzelnen nachvollziehbar ausgehend von ihrem Besuch in der klägerischen Woh-nung, dem Befragen der Klägerin und der Inaugenscheinnahme dargelegt. Der Senat sieht hier-bei keinen Anlass, an der Richtigkeit der gutachterlichen Einschätzung, bezogen auf den dama-ligen Zeitpunkt, zu zweifeln. Diese gründet sich auf den von den behandelnden Ärzten der Klägerin festgestellten Gesundheitsstörungen, die vor allem in beidseitig schmerzhaften Schul-tergelenkbewegungseinschränkungen bestehen, und beschreibt die hieraus folgenden Funkti-onsbeeinträchtigungen nachvollziehbar, auf die allein für die Ermittlung des Pflegebedarfs ab-zustellen ist. Diese Ausführungen der Gutachterin decken sich im Wesentlichen insbesondere auch mit den Feststellungen der im Verwaltungsverfahren beauftragten Ärztin H und der Pfle-gefachkraft C, wonach der für die Zuerkennung der Pflegestufe I im Bereich der Grundpflege erforderliche Mindestpflegebedarf von durchschnittlich 46 Minuten pro Tag ebenfalls noch nicht erreicht wurde.

Auch die weitere Untersuchung der Klägerin durch die Sachverständige Dr. F am 30. Juli 2007 hat zu keinem anderen Ergebnis geführt. Die hiervon ausgehende ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Sachverständigen vom 31. Juli 2007 ergibt allenfalls einen Grundpflegebe-darf von 37 Minuten täglich. Schließlich ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten der Pflege-fachkraft Svom 23. Juli 2007 beziehungsweise aus ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 5. August 2008 für die hier noch verfahrensgegenständliche Zeit ein 45 Minuten übersteigender Grundpflegebedarf. Die Pflegefachkraft S hat vielmehr klargestellt, dass der von ihr ange-nommene Grundpflegebedarf sich ausschließlich auf die Zeit ab April 2007 bezieht. Hieraus lässt sich nicht der Schluss darauf ziehen, dass auch bereits für die Zeit davor ein Grundpflege-bedarf von mehr als 45 Minuten täglich bei der Klägerin bestand. Ebenfalls ändert die subjek-tive Einschätzung der Klägerin, dass aufgrund der bei ihr bestehenden Erkrankungen auch vor April 2007 ein erheblicher Pflegebedarf gegeben gewesen sei, nichts daran, dass die Auswer-tung der eingeholten medizinischen Erkenntnisse hierfür keinen Beweis erbracht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2, Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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