L 18 B 2367/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 34059/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 2367/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2008 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. November 2008 wird angeordnet, soweit der Antragsgegner darin die mit Bescheid vom 8. September 2008 für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. März 2009 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe eines Betrags von 316,- EUR monatlich aufgehoben hat. Die weitergehende Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wird zurückgewiesen. Der Antragstellerin wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U bewilligt. Der Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) nach Maßgabe des Bewilligungsbescheides vom 8. September 2009 für die Zeit ab 1. November 2008 – unter Abzug der für November 2008 in Ausführung des angefochtenen Beschlusses vom Antragsgegner vorläufig bereits gezahlten 480,- EUR - bis "zur vom Antragsgegner herbeizuführenden Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse" in Höhe von monatlich 685,38 EUR zu gewähren, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht begründet und war zurückzuweisen. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren ist begründet.

Bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) stellt sich das Rechtsschutzbegehren nach Erlass des Bescheides vom 18. November 2008, mit dem der Antragsgegner die Bewilligungsentscheidung vom 8. September 2008 für die Zeit ab 1. Dezember 2008 "ganz" aufgehoben hat und der im Unterschied zu dem ebenfalls vom 18. November 2008 datierenden Ausführungsbescheid gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, insoweit als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG dar. Lediglich für die weiterhin begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, für den Monat November 2008 (weitere) 205,38 EUR zu gewähren, kommt der Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung (= monatlich 334,38 EUR) fehlt es an dem sowohl für den Erlass einer einstweiligen Anordnung für November 2008 als auch für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die Zeit ab 1. Dezember 2008 zu fordernden unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnis. Eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragstellerin ist derzeit nicht zu besorgen. Eine Kündigung des Untermietverhältnisses, das nach dem Vorbringen der Antragstellerin zwischen ihr und ihrem Mitbewohner D S (im Folgenden: S.) besteht, ist bislang nicht erfolgt. Ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist der Antragstellerin insoweit auch im Hinblick darauf zumutbar, dass § 22 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 SGB II Regelungen zur Sicherung der Unterkunft im Fall einer – vorliegend noch gar nicht ersichtlichen - Räumungsklage enthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – nicht veröffentlicht). Da eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung weiterer Leistungen für November 2008 wegen der für diesen Monat vorläufig bereits ausgezahlten 480,- EUR mithin ausscheidet, war die Beschwerde insoweit ebenso zurückzuweisen wie hinsichtlich der begehrten Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18. November 2008, soweit darin die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit ab 1. Dezember 2008 aufgehoben worden ist. Gleiches gilt, soweit die Antragstellerin Leistungen über den am 31. März 2009 ablaufenden Bewilligungszeitraum hinaus begehrt. Denn insoweit fehlt es bereits an der - erforderlichen - Vorbefassung des Antragsgegners mit diesem Leistungszeitraum.

Im Hinblick auf die streitgegenständlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Übrigen (= monatlich 351,- EUR) für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. März 2009 war eine Folgenabwägung vorzunehmen, weil sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin und des S. nicht abschließend klären lässt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 = BVerfGK 5, 237-244). Zwar spricht, wie dem Antragsgegner zuzugeben ist, der erste Anschein für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II, zumal die Antragstellerin selbst vorträgt, mit S. die noch heute von beiden bewohnte Wohnung bis zum Jahr 2001 als Lebensgemeinschaft genutzt zu haben. Zur abschließenden Klärung bedarf es aber in Ausfluss der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht einer umfangreichen Beweisaufnahme (z. B. Anhörung der Antragstellerin, Vernehmung des S. als Zeuge, auch zu dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, ggfs. Augenscheinseinnahme der Wohnung), die im vorliegenden Eilverfahren untunlich ist. Bei der danach durchzuführenden Folgenabwägung bestünde im Falle der Ablehnung des Antrags auch bezüglich der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die Gefahr, dass die Existenz der Antragstellerin zeitweise nicht gesichert wäre. Dieser Nachteil wiegt aber im Verhältnis zu den dem Antragsgegner drohenden Nachteilen, nämlich einer möglichen Zahlung von Leistungen ohne Rechtsgrund, ungleich schwerer. Der – ohne Anrechnung von etwaigem Einkommen oder Vermögen des S. - bedürftigen und erwerbsfähigen Antragstellerin war somit vorläufig ein Anspruch (vgl. §§ 7, 8, 9 SGB II) auf Leistungen zumindest in der Höhe zuzuerkennen, die sich für Haushaltsangehörige ergeben, die als Partner zusammenleben (vgl. § 20 Abs. 3 SGB II i. V. mit der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Zeit ab 1. Juli 2008 – BGBl. I S. 1002), mithin in Höhe von gerundet (vgl. § 41 Abs. 2 SGB II) 316,- EUR monatlich. Insoweit war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, der spätestens in der am 15. Dezember 2008 eingelegten Beschwerde zu sehen ist, gegen den Aufhebungsbescheid vom 18. November 2008 anzuordnen mit der Folge, dass für den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2008 bis 31. März 2009 der Bewilligungsbescheid vom 8. September 2008 wieder auflebt, und zwar (nur) in Höhe einer monatlichen Regelleistung von 316,- EUR. Diese hat der Antragsgegner unverzüglich anzuweisen. Soweit die Antragstellerin höhere Regelleistungen geltend macht, war die Beschwerde ebenfalls zurückzuweisen.

Die PKH- Beschwerde ist begründet. Der - bedürftigen - Antragstellerin war für das erstinstanzliche Verfahren PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin U zu bewilligen. Denn die Rechtsverfolgung hatte, was sich bereits aus der teilweise zusprechenden und insoweit nicht angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts entnehmen lässt, zumindest teilweise Aussichten auf Erfolg (vgl. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Auch in diesen Fällen ist wegen der anfallenden Betragsrahmengebühren nach § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz uneingeschränkt PKH zu bewilligen (vgl. mit ausführlicher Begründung: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2007 – L 7 B 232/05 AS = NZS 2008, 336). Gleiches gilt für die Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin U für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Eine Bewilligung von PKH für das PKH- Beschwerdeverfahren kommt hingegen nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Im PKH -Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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