Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 843/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 55/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Mai 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren noch die Anerkennung und Entschädigung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1949 geborene Kläger war nach einer dreijährigen Ausbildung zum Reitlehrer/Bereiter von April 1967 an in diesem Beruf mit der Ausbildung von Dressurpferden, Military- und Springpferden befasst. Seit 1. Juli 1997 war er wegen chronisch-rezidivierender Ischialgien arbeitsunfähig erkrankt.
Im Februar 1998 beantragte der Kläger die Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufkrankheit und verwies auf ein Attest des Arztes für Orthopädie Dr. W vom 7. Juli 1997, in dem als Diagnose eine Wurzelirritation bei L3/L4 und L4/L5 durch Bandscheibenvorfälle und Spinalkanalstenose aufgeführt war. Die Beklagte holte ein Vorerkrankungsverzeichnis des privaten Krankenversicherungsunternehmens, bei dem der Kläger seit April 1994 versichert ist, sowie einen Befundbericht von Dr. W ein. Dr. W vertrat die Auffassung, dass an die ständigen axialen Stauchungen der Lendenwirbelsäule als Ursache der Erkrankung zu denken sei. Dies erscheine insbesondere bei einem Dressurreiter im Hochleistungssport von Bedeutung, weil dieser mit dem vollen Körpergewicht in den Sattel "einsitzen" müsse, um so ausreichend Einwirkung auf das Pferd zu erhalten.
Der von der Beklagten zur Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV gehörte Chirurg Dr. B verwies darauf, dass auf der in dem CT vom 30. Januar 1996 seitlich als Übersicht dargestellten Lendenwirbelsäule bei Streckhaltung im oberen Anteil eine Hyperlordosierung durch Abkippung des Kreuzbeines nach vorn erkennbar sei, die Fehlhaltung bestehe im Sinne eines Sacrum arcuatum. Entsprechend seien die Bandscheiben L 3-5 betroffen.
Die Beklagte zog eine in einem anderen Verfahren erteilte Auskunft des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 30. Juli 1996 bei, in der ausgeführt wird, Reiten könne nicht als eine gefährdende Belastung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2110 angesehen werden. Zwar würden durch die Gangart des Pferdes Vibrationen verursacht, doch würden diese nicht im für die Lendenwirbelsäule schädigenden Frequenzbereich von 3 bis 5 Hz abgestrahlt. Auch lägen keine stoßhaltigen Schwingungen vor, weil der Reiter nicht mehr im Sattel sitze, sondern in den Steigbügeln stehe, wenn das Pferd in eine Gangart übergehe, bei der "Quasi-Stoßhaltigkeit" gegeben sein könnte. Ließe der Reitlehrer sein Körpergewicht ungebremst in den Sattel fallen, wäre eher eine Gefährdung des Pferdes als des Reiters gegeben.
Durch Bescheid vom 19. April 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 ab und führte zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 aus, der Kläger sei starken Schwingungseinwirkungen mit erheblicher Stoßhaltigkeit nicht ausgesetzt gewesen.
Den Widerspruch des Klägers, den dieser mit einer Stellungnahme von Dr. W begründete, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. September 1999 zurück. Die Aussagen von Dr. W zur beruflichen Tätigkeit des Klägers seien dem TAD bereits bekannt gewesen und von ihm gewürdigt worden.
Mit der dagegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend darauf verwiesen, dass er ausschließlich im Dressursport tätig sei und dadurch nahezu durchgehend im Sattel gesessen habe. Zudem habe er insbesondere junge Pferde zugeritten, bei denen es in besonderem Maße zu Stößen komme.
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. E vom 14. Januar 2001 eingeholt, der dargelegt hat, im Bereich der Lendenwirbelsäule finde sich bei L4/L5 eine deutliche Abflachung des Bandscheibenraumes und bei L5/S1 ein erheblicher Bandscheibenschaden mit Vakuumphänomen. Es liege das für einen beruflich bedingten Überlastungsschaden zu fordernde Verteilungsmuster eines dem altersüblichen vorauseilenden Verschleißzustandes von kopfwärts nach fußwärts zunehmend vor. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 seien erfüllt. Die auf die Wirbelsäule auftreffenden Schwingungen und Stößen, wie sie beim Führen von Baumaschinen und LKW auf unwegsamem Grund aufträten, würden ungebremst auf die Bandscheiben einwirken, weil mit entspannter Rückenmuskulatur auf dem Sitz "gesessen" werde. Dies sei mit den Belastungen beim Reiten nicht zu vergleichen, weil das Reiten eine die Bauch- und Rückenmuskulatur aktiv strapazierende Tätigkeit sei, bei der der Reiter mit den Bewegungen mitgehe. Da der Reiter sich bei schnellerer Gangart aktiv aus dem Steigbügel heraushebe, würden Schwingungen und Stöße muskulär abgefangen.
Hiergegen hat der Kläger unter Bezugnahme auf reiterliche Literatur und zwei Videobänder eingewandt, diese aktive Tätigkeit finde bei der Dressurarbeit nicht statt, weil der Reiter im tiefen geschlossenen Sitz effektiv auf das Pferd einwirken müsse, wobei jeder Zwischenraum zwischen ihm und dem Pferd geschlossen werde. Zur Schwingungsbelastung beim Reiten hat er Bezug genommen auf eine von Christine Heipertz-Hengst veröffentlichte experimentelle Pilotstudie sowie einen unter ihrer Mitwirkung verfassten Aufsatz (Arbeitsmedizin.Sozialmedizin.Umweltmedizin 2000, S. 5 ff).
Der hierzu gehörte TAD hat darauf verwiesen, es sei bekannt, dass bei nicht vorhersehbaren stochastischen Schwingungseinwirkungen eine ständige Muskelanspannung vorliege, die die Versorgung der Bandscheiben durch Diffusionsvorgänge behindere, während es bei vorhersehbaren determinierten Schwingungen zu Muskelan- und Entspannungen komme, die auf den Schwingungs- und Stoßrhythmus abgestimmt seien.
Durch Urteil vom 17. Mai 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zwar werde der maßgebliche Richtwert für die Tagesdosis Kr) 16,2 überschritten. Dem vom Kläger vorgelegten Aufsatz sei aber zu entnehmen, dass diese Grenzwerte auf die determinierten Schwingungswerte nicht zu übertragen seien. Der Einwand des Klägers hiergegen überzeuge nicht, weil nicht erkennbar sei, dass seine berufliche Tätigkeit vom Bereiten ständig bockender Pferde geprägt gewesen sei.
Gegen das ihm am 3. Juli 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 25. Juli 2002. Zu seinen Tätigkeiten im Einzelnen hat er dargelegt, in den ersten 10 bis 15 Jahren im wechselnden Bestand ca. 8 Dressurpferde, 3 Springpferde und 2 Military-Pferde ausgebildet zu haben. Ab 1984 habe er sich weitestgehend auf die Dressurausbildung spezialisiert. Bis in das Jahr 1991 hinein habe er täglich drei bis fünf junge Pferde zugeritten, anschließend noch etwa zwei. Junge Pferde versuchten sich reiterlichen Einwirkungen im besonderen Maße durch Buckeln, Herumschmeißen, Steigen, Durchgehen und ruckartiges Stehenbleiben zu entziehen. Beim Dressurreiten nehme ein Pferd insbesondere im Ausbildungsstand Übungen nur aufgrund deutlicher Einwirkungen des Reiters durch Kreuz und Schenkel auf. Es komme zu heftigen Reaktionen des Pferdes insbesondere durch Ausschlagen nach hinten mit entsprechenden ruckartigen Stößen in den Reiterrücken.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Mai 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1999 aufzuheben und festzustellen, dass sein Lendenwirbelsäulenleiden Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zunächst geltend gemacht, dass es sich nach den bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen bei dem Reiten von Pferden nicht um Ganzkörperschwingungen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2110, sondern um vorhersehbare periodische Schwingungen handele.
Der Senat hat eine Auskunft des Arbeitgebers des Klägers für die Zeit vom 1. Mai 1991 bis 30. Juni 1997 eingeholt und den Forschungsbericht Ganzkörperschwingungen – Beanspruchungen des Menschen durch mechanische Schwingungen - aus der Schriftenreihe des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, 1984, beigezogen. Nach Auskunft des TAD sind neuere Untersuchungen zur Belastung von Reitern nicht bekannt.
Sodann hat der Senat den Kläger und den Leiter des Referats Berufkrankheiten, mechanische Einwirkungen, der Beklagten, Dipl. Ing. F, im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2006 angehört und anschließend ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. S, Parkklinik W, eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 19. Juni 2006 ausgeführt, beim Zureiten komme es aufgrund der extrem schnellen Stöße der Pferde zur vertikalen Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen. Da nicht zugerittene Pferde schnell in der Bewegung seien, könne der Reiter nicht in abfedernder Form reagieren, so dass die Stöße ungehindert auf die Wirbelsäule einwirkten, da der Reiter mit dem eigenen Rücken und dem nicht schwingenden Rücken des Pferdes eine Einheit bilde. Die Belastung durch ein bockendes Pferd beim Zureiten sei mit den Belastungen bei völlig passivem Sitzen des Reiters vergleichbar. Beim Vorwärtsgang würden die Hinterbeine des Pferdes unter den Reiter gezogen. Dadurch stauche vertikal der nicht schwingende Rücken des Pferdes gegen den Rücken des fest sitzenden Reiters. Entscheidend sei die permanente Belastung beim Zureiten. Insofern seien die im Aufsatz von Christine Heipertz-Hengst beschriebenen Belastungen nur begrenzt vergleichbar. Die Belastung der Wirbelsäule ergebe sich nicht nur durch die ständige Anspannung der Rückenmuskulatur, sondern zusätzlich durch die nicht kalkulierbaren und starken Stöße auf die Lendenwirbelsäule. Im Vergleich zum Baumaschinenfahrer zeige sich zwar eine veränderte Sitzposition, aber die Einwirkung auf die Lendenwirbelsäule sei vergleichbar. Das Auffangen des Gesäßes durch Anspannung der Gesäßmuskulatur bei hängenden Beinen sei aufgrund der Kürze der Stöße und "nichtstochastischen" Folge nicht wirksam. Beim Fehlen eines Sattels sei der Reiter lediglich durch die Oberschenkelmuskulatur in der Lage, entsprechende Schwingungen abzufedern. Es komme jedoch zu wiederkehrenden und unvorhersehbaren Stößen des nicht schwingenden Pferderückens und damit zu Impulsen auf die Lendenwirbelsäule, die nicht abzufangen seien. Die deutliche Degeneration des unteren Lendenwirbelsäulenabschnitts bedinge wegen einer persistierenden Schmerzausprägung und Sensibilitätsstörungen eine MdE von 30 v.H.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Gutachten sei unschlüssig. Lägen "nichtstochastische", also harmonische, Schwingungen vor, sei der Reiter zum gleitenden Aussitzen gezwungen. Bei "extrem schnellen Stößen" komme es gerade nicht zu stoßhaltigen Schwingungen. Je schneller die Schwingungen seien, desto geringer sei die Belastung der Bandscheiben. Dass der Rücken des Pferdes -abgesehen von der Situation des Bockens- nicht schwingen würde, sei ebenso wenig nachvollziehbar wie die Behauptung, dass die permanent angespannte Muskulatur eine schädigende Belastung darstelle. Vielmehr schütze die Rückenmuskulatur in angespanntem Zustand die Wirbelsäule und trage dazu bei, die Schwingungsbelastungen möglichst ohne Schädigung aufzunehmen.
Zu den Bewegungsabläufen befragt, hat die Bundesvereinigung der Berufsreiter unter dem 30. November 2006 mitgeteilt, die Rückenmuskulatur eines jungen Pferdes in der Anreitphase sei noch nicht so ausgestaltet, dass sie zu einem gleichmäßigen An- und Abspannen und der Rücken des Pferdes zum Schwingen komme. Das Pferd halte sich "im Rücken fest". Solange dies der Fall sei, wirkten auf den Rücken desjenigen, der das Pferd bereite, Stöße ein, die allenfalls begrenzt ausgeglichen werden könnten. Bei manchen jungen Pferden komme es spontan zu einem extremen Aufwölben des Körpers nach oben, dem sogenannten Bocken. Hierbei handele es sich um extrem schnelle Bewegungen.
Der Senat hat ein orthopädisches Gutachten von Dr. H, Marienhauskliniken L am See, vom 23. Juli 2007 eingeholt, der ausgeführt hat, selbst aktiver Dressur- und Springreiter, Verbandsarzt der Pferdesportverbände Saarland und Hessen und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten zu sein. Dem Gutachter gegenüber hat der Kläger angegeben, im Jahr 1997 unter ein stürzendes Pferd geraten zu sein. Seither habe er zunehmende Schmerzen im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule. Der Sachverständige hat die Diagnose einer multisegementalen Spondylosteochondrose der LWS mit Maximal-Punkten L4-S1 sowie multisegmentalem Morbus Baastrup gestellt. Die Belastung durch ein bockendes Pferd sei mit den Belastungen bei einem völlig passiven Sitz des Reiters auf keinen Fall vergleichbar, weil es sich dabei nicht um eine gleichmäßige Belastung handele. Auch sei die Kreuzmuskulatur nicht ständig angespannt, weil das vorwärtstreibende Einwirken auf das Pferd durch Becken und Wirbelsäule bei gleichmäßigem An- und Entspannen der Bauch- und Rückenmuskulatur, auf die Vorwärtsbewegung des Pferdes eingehend, erfolge. Die bei der Ausbildung junger Pferde einwirkenden Ganzkörperschwingungen stellten stoßhaltige Schwingungsbelastungen mit einzelnen oder wiederholt stark herausragenden Beschleunigungsspitzen dar. Dies liege daran, dass junge Pferde noch nicht in der Lage seien, das Gewicht des Reiters in jeder Situation auszubalancieren. Sie neigten dazu, sich der Belastung durch Buckeln zu entziehen. Es gebe auch keine Gemeinsamkeit mit den Belastungen eines Baumaschinenführers. Die MdE betrage 70 v.H.
Hiergegen hat die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Geschäftsbereichs Prävention eingewandt, dass es auf der Grundlage der gegenwärtig verfügbaren Beurteilungsmodelle nicht möglich sei, eine objektive Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen durchzuführen, da es an geeigneten epidemiologischen Studien fehle. Dies werde auch durch die unterschiedlichen Expertenmeinungen deutlich, die in ihrer Darstellung zwar hinreichend plausibel und nachvollziehbar seien, in der Schlussfolgerung aber zu widersprüchlichen Ergebnissen kämen. Zu den medizinischen Voraussetzungen hat sich die Beklagte auf eine orthopädische Zusammenhangsstellungnahme von Dres. B und Sch vom 17. Oktober 2007 bezogen, die der Senat mit Beschluss vom 17. November 2008 aus den Akten entfernt hat. In dem vom Senat von Dr. W eingeholten orthopädischen Gutachten nach Aktenlage vom 27. Dezember 2007 ist dem Gutachter vorgegeben worden, das Kriterium der "belastungsadaptiven Reaktionen" außer Acht zu lassen. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es auch dann, wenn nicht auf belastungsadaptive Reaktionen abgestellt werde, lediglich unter Einbeziehung der Konsensempfehlungen nicht möglich sei, mit genügender Wahrscheinlichkeit eine berufliche Verursachung der Erkrankung des Klägers festzustellen. Die Bilddokumente, die erst nach 30 Jahren beruflicher Tätigkeit gefertigt worden seien, wiesen eine allgemeine Segmentdegeneration auf, bei der sowohl die Wirbelkörperdeckplatten, die Bandscheibenfächer als auch die Facettengelenke befallen seien. Ein derartiger allgemeiner Segmentschaden lasse es nicht zu, eindeutig zu entscheiden, ob am Anfang die beruflich induzierte Bandscheibenschädigung gestanden habe. Im Hinblick darauf, dass als klare konkurrierende Ursache eine Wirbelsäulenfehlstatik anzuführen sei, sei ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nur dann wahrscheinlich, wenn dorsale Spondylosen erkennbar wären. Dies sei jedoch bei den 1996 gefertigten CT-Aufnahmen nicht der Fall.
In einer Stellungnahme hierzu hat Dr. H am 20. Juni 2008 ausgeführt, soweit Dr. W die Auffassung vertrete, es lägen an der unteren Lendenwirbelsäule keine Begleitspondylosen vor, verweise er auf die von ihm angefertigten Röntgenbilder der Lendenwirbelsäule vom 19. Januar 2007, die sehr wohl multisegmentale Spondylosteochondrosen der Lendenwirbelsäule erbracht hätten. Der Gutachter beschreibe eindeutig altersüberschreitend ein Vakuumphänomen im Segment L5/S1. Damit untermauere er die Zuordnung zur Berufskrankheit Nr. 2110. Bei den Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung handele es sich um einen Minimalkonsens, der für die endgültige Beurteilung in einem Gutachten nicht bindend sei. Von daher bleibe er bei seiner Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2110 erfüllt seien.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte (einschließlich der Akten des Sozialgerichts) und des den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid vom 19. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1999 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung an der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung.
Berufskrankheiten sind die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2,3, oder 6 Sozialgesetzbuch (SGB) VII bezeichneten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungs-begründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N.).
Der Kläger leidet nach Auffassung der im Verfahren vom Gericht gehörten Sachverständigen Dr. E, Dr. S, Dr. H und Dr. W an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Der Senat konnte aber unter Auswertung der zur Akte gelangten epidemiologischen Studien zu schwingungsexponierten Berufsgruppen, den abweichenden Belastungen beim Reiten und unter Berücksichtigung der von ihm eingeholten Gutachten von Dr. S und Dr. H nicht zu der Überzeugung gelangen, dass der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit in dem erforderlichen Umfang schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt war.
Welches Maß an belastenden Einwirkungen mindestens erforderlich ist, um eine Berufskrankheit anzuerkennen, ist grundsätzlich unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entscheiden. Wann bestimmte berufliche Einwirkungen nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, eine bestimmte Erkrankung hervorzurufen, ist eine Frage, deren Beantwortung nicht nur besonderes Fachwissen auf medizinischem und technischem Gebiet, sondern zugleich eine umfassende und genaue Kenntnis des jeweils aktuellen Forschungsstandes zu der betreffenden Fragestellung sowie die Fähigkeit zu dessen kritischer Bewertung voraussetzt. Die Möglichkeiten der Gerichte, sich die benötigten Informationen mit den ihnen zur Verfügung stehenden prozessualen Mitteln zu verschaffen, sind begrenzt, da sie auf die Wissensvermittlung durch Sachverständige angewiesen sind, deren Ergebnisse und Einschätzungen aber mangels eigener Sachkunde in der Regel nicht selbst bewerten können (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007-B 2 U 4/06 R).
Ausgehend von dem Merkblatt des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales vom 1. Mai 2005 (BArbBl. 7/2005 S. 43) ist eine langjährige, wiederholte Einwirkung von vorwiegend vertikalen Ganzkörperschwingungen in Sitzhaltung mit einer Tagesdosis in Form der Beurteilungsbeschleunigung aw(8) von im Regelfall 0,63 m/s² in der vertikalen z-Achse erforderlich. Diese Belastungsgrenze ist aufgrund von epidemiologischen Studien ermittelt worden, die auf die Besonderheiten des Zureitens nicht übertragbar sind. Denn für die danach vorzunehmende Gefährdungsermittlung kann nicht ohne weiteres auf die für Fahrzeuge und bewegliche Arbeitsmaschinen verwendeten Rechenmethoden und Richtwerte abgestellt werden, weil diese Werte zwei Besonderheiten berücksichtigen, die beim Zureiten nicht vorliegen, nämlich das Vorliegen belastender Schwingungsfrequenzen als Dauereinwirkung und die Schwere und die Häufigkeit der belastenden Stößen, die als zusätzliche Belastung hinzukommen. Zum Einen beruhen sie darauf, dass "insbesondere Resonanzschwingungen des Rumpfes und der Wirbelsäule, die vorwiegend bei Schwingungsfrequenzen zwischen 3 und 5 Hz auftreten, nicht nur zu vertikalen Relativbewegungen zwischen den Wirbelkörpern mit Stauchungen und Streckungen der Zwischenwirbelscheiben, sondern darüber hinaus auch zu Rotationsbewegungen der Segmente und zu horizontalen Segmentverschiebungen" führen (vgl. Merkblatt, S. 44) und dieser Frequenzbereich auch im biologischen Bereich hohe Gewebebeanspruchung (vgl. Forschungsbericht Ganzkörperschwingungen, S. 99) zur Folge hat. Diese Voraussetzungen werden beim Reiten nicht erfüllt, weil nach der Auskunft des TAD vom 17. September 2001 Schwingungsanteile um 2 Hz vorliegen. Zum anderen erreichen die bislang allein ermittelten Stoßbelastungen dem Aufsatz "Schwingungsbelastung beim Reiten" zufolge nicht den erforderlichen "Crestfaktor", also das Verhältnis zwischen Spitzenwert und Effektivwert, von 9, sondern höchstens 2,8 (Arbeitsmedizin.Sozialmedizin.Umweltmedizin 2000, S. 7).
Zu einem anderen Ergebnis konnte der Senat auch nicht unter Beachtung der Berechnung von Heipertz-Hengst u.a. (Arbeitsmedizin.Sozialmedizin.Umweltmedizin 2000, S. 5 ff), derzufolge bereits nach einer täglichen Trab- oder Galoppdauer von 10 bis 16 Minuten bei völlig passivem Sitz des Reiters die schädigende Tagesdosis erreicht wird, gelangen. Dies ist nicht direkt auf die Tätigkeit des Klägers übertragbar, weil ein Bereiter gerade nicht passiv im Sattel sitzt, sondern aktiv das Pferd nach vorn treibt, wie insbesondere Dr. H als Sachverständiger betont hat. Dies ist nach der von Dr. H vertretenen Auffassung nicht nur mit einer An- und Entspannung der Bauch- und Rückenmuskulatur verbunden, sondern auch deswegen nicht vergleichbar, weil ein passives Herunterhängen der Beine nicht stattfinde.
Etwas anderes gilt auch nicht deswegen, weil der Kläger nicht nur den vorherseh- und beeinflussbaren Schwingungseinwirkungen ausgesetzt war, sondern darüber hinaus eine Vielzahl junger Pferde zugeritten hat. Allerdings beinhaltet ein derartiges Zureiten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besondere Belastungen, da zum Einen der Rücken des Pferdes noch nicht schwingt, zum anderen unvorhergesehene Stöße "ungefedert" auf die Wirbelsäule einwirken. Hierzu hat Dr. H nachvollziehbar angegeben, dass diese Stöße mit den mechanischen Einwirkungen beim passiven Reiten nicht vergleichbar seien, weil es sich hierbei um eine gleichmäßige Belastung handele, die lediglich aufgrund der fehlenden Abpufferungsmöglichkeiten belastend wirke. Zwar liegt es nahe, dass die einzelnen Stöße eine Qualität aufweisen, die als wirbelsäulenschädigend in Betracht kommen, da sie ebenfalls nicht muskulär abgefangen werden können. Insoweit fehlt es jedoch an einem "Schwingungsbewertungsmodell", das einen Bezugswert liefern könnte, zu dem die Belastungen des Klägers in Relation gesetzt werden könnten.
Soweit der Kläger hiergegen in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, die Belastung müsse um Wege der Schätzung ermittelt werden, ändert dies nichts daran, dass die danach ermittelte Belastung ohne ein entsprechendes Bewertungsmodell keine Rückschlüsse auf ihre Vergleichbarkeit mit den durch die Berufskrankheit nach Nr. 2110 als krankheitsverursachend angesehenen Ganzkörperschwingungen zulässt.
Auch konnte der Senat eine vergleichbare Belastung durch eine ständige Anspannung der Kreuzmuskulatur, die nach dem beigezogenen Forschungsbericht Ganzkörperschwingungen als besonders belastend angesehen wird, nicht ermitteln. Denn Dr. H, der seinen reiterlichen Sachverstand durch die von ihm ausgeübten Tätigkeiten nachvollziehbar dargestellt hat, hat gerade eine ständige Anspannung der Kreuzmuskulatur verneint. Diese unterschiedliche Bewertung der schädigenden Einwirkungen erlaubt es nach alledem nicht, eine ausreichende Belastung im Sinne einer langjährigen, vorwiegend vertikalen Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen anzunehmen.
Unter Beachtung aller von Amts wegen eingeholten medizinischen Gutachten kann der Senat im Übrigen auch den Kausalzusammenhang zwischen der belastenden Tätigkeit und der Erkrankung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, weil den für den Zusammenhang sprechenden Umständen kein deutliches Übergewicht zukommt.
Allerdings haben sowohl Dr. S als auch Dr. H einen Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers bejaht. Beide Gutachter haben dies jedoch allein mit der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen und dem Vorliegen eines Bandscheibenschadens bejaht, ohne einen Kausalzusammenhang nachvollziehbar zu begründen.
Dem kann der Senat unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. W nicht folgen. Dieser Sachverständige hat unter Hinweis auf eine Hyperlordose im lumbosakralen Übergang als konkurrierende Ursache nachvollziehbar dargelegt, dass die weiteren Anforderungen zur Begründung eines Kausalzusammenhangs, die die Konsensempfehlungen bei Vorliegen einer konkurrierenden Ursache stellen, nicht erfüllt sind. Der Einwand von Dr. H in seiner Stellungnahme hiergegen, der Gutachter habe nicht die Ergebnisse seiner 2007 gefertigten Röntgenbilder berücksichtigt, beachtet nicht, dass maßgeblich nur die zeitnah zur Tätigkeitsaufgabe gefertigten Aufnahmen sind, um nach Ende der Belastung auftretende degenerative Veränderungen außer Acht zu lassen. Der allgemeine Einwand des Dr. H, es liege bei den Konsensempfehlungen allenfalls ein unverbindlicher Minimalkonsens vor, überzeugt ebenfalls nicht. Handelt es sich nämlich um einen Minimalkonsens, kann ein Kausalzusammenhang über die Fälle des Konsenses hinaus nur in Betracht kommen, soweit jedenfalls eine Gruppe der Sachverständigen einen Zusammenhang als gegeben angesehen hat, nicht aber bei Übereinstimmung dahingehend, dass ein Kausalzusammenhang ausscheide. Bei der Fallkonstellation B 9 bestand aber Einigkeit dahingehend, dass kein Kasualzusammenhang bejaht werden könne.
In der Zusammenschau überwiegen damit die gegen einen Kausalzusammenhang zwischen der Belastung und dem Schaden sprechenden Gesichtspunkte, so dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren noch die Anerkennung und Entschädigung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1949 geborene Kläger war nach einer dreijährigen Ausbildung zum Reitlehrer/Bereiter von April 1967 an in diesem Beruf mit der Ausbildung von Dressurpferden, Military- und Springpferden befasst. Seit 1. Juli 1997 war er wegen chronisch-rezidivierender Ischialgien arbeitsunfähig erkrankt.
Im Februar 1998 beantragte der Kläger die Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufkrankheit und verwies auf ein Attest des Arztes für Orthopädie Dr. W vom 7. Juli 1997, in dem als Diagnose eine Wurzelirritation bei L3/L4 und L4/L5 durch Bandscheibenvorfälle und Spinalkanalstenose aufgeführt war. Die Beklagte holte ein Vorerkrankungsverzeichnis des privaten Krankenversicherungsunternehmens, bei dem der Kläger seit April 1994 versichert ist, sowie einen Befundbericht von Dr. W ein. Dr. W vertrat die Auffassung, dass an die ständigen axialen Stauchungen der Lendenwirbelsäule als Ursache der Erkrankung zu denken sei. Dies erscheine insbesondere bei einem Dressurreiter im Hochleistungssport von Bedeutung, weil dieser mit dem vollen Körpergewicht in den Sattel "einsitzen" müsse, um so ausreichend Einwirkung auf das Pferd zu erhalten.
Der von der Beklagten zur Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV gehörte Chirurg Dr. B verwies darauf, dass auf der in dem CT vom 30. Januar 1996 seitlich als Übersicht dargestellten Lendenwirbelsäule bei Streckhaltung im oberen Anteil eine Hyperlordosierung durch Abkippung des Kreuzbeines nach vorn erkennbar sei, die Fehlhaltung bestehe im Sinne eines Sacrum arcuatum. Entsprechend seien die Bandscheiben L 3-5 betroffen.
Die Beklagte zog eine in einem anderen Verfahren erteilte Auskunft des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 30. Juli 1996 bei, in der ausgeführt wird, Reiten könne nicht als eine gefährdende Belastung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2110 angesehen werden. Zwar würden durch die Gangart des Pferdes Vibrationen verursacht, doch würden diese nicht im für die Lendenwirbelsäule schädigenden Frequenzbereich von 3 bis 5 Hz abgestrahlt. Auch lägen keine stoßhaltigen Schwingungen vor, weil der Reiter nicht mehr im Sattel sitze, sondern in den Steigbügeln stehe, wenn das Pferd in eine Gangart übergehe, bei der "Quasi-Stoßhaltigkeit" gegeben sein könnte. Ließe der Reitlehrer sein Körpergewicht ungebremst in den Sattel fallen, wäre eher eine Gefährdung des Pferdes als des Reiters gegeben.
Durch Bescheid vom 19. April 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 ab und führte zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 aus, der Kläger sei starken Schwingungseinwirkungen mit erheblicher Stoßhaltigkeit nicht ausgesetzt gewesen.
Den Widerspruch des Klägers, den dieser mit einer Stellungnahme von Dr. W begründete, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. September 1999 zurück. Die Aussagen von Dr. W zur beruflichen Tätigkeit des Klägers seien dem TAD bereits bekannt gewesen und von ihm gewürdigt worden.
Mit der dagegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend darauf verwiesen, dass er ausschließlich im Dressursport tätig sei und dadurch nahezu durchgehend im Sattel gesessen habe. Zudem habe er insbesondere junge Pferde zugeritten, bei denen es in besonderem Maße zu Stößen komme.
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. E vom 14. Januar 2001 eingeholt, der dargelegt hat, im Bereich der Lendenwirbelsäule finde sich bei L4/L5 eine deutliche Abflachung des Bandscheibenraumes und bei L5/S1 ein erheblicher Bandscheibenschaden mit Vakuumphänomen. Es liege das für einen beruflich bedingten Überlastungsschaden zu fordernde Verteilungsmuster eines dem altersüblichen vorauseilenden Verschleißzustandes von kopfwärts nach fußwärts zunehmend vor. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 seien erfüllt. Die auf die Wirbelsäule auftreffenden Schwingungen und Stößen, wie sie beim Führen von Baumaschinen und LKW auf unwegsamem Grund aufträten, würden ungebremst auf die Bandscheiben einwirken, weil mit entspannter Rückenmuskulatur auf dem Sitz "gesessen" werde. Dies sei mit den Belastungen beim Reiten nicht zu vergleichen, weil das Reiten eine die Bauch- und Rückenmuskulatur aktiv strapazierende Tätigkeit sei, bei der der Reiter mit den Bewegungen mitgehe. Da der Reiter sich bei schnellerer Gangart aktiv aus dem Steigbügel heraushebe, würden Schwingungen und Stöße muskulär abgefangen.
Hiergegen hat der Kläger unter Bezugnahme auf reiterliche Literatur und zwei Videobänder eingewandt, diese aktive Tätigkeit finde bei der Dressurarbeit nicht statt, weil der Reiter im tiefen geschlossenen Sitz effektiv auf das Pferd einwirken müsse, wobei jeder Zwischenraum zwischen ihm und dem Pferd geschlossen werde. Zur Schwingungsbelastung beim Reiten hat er Bezug genommen auf eine von Christine Heipertz-Hengst veröffentlichte experimentelle Pilotstudie sowie einen unter ihrer Mitwirkung verfassten Aufsatz (Arbeitsmedizin.Sozialmedizin.Umweltmedizin 2000, S. 5 ff).
Der hierzu gehörte TAD hat darauf verwiesen, es sei bekannt, dass bei nicht vorhersehbaren stochastischen Schwingungseinwirkungen eine ständige Muskelanspannung vorliege, die die Versorgung der Bandscheiben durch Diffusionsvorgänge behindere, während es bei vorhersehbaren determinierten Schwingungen zu Muskelan- und Entspannungen komme, die auf den Schwingungs- und Stoßrhythmus abgestimmt seien.
Durch Urteil vom 17. Mai 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zwar werde der maßgebliche Richtwert für die Tagesdosis Kr) 16,2 überschritten. Dem vom Kläger vorgelegten Aufsatz sei aber zu entnehmen, dass diese Grenzwerte auf die determinierten Schwingungswerte nicht zu übertragen seien. Der Einwand des Klägers hiergegen überzeuge nicht, weil nicht erkennbar sei, dass seine berufliche Tätigkeit vom Bereiten ständig bockender Pferde geprägt gewesen sei.
Gegen das ihm am 3. Juli 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 25. Juli 2002. Zu seinen Tätigkeiten im Einzelnen hat er dargelegt, in den ersten 10 bis 15 Jahren im wechselnden Bestand ca. 8 Dressurpferde, 3 Springpferde und 2 Military-Pferde ausgebildet zu haben. Ab 1984 habe er sich weitestgehend auf die Dressurausbildung spezialisiert. Bis in das Jahr 1991 hinein habe er täglich drei bis fünf junge Pferde zugeritten, anschließend noch etwa zwei. Junge Pferde versuchten sich reiterlichen Einwirkungen im besonderen Maße durch Buckeln, Herumschmeißen, Steigen, Durchgehen und ruckartiges Stehenbleiben zu entziehen. Beim Dressurreiten nehme ein Pferd insbesondere im Ausbildungsstand Übungen nur aufgrund deutlicher Einwirkungen des Reiters durch Kreuz und Schenkel auf. Es komme zu heftigen Reaktionen des Pferdes insbesondere durch Ausschlagen nach hinten mit entsprechenden ruckartigen Stößen in den Reiterrücken.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Mai 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1999 aufzuheben und festzustellen, dass sein Lendenwirbelsäulenleiden Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zunächst geltend gemacht, dass es sich nach den bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen bei dem Reiten von Pferden nicht um Ganzkörperschwingungen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2110, sondern um vorhersehbare periodische Schwingungen handele.
Der Senat hat eine Auskunft des Arbeitgebers des Klägers für die Zeit vom 1. Mai 1991 bis 30. Juni 1997 eingeholt und den Forschungsbericht Ganzkörperschwingungen – Beanspruchungen des Menschen durch mechanische Schwingungen - aus der Schriftenreihe des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, 1984, beigezogen. Nach Auskunft des TAD sind neuere Untersuchungen zur Belastung von Reitern nicht bekannt.
Sodann hat der Senat den Kläger und den Leiter des Referats Berufkrankheiten, mechanische Einwirkungen, der Beklagten, Dipl. Ing. F, im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2006 angehört und anschließend ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. S, Parkklinik W, eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 19. Juni 2006 ausgeführt, beim Zureiten komme es aufgrund der extrem schnellen Stöße der Pferde zur vertikalen Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen. Da nicht zugerittene Pferde schnell in der Bewegung seien, könne der Reiter nicht in abfedernder Form reagieren, so dass die Stöße ungehindert auf die Wirbelsäule einwirkten, da der Reiter mit dem eigenen Rücken und dem nicht schwingenden Rücken des Pferdes eine Einheit bilde. Die Belastung durch ein bockendes Pferd beim Zureiten sei mit den Belastungen bei völlig passivem Sitzen des Reiters vergleichbar. Beim Vorwärtsgang würden die Hinterbeine des Pferdes unter den Reiter gezogen. Dadurch stauche vertikal der nicht schwingende Rücken des Pferdes gegen den Rücken des fest sitzenden Reiters. Entscheidend sei die permanente Belastung beim Zureiten. Insofern seien die im Aufsatz von Christine Heipertz-Hengst beschriebenen Belastungen nur begrenzt vergleichbar. Die Belastung der Wirbelsäule ergebe sich nicht nur durch die ständige Anspannung der Rückenmuskulatur, sondern zusätzlich durch die nicht kalkulierbaren und starken Stöße auf die Lendenwirbelsäule. Im Vergleich zum Baumaschinenfahrer zeige sich zwar eine veränderte Sitzposition, aber die Einwirkung auf die Lendenwirbelsäule sei vergleichbar. Das Auffangen des Gesäßes durch Anspannung der Gesäßmuskulatur bei hängenden Beinen sei aufgrund der Kürze der Stöße und "nichtstochastischen" Folge nicht wirksam. Beim Fehlen eines Sattels sei der Reiter lediglich durch die Oberschenkelmuskulatur in der Lage, entsprechende Schwingungen abzufedern. Es komme jedoch zu wiederkehrenden und unvorhersehbaren Stößen des nicht schwingenden Pferderückens und damit zu Impulsen auf die Lendenwirbelsäule, die nicht abzufangen seien. Die deutliche Degeneration des unteren Lendenwirbelsäulenabschnitts bedinge wegen einer persistierenden Schmerzausprägung und Sensibilitätsstörungen eine MdE von 30 v.H.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Gutachten sei unschlüssig. Lägen "nichtstochastische", also harmonische, Schwingungen vor, sei der Reiter zum gleitenden Aussitzen gezwungen. Bei "extrem schnellen Stößen" komme es gerade nicht zu stoßhaltigen Schwingungen. Je schneller die Schwingungen seien, desto geringer sei die Belastung der Bandscheiben. Dass der Rücken des Pferdes -abgesehen von der Situation des Bockens- nicht schwingen würde, sei ebenso wenig nachvollziehbar wie die Behauptung, dass die permanent angespannte Muskulatur eine schädigende Belastung darstelle. Vielmehr schütze die Rückenmuskulatur in angespanntem Zustand die Wirbelsäule und trage dazu bei, die Schwingungsbelastungen möglichst ohne Schädigung aufzunehmen.
Zu den Bewegungsabläufen befragt, hat die Bundesvereinigung der Berufsreiter unter dem 30. November 2006 mitgeteilt, die Rückenmuskulatur eines jungen Pferdes in der Anreitphase sei noch nicht so ausgestaltet, dass sie zu einem gleichmäßigen An- und Abspannen und der Rücken des Pferdes zum Schwingen komme. Das Pferd halte sich "im Rücken fest". Solange dies der Fall sei, wirkten auf den Rücken desjenigen, der das Pferd bereite, Stöße ein, die allenfalls begrenzt ausgeglichen werden könnten. Bei manchen jungen Pferden komme es spontan zu einem extremen Aufwölben des Körpers nach oben, dem sogenannten Bocken. Hierbei handele es sich um extrem schnelle Bewegungen.
Der Senat hat ein orthopädisches Gutachten von Dr. H, Marienhauskliniken L am See, vom 23. Juli 2007 eingeholt, der ausgeführt hat, selbst aktiver Dressur- und Springreiter, Verbandsarzt der Pferdesportverbände Saarland und Hessen und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten zu sein. Dem Gutachter gegenüber hat der Kläger angegeben, im Jahr 1997 unter ein stürzendes Pferd geraten zu sein. Seither habe er zunehmende Schmerzen im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule. Der Sachverständige hat die Diagnose einer multisegementalen Spondylosteochondrose der LWS mit Maximal-Punkten L4-S1 sowie multisegmentalem Morbus Baastrup gestellt. Die Belastung durch ein bockendes Pferd sei mit den Belastungen bei einem völlig passiven Sitz des Reiters auf keinen Fall vergleichbar, weil es sich dabei nicht um eine gleichmäßige Belastung handele. Auch sei die Kreuzmuskulatur nicht ständig angespannt, weil das vorwärtstreibende Einwirken auf das Pferd durch Becken und Wirbelsäule bei gleichmäßigem An- und Entspannen der Bauch- und Rückenmuskulatur, auf die Vorwärtsbewegung des Pferdes eingehend, erfolge. Die bei der Ausbildung junger Pferde einwirkenden Ganzkörperschwingungen stellten stoßhaltige Schwingungsbelastungen mit einzelnen oder wiederholt stark herausragenden Beschleunigungsspitzen dar. Dies liege daran, dass junge Pferde noch nicht in der Lage seien, das Gewicht des Reiters in jeder Situation auszubalancieren. Sie neigten dazu, sich der Belastung durch Buckeln zu entziehen. Es gebe auch keine Gemeinsamkeit mit den Belastungen eines Baumaschinenführers. Die MdE betrage 70 v.H.
Hiergegen hat die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Geschäftsbereichs Prävention eingewandt, dass es auf der Grundlage der gegenwärtig verfügbaren Beurteilungsmodelle nicht möglich sei, eine objektive Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen durchzuführen, da es an geeigneten epidemiologischen Studien fehle. Dies werde auch durch die unterschiedlichen Expertenmeinungen deutlich, die in ihrer Darstellung zwar hinreichend plausibel und nachvollziehbar seien, in der Schlussfolgerung aber zu widersprüchlichen Ergebnissen kämen. Zu den medizinischen Voraussetzungen hat sich die Beklagte auf eine orthopädische Zusammenhangsstellungnahme von Dres. B und Sch vom 17. Oktober 2007 bezogen, die der Senat mit Beschluss vom 17. November 2008 aus den Akten entfernt hat. In dem vom Senat von Dr. W eingeholten orthopädischen Gutachten nach Aktenlage vom 27. Dezember 2007 ist dem Gutachter vorgegeben worden, das Kriterium der "belastungsadaptiven Reaktionen" außer Acht zu lassen. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es auch dann, wenn nicht auf belastungsadaptive Reaktionen abgestellt werde, lediglich unter Einbeziehung der Konsensempfehlungen nicht möglich sei, mit genügender Wahrscheinlichkeit eine berufliche Verursachung der Erkrankung des Klägers festzustellen. Die Bilddokumente, die erst nach 30 Jahren beruflicher Tätigkeit gefertigt worden seien, wiesen eine allgemeine Segmentdegeneration auf, bei der sowohl die Wirbelkörperdeckplatten, die Bandscheibenfächer als auch die Facettengelenke befallen seien. Ein derartiger allgemeiner Segmentschaden lasse es nicht zu, eindeutig zu entscheiden, ob am Anfang die beruflich induzierte Bandscheibenschädigung gestanden habe. Im Hinblick darauf, dass als klare konkurrierende Ursache eine Wirbelsäulenfehlstatik anzuführen sei, sei ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nur dann wahrscheinlich, wenn dorsale Spondylosen erkennbar wären. Dies sei jedoch bei den 1996 gefertigten CT-Aufnahmen nicht der Fall.
In einer Stellungnahme hierzu hat Dr. H am 20. Juni 2008 ausgeführt, soweit Dr. W die Auffassung vertrete, es lägen an der unteren Lendenwirbelsäule keine Begleitspondylosen vor, verweise er auf die von ihm angefertigten Röntgenbilder der Lendenwirbelsäule vom 19. Januar 2007, die sehr wohl multisegmentale Spondylosteochondrosen der Lendenwirbelsäule erbracht hätten. Der Gutachter beschreibe eindeutig altersüberschreitend ein Vakuumphänomen im Segment L5/S1. Damit untermauere er die Zuordnung zur Berufskrankheit Nr. 2110. Bei den Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung handele es sich um einen Minimalkonsens, der für die endgültige Beurteilung in einem Gutachten nicht bindend sei. Von daher bleibe er bei seiner Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2110 erfüllt seien.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte (einschließlich der Akten des Sozialgerichts) und des den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid vom 19. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1999 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung an der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung.
Berufskrankheiten sind die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2,3, oder 6 Sozialgesetzbuch (SGB) VII bezeichneten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungs-begründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N.).
Der Kläger leidet nach Auffassung der im Verfahren vom Gericht gehörten Sachverständigen Dr. E, Dr. S, Dr. H und Dr. W an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Der Senat konnte aber unter Auswertung der zur Akte gelangten epidemiologischen Studien zu schwingungsexponierten Berufsgruppen, den abweichenden Belastungen beim Reiten und unter Berücksichtigung der von ihm eingeholten Gutachten von Dr. S und Dr. H nicht zu der Überzeugung gelangen, dass der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit in dem erforderlichen Umfang schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt war.
Welches Maß an belastenden Einwirkungen mindestens erforderlich ist, um eine Berufskrankheit anzuerkennen, ist grundsätzlich unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entscheiden. Wann bestimmte berufliche Einwirkungen nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, eine bestimmte Erkrankung hervorzurufen, ist eine Frage, deren Beantwortung nicht nur besonderes Fachwissen auf medizinischem und technischem Gebiet, sondern zugleich eine umfassende und genaue Kenntnis des jeweils aktuellen Forschungsstandes zu der betreffenden Fragestellung sowie die Fähigkeit zu dessen kritischer Bewertung voraussetzt. Die Möglichkeiten der Gerichte, sich die benötigten Informationen mit den ihnen zur Verfügung stehenden prozessualen Mitteln zu verschaffen, sind begrenzt, da sie auf die Wissensvermittlung durch Sachverständige angewiesen sind, deren Ergebnisse und Einschätzungen aber mangels eigener Sachkunde in der Regel nicht selbst bewerten können (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007-B 2 U 4/06 R).
Ausgehend von dem Merkblatt des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales vom 1. Mai 2005 (BArbBl. 7/2005 S. 43) ist eine langjährige, wiederholte Einwirkung von vorwiegend vertikalen Ganzkörperschwingungen in Sitzhaltung mit einer Tagesdosis in Form der Beurteilungsbeschleunigung aw(8) von im Regelfall 0,63 m/s² in der vertikalen z-Achse erforderlich. Diese Belastungsgrenze ist aufgrund von epidemiologischen Studien ermittelt worden, die auf die Besonderheiten des Zureitens nicht übertragbar sind. Denn für die danach vorzunehmende Gefährdungsermittlung kann nicht ohne weiteres auf die für Fahrzeuge und bewegliche Arbeitsmaschinen verwendeten Rechenmethoden und Richtwerte abgestellt werden, weil diese Werte zwei Besonderheiten berücksichtigen, die beim Zureiten nicht vorliegen, nämlich das Vorliegen belastender Schwingungsfrequenzen als Dauereinwirkung und die Schwere und die Häufigkeit der belastenden Stößen, die als zusätzliche Belastung hinzukommen. Zum Einen beruhen sie darauf, dass "insbesondere Resonanzschwingungen des Rumpfes und der Wirbelsäule, die vorwiegend bei Schwingungsfrequenzen zwischen 3 und 5 Hz auftreten, nicht nur zu vertikalen Relativbewegungen zwischen den Wirbelkörpern mit Stauchungen und Streckungen der Zwischenwirbelscheiben, sondern darüber hinaus auch zu Rotationsbewegungen der Segmente und zu horizontalen Segmentverschiebungen" führen (vgl. Merkblatt, S. 44) und dieser Frequenzbereich auch im biologischen Bereich hohe Gewebebeanspruchung (vgl. Forschungsbericht Ganzkörperschwingungen, S. 99) zur Folge hat. Diese Voraussetzungen werden beim Reiten nicht erfüllt, weil nach der Auskunft des TAD vom 17. September 2001 Schwingungsanteile um 2 Hz vorliegen. Zum anderen erreichen die bislang allein ermittelten Stoßbelastungen dem Aufsatz "Schwingungsbelastung beim Reiten" zufolge nicht den erforderlichen "Crestfaktor", also das Verhältnis zwischen Spitzenwert und Effektivwert, von 9, sondern höchstens 2,8 (Arbeitsmedizin.Sozialmedizin.Umweltmedizin 2000, S. 7).
Zu einem anderen Ergebnis konnte der Senat auch nicht unter Beachtung der Berechnung von Heipertz-Hengst u.a. (Arbeitsmedizin.Sozialmedizin.Umweltmedizin 2000, S. 5 ff), derzufolge bereits nach einer täglichen Trab- oder Galoppdauer von 10 bis 16 Minuten bei völlig passivem Sitz des Reiters die schädigende Tagesdosis erreicht wird, gelangen. Dies ist nicht direkt auf die Tätigkeit des Klägers übertragbar, weil ein Bereiter gerade nicht passiv im Sattel sitzt, sondern aktiv das Pferd nach vorn treibt, wie insbesondere Dr. H als Sachverständiger betont hat. Dies ist nach der von Dr. H vertretenen Auffassung nicht nur mit einer An- und Entspannung der Bauch- und Rückenmuskulatur verbunden, sondern auch deswegen nicht vergleichbar, weil ein passives Herunterhängen der Beine nicht stattfinde.
Etwas anderes gilt auch nicht deswegen, weil der Kläger nicht nur den vorherseh- und beeinflussbaren Schwingungseinwirkungen ausgesetzt war, sondern darüber hinaus eine Vielzahl junger Pferde zugeritten hat. Allerdings beinhaltet ein derartiges Zureiten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besondere Belastungen, da zum Einen der Rücken des Pferdes noch nicht schwingt, zum anderen unvorhergesehene Stöße "ungefedert" auf die Wirbelsäule einwirken. Hierzu hat Dr. H nachvollziehbar angegeben, dass diese Stöße mit den mechanischen Einwirkungen beim passiven Reiten nicht vergleichbar seien, weil es sich hierbei um eine gleichmäßige Belastung handele, die lediglich aufgrund der fehlenden Abpufferungsmöglichkeiten belastend wirke. Zwar liegt es nahe, dass die einzelnen Stöße eine Qualität aufweisen, die als wirbelsäulenschädigend in Betracht kommen, da sie ebenfalls nicht muskulär abgefangen werden können. Insoweit fehlt es jedoch an einem "Schwingungsbewertungsmodell", das einen Bezugswert liefern könnte, zu dem die Belastungen des Klägers in Relation gesetzt werden könnten.
Soweit der Kläger hiergegen in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, die Belastung müsse um Wege der Schätzung ermittelt werden, ändert dies nichts daran, dass die danach ermittelte Belastung ohne ein entsprechendes Bewertungsmodell keine Rückschlüsse auf ihre Vergleichbarkeit mit den durch die Berufskrankheit nach Nr. 2110 als krankheitsverursachend angesehenen Ganzkörperschwingungen zulässt.
Auch konnte der Senat eine vergleichbare Belastung durch eine ständige Anspannung der Kreuzmuskulatur, die nach dem beigezogenen Forschungsbericht Ganzkörperschwingungen als besonders belastend angesehen wird, nicht ermitteln. Denn Dr. H, der seinen reiterlichen Sachverstand durch die von ihm ausgeübten Tätigkeiten nachvollziehbar dargestellt hat, hat gerade eine ständige Anspannung der Kreuzmuskulatur verneint. Diese unterschiedliche Bewertung der schädigenden Einwirkungen erlaubt es nach alledem nicht, eine ausreichende Belastung im Sinne einer langjährigen, vorwiegend vertikalen Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen anzunehmen.
Unter Beachtung aller von Amts wegen eingeholten medizinischen Gutachten kann der Senat im Übrigen auch den Kausalzusammenhang zwischen der belastenden Tätigkeit und der Erkrankung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, weil den für den Zusammenhang sprechenden Umständen kein deutliches Übergewicht zukommt.
Allerdings haben sowohl Dr. S als auch Dr. H einen Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers bejaht. Beide Gutachter haben dies jedoch allein mit der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen und dem Vorliegen eines Bandscheibenschadens bejaht, ohne einen Kausalzusammenhang nachvollziehbar zu begründen.
Dem kann der Senat unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. W nicht folgen. Dieser Sachverständige hat unter Hinweis auf eine Hyperlordose im lumbosakralen Übergang als konkurrierende Ursache nachvollziehbar dargelegt, dass die weiteren Anforderungen zur Begründung eines Kausalzusammenhangs, die die Konsensempfehlungen bei Vorliegen einer konkurrierenden Ursache stellen, nicht erfüllt sind. Der Einwand von Dr. H in seiner Stellungnahme hiergegen, der Gutachter habe nicht die Ergebnisse seiner 2007 gefertigten Röntgenbilder berücksichtigt, beachtet nicht, dass maßgeblich nur die zeitnah zur Tätigkeitsaufgabe gefertigten Aufnahmen sind, um nach Ende der Belastung auftretende degenerative Veränderungen außer Acht zu lassen. Der allgemeine Einwand des Dr. H, es liege bei den Konsensempfehlungen allenfalls ein unverbindlicher Minimalkonsens vor, überzeugt ebenfalls nicht. Handelt es sich nämlich um einen Minimalkonsens, kann ein Kausalzusammenhang über die Fälle des Konsenses hinaus nur in Betracht kommen, soweit jedenfalls eine Gruppe der Sachverständigen einen Zusammenhang als gegeben angesehen hat, nicht aber bei Übereinstimmung dahingehend, dass ein Kausalzusammenhang ausscheide. Bei der Fallkonstellation B 9 bestand aber Einigkeit dahingehend, dass kein Kasualzusammenhang bejaht werden könne.
In der Zusammenschau überwiegen damit die gegen einen Kausalzusammenhang zwischen der Belastung und dem Schaden sprechenden Gesichtspunkte, so dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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