Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 3341/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 119/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.) Streitwerte sind ausschließlich durch Beschluss festzusetzen.
2.) Eine Streitwertfestsetzung ist - rechtswidrig - durch Urteil erfolgt, wenn sie mit den Worten "Urteil" und "Im Namen des Volkes" überschrieben und in den Urteilstenor aufgenommen worden ist, auch wenn das Gericht die Beteiligten am Ende seiner Entscheidung darüber belehrt, dass gegen die Streitwertfestsetzung die Beschwerde zulässig ist.
3.) In einem Rechtsstreit über die Versicherungspflicht ist der Streitwert regelmäßig auf den Auffangwert von 5.000,00 Euro festzusetzen.
4.) Nur dann, wenn feststeht, dass dieser Auffangwert in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert des Rechtsstreits für den Kläger steht, kann der Streitwert durch die maßvolle Vervielfachung oder Verminderung des Auffangwertes erhöt oder vermindert werden.
5.) Es kann angemessen sein, bei Rechtsstreiten über die Versicherungspflicht für ein ganzes Erwerbsleben, den Streitwert abzuheben, Dabei darf der Streitwert das Doppelte des Auffangwertes erst dann erreichen, wenn zwischen den Beteiligten Zeiträume von mehr als 15 Jahren streitig sind. Streiten die Beteiligten über mehr als 30 Jahre Versicherungspflicht, so ist ein Streitwert von 15.000,00 Euro angemessen.
2.) Eine Streitwertfestsetzung ist - rechtswidrig - durch Urteil erfolgt, wenn sie mit den Worten "Urteil" und "Im Namen des Volkes" überschrieben und in den Urteilstenor aufgenommen worden ist, auch wenn das Gericht die Beteiligten am Ende seiner Entscheidung darüber belehrt, dass gegen die Streitwertfestsetzung die Beschwerde zulässig ist.
3.) In einem Rechtsstreit über die Versicherungspflicht ist der Streitwert regelmäßig auf den Auffangwert von 5.000,00 Euro festzusetzen.
4.) Nur dann, wenn feststeht, dass dieser Auffangwert in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert des Rechtsstreits für den Kläger steht, kann der Streitwert durch die maßvolle Vervielfachung oder Verminderung des Auffangwertes erhöt oder vermindert werden.
5.) Es kann angemessen sein, bei Rechtsstreiten über die Versicherungspflicht für ein ganzes Erwerbsleben, den Streitwert abzuheben, Dabei darf der Streitwert das Doppelte des Auffangwertes erst dann erreichen, wenn zwischen den Beteiligten Zeiträume von mehr als 15 Jahren streitig sind. Streiten die Beteiligten über mehr als 30 Jahre Versicherungspflicht, so ist ein Streitwert von 15.000,00 Euro angemessen.
Der Streitwert wird für das sozialgerichtliche Verfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Nachdem die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist die Festsetzung des Streitwertes durch das Sozialgericht wirkungslos geworden. Denn das Sozialgericht hat den Streitwert durch Urteil vom 20. Dezember 2007 festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung ist nämlich mit den Worten "Urteil" und "Im Namen des Volkes" überschrieben und in den Urteilstenor aufgenommen worden, weil das Sozialgericht auch hinsichtlich dieser Entscheidung "für Recht erkannt hat". Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Sozialgericht die Beteiligten in seiner Rechtsmittelbelehrung darüber belehrt, dass gegen den die Streitwertfestsetzung betreffenden "Beschluss" die Beschwerde zulässig sei; darin ist lediglich die gegen § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßende Behauptung enthalten, dass gegen einen Teil eines Urteils die Beschwerde das richtige Rechtsmittel sei. Maßgeblich für die Bestimmung der Art einer gerichtlichen Entscheidung ist nicht die Rechtsmittelbelehrung, sondern hierfür sind Rubrum und Entscheidungssatz heranzuziehen. Sie, nicht hingegen die erst am Ende der Entscheidung befindliche Rechtsmittelbelehrung, sollen klarstellen, welche Art der Entscheidung ein Gericht mit welchem Inhalt treffen wollte. Insbesondere das Rubrum hat die Funktion, der Entscheidung des Gerichts wie eine Überschrift oder ein Titel voranzugehen, damit die am Rechtsstreit Beteiligten nicht erst durch Auslegung ermitteln müssen, ob eine bestimmte Entscheidung Urteil oder Beschluss ist.
Der Streitwert darf auch nicht durch Urteil festgesetzt werden. Nach § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest. Eine Festsetzung durch Urteil sieht das GKG nicht vor; sie ist deshalb auch dann ausgeschlossen, wenn Gerichte anderer Rechtswege unter offensichtlichem Verstoß gegen das Gesetz Streitwerte durch Urteil festsetzen sollten.
Urteile und Beschlüsse zur Festsetzung von Streitwerten können miteinander in einer Urkunde verbunden werden. Zur Klarstellung, wann das Gericht durch Urteil und wann durch Beschluss entscheiden will, müssen die Entscheidungen aber unterschiedliche Rubren und Entscheidungssätze haben. Daraus folgt, dass die Entscheidungen nacheinander abgesetzt werden müssen. Es könnte das Absetzen von beanstandungsfreien Urteilen und Beschlüssen erleichtern, wenn die Gerichte hierfür entsprechende Vordrucke zur Verfügung stellen. So könnte etwa auf einem Vordruck für die Rechtsmittelbelehrung für ein Urteil auf der Rückseite ein Vordruck für den Beschluss zur Festsetzung des Streitwertes einschließlich der Belehrung über das hierfür zulässige Rechtsmittel vorgesehen werden.
Die vom Sozialgericht getroffene und durch die Erledigungserklärung der Hauptbeteiligten wirkungslos gewordene Streitwertfestsetzung war aber auch inhaltlich fehlerhaft. Das Sozialgericht hatte in einem Streit, der nur über das Vorliegen der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung geführt wurde, den Streitwert auf 17.500,00 EUR festgesetzt. Diese Entscheidung hatte es damit begründet, dass für jedes Jahr, für das um das Bestehen von Versicherungspflicht gestritten werde, 2.500 EUR anzusetzen sei.
Diese Entscheidung verstößt gegen das GKG, das hier gemäß § 197 a SGG Anwendung findet. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - soweit wie hier nichts anderes bestimmt ist - der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Wenn der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, ist deren Höhe maßgeblich (§52 Abs. 3 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts dagegen - wie im vorliegenden Fall - keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen. Nur dann, wenn feststeht, dass dieser Auffangwert in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert des Rechtsstreits für den Kläger steht, kann der Streitwert durch die maßvolle Vervielfachung oder Verminderung des Auffangwertes erhöht oder vermindert werden.
Der Senat hat in der Vergangenheit in einem Streit über die Versicherungspflicht für einen einzigen Tag den Streitwert auf 1.000,00 EUR reduziert. Ebenso kann es angemessen sein, bei Rechtsstreiten über die Versicherungspflicht für ein ganzes Erwerbsleben den Streitwert anzuheben. Dabei darf der Streitwert aber das Doppelte des Auffangwertes erst dann erreichen, wenn zwischen den Beteiligten Zeiträume von mehr als 15 Jahren streitig sind. Streiten die Beteiligten über mehr als 30 Jahre Versicherungspflicht, so ist ein Streitwert von 15.000,00 EUR angemessen. Eine Orientierung an dem Erstattungsbetrag zu Unrecht erhobener Sozialversicherungsbeiträge scheidet hingegen im Streit über die Versicherungspflicht aus. Abgesehen davon, dass dieser Betrag regelmäßig im Streit über die Versicherungspflicht unbekannt ist, können einer Erstattungsforderung nach §§ 26 und 27 Abs. 2 SGB IV Einwände oder Einreden des Versicherungsträgers entgegenstehen, die eine Erstattungsforderung ganz oder zum Teil ausschließen. Das gilt insbesondere für Erstattungsforderungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, für die §§ 26 und 27 SGB IV spezielle Regelungen treffen. Hierüber ist der Richter im Streit über die Versicherungspflicht regelmäßig nicht informiert, so dass seine Schätzungen über die Höhe einer Erstattungsforderung in solchen Fällen auf Mutmaßungen beruhen, die nicht zur Grundlage einer Streitwertfestsetzung gemacht werden dürfen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).
Gründe:
Nachdem die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist die Festsetzung des Streitwertes durch das Sozialgericht wirkungslos geworden. Denn das Sozialgericht hat den Streitwert durch Urteil vom 20. Dezember 2007 festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung ist nämlich mit den Worten "Urteil" und "Im Namen des Volkes" überschrieben und in den Urteilstenor aufgenommen worden, weil das Sozialgericht auch hinsichtlich dieser Entscheidung "für Recht erkannt hat". Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Sozialgericht die Beteiligten in seiner Rechtsmittelbelehrung darüber belehrt, dass gegen den die Streitwertfestsetzung betreffenden "Beschluss" die Beschwerde zulässig sei; darin ist lediglich die gegen § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßende Behauptung enthalten, dass gegen einen Teil eines Urteils die Beschwerde das richtige Rechtsmittel sei. Maßgeblich für die Bestimmung der Art einer gerichtlichen Entscheidung ist nicht die Rechtsmittelbelehrung, sondern hierfür sind Rubrum und Entscheidungssatz heranzuziehen. Sie, nicht hingegen die erst am Ende der Entscheidung befindliche Rechtsmittelbelehrung, sollen klarstellen, welche Art der Entscheidung ein Gericht mit welchem Inhalt treffen wollte. Insbesondere das Rubrum hat die Funktion, der Entscheidung des Gerichts wie eine Überschrift oder ein Titel voranzugehen, damit die am Rechtsstreit Beteiligten nicht erst durch Auslegung ermitteln müssen, ob eine bestimmte Entscheidung Urteil oder Beschluss ist.
Der Streitwert darf auch nicht durch Urteil festgesetzt werden. Nach § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest. Eine Festsetzung durch Urteil sieht das GKG nicht vor; sie ist deshalb auch dann ausgeschlossen, wenn Gerichte anderer Rechtswege unter offensichtlichem Verstoß gegen das Gesetz Streitwerte durch Urteil festsetzen sollten.
Urteile und Beschlüsse zur Festsetzung von Streitwerten können miteinander in einer Urkunde verbunden werden. Zur Klarstellung, wann das Gericht durch Urteil und wann durch Beschluss entscheiden will, müssen die Entscheidungen aber unterschiedliche Rubren und Entscheidungssätze haben. Daraus folgt, dass die Entscheidungen nacheinander abgesetzt werden müssen. Es könnte das Absetzen von beanstandungsfreien Urteilen und Beschlüssen erleichtern, wenn die Gerichte hierfür entsprechende Vordrucke zur Verfügung stellen. So könnte etwa auf einem Vordruck für die Rechtsmittelbelehrung für ein Urteil auf der Rückseite ein Vordruck für den Beschluss zur Festsetzung des Streitwertes einschließlich der Belehrung über das hierfür zulässige Rechtsmittel vorgesehen werden.
Die vom Sozialgericht getroffene und durch die Erledigungserklärung der Hauptbeteiligten wirkungslos gewordene Streitwertfestsetzung war aber auch inhaltlich fehlerhaft. Das Sozialgericht hatte in einem Streit, der nur über das Vorliegen der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung geführt wurde, den Streitwert auf 17.500,00 EUR festgesetzt. Diese Entscheidung hatte es damit begründet, dass für jedes Jahr, für das um das Bestehen von Versicherungspflicht gestritten werde, 2.500 EUR anzusetzen sei.
Diese Entscheidung verstößt gegen das GKG, das hier gemäß § 197 a SGG Anwendung findet. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - soweit wie hier nichts anderes bestimmt ist - der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Wenn der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, ist deren Höhe maßgeblich (§52 Abs. 3 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts dagegen - wie im vorliegenden Fall - keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen. Nur dann, wenn feststeht, dass dieser Auffangwert in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert des Rechtsstreits für den Kläger steht, kann der Streitwert durch die maßvolle Vervielfachung oder Verminderung des Auffangwertes erhöht oder vermindert werden.
Der Senat hat in der Vergangenheit in einem Streit über die Versicherungspflicht für einen einzigen Tag den Streitwert auf 1.000,00 EUR reduziert. Ebenso kann es angemessen sein, bei Rechtsstreiten über die Versicherungspflicht für ein ganzes Erwerbsleben den Streitwert anzuheben. Dabei darf der Streitwert aber das Doppelte des Auffangwertes erst dann erreichen, wenn zwischen den Beteiligten Zeiträume von mehr als 15 Jahren streitig sind. Streiten die Beteiligten über mehr als 30 Jahre Versicherungspflicht, so ist ein Streitwert von 15.000,00 EUR angemessen. Eine Orientierung an dem Erstattungsbetrag zu Unrecht erhobener Sozialversicherungsbeiträge scheidet hingegen im Streit über die Versicherungspflicht aus. Abgesehen davon, dass dieser Betrag regelmäßig im Streit über die Versicherungspflicht unbekannt ist, können einer Erstattungsforderung nach §§ 26 und 27 Abs. 2 SGB IV Einwände oder Einreden des Versicherungsträgers entgegenstehen, die eine Erstattungsforderung ganz oder zum Teil ausschließen. Das gilt insbesondere für Erstattungsforderungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, für die §§ 26 und 27 SGB IV spezielle Regelungen treffen. Hierüber ist der Richter im Streit über die Versicherungspflicht regelmäßig nicht informiert, so dass seine Schätzungen über die Höhe einer Erstattungsforderung in solchen Fällen auf Mutmaßungen beruhen, die nicht zur Grundlage einer Streitwertfestsetzung gemacht werden dürfen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).
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