L 10 B 2434/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AS 36368/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 2434/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der im laufenden Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stehende, 1983 geborene Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (noch) die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm die Zusicherung zu erteilen, die Kosten für die von ihm in Aussicht genommene Wohnung W, B, hilfsweise für die Wohnung N, B, bei einer künftigen SGB II-Bedarfsberechnung zu berücksichtigen.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit dem angefochtenen Beschuss den Erlass einer Regelungsanordnung mit der Begründung abgelehnt, der Erteilung der begehrten Zusicherung stehe entgegen, dass der Antragsteller im Falle eines Umzugs seinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II verlieren würde.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend dargelegt, dass es an einem Anordnungsanspruch für die begehrte Regelungsanordnung mangelt. Der Senat nimmt daher auf die Gründe des Beschlusses vom 28. November 2008 Bezug (vgl § 142 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), mit der Einschränkung, dass die Formulierung zu Beginn des vorletzten Absatzes, es fehle an der Erforderlichkeit des Umzugs, missverständlich ist. Denn das SG hat seine ablehnende Entscheidung nicht etwa darauf gestützt, dass die vom Antragsteller geltend gemachten sozialen Gründe für den Umzug (Wohnungsgröße, Zerrüttung des Verhältnisses zum Vater, Wochenendbesuche von dessen (Stief-)Töchtern) nicht durchgreifen würden. Entscheidungserheblich war vielmehr allein der Gesichtspunkt, dass der Antragsteller bei einem Auszug aus der väterlichen Wohnung seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II verlieren würde und damit auch keine Leistungen für Unterkunft und Heizung (vgl § 22 Abs 1 SGB II) mehr beanspruchen könnte, was zwangsläufig eine Verpflichtung der Antragsgegnerin ausschließt zuzusichern, die Mietkosten für eine der vom Antragsteller in Aussicht genommenen Wohnungen zu übernehmen. Im Falle eines Umzugs käme nämlich § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II zur Anwendung, wonach Auszubildende wie der Antragsteller, deren Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig ist (hier nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)), keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben, die die Unterkunftskosten umfassen. Dass der Antragsteller gegenwärtig gleichwohl Arbeitslosengeld II bezieht, liegt daran, dass zu seinen Gunsten die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs 6 SGB II greift, die indes in den hier allein in Betracht kommenden Fallkonstellationen der Nrn 1 und 2 voraussetzt, dass der Auszubildende im Haushalt seiner Eltern bzw. eines Elternteils wohnt (so bereits Senatsurteil vom 05. Juli 2006 – L 10 AS 545/06 – www.juris.de).

Auf § 22 Abs 7 SGB II, wonach Auszubildende abweichend von § 7 Abs 5 SGB II einen Zuschuss zu den Kosten für Unterkunft und Heizung erhalten können, kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen, weil er bei Bezug einer eigenen Wohnung seinen Anspruch auf Ausbildungsförderung nach § 2 Abs 1a BAföG verlöre, den § 22 Abs 7 SGB II voraussetzt, der allein darauf abzielt, ggfs. unzureichende finanzielle Ausstattungen von Auszubildenden und Studierenden nach dem BAföG oder dem SGB III zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen im Wege von Leistungen für die Unterkunft zu ergänzen (BT-Drucks 16/1410, Seite 24). Nach § 2 Abs 1a Satz 1 BAföG wird Auszubildenden, die nicht bei ihren Eltern wohnen, Ausbildungsförderung für den Besuch einer Ausbildungsstätte wie derjenigen des Antragstellers nur unter den in den Ziffern 1 bis 3 der Vorschrift genannten Voraussetzungen gewährt (mangelnde Erreichbarkeit einer zumutbaren Ausbildungsstätte von der elterlichen Wohnung, Führung eines eigenen Haushalts bei Verheiratung oder Zusammenleben mit mindestens einem Kind), die hier nicht vorliegen. Die vom Antragsteller für seinen Auszugswunsch geltend gemachten sozialen Umstände sind ausbildungsförderungsrechtlich irrelevant. Von der Ermächtigung des § 2 Abs 1a Satz 2 BAföG, im Wege einer Rechtsverordnung Ausbildungsförderung für den Besuch der in Absatz 1 Nr 1 bezeichneten Ausbildungsstätten auch in Fällen zu ermöglichen, in denen die Verweisung auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist, wurde kein Gebrauch gemacht.

Schließlich könnte dem Antragsteller nach einem etwaigen Umzug auch nicht gemäß § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II zur Vermeidung eines besonderen Härtefalles Arbeitslosengeld II als Darlehen gewährt werden. Der Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift ist angesichts des Gesetzeszwecks, das Leistungssystem das SGB II von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, auf Fälle beschränkt, in denen aus außergewöhnlichen, schwerwiegenden Umständen die Verweigerung von "Ausbildungshilfen" über das SGB II geradezu zwangsläufig zum Abbruch einer bereits weit fortgeschrittenen Ausbildung und demzufolge zu wirtschaftlicher Hilfebedürftigkeit führen müsste (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 06. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R – www.juris.de, Rdnr 34 f; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rdnr 100 ff). Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Die vom Antragsteller und seinem Vater (vgl. Bl. 75 der Leistungsakte) geschilderten Problemlagen des gemeinsamen Wohnens sind für das Zusammenleben von Erwachsenen im Eltern/Kind-Verhältnis nicht atypisch, auch nicht die beengten Wohnverhältnisse bei auf zwei Zimmern – von denen der Antragsteller eines bewohnt - verteilten 57,53 qm Wohnfläche. Außergewöhnlich sind nur die geltend gemachten regelmäßigen (Wochenend-)Besuche einer Tochter sowie einer Stieftochter des Vaters im Alter von 8 und 15 Jahren, von denen jedoch nicht erkennbar ist, dass sie zu Wohnverhältnissen führen, die einem Auszubildenden nicht zugemutet werden können. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die – vorübergehenden – Besuche konzentriertes Arbeiten und Lernen des Antragstellers so gravierend beeinträchtigen, dass deswegen der Ausbildungserfolg gefährdet wäre, zumal die Möglichkeit außerhäusigen Arbeitens, etwa in den Räumen des vom Antragsteller besuchten Oberstufenzentrums oder öffentlichen Bibliotheken, besteht.

Der Senat weist außerhalb des vorliegenden Verfahrens darauf hin, dass der Antragsteller bei Beibehaltung der gegenwärtigen Verhältnisse höhere SGB II-Leistungen beanspruchen kann, als ihm mit Bescheid vom 02. Oktober 2008 für die Zeit 14. August 2008 bis zum 28. Februar 2009 bewilligt worden sind (monatlich 36,- EUR), was sich auch positiv auf das familiäre Zusammenleben auswirken dürfte. Zwar ist der Berechnungsbogen zu diesem Bescheid in der vorliegenden Leistungsakte nicht enthalten, aus der Seite 2 des Bescheides geht jedoch hervor, dass wegen von seinem Vater bereit gestellter Vollverpflegung ein Abzug um 35% der Regelleistung (123,- EUR) vorgenommen wurde. Die zum 01. Januar 2009 geänderte Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-VO) schließt die Berücksichtigung von durch Verwandte bereit gestellter Verpflegung als Einkommen jedoch aus (vgl § 1 Abs 1 Nr 11 Alg II-VO). Diese Änderung ist nach Artikel 2 Satz 2 der Ersten Verordnung zur Änderung der Alg II-VO (BGBl I 2780) bereits mit Wirkung vom 01. Januar 2008 in Kraft getreten, so dass der Antragsteller (sofern der Bescheid vom 02. Oktober 2008 bestandskräftig geworden ist) die Stellung eines Überprüfungsantrags gemäß §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Erwägung ziehen mag, um von der Rechtsänderung nicht nur für die Zukunft zu profitieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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