L 18 B 2308/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 39 AS 30028/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 2308/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2008 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an den Antragsteller für die Zeit vom 30. September 2008 bis 31. Oktober 2008 einen Zuschlag in Höhe von insgesamt 165,00 EUR zu zahlen. Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt P T Prozesskostenhilfe für beide Instanzen bewilligt. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller ein Sechstel seiner außergerichtlichen Kosten im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erstatten.

Gründe:

Die – zunächst unbeschränkt eingelegte und damit weiterhin zulässige - Beschwerde des Antragstellers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (zum Ausschluss derartiger Beschwerden vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), mit der er sein erstinstanzliches Begehren zuletzt nur noch insoweit weiter verfolgt, als er beantragt, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Gewährung eines befristeten Zuschlages nach dem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 160,00 EUR monatlich für die Zeit vom 30. September 2008 bis 31. Oktober 2008 zu verpflichten, ist ebenso begründet wie die Beschwerde, mit der sich der Antragsteller gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren wendet.

Der Anordnungsanspruch für den Erlass der begehrten gerichtlichen Anordnung ergibt sich aus § 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Alg Arbeitslosengeld II (Alg II) beziehen, im ersten Jahr einen monatlichen Zuschlag in Höhe von zwei Dritteln des Unterschiedsbetrages zwischen dem zuletzt bezogenen Alg nebst Wohngeld und dem erstmalig nach dem Ende des Bezugs zustehenden Alg II, wobei der Zuschlag im ersten Jahr auf höchstens 160,00 EUR begrenzt ist. Der Bezug von Alg endet erst, wenn der letzte Tag des Alg-Anspruchs verbraucht ist oder ein eventueller Restanspruch wegen des Ablaufs von Verfallsfristen nicht mehr geltend gemacht werden kann (siehe Brünner in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 24 Rn. 8). Dabei hat der Bewilligungsbescheid, kraft dessen Alg geleistet wurde und der nicht aufgehoben worden sein darf, für die Entscheidung über den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II Tatbestandswirkung (siehe Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 24 Rn 7).

Der Antragsteller, der seit dem 9. Mai 2008 Alg II bezieht, hat deshalb einen Anspruch auf Zahlung eines befristeten Zuschlages nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil sein Alg-Bezug mit dem 30. April 2008 und mithin vor dem Bezug des Alg II endete. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners war der Alg-Anspruch mit diesem Tag vollständig verbraucht. Dem Antragsteller war mit Änderungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 27. September 2007 ab 4. September 2007 Alg für 240 Tage bewilligt worden. Dementsprechend war der ihm zuerkannte Anspruch mit dem Ablauf des 240.ten Tages seit der Bewilligung des Alg, also am 30. April 2008, erschöpft. Soweit in dem Bewilligungsbescheid ein täglicher Leistungsbetrag von 35,18 EUR für die Zeit vom 4. September 2007 bis 3. Mai 2008 verfügt worden war, kann offen bleiben, welche rechtliche Bedeutung dieser Zeitangabe im Hinblick auf die zugleich in Übereinstimmung mit § 339 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) festgesetzte Anspruchsdauer von 240 Tagen zukommt. Denn jedenfalls mit der mit Aufhebungsbescheid vom 24. April 2008 erfolgten Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung des Alg ab 1. Mai 2008 hat die Bundesagentur für Arbeit entschieden, dass dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 3. Mai 2008 kein Anspruch auf Alg mehr zusteht. Dieser Bescheid lässt nach seinem Erklärungsinhalt auch keine Regelungsabsicht dahingehend erkennen, dass dem Antragsteller noch eine Restanspruchsdauer von drei Tagen Alg hätte zuerkannt werden sollen. Soweit darin als Grund für die Aufhebungsentscheidung die Abmeldung des Antragstellers aus dem Leistungsbezug angegeben wird, lässt diese Begründung ohne weitere, hier nicht erkennbare Hinweise nicht den Schluss zu, dass eine Verwaltungsentscheidung über die Zuerkennung eines Restanspruchs auf Alg getroffen worden wäre. Eine entsprechende Regelungsabsicht kann im Übrigen auch deshalb nicht unterstellt werden, weil sie zu einer § 339 Satz 2 SGB III widersprechenden Berechnung der Anspruchsdauer führen würde. Denn mit dieser Norm hat sich der Gesetzgeber vom kalendermäßigen Ablauf der Anspruchsdauer gelöst (vgl. Coseriu/Jakob in NK-SGB II, 3. Aufl., § 339 Rn. 7). Ein Arbeitsloser, der - wie der Antragsteller – ab 4. September 2007 einen Alg-Anspruch nach § 127 Abs. 2 SGB III für die Dauer von acht Monaten hat, kann Alg nicht mehr für volle acht Kalendermonate bis zum 3. Mai des Folgejahres (= 243 Tage), sondern nur für 8 mal 30 Kalendertage beanspruchen, insgesamt also - wie im Änderungsbescheid vom 27. September 2007 insoweit für den Antragsteller zutreffend festgesetzt – für nur 240 Tage.

Der Antragsteller kann weiterhin nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II den Höchstbetrag von 160,00 EUR monatlich beanspruchen, denn die nach § 24 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB II grundsätzlich maßgeblichen zwei Drittel des Unterschiedsbetrags in Höhe von 199,95 EUR zwischen dem zuletzt bezogenen Alg in Höhe von monatlich 1.055,40 EUR (35,18 EUR mal 30) und dem erstmalig zustehenden Alg II in Höhe von 755,47 EUR monatlich übersteigen den angeführten Höchstbetrag. Dementsprechend steht dem Antragsteller für den streitbefangenen Zeitraum ein Zuschlag in Höhe von 165,00 EUR zu (160,00 EUR für Oktober 2008 zuzüglich 5, 33 EUR für den 30. September 2008 = gerundet nach § 41 Abs. 2 SGB II: 165,- EUR).

Im Hinblick auf den befristeten Zuschlag nach § 24 Abs. 1 SGB II ist auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein solcher liegt vor, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht, glaubhaft gemacht worden ist. Aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers im streitbefangenen Zeitraum, die dieser mit Schriftsatz vom 12. Januar 2009 glaubhaft gemacht hat, ist er auf Grund bereits vor Eintreten der Hilfebedürftigkeit eingegangener Zahlungsverpflichtungen (40,00 EUR Rückzahlung eines Studiendarlehens an das E B, 67,73 EUR für Mitgliedschaft im Sportstudio F, jeweils monatlich) bzw. fälliger Versicherungsbeiträge (monatlich 17,33 EUR Arbeitslosenversicherungsbeitrag sowie jährlicher Haftpflichtversicherungsbeitrag von 68,88 EUR) auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich des befristeten Zuschlages nach § 24 Abs. 1 SGB II dringend angewiesen.

Die PKH-Beschwerde ist ebenfalls begründet. Dem – bedürftigen - Antragsteller war für das erstinstanzliche Verfahren PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt T zu bewilligen. Denn die Rechtsverfolgung hatte, wie sich aus den obigen Ausführungen entnehmen lässt, zumindest teilweise Aussicht auf Erfolg (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Auch in diesen Fällen ist wegen der anfallenden Betragsrahmengebühren nach § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz uneingeschränkt PKH zu bewilligen (vgl. mit ausführlicher Begründung: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2007 – L 7 B 232/05 AS = NZS 2008, 336). Gleiches gilt für die antragsgemäß zu bewilligende PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt T für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Im PKH-Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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