L 34 B 1524/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AS 1183/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 B 1524/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. April 2008 aufgehoben. Den Klägern wird mit Wirkung ab dem 20. November 2006 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen für das beim Sozialgericht Neuruppin anhängige Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 18 AS 1183/08 (früher S 6 AS 159/08) bewilligt und Rechtsanwalt JR, beigeordnet. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz –SGG -) der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. April 2008 ist begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Nach § 73 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn der Kläger - bei summarischer Prüfung - in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Erfolgsaussichten bestehen vor allem dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 13. März 1990, Aktenzeichen 2 BvR 94/88, Juris Rn. 28 = NJW 1991, 413, 414).

Vorliegend dürfte die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (mehr) haben. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 30. September 2008 entschieden, dass eine Steuererstattung Einkommen darstellt, das gemäß § 11 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld II anzurechnen ist und nicht zu den bereits erlangten Einkünften gehört, mit denen Vermögen angespart wurde (Az. B 4 AS 29/07 R, Juris Rn. 18 = Sozialgerichtsbarkeit 2008, 658 - 659 – Kurzwiedergabe -). Nach dem genannten Urteil dürfte auch die Verteilung des Einkommens, hier der Steuererstattung, auf die anschließenden Zeiträume von der Beklagten zutreffend vorgenommen worden seien (vgl. dazu BSG, a.a.O., Rn. 11ff und 21ff).

Auch wenn die Klage zum jetzigen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg mehr hat, ist den Klägern gleichwohl Prozesskostenhilfe für die erste Instanz zu bewilligen. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist grundsätzlich der Zeitpunkt maßgeblich, in dem das Gericht erster Instanz, hier das Sozialgericht, über das Prozesskostenhilfe-Gesuch entscheidet (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts – LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Oktober 2007, Aktenzeichen L 17 B 18/07 U, Juris Rn. 3 m.w.N.) bzw., wenn der Prozesskostenhilfe-Antrag bereits vor Beschlussfassung entscheidungsreif war, der Zeitpunkt der Spruchreife (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 4 mit weiteren Nachweisen).

Zu beiden Zeitpunkten, nämlich dem der Entscheidung des Sozialgerichts am 16. April 2008 und dem der Entscheidungsreife im November 2006 und darüber hinaus auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife über die Beschwerde im August 2008 bestand die hinreichende Erfolgsaussicht für das Klagebegehren, da das BSG zu diesem Zeitpunkt über die zu Grunde liegende Rechtsfrage noch nicht entschieden hatte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. zuletzt stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, Az. 1 BvR 1807/07, Juris Rn. 23) muss zwar Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewährung kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (vgl. BVerfGE 81, 347 (359)). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 (359)). Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. August 2001 - 2 BvR 569/01 -, DVBl 2001, S. 1748 (1750); Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 -, NVwZ 2006, S. 1156 (1157)).

Die im vorliegenden Verfahren zu beantwortende Rechtsfrage war bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts am 30. September 2008 in Rechtsprechung und Literatur umstritten und konnte nicht anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne Schwierigkeiten beantwortet werden. So hat z.B. das Sozialgericht Leipzig, worauf der Prozessbevollmächtigte der Kläger mehrfach hingewiesen hat, mit Beschluss vom 16. August 2005 (Az. S 9 AS 405/05 ER, dokumentiert in Juris) und mit Urteil vom 14. Dezember 2006 (Az. S 9 AS 406/05, ebenfalls dokumentiert in Juris) entschieden, dass eine Steuererstattung nicht als Einkommen auf den Anspruch nach dem SGB II anzurechnen ist, sondern es sich um Vermögen handelt. Auch in der Literatur wurde diese Auffassung vertreten (vgl. z.B. Mecke in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 11 Rn. 7). Das Bundessozialgericht hat noch in seiner Entscheidung vom 30. Juli 2008 (B 14/7b AS 12/07 R, Juris Rn. 21) unter Hinweis auf die eben zitierte Rechtsprechung des Sozialgerichts Leipzig offen gelassen, ob der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) im Hinblick auf die Differenzierung nach der Freiwilligkeit einer Ansparung bei der Realisierung von Forderungen zu folgen ist.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht des erstinstanzlichen Verfahrens war damit zu allen in Frage kommenden Zeitpunkten für die Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals gegeben.

Eine Bewilligung steht auch nicht entgegen, dass die Kläger den aktuellen Bewilligungsbescheid des Beklagten trotz Anforderung des Sozialgerichts von Januar 2008 nicht eingesandt hatten. Dies wurde mit der Beschwerdebegründung nachgeholt. Im Übrigen hatten sie zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Sozialgerichts den damals aktuellen Bewilligungsbescheid vorgelegt.

Da die Kläger nicht in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, war Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und der Prozessbevollmächtigte der Kläger ihnen beizuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved