L 4 R 1519/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 R 1595/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 1519/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ob die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG vorliegen, ist uneingeschränkt vom Rechtsmittelgericht überprüfbar.
Allein die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist für das Gericht nicht mit einem erheblichen Aufwand im Sinne des § 131 Abs. 5 SGG verbunden.
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die in der Türkei geborene, verheiratete Klägerin hat nach der Geburt ihres Kindes N im August 1971 einen achtmonatigen Kurs als Schneiderin an einer türkischen Gewerbeschule absolviert. Nach dem Zuzug nach Deutschland im September 1980 arbeitete sie vom September 1985 bis August 1999 mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit als Textilarbeiterin und war danach, unterbrochen durch eine AB-Maßnahme (Mai 2001 – Mai 2002) und eine Mehrarbeitsgelegenheit (Januar 2005 bis Dezember 2006) arbeitslos. Sie bezieht zur Zeit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 09. März 2007 beantragte die Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung und gab Probleme mit der Sehfähigkeit sowie Leiden auf orthopädischem und seelischem Gebiet an.

Nach internistischer Begutachtung der Klägerin durch Dr. C, die die Klägerin im Ergebnis noch für vollschichtig leistungsfähig hielt, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2007 den Rentenantrag aus medizinischen Gründen ab.

Hiergegen erhob die Klägerin am 15. August 2007 Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte einen Befundbericht der die Klägerin behandelnden Augenärztin Dr. S ein, wonach der Visus rechts 0,8 und links 0,3 beträgt. Die Beklagte holte weiter einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Neurologen Dr. K ein, der eine depressive Störung attestierte, sowie ein augenärztliches Gutachten von Dr. K und ein internistisches Gutachten von Dr. D. Beide Gutachter schätzen ein, dass das Leistungsvermögen der Klägerin mehr als sechs Stunden täglich beträgt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 25. März 2008 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit der sie ihren Rentenanspruch weiter verfolgt und geltend macht, sie sei erwerbsgemindert. Die Beklagte hat dem mit Bezugnahme auf die Begründung im Widerspruchsbescheid widersprochen und die Verwaltungsakten am 18. April 2008 vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. Juli 2008 hat das Sozialgericht nach entsprechender Anhörung der Beteiligten zu dieser beabsichtigten Verfahrensweise die angefochtenen Bescheide gemäß § 131 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente, gleichwohl es sei eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen, insbesondere auf neurologischem Gebiet erforderlich. Für eine abschließende Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin sei zunächst ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten unter Hinzuziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache einzuholen. Zudem habe die Klägerin im Klageverfahren zwei weitere behandelnde Ärzte auf psychologischem und psychiatrischem Gebiet angegeben, von denen bislang keine Befundberichte eingeholt worden seien. Die erforderlichen Ermittlungen seien nach Art und Umfang erheblich. Diese erheblichen Ermittlungen habe die Beklagte unterlassen; insoweit liege ein Ermittlungsausfall vor, der eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG rechtfertige und auch sachdienlich erscheine.

Am 07. August 2008 hat die Beklagte gegen den ihr am 24. Juli 2008 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, zwar sei richtig, dass ihr die Pflicht obliege, den Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren umfassend zu erforschen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts seien die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG aber nicht als erfüllt anzusehen. Im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren habe sie Befundberichte der behandelnden Fachärzte und sozialmedizinische Stellungnahmen eingeholt. Im Rahmen dieser sozialmedizinischen Stellungnahmen seien die psychischen Begleiterscheinungen mitberücksichtigt worden. Aus medizinischer Sicht sei der Schluss gezogen worden, die neuropsychiatrischen Leiden seien nicht rentenrelevant. Es habe daher kein Anlass bestanden, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens stelle auch keinen erheblichen Ermittlungsaufwand dar. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Ermittlungen schneller oder besser als das Gericht, das gemäß § 103 SGG ebenfalls zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet sei, durchführen könne. Schließlich könne auch nicht die erforderliche Sachdienlichkeit gesehen werden. Denn während nach Einholung eines Gutachtens durch das Sozialgericht eine zeitnahe Entscheidung möglich werde, sei mit der Zurückverweisung an die Ausgangsbehörde ein komplett neues Antrags- und gegebenenfalls Vorverfahren durchzuführen. Allein aus dem Wohnsitz der Klägerin in Berlin und dem Sitz der Beklagten in Bayreuth resultierten weitere Verzögerungen, weil zunächst der zuständige Regionalleistungsträger mit Untersuchungen und Begutachtungen beauftragt werden müsse.

Die Beklagte beantragt laut Schriftsatz vom 26. August 2008,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2008 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt laut Schriftsatz vom 30. September 2008,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die – soweit entscheidungserheblich – Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet den Rechtsstreit im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG). Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil eine Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Sozialgericht eine Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache zu entscheiden. Diese Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn das Sozialgericht einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen bzw. ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also - wie hier - stattgegeben hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Auflage 2008, § 159 Rn. 2 b). Auf die Berufung der Beklagten ist der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben und zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, weil das Sozialgericht zu Unrecht, ohne in der Sache zu entscheiden, die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat. Dabei ist die Klageabweisung im Übrigen im Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheides überflüssig und geht ins Leere. Insbesondere ist damit keine Entscheidung über den mit dem Verpflichtungsantrag verfolgten Rentenanspruch verbunden. Denn nach Aufhebung des Bescheides vom 23. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2008 gemäß § 131 Abs. 5 SGG sollten nach Auffassung des Sozialgerichts über die Voraussetzungen des Rentenanspruchs von der Beklagten noch Ermittlungen angestellt werden.

Gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGG kann das Gericht binnen sechs Monaten seit Eingang der Behördenakten bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Anwendung dieser Vorschrift führt in den genannten Fällen zu einer vollständigen Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Behörde zum Zweck erneuter Ermittlungen und neuer Bescheiderteilung. Die Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG beinhaltet eine – grundsätzlich eng auszulegende – Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht selbst eine Sachentscheidung über eine zulässige Klage treffen muss. § 131 Abs. 5 SGG wurde durch Artikel 8 Nr. 1 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I, S. 2198 ff., 2205) mit Wirkung vom 01.09.2004 dem bisherigen § 131 SGG angefügt und gilt seit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) mit Wirkung vom 01. April 2008 nunmehr auch für kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Die Neuregelung greift wegen Fehlens einer Übergangsvorschrift auch bei Fällen der vorliegenden Art ein, in denen die Klage vor dem 01. April 2008 bei Gericht eingegangen ist, die abschließende Entscheidung jedoch nach dem 30. März 2008 getroffen wurde (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 131 Rn. 18). Diese Vorschrift lehnt sich nach den Motiven des Gesetzgebers unmittelbar an die bereits vorhandenen, fast wortgleichen Vorschriften des § 113 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie des § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an und soll dem Gericht eine zeit- und kostenintensive Ermittlung ersparen, die eigentlich der Behörde obliegt, weil nach Beobachtungen der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe (BT-Drs. 15/1508 ,S. 29, BR-Drs. 378/03, S.67). Ob das Sozialgericht vorliegend durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 SGG entscheiden konnte, weil es die Klage im Sinn der Vorschrift des § 131 Abs. 5 SGG für begründet hielt, kann dahinstehen (dafür: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.01.2006 – L 6 SB 197/05 – juris unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.05.2005 – L 8 RJ 141/04 - ; Bolay in Hk-SGG § 131 Rn. 33; für § 113 VwGO: Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Auflage 2004, § 113 Rn. 26; nicht weiter problematisiert in BSG, Urteil vom 17.04.2007 – B 5 RJ 30/05 RBSGE 98,198 = SozR 4-1500 § 131 Nr. 2 = SGb 2008,250; dagegegen: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 131 Rn. 19b; Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: März 2008, § 113 Rn. 51). Gleichwohl war der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben. Zwar hat das Sozialgericht innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Behördenakten entschieden, denn die Veraltungsakten sind am 18. April 2008 bei Gericht eingegangen, und der Gerichtsbescheid ist der Beklagten am 24. Juli 2008 zugestellt worden. Die übrigen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG lagen jedoch nicht vor. Hierbei ist die Frage, ob die drei Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, nämlich noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten vorliegen, uneingeschränkt vom Rechtsmittelgericht überprüfbar (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.06.2006 – L 4 SB 24/06 – juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 Rn. 20). Weder sind die aus Sicht des Sozialgerichts erforderlichen Ermittlungen erheblich, noch ist die Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich. Der Senat teilt die Ansicht des Sozialgerichts insoweit, als vorliegend im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin und nach dem Inhalt der Verwaltungsakten noch weitere medizinische Ermittlungen auf neurologisch-psychiatrischen Gebiet erforderlich sind, die auch entscheidungserheblich sind. Hierbei kann dahinstehen, ob es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedarf oder ob weitere Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte (H und S) sowie des Medizinischen Versorgungszentrums ausreichen können, um dem Sozialgericht die notwendige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen. Die noch für erforderlich gehaltene Sachverhaltsaufklärung ist allerdings nicht als erheblich anzusehen, selbst wenn die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf neurologisch-psychiatrischen Gebiet angezeigt wäre. Die Erheblichkeit der noch durchzuführenden Ermittlungen kann sich aus Zeitdauer, Umfang und den personellen Möglichkeiten, aber auch aus besonders hohen Kosten ergeben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rn. 19). Hierfür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich. Allein die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist für das Gericht nicht mit einem erheblichem Aufwand im Sinne des § 131 Abs. 5 SGG verbunden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 19; für die Finanzgerichtsbarkeit zu § 100 Abs. 3 FGO: BFH: Beschluss vom 30.07.2004 – IV B 143/02 und IV B 144/02BFH/NV 2005,359; Urteil vom 22.04.1997 – IX R 74/95BFHE 182,300 = BStBl. II 1997,541). Gleiches gilt erst Recht für die Einholung der Befundberichte, wobei zudem zu berücksichtigen ist, dass die Ärzte Hoffmann und Schmidt von der Klägerin erstmals im Klageverfahren als behandelnde Ärzte benannt worden sind. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist eine Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten hier auch nicht sachdienlich. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung die Ermittlungen besser als das Gericht durchführen kann und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten sachgerechter wäre, die Behörde tätig werden zu lassen (BSG, Urteil vom 17.04.2007 – B 5 RJ 30/05 RBSGE 98, 198 = SozR 4-1500 § 131 Nr. 2; vgl. auch zu § 113 Abs. 3 VwGO: BVerwG, Urteil vom 18.11.2002 – 9 C 2/02BVerwGE 117,200 = DVBl. 2003,338 = DÖV 2003,333 = NVwZ 2003, 1130). Auch hierfür ist nichts ersichtlich. Unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten ist beachtlich, dass die durch die Aufhebungs- und Zurückverweisungsentscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG eintretende Verzögerung jedenfalls in kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungssachen den Rechtssuchenden insoweit belastet, als er die begehrte Leistung (hier die Erwerbsminderungsrente) ohne Sachentscheidung des Gerichts (vorerst) nicht erhält. Für eine solche Belastung sind als Rechtfertigung übergeordnete Interessen zu verlangen, etwa im Falle unterlassener Ermittlungen solchen Ausmaßes, dass dies wegen des Interesses der Allgemeinheit an einer funktionierenden Verwaltung schlicht nicht mehr hinnehmbar ist. Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn die Verwaltung die Sachverhaltsermittlung in Gänze unterlassen hat und deshalb keine verwertbare Entscheidungsgrundlage vorhanden ist. Wegen dieser zu berücksichtigenden Belange der Klägerin ist das Gericht damit in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Verwaltung sachgerechte Ermittlungen angestellt hatte, gehalten, die von ihm darüber hinaus für erforderlich gehaltenen Ermittlungen selbst durchzuführen, da die Tatsachengerichte ebenso verpflichtet sind, umfassend von Amts wegen zu ermitteln wie die Behörde (§ 103 SGG). Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte zahlreiche Befundberichte und ärztliche Gutachten eingeholt und diese auswerten lassen. Auch wenn das Sozialgericht vertretbar der Auffassung ist, dass die darin mitgeteilten Befunde noch weiter zu ergänzen wären, kann der Senat nicht feststellen, dass die Ermittlungen der Beklagten so mangelhaft wären, dass quasi erstmals das Gericht die an sich der Beklagten obliegenden Ermittlungen vorzunehmen hätte.

Der angegriffene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben. Der Senat verweist den Rechtsstreit im Rahmen des ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessens zurück, weil das Sozialgericht als erste Tatsacheninstanz den Beteiligten erhalten bleiben soll. Dabei war insbesondere das Interesse der Beklagten an einer Sachentscheidung durch die erste Instanz zu berücksichtigen, welches sie durch ihren Zurückverweisungsantrag zum Ausdruck gebracht hat. Dieses Interesse der Beklagten muss hinter dem Grundsatz der Prozessökonomie zurücktreten, da sowohl die Beklagte, aber auch die Klägerin ansonsten eine Instanz verlieren würde. Hier ist insbesondere von Bedeutung, dass das Sozialgericht noch notwendige Ermittlungen durchzuführen hat.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 159 Rn. 5 f).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall.
Rechtskraft
Aus
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