L 21 R 1293/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 R 3863/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 R 1293/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid vom 14. August 2006 wird aufgehoben.

Der Bescheid der Beklagten vom 21. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01. Januar 2005 zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zur Hälfte sowie des Berufungsverfahrens in Gänze zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten (noch) die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit ab Januar 2005.

Der 1953 in J heute K geborene Kläger hat nach einem achtjährigen Schulbesuch in J (1960 bis 1968) keine Ausbildung absolviert. 1972 kam er nach Deutschland und war seitdem als "Bauarbeiter" bzw. "Steinsetzer" und "Fassadenmonteur" berufstätig. Beschäftigt war er von 1972 bis 1976 bei der Firma SB, von 1977 bis 1988 bei der Firma S T und von April 1989 bis Februar 1992 bei der P B GmbH & Co. KG eigenen Angaben zufolge als Steinsetzer und Fassadenmonteur. Zuletzt war er von Februar 1992 bis 25. August 1995 bei der BBF GmbH als Fassadenmonteur angestellt. Ab 25. Februar 1994 war er nicht mehr tätig, sondern zunächst arbeitsunfähig und bezog Krankengeld. Seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Kläger ohne Arbeit und erhielt zeitweise Übergangsgeld und laufend bis heute Leistungen der Arbeitsverwaltung. Er ist wegen Wirbelsäulenschäden, Depressionen und Reizerscheinungen an den Armen und Händen als schwerbehindert mit einem GdB von 50 anerkannt (Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin Versorgungsamt vom 08. August 2005).

Nach einem 1995 durchgeführten Renten-/Reha Verfahren, in dem ihm Leistungen der medizinischen Rehabilitation gewährt worden waren, wurde im Jahr 1997 ein weiteres Rentenverfahren durchgeführt, das für den Kläger ohne Erfolg durch Zurücknahme seiner Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin (S 28 RJ 959/98 - L 6 RJ 62/00) endete.

In diesem Verfahren stellte der Kläger am 01. Dezember 2004 einen Rentenantrag nach neuem Erwerbsminderungsrecht.

Vom 15. Dezember 2004 bis zum 06. Januar 2005 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus W und nahm anschließend vom 18. Januar bis 08. Februar 2005 an einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Reha Klinik S der Beklagten teil. Im ärztlichen Reha Entlassungsbericht vom 15. Februar 2005 wird dem Kläger Arbeitsfähigkeit nach Operation eines Ganglions am linken Handgelenk für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig, tagsüber und überwiegend im Sitzen bescheinigt.

Im Verwaltungsverfahren lag der Beklagten das bereits auf Veranlassung des 6. Senates des Landessozialgerichts Berlin im Verfahren - L 6 RJ 62/00 - erstellte medizinische Gutachten des Praktischen Arztes H M vom 09. Juni 2004 vor. Der Gutachter hatte folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert: a) Wirbelsäulenverschleiß, Gelenkbeschwerden, b) koronare Herzkrankheit, Zustand nach Herzinfarkt 11/1997, Bluthochdruck, c) seelisches Leiden, d) Hörminderung beidseits, e) Blasenentleerungsstörung, f) Stoffwechselstörungen bei Übergewicht, Leberschaden. Der Kläger könne mindestens acht Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten verrichten. Er könne dies im Freien und in geschlossenen Räumen, nicht unter Einfluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit, Zugluft oder inhalativen Reizstoffen tun. Der Kläger könne im Wechsel der Haltungsarten arbeiten; auch eine vornehmlich sitzende Tätigkeit mit gelegentlichem Aufstehen und Umhergehen ohne feste zeitliche Vorgabe sei möglich; reine Geh- oder Stehtätigkeiten würden ausscheiden. Eine einseitige körperliche Belastung müsse vermieden werden, unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen oder in Nachtschicht könne der Kläger nicht arbeiten. Er könne in Früh-, Spät- und Wechselschicht arbeiten, nicht auf Leitern und Gerüsten. Die Fingergeschicklichkeit sei etwas, die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei reduziert, ebenso die Belastbarkeit der Arme und der Beine. Der Kläger könne Lasten bis 10 kg heben und tragen. In der Ausübung einfacher geistiger Arbeiten sei der Kläger nicht beschränkt, dabei dürften keine erhöhten Anforderungen an das Hörvermögen gestellt werden, auch Lärmtätigkeiten würden ausscheiden.

Nach Feststellung, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, lehnte die Beklagte den Antrag vom 01. Dezember 2004 mit Bescheid vom 21. April 2005 ab, weil mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden könnten.

Hiergegen legte der Kläger am 07. Mai 2005 Widerspruch ein.

Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T, das dieser nach körperlicher Untersuchung des Klägers vom 12. Juli 2005 am 18. Juli 2005 erstellte und in dem er den Kläger zur Verrichtung leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr in der Lage sah. Eine Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit für den gehobenen Arbeitsmarkt sei nicht vorhanden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2005 zurück. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, der Kläger könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, er sei auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Am 10. August 2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung begehrt hat.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte beigezogen, nämlich des Arztes für Innere Medizin Dr. K vom 07. Oktober 2005, der Fachärzte für Neurologie Dres. S und B vom 18. Oktober 2005, des Arztes für Orthopädie Dr. G vom 08. Oktober 2005 und der Fachärztin für Nervenheilkunde I vom 31. Dezember 2005. Ferner lag dem Sozialgericht ein Gutachten des Dr. H vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit vom 04. September 2005 vor.

Das Sozialgericht hat das Fachgutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. E vom 12. Juni 2006 veranlasst. Der Gutachter hat nach körperlicher Untersuchung des Klägers vom 12. Juni 2006 die folgenden Diagnosen auf orthopädischem Gebiet gestellt: 1. chronisch-rezidivierendes Cervicobrachialsyndrom links bei Fehlhaltung und mäßiggradigen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule, 2. chronisch-rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und Spondylose ohne Bewegungseinschränkung, 3. chronische Arthritis des proximalen Interphalangealgelenks 3. Finger der rechten Hand (PIP) mit nur geringgradiger Bewegungseinschränkung, 4. Epicondylopathie beider Ellenbogengelenke ohne größere Funktionseinschränkung, 5. leichtes Karpaltunnelsyndrom linkes Handgelenk, operativ entferntes Ganglion 2005, 6. Arthropathie der Hüftgelenke mit Funktionseinschränkung, 7. V. a. beginnendes Fibromyalgiesyndrom, sowie als nicht-orthopädische Diagnosen: 1. Adipositas, 2. Hypertonus, 3. Hyperlipidämie, 4. chronische asthmoide Bronchitis, 5. Hörminderung, 6. Mitralklappenendocarditis 12/2004 und Myocardinfarkt bei KHK 1997 sowie Dysthymie und Schmerzstörung, 7. anamnestisch Ulcus duodeni.

Der Kläger könne noch für eine volle übliche Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich leichte bis nur gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten verrichten. Vermieden werden müssten Hitze, Kälte, Staub, Zugluft und Feuchtigkeit sowie einseitige körperliche Belastungen, insbesondere Arbeiten in Vornüberneigehaltung, Überkopf- und repetitive Tätigkeiten. Ideal seien sämtliche Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen. Zwangshaltungen sollten vermieden werden. Arbeiten in einem festgelegten Arbeitsrhythmus seien möglich, Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeit zu meiden. Das ständige Heben und Tragen von Lasten sei nicht mehr möglich, gelegentlich könnten noch Lasten bis zu 10 kg transportiert werden. Nachtschichtarbeiten sollten nicht mehr durchgeführt werden, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr möglich, Tätigkeiten, die eine besondere Fingergeschicklichkeit voraussetzen, und Tätigkeiten, die eine erhöhte Greiffunktion erfordern, seien nicht mehr möglich. Es bestehe eine Minderbelastbarkeit der Hals- und der Lendenwirbelsäule und der Arme im Rahmen der bestehenden Epicondylopathie. Tätigkeiten überwiegend am Computer seien zu meiden. Arbeiten mit normalen Anforderungen an die Auffassungsgabe, die Lern- und Merkfähigkeit sowie an das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit sowie Arbeiten, die eine normale Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit erfordern, und Arbeiten mit Publikumsverkehr seien durchführbar.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. August 2006 abgewiesen. In der Begründung heißt es u. a., der Kläger sei als ungelernter Arbeiter anzusehen und könne daher auf jede andere nicht qualifizierte Tätigkeit verwiesen werden. Mit dem aufgrund der medizinischen Feststellungen bestehenden mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen liege daher weder Berufsunfähigkeit noch teilweise oder volle Erwerbsminderung vor.

Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 18. August 2006 zugestellte Urteil am 05. September 2006 unter Beifügung eines fachorthopädischen Kurzgutachtens seines behandelnden Orthopäden Dr. G vom 04. Juli 2006 und der Ablichtung einer Arbeitserlaubnis als Steinsetzer vom 05. Dezember 1984 Berufung eingelegt, mit der er die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 01. Januar 2005 begehrt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht geltend, dass der Kläger als Facharbeiter einzustufen sei, weil es sich bei der Tätigkeit eines Fassadenmonteurs (Steinfassaden) um eine Spezialtätigkeit handele, der Facharbeiterqualität zuerkannt werden müsse. Der Kläger sei von 1972 bis 1976 bei der Firma S&B als Steinsetzer ausgebildet worden, allerdings nicht in Form einer Lehre mit anschließender Abschlussprüfung. Die Tätigkeit eines Fassadenmonteurs stelle hierzu eine Spezialisierung dar, die nach Qualifikation und Bezahlung Kenntnissen und Fähigkeiten entspreche, die üblicherweise Facharbeiter besäßen. Von seinem letzten Arbeitgeber sei er als Facharbeiter bezeichnet und mit einem Stundenlohn von 30,00 bzw. 32,00 DM bezahlt worden. Die vom Senat durchgeführte Zeugenvernehmung, die Verantwortung des Klägers für hohe Sachwerte bei gleichzeitig hohen Schadensrisiken, die Kolonnenführertätigkeit und die Höhe der Entlohnung bei einer qualifizierten Arbeit sprächen für die Facharbeitereigenschaft des Klägers. Der Kläger habe bereits bei der Firma S T als Steinsetzer gearbeitet, der Ausdruck "Versetzhelfer" der Firma B sei schlicht unzutreffend, weil er dort aufgrund von Lohndifferenzen im Unfrieden ausgeschieden sei. In Wirklichkeit sei der Kläger dort als qualifizierter Steinsetzer für Fußböden und als Fassadenmonteur tätig gewesen. Bei der Firma B GmbH habe er u. a. die Fassaden der Grundkreditbank Berlin (am Zoo) und der Hotels Kempinski und Interconti errichtet. Die berufskundliche Gutachterin habe das Gutachten nicht sorgfältig erstattet, da sie bei Zweifelsfragen keine Rücksprache bei dem Kläger oder dem Zeugen G genommen habe. Für die Qualifikation des Klägers bei der Firma T benenne der Kläger einen Arbeitskollegen als Zeugen (A C).

Der Kläger hat seinen Arbeitsvertrag vom 15. Januar 1992 und eine Bescheinigung des Geschäftsführers der B GmbH, Herrn A G, vom 30. November 2006 eingereicht, wonach er als Facharbeiter eingestellt worden sei und zu seinen Aufgaben gehört habe, Baupläne und Zeichnungen zu lesen und umzusetzen, die Fassaden eigenständig anzulegen, einzumessen und zu montieren. Ferner hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die konkrete Tätigkeit bei seiner letzten Arbeitgeberin geschildert. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30. Oktober 2008 (Blatt 294 ff. der Gerichtsakte – GA) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 14. August 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Januar 2005 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Zeugenaussage habe ergeben, dass die Berufsausbildung bei der Einstellung des Klägers keine Rolle gespielt habe. Der Kläger sei als Angelernter des oberen Bereichs einzustufen und auf den Beruf eines Pförtners und zwar auf den des einfachen – hilfsweise auf die Tätigkeit eines Versandfertigmachers zu verweisen. Bezüglich der Pförtnertätigkeit hat die Beklagte eine berufskundliche Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit vom 7. August 2000 zur Akte gereicht. Bezüglich der Tätigkeit des Versandfertigmachers hat sie die Berufsinformationskarte BO 522, Gutachten des berufskundigen Sachverständigen L vom 24. September 1999, 12. Oktober und 01. November 2002 aus anderen Gerichtsverfahren sowie einen Auszug aus "berufenet" eingereicht.

Die Beklagte weist darauf hin, dass der Versicherte selbst seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung nicht als Facharbeitertätigkeit gewertet habe. Nach seinen Angaben beim Gutachter Dr. F vom 28. April 1999 habe er sich als "angelernter Steinsetzer" bezeichnet, an anderer Stelle als "Bauarbeiter" und im "Anlernberuf Steinsetzer". Es sei nicht schlüssig, dass der Versicherte, der in deutscher Sprache weder lesen noch schreiben könne und demgemäß auch mit Fachausdrücken große Schwierigkeiten habe, ständig als Kolonnenführer, der nach Plänen in Eigenverantwortung Bauvorhaben fertigstellte, eingesetzt worden sein soll. Nach den Ausführungen der Berufskundlerin sei davon auszugehen, dass sich die vom Kläger erledigten Arbeiten letztlich auf das Anbringen der Befestigungen und der Steinfassadenteile beschränkt hätten, danach sei nur eine Zuordnung in den Bereich der angelernten Arbeiter möglich.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen, und zwar des Dr. G vom 23. Oktober 2006, des Dr. K vom 03. November 2006 und der Fachärztin für Nervenheilkunde I vom 27. Dezember 2006, und Beweis erhoben durch Vernehmung des geschäftsführenden Gesellschafters der letzten Arbeitgeberin des Klägers, Herrn A G, als Zeugen zu der Tätigkeit des Klägers bei der BBF GmbH von 1992 bis 1994. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 16. Februar 2007 (Blatt 171 – 175 - GA ).

Unter dem 06. August 2007 hat auf Anfrage des Senats die Bundesfachabteilung Fassadenbau des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. eine Stellungnahme abgegeben und einen Auszug aus dem BRTV Bau (§ 5 Lohn) eingereicht. Wegen des Inhalts der Stellungnahme wird auf Blatt 205 f. GA Bezug genommen.

Auf Veranlassung des Senats hat die Sachverständige für Berufskunde S H unter dem 11. Januar 2008 ein berufskundliches Gutachten erstellt. Die Frage des Senats "Welche Ausbildung oder Anlernzeit von welcher Zeitdauer erforderte und erfordert die von dem Kläger zuletzt bis 1994 bei der B GmbH ausgeübte Tätigkeit als Fassadenmonteur für Steinfassaden?" hat die Gutachterin nicht abschließend beantwortet. Nach den vorliegenden Informationen sei davon auszugehen, dass es sich um eine "reine" Montagetätigkeit gehandelt habe, die maximal eine zweijährige Ausbildung im Baubereich vorausgesetzt habe. Ohne eine detailliert Beschreibung der beruflichen Tätigkeiten könne die Sachverständige keine abschließende Stellungnahme abgeben. Aus berufskundiger Sicht sei jedoch nicht davon auszugehen, dass es sich bei dem "Fassadenmonteur für Steinfassaden" um einen eigenständigen Beruf oder um eine "Spezialtätigkeit" handele, der oder die von dem 1999 eingeführten Ausbildungsberuf zu unterscheiden sei. Auch schon vor Einführung des neuen Ausbildungsberufes seien Fassaden von verschiedenen Berufsangehörigen mit unterschiedlichen Materialien verkleidet worden. Die Tätigkeit als Fassadenmonteur sei dem Berufsfeld "Berufe im Hochbau" zugeordnet. Die tarifliche Bezahlung erfolge daher in der Regel nach dem Tarifvertrag der Bauwirtschaft. Die Eingruppierung könne nach dem vorliegenden Tarifvertrag (Anhang zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Berufsgruppen für die Berufe des Baugewerbes in die Berufsgruppe V Baufacharbeiter (mit zweijähriger Ausbildung) erfolgen. Da der Kläger bei der Firma B lediglich etwas über zwei Jahre als Fassadenmonteur gearbeitet habe, reiche die Dauer dieser Berufstätigkeit nicht aus, um dem Kläger den Status eines dreijährig gelernten Facharbeiters zubilligen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände Leistungsakten sowie 2 Bände Reha Akten ) sowie auf die Gerichtsakten und die Gerichtsakten des Verfahrens - S 28 RJ 959/98 / L 6 RJ 62/00 - vor dem Sozialgericht Berlin/Landessozialgericht Berlin Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01. Januar 2005. Das Sozialgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen, der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Der Anspruch folgt aus § 240 SGB VI. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat zum 01. Januar 2005 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI i. V. mit § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt. Dies ergibt sich aus dem Versicherungsverlauf vom 21. April 2005 nach dem der Kläger jedenfalls ab 1990 bis 31.12.2004 durchgehend Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Der Kläger ist auch berufsunfähig.

Berufsunfähig gemäß § 240 SGB VI sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 SGB VI). Anzuwenden sind die Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung entwickelt hat.

Ausgangspunkt für die Beurteilung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit ist danach der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Wertigkeit des bisherigen Berufs ist die Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 22, 29, 32); vorliegend ist dies der erste Tag der Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 25. Februar 1994, ab dem er seine Beschäftigung nicht mehr ausgeübt hat.

Danach ist bei dem Kläger als Hauptberuf seine bei der B GmbH ausgeübte Tätigkeit als Fassadenmonteur zugrunde zu legen. Diesen Hauptberuf kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten. Denn mit seinem Leistungsvermögen, das nach der übereinstimmenden Auffassung sämtlicher Gutachter des Verwaltungs- und der bisherigen gerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf körperlich leichte Tätigkeiten beschränkt ist, kann der Kläger der Tätigkeit eines Fassadenmonteurs nicht mehr regelmäßig vollschichtig nachgehen. Diese Tätigkeit erfordert, wie sich der im Verfahren S 28 RJ 959/98 eingeholten Arbeitgeberauskunft der B GmbH vom 22. April 1999 entnehmen lässt im Wesentlichen körperlich mittelschwere Arbeiten. Solche zu verrichten ist dem Kläger unter Zugrundelegung der in den Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten der Sachverständigen M und Dr. E auf Grund seiner Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet jedoch allenfalls noch gelegentlich möglich.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist zwar dann nicht gegeben, wenn zwar die Ausübung des bisherigen Berufs aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, der Kläger aber zumutbar eine andere Erwerbstätigkeit ausüben und ggf. auf diese verwiesen werden kann. Eine dem Kläger sozial zumutbare Verweisungstätigkeit, die er mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann, hat die Beklagte jedoch nicht benannt.

Welche Verweisungstätigkeiten sozial zumutbar sind, bestimmt sich nach dem qualitativen Wert der bisherigen Berufstätigkeit. Das BSG hat zur Erleichterung dieser Beurteilung ein Mehrstufenschema entwickelt, das, ausgehend von den unterschiedlichen Ausbildungserfordernissen, die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert, die durch die Leitberufe des Facharbeiters (Vorarbeiters) mit Vorgesetztenfunktion und den diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiter, den Facharbeiter, den angelernten Arbeiter und den ungelernten Arbeiter charakterisiert sind (vgl. z.B. BSG Urteil vom 12. Oktober 1993, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 38).

Zuordnungskriterium ist immer die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 1984, BSGE 57, 291; BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, BSGE 70, 56). Erst durch eine Gesamtschau aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte (z.B. Ausbildung, tarifliche Einstufung und damit Höhe der Entlohnung, Anforderungen und Verantwortlichkeit und Bedeutung für den Betrieb der bisherigen Tätigkeit) ist eine abschließende Beurteilung möglich. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Ermittlungen der Kläger im Rahmen des Mehrstufenschemas der dritten Berufsgruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters mit einer dreijährigen Ausbildung zuzuordnen.

Der Kläger hat zwar weder im ehemaligen Jugoslawien noch in der Bundesrepublik Deutschland eine Berufsausbildung abgeschlossen. Er hat zum Zeitpunkt der – faktischen - Beendigung seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung im Februar 1994 auch keinen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren ausgeübt. Denn der Beruf des Fassadenmonteurs ist erst im Jahr 1999 durch die Verordnung über die Berufsausbildung zum Fassadenmonteur bzw. zur Fassadenmonteurin vom 19. Mai 1999 - FMontAusbV - (BGBl. I 1999, 997) als Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von 36 Monaten anerkannt worden. Bei dem "Fassadenmonteur für Steinfassaden" handelte es sich auch nicht um einen eigenständigen Beruf oder um eine Spezialtätigkeit. Vielmehr ist - seit 1999 - das Herstellen einer Fassade aus Naturwerkstein Gegenstand des dritten Ausbildungsjahres der Ausbildung zum Fassadenmonteur nach dem Rahmenlehrplan Fassadenmonteur/Fassadenmonteurin (vgl. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 23. April 1999), den die berufskundige Sachverständige zur Akte gereicht hat.

Die nachträgliche Anerkennung als (Facharbeiter-)Ausbildungsberuf lässt aber Rückschlüsse auf die Wertigkeit des bisherigen Berufs zu (vgl. LSG Berlin, Urteil v. 30. Juni 2003 – L 16 RJ 15/01 – Juris). Insoweit ist davon auszugehen, dass die schon 1994 bestehenden Anforderungen an die für diese Tätigkeit erforderlichen praktischen Fähigkeiten und theoretischen Kenntnisse in der Ausbildungsordnung des Jahres 1999 ihren Niederschlag gefunden haben und sich von den nach der Ausbildungsordnung zu fordernden Anforderungen nicht unterschieden. Wurde vor Einführung des Ausbildungsberufes die Tätigkeit als Fassadenmonteur in voller Breite ausgeübt, ist somit davon auszugehen, dass die hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten denjenigen eines Facharbeiters mit abgelegter Prüfung in vollem Umfang entsprachen und die Tätigkeit mithin bereits vor Einführung des Ausbildungsberufs in ihrer Wertigkeit auf der Ebene einer Facharbeitertätigkeit einzustufen war.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei bestehendem Ausbildungsberuf eine Gleichstellung nur in Betracht kommt, wenn neben der tariflichen Einstufung als Facharbeiter die Kenntnisse und Fertigkeiten in voller Breite denjenigen eines vergleichbaren Facharbeiters mit abgelegter Prüfung entsprechen. Verlangt wird in einem solchen Fall, dass der Versicherte nicht nur eine seinem damaligen individuellen Arbeitsplatz entsprechende Arbeitsleistung erbracht hat, sondern dass er über die praktischen Fähigkeiten und theoretischen Kenntnisse in einem Umfang verfügt, dass er mit ausgebildeten Arbeitnehmern gleichen Alters auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig ist (vgl. BSGE 65, 169, BSGE 58, 239). Diese Anforderungen erfüllt der Kläger nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats.

Zum Einen folgt zunächst aus den Aussagen des Zeugen G, dass der damalige Arbeitgeber die Arbeit des Klägers als eine vollwertige Tätigkeit als Fassadenmonteur und diese auch schon vor der förmlichen Anerkennung als Ausbildungs-(Facharbeiter-)beruf uneingeschränkt als Facharbeitertätigkeit im Sinne des Mehrstufenschemas angesehen hatte.

Die Entlohnung des Klägers bei der B GmbH erfolgte zwar nicht aufgrund einer tariflichen Eingruppierung, das Entgelt des Klägers überstieg aber nach den Angaben des Zeugen G mit einem Stundenlohn von 32,00 DM sogar eine Facharbeiterentlohnung. Der Kläger ist auch nach dem Arbeitsvertrag vom 15. Januar 1992 als Facharbeiter eingestellt worden. Insoweit hat der Zeuge G angegeben, für die Einstufung als Facharbeiter, die er nach einem persönlichen Einstellungsgespräch mit dem Kläger vorgenommen habe, sei nicht eine formale Qualifikation maßgeblich gewesen, sondern die langjährige Berufserfahrung des Klägers auf dem Tätigkeitsgebiet der B GmbH und insbesondere die Fähigkeit, Pläne selbständig und verantwortungsbewusst umsetzen zu können.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bei der Firma B GmbH & Co. KG, bei der er zuvor vom 18. April 1989 bis zum 27. Februar 1992 als "Versetzhelfer an Natursteinfassaden" eingestellt und nach dem Lohntarifvertrag für das Steinmetzgewerbe in B vom 3. Mai 1990 mit dem Helferlohn im zweiten Berufsjahr bezahlt worden war. Denn maßgeblich ist die letzte versicherungspflichtig ausgeübte Beschäftigung. Ob der Kläger in Wahrheit bereits bei der Fa. B GmbH & Co. KG Steinmetz- und Fassadenarbeiten auf Facharbeiterniveau verrichtet hat und lediglich unterbezahlt worden ist, wie der Kläger unter Beweisantritt vorträgt, kann daher dahin stehen.

Es ist aus den Tätigkeitsbeschreibungen des Zeugen G und des Klägers auch ersichtlich, dass letzterer nicht nur eine seinem damaligen Arbeitsplatz entsprechende Arbeitsleistung erbracht hat, sondern er in voller Breite Arbeiten verrichtete bzw. mindestens Kenntnisse und Fertigkeiten gehabt haben musste, die in vergleichbarer Weise – heute - von einem ausgebildeten Fassadenmonteur zu fordern sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Tätigkeit wie folgt beschrieben:

"Wenn eine neue Baustelle anstand, kam der Chef mit den Plänen und hat uns eingewiesen, alles Weitere war dann uns überlassen. Wir haben die Lote gesetzt. Wir haben die Wärmedämmung durchgeführt und die Fassaden dann angefügt. Es war auch meine Aufgabe, fehlendes Material zu bestellen, wenn ich feststellte, dass z. B. Ankerhaken nicht ausreichen würden. Ich habe gekittet, geschliffen und poliert. Wenn Platten kaputt waren, habe ich sie geklebt. Auch Einschalungen habe ich vorgenommen. Etwa einmal wöchentlich ist der Chef oder sein Vertreter noch einmal bei uns auf der Baustelle erschienen. Zur Abnahme erschien dann ebenfalls unser Chef zusammen mit dem Bauleiter. Da wurde dann festgestellt, was noch von uns zu veranlassen war. Wir haben viele Maschinen gehabt: Bohrer, Trennscheiben, Kompressor, Hilti. Wir mussten auch Kettenaufzüge selbst errichten, um die Platten hochzuziehen. Ab dem Vermessungspunkt, der von den Behörden vorgegeben worden war, haben wir die weitere Vermessung nach den Plänen vorgenommen.

In der Baubude hatten wir kein Nivelliergerät. Deshalb haben wir damit auch nicht gearbeitet. Uns sind Vermessungspunkte mit dem Nivelliergerät durch den Vermesser vorgegeben worden. Wir haben die dann am Bau markiert. Die Punkte für die Bohrungen für die Befestigungen mussten wir vom Plan übernehmen und dann selbst ausführen.

Auf größeren Baustellen, wo wir mit sechs Leuten waren, waren in der Regel zwei Kolonnenführer. Auf noch größeren Baustellen waren wir noch mehr Mitarbeiter, die jeweils aufgeteilt waren in Kolonnen mit einem Kolonnenführer und zwei bis drei weiteren Arbeitern. Ich habe, wenn ich Kolonnenführer war, die anderen angeleitet, habe ihnen gesagt, welche Bohrer sie nehmen sollen, welche Verankerungen sie nehmen sollen usw. Auf der Baustelle selbst war niemand, der mir weitere Anweisungen erteilt hat. Ich habe alles den Plänen entnommen."

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht Berlin (L 6 RJ 62/00) am 12. November 2003 angegeben hatte, er habe keine Fassadenvermessung auszuführen gehabt, da die Anrisse normalerweise schon auf den Wänden gewesen seien, woraus auch die berufskundige Sachverständige die Vermutung abgeleitet hat, dass es sich bei der vom Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit um eine reine Montagetätigkeit gehandelt habe, hat der Kläger dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat schlüssig klargestellt. Insoweit hat er auf Vorhalt seiner Aussage am 12. November 2003 erklärt:

"Ich muss damals wohl den Begriff der Vermessung falsch verstanden haben, wenn ich gesagt habe: Fassadenvermessung hatte ich nicht durchzuführen. Wenn ich damals gesagt habe, dass die Anrisse normalerweise schon in den Wänden waren, dann bedeutet dies, dass aufgrund der Vorgaben der Vermesser die wichtigsten Punkte schon angezeichnet waren. Von dort aus hatten wir anhand der Pläne die weiteren Punkte zu markieren."

Danach ist sowohl nach der Aussage des Arbeitgebers als auch nach den eigenen Angaben des Klägers, die aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung für den Senat plastisch, nachvollziehbar und glaubhaft waren, davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit des Klägers nicht auf das bloße Anbringen der Befestigungen und der Steinfassadenteile beschränkte, sondern dieser in seiner letzten Tätigkeit nach Plänen Fassaden eigenständig angelegt, eingemessen und montiert hat, wobei er für diese Tätigkeit im Wesentlichen über die nach einer dreijährigen Ausbildung vorauszusetzenden Kenntnisse und Fertigkeiten eines Fassadenmonteurs verfügen musste. Zu letzteren gehört neben dem Befestigen von Fassadenelementen u.a. auch: "Zeichnungen, Skizzen, Montagepläne und Stücklisten lesen und anwenden, Durchführung von Messungen, Herstellen von Dämmungen, Bearbeiten von Baustoffen und Bauteilen, Planen und Vorbereiten von Arbeitsabläufen" (vgl. § 5 FMontAusbV sowie den Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung zum Fassadenmonteur/zur Fassadenmonteurin – Rahmenlehrplan – gem. § 6 FMontAusbV). Diese Ausbildungselemente umfasste die vom Kläger zuletzt konkret verrichtete Tätigkeit nach der eigenen anschaulichen und für den Senat nachvollziehbaren Darstellung der konkreten Arbeitsabläufe sowie nach den Schilderungen seines Arbeitgebers, des Zeugen G, der auch angeben hat, der Kläger habe für seine damalige Tätigkeit darüber hinaus auch Werkstoffkunde beherrschen müssen.

Darüber hinausgehend ist eine Einstufung des Klägers auf der Facharbeiterebene auch deswegen geboten, weil die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers in der Gesamtschau hinreichende Leistungsmerkmale aufweist, wie sie typischerweise bei Facharbeitertätigkeiten anzutreffen sind (vgl. BSG Urteil vom 12. Februar 2004 B 13 RJ 34/03 R , juris). Insoweit kommen den oben geschilderten besonderen handwerklich-technischen Kenntnissen des Klägers bei der im Wesentlichen selbständigen Umsetzung von Plänen, der Verantwortung für hohe Sachwerte bei der Errichtung bzw. Montage hochwertiger Natursteinfassaden, der gebotenen Zuverlässigkeit, den Aufsichts- und Leitungsfunktionen (Kolonnenführertätigkeit) sowie der Höhe der Entlohnung (mehr als Facharbeiterlohn) entscheidendes Gewicht zu.

Der berufskundigen Gutachterin ist in ihrer Einschätzung einer Eingruppierung des Klägers in die Vergütung der Berufsgruppe V des einschlägigen Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbes als Baufacharbeiter mit zweijähriger Ausbildung - nicht zu folgen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Berufskundlerin selbst angegeben hat, die Frage nach der erforderlichen Ausbildung für die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit nicht beantworten zu können, weil die bis dato aktenkundigen Angaben zur zuletzt ausgeübten Tätigkeit zu ungenau seien und sie zunächst die Beantwortung eines Fragenkatalogs für erforderlich hielt. Diesen Fragenkatalog hat der Kläger aber umfassend erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantwortet. Der Senat hat anhand der von der berufskundigen Sachverständigen eingereichten Unterlagen zu den Ausbildungsinhalten der 1999 eingeführten Facharbeiterausbildung die Angaben des Klägers zu den Arbeitsinhalten seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit mit diesen Ausbildungsinhalten abgleichen können, ohne die Sachverständige erneut befragen zu müssen.

Auch soweit die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V. im Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin L 6 RJ 52/00 mit Schreiben vom 03. September 2001 angegeben hat, dass eine Eingruppierung des Klägers nur in die Lohngruppe VI (Baufachwerker) infrage komme, kann dem nicht gefolgt werden. Zur Begründung ist nämlich ausschließlich darauf abgestellt worden, dass der Kläger die formale, seit 1999 bestehende Ausbildung nicht absolviert habe. Hierauf allein kommt es aber aus den oben dargestellten Gründen nicht an.

Eine Einstufung des Klägers in die höchste Gruppe des Mehrstufenschemas als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion kommt jedoch nicht in Betracht. Eine solche Einstufung ist auch nicht unter Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Tätigkeit als Kolonnenführer möglich. Insofern gibt der Kläger selbst an, dass er nur gelegentlich als Kolonnenführer gearbeitet habe und bestätigt der ehemalige Arbeitgeber des Klägers, dass die Kolonnen auch wechselnd zusammengesetzt waren, so dass ein anderer Monteur für ihn als Ansprechpartner fungiert und den anderen gegenüber weisungsbefugt gewesen sei. Der Zeuge G hat insoweit angegeben, dass bei ihm neben den - von ihm als Facharbeiter bezeichneten – Monteuren, wie dem Kläger, auch "Helfer", die niedriger entlohnt waren, beschäftigt gewesen seien. Feste Vorgaben über die Zusammensetzung der Arbeitskolonnen, insbesondere hinsichtlich der Anzahl von "Facharbeitern" oder Helfern, haben nicht bestanden. Es kann daher nicht ohne jeden Zweifel festgestellt werden, dass der Kläger wesentlich andere Arbeiten als seine zur Kolonne gehörenden Kollegen verrichtet hat und ob er Vorgesetzten- und Aufsichtsfunktionen zu einem maßgeblich ins Gewicht fallenden Zeitanteil wahrgenommen hat.

Nach der Gesamtschau aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Kläger im Rahmen des Mehrstufenschemas somit der Berufsgruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen.

Die von der Beklagten benannten Verweisungsberufe Pförtner und Versandfertigmacher sind aber für einen Versicherten, der auf Grund seines bisherigen Berufs der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen ist, sozial nicht zumutbar. Im Rahmen des so genannten Mehrstufenschemas darf der Versicherte nach der ständigen Rechtsprechung des BSG jeweils nur auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden. Ein Facharbeiter kann somit nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die entweder zu den sonstigen Ausbildungsberufen gehören oder die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens drei Monaten erfordern oder sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder auf Grund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben und deshalb einer Anlerntätigkeit gleichstehen. Zu dieser Ebene gehören die von der Beklagten benannten Tätigkeiten nicht. Derartige Tätigkeiten, die der Kläger mit dem verbliebenen Leistungsvermögen verrichten kann, sind für den Senat auch sonst nicht ersichtlich.

Die Tätigkeit eines einfachen Pförtners wird nach den von der Beklagten in das Verfahren eingeführten Auskunft des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg als Arbeiter- bzw. Angestelltentätigkeit qualifiziert, die Vergütung richtet sich nach dem Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter der Bundesanstalt für Arbeit (MTArb II) bzw. nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) und zwar nach den Lohngruppen 2 bzw. 2a, 3 oder 3a (Arbeitertätigkeiten) bzw. den Vergütungsgruppen X bzw. IXa des BAT (Angestelltentätigkeiten). Diese Pförtnertätigkeiten werden damit tariflich lediglich höher bewertet als die Tätigkeiten der untersten Lohngruppe 1 bzw. Vergütungsgruppe XI BAT. Die Pförtnertätigkeit stellt damit eine ungelernte Tätigkeit dar, die lediglich nicht zu den allereinfachsten Tätigkeiten gehört. Eine höherwertige Pförtnertätigkeit nach dem TVöD hat die Beklagte nicht benannt. Die Tätigkeit des Versandfertigmachers gehört nach den von der Beklagten vorgelegten berufskundlichen Stellungnahmen des Manfred Langhoff vom 24. September 1999, 12. Oktober und 01. November 2002 tariflich ebenfalls zu den untersten Lohngruppen für ungelernte Arbeiter, die nach kurzer Einweisung erledigt werden können, und ebenfalls lediglich nicht zu den allereinfachsten Tätigkeiten der einschlägigen tarifvertraglichen Regeln zählt. Sowohl die benannte Pförtnertätigkeit als auch die benannte Tätigkeit eines Versandfertigmachers ist daher dem Kläger sozial nicht zumutbar.

Da eine zumutbare Verweisungstätigkeit nicht benannt werden konnte, ist der Kläger berufsun-fähig und hat dem Grunde nach Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, beginnend gemäß § 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI ab 01. Januar 2005.

Der Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist vom Kläger im Berufungsverfahren nicht aufrechterhalten worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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