L 6 R 1361/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 856/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 R 1361/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juni 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1943 geborene Kläger, verheiratet und Vater von vier Kindern, begehrt eine höhere Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit ab Januar 1992 unter Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten, die er im Beitrittsgebiet neben dem Bezug von Invalidenrente und Blindengeld zurückgelegt hat.

Ihm wurde im Beitrittsgebiet nach 21-jähriger versicherungspflichtiger Beschäftigung Blindengeld nebst Kinderzuschlag sowie eine Invalidenrente (gemäß § 8 Abs 3 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung (1. Renten-VO), GBl I, Seite 401, galten Empfänger von Blindengeld als Invalide) für die Zeit ab dem 01. März 1981 gewährt. Gleichwohl blieb er weiterhin, bis zum 31. Dezember 1991, versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Pförtner/Wächter bei der F Tuchfabriken GmbH; danach war er arbeitslos. Ab Juli 1981 gehörte er der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) an. Mit Bescheid vom 02. Dezember 1991 wurde die Invalidenrente des Klägers zum 01. Januar 1992 als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgewertet und enthielt einen Auffüllbetrag, mit dem sich ein monatlicher Zahlbetrag von 911,09 DM ergab. Blindengeld und Kinderzuschlag wurden mangels Anspruchsgrundlagen im neuen Rentenrecht nicht mehr gewährt. Mit Bescheid vom 12. März 1998 wurde die Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit ab Januar 1992 unter Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte Ost (30,342) neu berechnet – für die Zeit ab April 1998 betrug der monatliche Zahlbetrag nunmehr 1263,67 DM – und eine entsprechende Nachzahlung verfügt. Dagegen wandte der Kläger ein, es müssten für die Zeit ab März 1981 noch seine Beschäftigungszeiten sowie die FZR berücksichtigt werden. Dem kam die Beklagte insoweit nach, als sie die Rente des Klägers mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 für die Zeit ab Januar 1992 nunmehr unter Einbeziehung der FZR-Zeiten neu festsetzte. Den wegen der weiterhin nicht berücksichtigten Beschäftigungszeiten ab März 1981 eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2001 als unbegründet zurück. Im Oktober 2001 bzw Mai 2002 stellte der Kläger unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 – B 4 RA 62/00 R – einen Überprüfungsantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 2003 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung hieß es, es bestehe kein Anspruch auf Neufeststellung der Rente nach dem seit dem 01. Juli 2002 geltenden § 310c Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil diese Vorschrift nur Renten erfasse, die nach den Vorschriften des SGB VI berechnet worden seien, also nicht sogenannte Bestandsrenten wie die des Klägers, die auf den Vorschriften des Beitrittsgebietes basierten und lediglich nach § 307a SGB VI umgewertet worden seien. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 mit dem ergänzenden Hinweis zurück, die geltend gemachten Beschäftigungszeiten während des Bezugs der Invalidenrente würden gemäß § 248 Abs 3 SGB VI (erst) bei einem neuen Leistungsfall und entsprechender Rentenberechnung nach den Vorschriften des SGB VI berücksichtigt werden.

Mit seiner beim Sozialgericht (SG) Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, der Wortlaut des § 310c SGB VI gebe für die Einschränkung, die ihm die Beklagte beimesse, nichts her.

Er hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird unter Änderung ihrer Bescheide vom 13. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 verpflichtet, den Bescheid vom 27. Dezember 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 insoweit zurückzunehmen, als ihm dort die Arbeitsjahre vom 09. März 1981 bis Dezember 1991 nicht anerkannt wurden, und ihm eine höhere Rente unter Berücksichtigung dieser Arbeitsjahre gemäß § 310c SGB VI zu gewähren.

Das SG Berlin hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 2005 als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Neuberechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente komme nur § 310c SGB VI in Betracht, dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, weil der Kläger keine nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Rente beziehe. Die Formulierung "nach den Vorschriften dieses Buches berechneten Rente" in § 310c Satz 1 SGB VI sei nach dem Regelungsziel auszulegen, das darin bestehe, die zum 01. Juli 2002 erfolgte Änderung des § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI auch für Bestandsrenten wirksam werden zu lassen. Deshalb lägen nach den Vorschriften dieses Buches berechnete Renten iS von § 310c SGB VI nur vor, wenn die Rente unter Anwendung des § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI nF berechnet worden sei, also nach dem 31. Dezember 1991 begonnen habe (§ 300 Abs 1 SGB VI), vor dem 01. Januar 1992 begonnen habe, aber nach dem Recht des SGB VI berechnet worden sei (Hinterbliebenenrenten mit Rentenbeginn vor 1992 und Rentenantrag nach dem 02. April 1992; vgl § 99 Abs 2 in Verbindung mit § 300 Abs 1 und 2 SGB VI), oder vor dem 01. Januar 1992 begonnen habe, aber aufgrund sonstiger Regelungen nach den Vorschriften des SGB VI neu zu berechnen gewesen sei (§ 307 Abs 4 und 5, § 307a Abs 9 bis 11 und § 307b Abs 1 SGB VI). Dagegen handele es sich nicht um nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Renten iS dieser Vorschrift bei den nach § 307 SGB VI zum 31. Dezember 1991 umgewerteten Bestandsrenten des bisherigen Bundesgebietes und den nach § 307a SGB VI zum 31. Dezember 1991 umgewerteten Bestandsrenten des Beitrittsgebietes, weil bei deren Umwertung die persönlichen Entgeltpunkte in einem pauschalierten Verfahren ermittelt worden seien, § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI also nicht anzuwenden gewesen sei.

Dass die Formulierung "nach den Vorschriften dieses Buches berechneten Rente" in dem genannten Sinne zu verstehen sei, ergebe sich bereits daraus, dass durch § 307a SGB VI die Rentenberechnung aus dem Rentenrecht der DDR im Wesentlichen habe übernommen werden sollen. Wie die Beklagte ua bereits im Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2001 zutreffend dargelegt habe, hätte der Kläger auch nach dem Recht der DDR eine Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten von März 1981 bis Dezember 1991 grundsätzlich nicht verlangen können. Auch insoweit habe gegolten, dass die während einer Invalidenrente etc zurückgelegten Beschäftigungszeiten grundsätzlich erst bei der späteren Altersrente berücksichtigt werden sollten (§ 18 der Ersten Durchführungsbestimmung zu § 8 Abs 3 der 1. Renten-VO (1. DB-1. Renten-VO), GBl I, Seite 413). Die Besonderheiten hinsichtlich der während dieser Zeit gezahlten FZR-Beiträge habe die Beklagte in ihrem Bescheid vom 27. Dezember 1999 entsprechend § 19 Abs 2 der Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR-VO, GBl I, Seite 395) berücksichtigt.

Mit seiner Berufung bekräftigt der Kläger seine Auffassung, dass seine Arbeitsjahre bzw –verdienste während des Bezugs der Invalidenrente für die Höhe seiner Erwerbsunfähigkeitsrente relevant seien müssten.

Er beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Cottbus vom 28. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 zu verpflichten, die Rentenhöchstwertfestsetzung im Bescheid vom 27. Dezember 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 zurückzunehmen und die Beklagte zu verpflichten, den monatlichen Wert seines Rechts auf Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit ab 01. Januar 1992, hilfsweise ab dem 01. September 2001, mit der Maßgabe neu festzustellen, dass die Beschäftigungszeiten vom 01. März 1981 bis zum 31. Dezember 1991 berücksichtigt werden, und ihm für die Zeit ab dem 01. Januar 1992 entsprechend höhere monatliche Geldbeträge zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückweisen.

Sie verweist auf die Gründe des SG-Urteils.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt (vgl § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Rentenakten der Beklagten (zwei Bände) verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens sind zunächst die mit Bescheid vom 13. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 erfolgten Ablehnungen zum einen der Rücknahme der Rentenhöchstwertfeststellung für die Zeit ab Januar 1992 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und zum anderen der Neufeststellung der Rente für die Zeit ab 01. September 2001 nach § 310c SGB VI (Anfechtungsklagen). Des weiteren begehrt der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, die bindend gewordene Ablehnung eines höheren Rentenhöchstwerts im Bescheid vom 27. Dezember 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 für Bezugszeiten ab dem 01. Januar 1992 zurückzunehmen und für diesen Zeitraum, jedenfalls aber für die Zeit ab dem 01. September 2001, einen höheren Wert seines Rechtes auf Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung der Zeiten seiner Beschäftigung vom 01. März 1981 bis zum 31. Dezember 1991 festzustellen (Verpflichtungsklagen). Schließlich erstrebt er, die Beklagte zu verurteilen, ihm für diesen Zeitraum entsprechend höhere monatliche Geldbeträge zu zahlen (Leistungsklage, vgl zur Zulässigkeit der Kombination von Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 3).

Dem Kläger steht für die Zeit ab dem 01. Januar 1992 keine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu. Die Beklagte hat einen Rücknahmeanspruch für die Zeit ab dem 01. Januar 1992 ebenso zutreffend verneint wie einen Anspruch auf Neufeststellung für die Zeit ab dem 01. September 2001. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X für eine Rücknahme der für die Zeit ab dem 01. Januar 1992 bindenden Rentenhöchstwertfestsetzung im Bescheid vom 27. Dezember 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2001 sind nicht erfüllt, weil die Festsetzung im Zeitpunkt ihres Erlasses (genauer: ihrer Bekanntgabe) rechtmäßig war. Die Invalidenrente, die der Kläger am 31. Dezember 1991 bezogen hatte, ist zutreffend – nach den Maßgaben des § 307a SGB VI - in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgewertet worden. Dabei war die Zeit seiner Beschäftigung während des Bezugs der Invalidenrente nicht zu berücksichtigen. Nach § 307a SGB VI erfolgt die Umwertung in einem pauschalierten Verfahren, wobei aus den der bisherigen Rente zugrunde liegenden Daten persönliche Entgeltpunkte ermittelt werden, deren Höhe bei vergleichbaren Versicherungsleben in etwa der Summe der persönlicher Entgeltpunkte eines Rentners in den alten Bundesländern, aber auch eines Rentners im Beitrittsgebiet entspricht, dessen Rente nach dem 31. Dezember 1991 beginnt (so die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 12/405, Seite 135). Nach Absatz 3 der Vorschrift sind als Arbeitsjahre für die Ermittlung persönlicher Entgeltpunkte die Jahre einer versicherungspflichtigen Tätigkeit (Nr 1) und bei Renten wegen Invalidität – wie in den alten Bundesländern - die Zurechnungsjahre bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres (Nr 2) zu berücksichtigen. Dabei sind die Jahre einer versicherungspflichtigen Tätigkeit dem Rentenbestandsdatensatz zu entnehmen und in vollem Umfang zu übernehmen (Polster in KassKomm, § 307a SGB VI, Rdnr 22 f). Die Umwertung hatte danach auf der Grundlage der vor dem 31. Dezember 1991 nach dem Recht der DDR bewilligten Renten zu erfolgen, hier auf der Grundlage der Invalidenrente des Klägers, bei der die nach März 1981 zurückgelegten Beschäftigungszeiten keine Berücksichtigung gefunden hatten. Sie wären nach § 18 Abs 2 1. DB-1. Renten-VO für die Invalidenrente nur dann relevant gewesen, wenn diese nach dauerhafter Beendigung seiner Tätigkeit wegen Verschlimmerung des Gesundheitsschadens oder anderer Krankheiten neu zu berechnen gewesen wäre. Diese Vorschrift war indes nicht einschlägig, weil der Kläger am 31. Dezember 1991 noch erwerbstätig war. Im Übrigen wäre seine Invalidenrente selbst dann nicht nach dem Recht der DDR neu zu berechnen gewesen, wenn er seine Tätigkeit für die F Tuchfabriken GmbH nicht hat erst zum 01. Januar 1992, sondern bereits im Laufe des Jahres 1991 beendet hätte. Denn das Ende seiner dortigen Wächtertätigkeit war nicht krankheitsbedingt, sondern – dies belegt die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle vom 20. Januar 1992 - allein darauf zurückzuführen, dass die Wach- und Schließgesellschaft die Bewachung der F Tuchfabriken übernommen hatte mit der Folge, dass für ihn dort kein Tätigkeitsbereich verblieben war (Bl W 92/3 Bd I der Rentenakten). Ob die Beklagte nach alledem zu Recht seine FZR-Zeiten bei der Umwertung berücksichtigt hat, kann dahin stehen, da die Rentenhöchstwertfeststellung andernfalls insoweit (nur) zugunsten des Klägers fehlerhaft wäre.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Neufeststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit ab dem 01. September 2001 gemäß § 310c SGB VI. Dies hat das SG im Urteil vom 28. Juni 2005 zutreffend dargelegt, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen ausführlichen Darlegungen verwiesen sei (vgl § 153 Abs 2 SGG). Ergänzt sei insofern nur, dass die Beschäftigungszeiten des Klägers während des Bezugs der Invalidenrente selbst dann hätten unberücksichtigt bleiben müssen, wenn man die nach § 307a SGB VI umgewertete Rente als eine nach dem SGB VI berechnete Rente ansähe. Dann nämlich stünde ihrer Berücksichtigung entgegen, dass es ansonsten zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung der Beitragszahler im alten Bundesgebiet gegenüber Rentenbeziehern aus dem Beitrittsgebiet käme. Für erstere bestimmt § 75 Abs 2 SGB VI, dass bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für Beitrags- und Anrechnungszeiten, die nach dem Eintritt der hierfür maßgeblichen Minderung der Erwerbsfähigkeit liegen, Entgeltpunkte nicht ermittelt werden (vgl zu diesem Gesichtspunkt das der Änderung des § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI zugrunde liegende Urteil des BSG vom 30. August 2001 – B 4 RA 62/00 R – juris Seite 7; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Januar 2005 – L 16 RA 23/04 – www. sozialgerichtsbarkeit.de, Seite 4).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG)
Rechtskraft
Aus
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