L 25 AS 170/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AS 37370/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 170/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2008 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig unter Zugrundelegung eines monatlichen Bedarfs in Höhe von 542,00 EUR für die sich aus dem Rubrum ergebende Wohnung weitere Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens für beide Instanzen zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2008 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Mit ihr begehren die Antragsteller bei sachdienlicher Auslegung ihrer Ausführungen der Höhe nach die ihnen nunmehr durch den Senat im Wege der einstweiligen Anordnung zuerkannten Leistungen, allerdings in zeitlicher Hinsicht nicht nur für die Zeit vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009, über die der Antragsgegner inzwischen ebenfalls entschieden hat, sondern auch schon für die davor liegende Zeit ab dem 1. Dezember 2008. Über dieses Begehren hat das Sozialgericht auf der Grundlage des entsprechend auszulegenden Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch vollumfänglich entschieden.

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller erweist sich darüber hinaus in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch als begründet. Der angegriffene Beschluss ist unzutreffend, soweit den Antragstellern hiermit die ihnen nunmehr zuerkannten Leistungen versagt worden sind. Insoweit haben die Antragsteller nämlich sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 bis 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO –).

Unter Beachtung des sich aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots effektiven Rechtsschutzes erweist sich die Sache zunächst hinsichtlich der zuerkannten Leistungen als eilbedürftig. Denn den Antragstellern ist es insoweit nicht zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Sie sind nach Lage der Akten nicht dazu in der Lage, die zuerkannten Leistungen selbst zu finanzieren oder sich auf sonstige Weise selbst zu helfen, benötigen diese Leistungen jedoch, um ihren laufenden Bedarf an den Kosten der Unterkunft und Heizung decken zu können. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts können die Antragsteller hinsichtlich dieses Bedarfs vor allem nicht darauf verwiesen werden, zunächst Mietrückstände auflaufen zu lassen und die Kündigung der Wohnung oder gar die Räumungsklage abzuwarten, bevor sie sich mit Erfolg mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit wenden können. Denn ebenso wie der laufende Bedarf an den Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehört auch der laufende Bedarf an den Kosten der Unterkunft und Heizung zu den existentiell notwendigen Bedürfnissen der Grundsicherung. Auch er fällt täglich neu an mit der Folge, dass – wird er nicht zeitnah gedeckt – dem Hilfebedürftigen wesentliche Nachteile im Sinne des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG entstehen, die durch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr vollständig beseitigt werden können.

Darüber hinaus ist hinsichtlich der nunmehr zuerkannten Leistungen auch ein Anordnungsanspruch zu bejahen. Er ergibt sich im Fall der Antragsteller bereits daraus, dass sie jedenfalls heute nicht mehr nach § 22 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) an den Kosten der Unterkunft und Heizung für die bis Mitte Dezember 2006 u. a. von den Antragstellern zu 1. und 2. bewohnten Wohnung festgehalten werden dürfen. Denn die Anknüpfung an diese Kosten erweist sich hier schon deshalb als nicht mehr tunlich, weil die damalige Bedarfsgemeinschaft mit der jetzigen Bedarfsgemeinschaft nicht mehr identisch ist, sondern sich in der Zwischenzeit durch die Geburt der Antragstellerin zu 3. und den Auszug des Lebensgefährten der Antragstellerin zu 1. aus der zuvor gemeinsam bewohnten Wohnung bereits zweimal verändert hat. Zudem erweisen sich die der Bedarfsberechnung nunmehr zugrunde zu legenden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 542,00 EUR monatlich bereits unter Zugrundelegung der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7. Juni 2005 (ABl. S. 3743), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. S. 2062) für eine – wie hier – aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft als angemessen. Sie decken sich im Übrigen weitgehend mit den Kosten, mit denen sich die Antragsteller nach ihren Angaben im vorläufigen Rechtsschutzverfahren im Innenverhältnis an den insgesamt anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 795,07 EUR für die von ihnen gemeinsam mit der Schwester der Antragstellerin zu 1. bewohnten Wohnung zu beteiligen haben, von denen die Schwester 250,00 EUR trägt.

Zurückzuweisen war die Beschwerde jedoch, soweit die Antragsteller Leistungen auch für die Zeit vor dem 1. März 2009 begehren. Insoweit ist die Sache nicht eilbedürftig, weil es den Antragstellern auch im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies gilt für die Zeit vor der Entscheidung des Senats schon deshalb, weil diese Zeit aus heutiger Sicht in der Vergangenheit liegt und schwere und unwiederbringliche Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein könnte, von den Antragstellern nicht dargelegt worden sind und Anhaltspunkte dafür auch nach Lage der Akten nicht bestehen. Für die Zeit ab der Entscheidung des Senats bis zum 28. Februar 2008 erweist sich der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung demgegenüber deshalb als nicht nötig, weil der Antragstellerin zu 1. ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners befindlichen Bewilligungsbescheides des Bezirksamts von Berlin vom 5. Mai 2008 (auch) für diese Zeit noch Elterngeld in Höhe von 375,00 EUR monatlich bewilligt worden ist, auf dessen vorläufigen Einsatz die Antragsteller zur Deckung des von ihnen geltend gemachten Bedarfs in zumutbarer Weise verwiesen werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Antragsteller – was die Höhe der von ihnen begehrten Leistungen angeht – mit ihrem Begehren durchgedrungen sind.

Der Antrag der Antragsteller, ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war abzulehnen. Denn die Antragsteller bedürfen gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO der Prozesskostenhilfe nicht, weil ihnen aufgrund der durch den Senat für das Beschwerdeverfahren getroffenen Kostenentscheidung gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf vollständige Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zusteht.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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