Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 4 KR 149/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 234/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer wird auch dann an dem Ort ausgeübt, wo die landwirtschaftlichen Flächen liegen, wenn der Unternehmer von seinem ausländischen Wohnsitz aus die wirtschaftliche Leitung mittels Hilfspersonen ausführen kann (Anschluss an BSG SozR 3-5420 § 2 Nr. 2)
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Franfurt/Oder vom 26. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung.
Nachdem der 1953 geborene Kläger zum 1. Oktober 1992 in Sachsen-Anhalt einen landwirtschaftlichen Betrieb (Betriebsgröße: 543 ha) gegründet hatte, wurde seine landwirtschaftliche Krankenversicherung von der Beklagten durchgeführt, da die weiteren von ihm bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebsstätten in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen erheblich geringere Betriebsflächen auswiesen. Am 30. August 2001 wanderte er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Söhnen nach Kanada aus und versicherte sich und seine Familie dort gegen Krankheit. Neben der in Kanada übernommenen Farm (Betriebsgröße: ca. 1700 ha) führt der Kläger weiterhin seinen inzwischen auf 819,42 ha angewachsenen landwirtschaftlichen Ackerbaubetrieb in Sachsen-Anhalt. Er beschäftigt in diesem nicht verpachteten Unternehmen neben einem Verwalter zwei oder mehr Arbeitnehmer, trägt Gewinn und Verlust dieses Unternehmens und entrichtet hierfür in Deutschland Steuern.
Auf die "Kündigung der Krankenversicherung" durch den Kläger (Schreiben vom 6. Oktober 2001) teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 27. November 2001 mit, dass seine Mitgliedschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer nicht mit dem Wegzug nach Kanada ende, sondern fortbestehe, solange er das wirtschaftliche Risiko in dem landwirtschaftlichen Unternehmen trage. Das weitere Schreiben des Klägers vom 3. Dezember 2001, in dem er um Bestätigung seiner Versicherungsfreiheit bat, fasste die Beklagte als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf und teilte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Januar 2001 mit, dass er auch ab dem 31. August 2001 als landwirtschaftlicher Unternehmer der Versicherungspflicht zu ihr unterliege. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2002 zurück. Die Klage, mit der er neben der Aufhebung der oben genannten Bescheide sowie der ab dem Jahr 2003 ergangenen Beitragsbescheide die Feststellung begehrte, ab dem 30. August 2001 kein versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten mehr zu sein, wies das Sozialgericht mit Urteil vom 26. Januar 2007 (zugestellt am 13. Februar 2007) unter Berufung auf die Entscheidungsgründe der Bescheide vom 16. Januar 2002 und 8. Mai 2002 ab.
Zur Begründung seiner im März 2007 eingelegten Berufung bringt der Kläger vor, er sei als Landwirt in Deutschland nicht tätig, sondern kontrolliere die Geschäfte von Kanada aus per Internet. Er sei in Kanada Pflichtmitglied einer Kranken- und einer Alterskasse. Soweit es an einem deutsch-kanadischen Doppelversicherungsabkommen fehle oder ein solches den Bereich der Krankenversicherung nicht erfasse, sei dies nicht seine Schuld, sondern möglicherweise das Versagen der zuständigen Sozialversicherungsträger in Deutschland. Er werde hierdurch in seinen Rechten verletzt und habe Anspruch auf Gleichbehandlung mit solchen Personen, die einem Doppelversicherungsabkommen unterliegen.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 26. Januar 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 27. November 2001 und 16. Januar 2002, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2002, aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 30. August 2001 nicht mehr der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte gemäß § 155 Abs. 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten dieser Vorgehensweise zugestimmt haben.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder ist nicht zu beanstanden. Denn die Beklagte hat mit den angegriffenen Bescheiden zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung auch über den 30. August 2001 hinaus festgestellt.
Streitgegenstand ist, nachdem Kläger und Beklagte die von der erstinstanzlichen Entscheidung noch umfassten Beitragsbescheide für die Zeit ab dem 1. Januar 2002 durch übereinstimmende Prozesserklärung außer Streit gestellt haben, nur noch die Frage der Beitragspflicht ab dem 30. August 2001.
1. Der Kläger ist nach den innerstaatlichen deutschen gesetzlichen Regelungen versicherungspflichtiger Landwirt.
a) Er erfüllt die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989). Danach sind in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig "Unternehmer der Land- und Landwirtschaft einschließlich des Wein- und Gartenbaus sowie der Teichwirtschaft und Fischzucht (landwirtschaftliche Unternehmer), deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße erreicht; § 1 Abs. 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte gilt". Der Kläger bewirtschaftet landwirtschaftliche Flächen, die die geforderte Mindestgröße erreichen und übersteigen, er ist daher Unternehmer der Landwirtschaft i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989.
b) Die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung im Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) schreiben die Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 auf den Fall des Klägers rechtswirksam vor.
Unbeschadet des in § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verankerten Wohnsitzprinzips ist hier gemäß § 37 Satz 1 SGB I die in § 3 SGB IV - diese Vorschrift ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV anwendbar - aufgestellte Bestimmung des persönlichen und räumlichen Geltungsbereichs anzuwenden:
"Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten, 1. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes beschäftigt oder selbständig tätig sind, 2. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben."
§ 3 SGB IV stellt damit in Fragen der Versicherungspflicht (hier gemäß § 2 KVLG 1989) klar, dass für die Entscheidung, ob deutsches Sozialversicherungsrecht anwendbar ist, der Wohnsitz oder ständige Aufenthalt im Ausland u.a. dann nicht den maßgeblichen Anknüpfungspunkt gibt, wenn - wie hier - eine selbständige Tätigkeit zur Beurteilung steht (Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-5420 § 2 Nr. 2 m.w.N.).
Der Kläger übt seine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer im Geltungsbereich des SGB IV aus. Für die Abgrenzung des (persönlichen und räumlichen) Geltungsbereichs der Versicherung bezieht sich § 3 Nr. 1 SGB IV auf die gesetzlichen Definitionen, die zur "Beschäftigung" und "selbständigen Tätigkeit" in §§ 7 bis 13 SGB IV getroffen sind. Eine eigene Bestimmung des Tätigkeitsorts trifft das Gesetz in § 11 SGB IV indessen nicht, sondern ordnet die entsprechende Geltung der Vorschriften über den Beschäftigungsort (§§ 9, 10 SGB IV) an (§ 11 Abs. 1 SGB IV), soweit sich nicht aus § 11 Abs. 2 SGB IV Abweichendes ergibt.
§ 9 Abs. 1 SGB IV stellt auf den Ort ab, an dem die Beschäftigung (hier entsprechend zu lesen: selbständige Tätigkeit) tatsächlich ausgeübt wird. Eine landwirtschaftliche Tätigkeit kann im Schwerpunkt - schon der Natur der Sache nach - nur dort tatsächlich ausgeübt werden, wo die bewirtschafteten Nutzflächen liegen. Ohne Einfluss ist darauf, ob die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren ist. Mithin übt der Kläger seine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer der in Sachsen-Anhalt belegenen landwirtschaftlichen Flächen - dem Schwerpunkt nach - dort und nicht an seinem Wohnsitz aus. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass der Kläger zur Ausübung seiner tatsächlichen Tätigkeit nicht seinen Wohnsitz verlassen und sich dazu nicht vor Ort nach Sachsen-Anhalt begeben muss. Für die Qualifizierung als landwirtschaftlicher Unternehmer kommt es auf die konkreten Umstände der Bewirtschaftung nicht an. Auch wenn die unternehmerischen Tätigkeiten der Leitung und Überwachung (ggf. einschließlich weiterer kaufmännischer Aufgaben) ganz oder jedenfalls überwiegend vom Wohnsitz des Klägers in Kanada aus verrichtet werden können, ändert dies doch nichts an der versicherungsrechtlichen Beurteilung. Der hier maßgebliche Begriff der selbständigen (unternehmerischen) Tätigkeit hat das Betreiben des landwirtschaftlichen Unternehmens im Ergebnis im Blick und kann damit nicht von dem Betrieb im materiellen Sinne vor Ort gelöst werden. Dann aber liegt der Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers dort, wo die konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen erfolgen - hier auf den landwirtschaftlichen Ackerflächen in Sachsen-Anhalt -, auf die sich alle Leitungsbemühungen richten (siehe in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Luzern (Schweiz) vom 11. Februar 1993, EVGE 119 (5), 65, 68f, mit ähnlicher Begründung für die Geschäftsleitung eines schweizerischen Unternehmens aus dem Ausland). Das BSG stellt in ständiger Rechtsprechung zur Abgrenzung des Territorialitätsprinzips bei Auslandsbeschäftigung darauf ab, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt (BSG a.a.O. m.w.N.; SozR 3-2400 § 5 Nr. 2). Von diesen Grundsätzen zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen mit Auslandsberührung ist auch bei einer selbständigen Tätigkeit wie im vorliegenden Falle in entsprechender Anwendung auszugehen.
2. Das über- und zwischenstaatliche Recht steht der Versicherungspflicht des Klägers nicht entgegen. Grundsätzlich lassen die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt (§ 30 Abs. 2 SGB I). Die einschlägigen Vereinbarungen zwischen Deutschland und Kanada, insbesondere das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit vom 14. November 1985 (BGBl. 1988 II, S. 28) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 1. Dezember 2003 (Deutsch-kanadischen Sozialversicherungsabkommen - DKSVA), treffen keine den Streitgegenstand berührende Regelung.
Soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, bezieht es sich in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland auf die Rechtsvorschrift über die Rentenversicherung, die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und die Altersversicherung der Landwirte, in Bezug auf Kanada auf die Rechtsvorschriften über die Volksrente und die Verordnungen dazu sowie die kanadische Rentenversicherung und die Verordnungen dazu (Art. 2 Abs. 1 DKSVA). Da der Bereich der Krankenversicherung an keiner anderen Stelle des DKSVA erwähnt wird, zählt sie nicht zu dessen Regelungsgegenständen.
Dies verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn das aus Art. 3 Grundgesetz (GG) herrührende Gleichbehandlungsgebot richtet sich nur an deutschen Staat und seine Untergliederungen. Welche Regelungsgegenstände ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen erfasst, liegt jedoch nicht nur im Einflussbereich des deutschen Staates, sondern hängt ebenso sehr vom Regelungswillen des anderen Vertragsstaates ab. Dieser ist jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, den Kläger Personen gleichzustellen, die einem anderen den Regelungsbereich der Krankenversicherung umfassenden Sozialversicherungsabkommen unterliegen.
3. Gegen die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung sprechen auch keine sonstigen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die dargelegte Gesetzesauslegung, dass eine selbständige Tätigkeit im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs auch dann nicht zu verneinen ist, wenn zwar das Unternehmen in Deutschland liegt, der Unternehmer aber seinen Lebensmittelpunkt im Ausland hat, verletzt insbesondere nicht das Äquivalenzprinzip unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG.
aa) Zwar knüpft die Versicherungspflicht an den Tätigkeitsort (in Deutschland) an, während zugleich wegen der Ruhensbestimmung in § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 1 KVLG 1989 Leistungen nicht gewährt werden, solange sich Versicherte im Ausland aufhalten. Trotzdem liegt hierin kein verfassungswidriger "Wechsel des Anknüpfungssachverhalts" (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, NZA 2000, 391). Nach Meinung des BVerfG kann der Gesetzgeber bei Beitragserhebung und Leistungsberechtigung an den Wohn- oder Aufenthaltsort anknüpfen; er ist aber nicht frei darin, ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln. Zwar ist dieser "Wechsel des Anknüpfungspunkts" geradezu konstitutiv für das Sozialversicherungsrecht, wie die Bestimmungen von § 30 SGB I, §§ 3 ff SGB IV zeigen. Indessen kam es auch insoweit immer schon darauf an, ob die jeweilige Abgrenzung des Schutzbereichs der Sozialversicherung sachgerecht erfolgte (vgl. etwa zu den Kindererziehungszeiten im Ausland: BVerfG, NZS 1998, 518). Den vorliegenden Fall kennzeichnet, dass die (der Beitragserhebung vorausgesetzte) Versicherungspflicht und die Leistungsberechtigung nicht grundsätzlich auseinanderfallen. Denn der Kläger ist im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs gegen Krankheit geschützt und kann die gesetzlichen Leistungen in Anspruch nehmen. Ein Auseinanderklaffen im vorstehenden Sinne erzeugt erst die Ruhensbestimmung bei Auslandsaufenthalt. Indessen sprechen gerade die vom BVerfG verlangten gewichtigen Gründe für diese den Kläger belastende Regelung.
bb) Wie dargelegt folgt die Anknüpfung der Versicherungspflicht an den Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsort einem Strukturmerkmal der deutschen Sozialversicherung (etwa im Unterschied zum Gedanken der "Volksversicherung"). Die dazu im Einzelnen getroffenen gesetzlichen Abgrenzungen (u.a. §§ 3 ff SGB IV) zeigen, dass Sonderfälle vorliegen können; indessen liegt es in der Natur solcher typisierenden Regelungen, dass im Einzelfall Härten auftreten können. Es kann - wie gerade der Blick auf den Fall des Klägers erhellt - nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, jede auch nur entfernt denkbare Variante von Lebenssachverhalten vorab zu erfassen und ausgewogen zu gestalten. Den Ausnahmefall, dass trotz eines in Deutschland liegenden Tätigkeitsorts eine dauernde Integration in ein ausländisches Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem vorliegt (vgl. dazu wiederum BVerfG, a.a.O.), musste der Gesetzgeber nicht gesondert regeln. Er durfte bei der statuierten Versicherungspflicht zugrunde legen, dass die Ruhensregelung den Leistungsausschluss typischerweise nur dann herbeiführt, wenn Versicherte sich vorübergehend im Ausland aufhalten (BSG SozR 3-5420 § 2 Nr. 2 m.w.N.). In diesem Rahmen erweist sich die fehlende Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen als vertretbar (dazu eingehend BSG SozR 3-2500 § 243 Nr. 2 und 3 m.w.N.; USK 96177). An der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Konzeption ändert es nichts, wenn in einem ungewöhnlichen Einzelfall wie dem des Klägers die Schere von Beitrag und Leistung weiter geöffnet ist. Selbst sein Fall liegt nicht so, dass den Beiträgen keine Leistung gegenüber stünde. Auch wenn der Kläger seit dem Tag der Auswanderung tatsächlich keinerlei Leistungsansprüche mehr gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, war - und ist - letztere doch stets mit dem versicherten Risiko belastet; allein schon während seiner alljährlichen vorübergehenden Aufenthalte in Deutschland hätte der Kläger Gelegenheit nehmen können, Leistungen der Beklagten zu beanspruchen; er hätte sich jederzeit auch nur deshalb in Deutschland aufhalten können, um Leistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen; und er kann jederzeit nach Deutschland zurückkehren, um sich kostspieligen Krankenbehandlungen zu unterziehen.
cc) Dabei schadet es nicht, wenn - derzeit - das getragene Risiko vergleichsweise gering erscheint: Über den Gesichtspunkt des individuellen Versicherungsschutzes hinaus ist als sachliche Rechtfertigung für die Versicherungs- und Beitragspflicht das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und der Solidargemeinschaft zu beachten. Mit dem aus der Wertschöpfung des im Inland gelegenen Betriebs gezogenen individuellen Beitrag stärkt der Kläger nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit die soziale Krankenversicherung. Die in seinem Fall möglicherweise gering ausgeprägte Gegenseitigkeit von Beitrag und Leistung erweist sich aus dieser Sicht nicht als (ungewollte) persönliche Härte. Da nach der Grundkonzeption des Beitragsrechts der deutschen Krankenversicherung das Äquivalenzprinzip nur schwach ausgeprägt ist, während demgegenüber das Solidaritätsprinzip erhebliche Bedeutung gewinnt (BSG SozR 3-2500 § 243 Nr. 2 m.w.N.), zählt der Kläger (derzeit noch) zu jenen Versicherten, die wegen ihrer geringen persönlichen Schutzbedürftigkeit als "gutes Risiko" der Krankenversicherung gelten.
dd) Der Kläger - als landwirtschaftlicher Unternehmer ist er grundsätzlich auch Wettbewerber in der deutschen Landwirtschaft - dürfte sich im übrigen der Solidargemeinschaft in der Krankenversicherung der Landwirte durch den Auslandswohnsitz auch nicht entziehen und damit einen Kostenvorteil erlangen. Selbst wenn er als Bürger Kanadas dort seine persönliche medizinische Versorgung erlangen kann und deshalb des Schutzes der deutschen Krankenversicherung nicht bedarf, bleibt er als landwirtschaftlicher Unternehmer in Deutschland Teil der hiesigen Wirtschafts- und Solidargemeinschaft. Es liegt daher auch im staatlichen Interesse an einer gerechten Wettbewerbsordnung, wenn die Heranziehung zur Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung alle landwirtschaftlichen Unternehmer gleichermaßen trifft (zur grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Verknüpfung von Wettbewerb und Sozialversicherung siehe nur BVerfGE 75, 108).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung.
Nachdem der 1953 geborene Kläger zum 1. Oktober 1992 in Sachsen-Anhalt einen landwirtschaftlichen Betrieb (Betriebsgröße: 543 ha) gegründet hatte, wurde seine landwirtschaftliche Krankenversicherung von der Beklagten durchgeführt, da die weiteren von ihm bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebsstätten in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen erheblich geringere Betriebsflächen auswiesen. Am 30. August 2001 wanderte er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Söhnen nach Kanada aus und versicherte sich und seine Familie dort gegen Krankheit. Neben der in Kanada übernommenen Farm (Betriebsgröße: ca. 1700 ha) führt der Kläger weiterhin seinen inzwischen auf 819,42 ha angewachsenen landwirtschaftlichen Ackerbaubetrieb in Sachsen-Anhalt. Er beschäftigt in diesem nicht verpachteten Unternehmen neben einem Verwalter zwei oder mehr Arbeitnehmer, trägt Gewinn und Verlust dieses Unternehmens und entrichtet hierfür in Deutschland Steuern.
Auf die "Kündigung der Krankenversicherung" durch den Kläger (Schreiben vom 6. Oktober 2001) teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 27. November 2001 mit, dass seine Mitgliedschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer nicht mit dem Wegzug nach Kanada ende, sondern fortbestehe, solange er das wirtschaftliche Risiko in dem landwirtschaftlichen Unternehmen trage. Das weitere Schreiben des Klägers vom 3. Dezember 2001, in dem er um Bestätigung seiner Versicherungsfreiheit bat, fasste die Beklagte als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf und teilte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Januar 2001 mit, dass er auch ab dem 31. August 2001 als landwirtschaftlicher Unternehmer der Versicherungspflicht zu ihr unterliege. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2002 zurück. Die Klage, mit der er neben der Aufhebung der oben genannten Bescheide sowie der ab dem Jahr 2003 ergangenen Beitragsbescheide die Feststellung begehrte, ab dem 30. August 2001 kein versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten mehr zu sein, wies das Sozialgericht mit Urteil vom 26. Januar 2007 (zugestellt am 13. Februar 2007) unter Berufung auf die Entscheidungsgründe der Bescheide vom 16. Januar 2002 und 8. Mai 2002 ab.
Zur Begründung seiner im März 2007 eingelegten Berufung bringt der Kläger vor, er sei als Landwirt in Deutschland nicht tätig, sondern kontrolliere die Geschäfte von Kanada aus per Internet. Er sei in Kanada Pflichtmitglied einer Kranken- und einer Alterskasse. Soweit es an einem deutsch-kanadischen Doppelversicherungsabkommen fehle oder ein solches den Bereich der Krankenversicherung nicht erfasse, sei dies nicht seine Schuld, sondern möglicherweise das Versagen der zuständigen Sozialversicherungsträger in Deutschland. Er werde hierdurch in seinen Rechten verletzt und habe Anspruch auf Gleichbehandlung mit solchen Personen, die einem Doppelversicherungsabkommen unterliegen.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 26. Januar 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 27. November 2001 und 16. Januar 2002, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2002, aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 30. August 2001 nicht mehr der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte gemäß § 155 Abs. 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten dieser Vorgehensweise zugestimmt haben.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder ist nicht zu beanstanden. Denn die Beklagte hat mit den angegriffenen Bescheiden zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung auch über den 30. August 2001 hinaus festgestellt.
Streitgegenstand ist, nachdem Kläger und Beklagte die von der erstinstanzlichen Entscheidung noch umfassten Beitragsbescheide für die Zeit ab dem 1. Januar 2002 durch übereinstimmende Prozesserklärung außer Streit gestellt haben, nur noch die Frage der Beitragspflicht ab dem 30. August 2001.
1. Der Kläger ist nach den innerstaatlichen deutschen gesetzlichen Regelungen versicherungspflichtiger Landwirt.
a) Er erfüllt die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989). Danach sind in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig "Unternehmer der Land- und Landwirtschaft einschließlich des Wein- und Gartenbaus sowie der Teichwirtschaft und Fischzucht (landwirtschaftliche Unternehmer), deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße erreicht; § 1 Abs. 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte gilt". Der Kläger bewirtschaftet landwirtschaftliche Flächen, die die geforderte Mindestgröße erreichen und übersteigen, er ist daher Unternehmer der Landwirtschaft i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989.
b) Die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung im Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) schreiben die Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 auf den Fall des Klägers rechtswirksam vor.
Unbeschadet des in § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verankerten Wohnsitzprinzips ist hier gemäß § 37 Satz 1 SGB I die in § 3 SGB IV - diese Vorschrift ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV anwendbar - aufgestellte Bestimmung des persönlichen und räumlichen Geltungsbereichs anzuwenden:
"Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten, 1. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes beschäftigt oder selbständig tätig sind, 2. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben."
§ 3 SGB IV stellt damit in Fragen der Versicherungspflicht (hier gemäß § 2 KVLG 1989) klar, dass für die Entscheidung, ob deutsches Sozialversicherungsrecht anwendbar ist, der Wohnsitz oder ständige Aufenthalt im Ausland u.a. dann nicht den maßgeblichen Anknüpfungspunkt gibt, wenn - wie hier - eine selbständige Tätigkeit zur Beurteilung steht (Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-5420 § 2 Nr. 2 m.w.N.).
Der Kläger übt seine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer im Geltungsbereich des SGB IV aus. Für die Abgrenzung des (persönlichen und räumlichen) Geltungsbereichs der Versicherung bezieht sich § 3 Nr. 1 SGB IV auf die gesetzlichen Definitionen, die zur "Beschäftigung" und "selbständigen Tätigkeit" in §§ 7 bis 13 SGB IV getroffen sind. Eine eigene Bestimmung des Tätigkeitsorts trifft das Gesetz in § 11 SGB IV indessen nicht, sondern ordnet die entsprechende Geltung der Vorschriften über den Beschäftigungsort (§§ 9, 10 SGB IV) an (§ 11 Abs. 1 SGB IV), soweit sich nicht aus § 11 Abs. 2 SGB IV Abweichendes ergibt.
§ 9 Abs. 1 SGB IV stellt auf den Ort ab, an dem die Beschäftigung (hier entsprechend zu lesen: selbständige Tätigkeit) tatsächlich ausgeübt wird. Eine landwirtschaftliche Tätigkeit kann im Schwerpunkt - schon der Natur der Sache nach - nur dort tatsächlich ausgeübt werden, wo die bewirtschafteten Nutzflächen liegen. Ohne Einfluss ist darauf, ob die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren ist. Mithin übt der Kläger seine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer der in Sachsen-Anhalt belegenen landwirtschaftlichen Flächen - dem Schwerpunkt nach - dort und nicht an seinem Wohnsitz aus. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass der Kläger zur Ausübung seiner tatsächlichen Tätigkeit nicht seinen Wohnsitz verlassen und sich dazu nicht vor Ort nach Sachsen-Anhalt begeben muss. Für die Qualifizierung als landwirtschaftlicher Unternehmer kommt es auf die konkreten Umstände der Bewirtschaftung nicht an. Auch wenn die unternehmerischen Tätigkeiten der Leitung und Überwachung (ggf. einschließlich weiterer kaufmännischer Aufgaben) ganz oder jedenfalls überwiegend vom Wohnsitz des Klägers in Kanada aus verrichtet werden können, ändert dies doch nichts an der versicherungsrechtlichen Beurteilung. Der hier maßgebliche Begriff der selbständigen (unternehmerischen) Tätigkeit hat das Betreiben des landwirtschaftlichen Unternehmens im Ergebnis im Blick und kann damit nicht von dem Betrieb im materiellen Sinne vor Ort gelöst werden. Dann aber liegt der Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers dort, wo die konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen erfolgen - hier auf den landwirtschaftlichen Ackerflächen in Sachsen-Anhalt -, auf die sich alle Leitungsbemühungen richten (siehe in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Luzern (Schweiz) vom 11. Februar 1993, EVGE 119 (5), 65, 68f, mit ähnlicher Begründung für die Geschäftsleitung eines schweizerischen Unternehmens aus dem Ausland). Das BSG stellt in ständiger Rechtsprechung zur Abgrenzung des Territorialitätsprinzips bei Auslandsbeschäftigung darauf ab, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt (BSG a.a.O. m.w.N.; SozR 3-2400 § 5 Nr. 2). Von diesen Grundsätzen zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen mit Auslandsberührung ist auch bei einer selbständigen Tätigkeit wie im vorliegenden Falle in entsprechender Anwendung auszugehen.
2. Das über- und zwischenstaatliche Recht steht der Versicherungspflicht des Klägers nicht entgegen. Grundsätzlich lassen die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt (§ 30 Abs. 2 SGB I). Die einschlägigen Vereinbarungen zwischen Deutschland und Kanada, insbesondere das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit vom 14. November 1985 (BGBl. 1988 II, S. 28) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 1. Dezember 2003 (Deutsch-kanadischen Sozialversicherungsabkommen - DKSVA), treffen keine den Streitgegenstand berührende Regelung.
Soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, bezieht es sich in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland auf die Rechtsvorschrift über die Rentenversicherung, die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und die Altersversicherung der Landwirte, in Bezug auf Kanada auf die Rechtsvorschriften über die Volksrente und die Verordnungen dazu sowie die kanadische Rentenversicherung und die Verordnungen dazu (Art. 2 Abs. 1 DKSVA). Da der Bereich der Krankenversicherung an keiner anderen Stelle des DKSVA erwähnt wird, zählt sie nicht zu dessen Regelungsgegenständen.
Dies verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn das aus Art. 3 Grundgesetz (GG) herrührende Gleichbehandlungsgebot richtet sich nur an deutschen Staat und seine Untergliederungen. Welche Regelungsgegenstände ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen erfasst, liegt jedoch nicht nur im Einflussbereich des deutschen Staates, sondern hängt ebenso sehr vom Regelungswillen des anderen Vertragsstaates ab. Dieser ist jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, den Kläger Personen gleichzustellen, die einem anderen den Regelungsbereich der Krankenversicherung umfassenden Sozialversicherungsabkommen unterliegen.
3. Gegen die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung sprechen auch keine sonstigen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die dargelegte Gesetzesauslegung, dass eine selbständige Tätigkeit im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs auch dann nicht zu verneinen ist, wenn zwar das Unternehmen in Deutschland liegt, der Unternehmer aber seinen Lebensmittelpunkt im Ausland hat, verletzt insbesondere nicht das Äquivalenzprinzip unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG.
aa) Zwar knüpft die Versicherungspflicht an den Tätigkeitsort (in Deutschland) an, während zugleich wegen der Ruhensbestimmung in § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 1 KVLG 1989 Leistungen nicht gewährt werden, solange sich Versicherte im Ausland aufhalten. Trotzdem liegt hierin kein verfassungswidriger "Wechsel des Anknüpfungssachverhalts" (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, NZA 2000, 391). Nach Meinung des BVerfG kann der Gesetzgeber bei Beitragserhebung und Leistungsberechtigung an den Wohn- oder Aufenthaltsort anknüpfen; er ist aber nicht frei darin, ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln. Zwar ist dieser "Wechsel des Anknüpfungspunkts" geradezu konstitutiv für das Sozialversicherungsrecht, wie die Bestimmungen von § 30 SGB I, §§ 3 ff SGB IV zeigen. Indessen kam es auch insoweit immer schon darauf an, ob die jeweilige Abgrenzung des Schutzbereichs der Sozialversicherung sachgerecht erfolgte (vgl. etwa zu den Kindererziehungszeiten im Ausland: BVerfG, NZS 1998, 518). Den vorliegenden Fall kennzeichnet, dass die (der Beitragserhebung vorausgesetzte) Versicherungspflicht und die Leistungsberechtigung nicht grundsätzlich auseinanderfallen. Denn der Kläger ist im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs gegen Krankheit geschützt und kann die gesetzlichen Leistungen in Anspruch nehmen. Ein Auseinanderklaffen im vorstehenden Sinne erzeugt erst die Ruhensbestimmung bei Auslandsaufenthalt. Indessen sprechen gerade die vom BVerfG verlangten gewichtigen Gründe für diese den Kläger belastende Regelung.
bb) Wie dargelegt folgt die Anknüpfung der Versicherungspflicht an den Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsort einem Strukturmerkmal der deutschen Sozialversicherung (etwa im Unterschied zum Gedanken der "Volksversicherung"). Die dazu im Einzelnen getroffenen gesetzlichen Abgrenzungen (u.a. §§ 3 ff SGB IV) zeigen, dass Sonderfälle vorliegen können; indessen liegt es in der Natur solcher typisierenden Regelungen, dass im Einzelfall Härten auftreten können. Es kann - wie gerade der Blick auf den Fall des Klägers erhellt - nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, jede auch nur entfernt denkbare Variante von Lebenssachverhalten vorab zu erfassen und ausgewogen zu gestalten. Den Ausnahmefall, dass trotz eines in Deutschland liegenden Tätigkeitsorts eine dauernde Integration in ein ausländisches Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem vorliegt (vgl. dazu wiederum BVerfG, a.a.O.), musste der Gesetzgeber nicht gesondert regeln. Er durfte bei der statuierten Versicherungspflicht zugrunde legen, dass die Ruhensregelung den Leistungsausschluss typischerweise nur dann herbeiführt, wenn Versicherte sich vorübergehend im Ausland aufhalten (BSG SozR 3-5420 § 2 Nr. 2 m.w.N.). In diesem Rahmen erweist sich die fehlende Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen als vertretbar (dazu eingehend BSG SozR 3-2500 § 243 Nr. 2 und 3 m.w.N.; USK 96177). An der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Konzeption ändert es nichts, wenn in einem ungewöhnlichen Einzelfall wie dem des Klägers die Schere von Beitrag und Leistung weiter geöffnet ist. Selbst sein Fall liegt nicht so, dass den Beiträgen keine Leistung gegenüber stünde. Auch wenn der Kläger seit dem Tag der Auswanderung tatsächlich keinerlei Leistungsansprüche mehr gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, war - und ist - letztere doch stets mit dem versicherten Risiko belastet; allein schon während seiner alljährlichen vorübergehenden Aufenthalte in Deutschland hätte der Kläger Gelegenheit nehmen können, Leistungen der Beklagten zu beanspruchen; er hätte sich jederzeit auch nur deshalb in Deutschland aufhalten können, um Leistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen; und er kann jederzeit nach Deutschland zurückkehren, um sich kostspieligen Krankenbehandlungen zu unterziehen.
cc) Dabei schadet es nicht, wenn - derzeit - das getragene Risiko vergleichsweise gering erscheint: Über den Gesichtspunkt des individuellen Versicherungsschutzes hinaus ist als sachliche Rechtfertigung für die Versicherungs- und Beitragspflicht das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und der Solidargemeinschaft zu beachten. Mit dem aus der Wertschöpfung des im Inland gelegenen Betriebs gezogenen individuellen Beitrag stärkt der Kläger nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit die soziale Krankenversicherung. Die in seinem Fall möglicherweise gering ausgeprägte Gegenseitigkeit von Beitrag und Leistung erweist sich aus dieser Sicht nicht als (ungewollte) persönliche Härte. Da nach der Grundkonzeption des Beitragsrechts der deutschen Krankenversicherung das Äquivalenzprinzip nur schwach ausgeprägt ist, während demgegenüber das Solidaritätsprinzip erhebliche Bedeutung gewinnt (BSG SozR 3-2500 § 243 Nr. 2 m.w.N.), zählt der Kläger (derzeit noch) zu jenen Versicherten, die wegen ihrer geringen persönlichen Schutzbedürftigkeit als "gutes Risiko" der Krankenversicherung gelten.
dd) Der Kläger - als landwirtschaftlicher Unternehmer ist er grundsätzlich auch Wettbewerber in der deutschen Landwirtschaft - dürfte sich im übrigen der Solidargemeinschaft in der Krankenversicherung der Landwirte durch den Auslandswohnsitz auch nicht entziehen und damit einen Kostenvorteil erlangen. Selbst wenn er als Bürger Kanadas dort seine persönliche medizinische Versorgung erlangen kann und deshalb des Schutzes der deutschen Krankenversicherung nicht bedarf, bleibt er als landwirtschaftlicher Unternehmer in Deutschland Teil der hiesigen Wirtschafts- und Solidargemeinschaft. Es liegt daher auch im staatlichen Interesse an einer gerechten Wettbewerbsordnung, wenn die Heranziehung zur Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung alle landwirtschaftlichen Unternehmer gleichermaßen trifft (zur grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Verknüpfung von Wettbewerb und Sozialversicherung siehe nur BVerfGE 75, 108).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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