L 11 SB 54/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 161 SB 4296/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 54/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 26. Februar 2009 gegen den ihm am 26. Januar 2009 zugegangenen Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2009 erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet, da das Sozialgericht es zu Recht abgelehnt hat, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) festzustellen.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn ein Anordnungsanspruch (im Hinblick auf das materiell geltend gemachte Recht) und ein Anordnungsgrund (im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit) glaubhaft gemacht sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG). Anspruchsgrundlage für die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX), wonach die zuständigen Behörden gesundheitliche Merkmale feststellen, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist. Außergewöhnlich gehbehindert in diesem Sinne ist, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Maßgeblich ist, unter welchen Bedingungen ihm die Bewegungen außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch möglich sind, dies darf nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung möglich sein (BSG, Urteil vom 29. März 2007, Az.: B 9 a SB 5/05 R, Behindertenrecht 2008, 138).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht, geschweige denn nachgewiesen. Die vom Antragsteller beigebrachten Atteste und Entlassungsberichte sind hierfür nicht ausreichend; insoweit wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt. Auch die Zuerkennung der (niedrigen) Pflegestufe I in der sozialen Pflegeversicherung lässt keine Rückschlüsse auf das Vorliegen einer besonderen Gehbehinderung zu. Für eine Entscheidung über das Vorliegen des geltend gemachten Anspruches sind daher weitere Ermittlungen, insbesondere durch Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens, erforderlich, die wegen ihrer voraussichtlichen Dauer nicht im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz anzustellen sind.

Ist – wie vorliegend - dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind (Bundesverfassungsgericht, zuletzt Beschluss vom 25. Februar 2009, Az.: 1 BVR 120/09, zitiert nach juris). Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die Einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch besteht, und auf der anderen Seite die Nachteile, die entstünden, wenn das Gericht die Einstweilige Anordnung erließe, sich im Hauptsacheverfahren aber herausstellte, dass der Anspruch nicht besteht. Diese Folgenabwägung führte vorliegend nicht zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Auf Nachfrage des Gerichtes, welche unzumutbaren Nachteile drohten, wenn das Merkzeichen "aG" und die damit verbundene Parkerleichterung nicht gewährt werde, teilte der Antragsteller durch Schriftsatz vom 30. März 2009 mit, dass die Parkerleichterung eine Verbesserung seiner Lebensqualität darstelle, weil er den Fußweg von der Wohnungstür bis zum Parkplatz mit Hilfe seiner Frau bzw. anderen Pflegepersonals einigermaßen zu bewerkstelligen in der Lage sei. Zunächst ist dieser Vortrag nicht in Übereinstimmung zu bringen mit den Angaben der behandelnden Ärztin für Orthopädie Dipl. Med. B in deren vom Antragsteller beigebrachten Attest vom 26. Februar 2009, wonach sich dieser nur noch geringfügig im häuslichen Milieu fortbewegen könne. Weiter ist die bloße Verbesserung der Lebensqualität für die vorläufige Zuerkennung von Merkzeichen grundsätzlich nicht ausreichend; eine Verbesserung der Lebensqualität ist mit sämtlichen Sozialleistungen verbunden, die, sofern man dies für ausreichend erachtete, dann regelmäßig im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Verfügung gestellt werden müssten.

Der weitere Vortrag des Antragstellers, auf den begehrten Nachteilsausgleich angewiesen zu sein, da ansonsten die notwendige ärztliche Weiterbehandlung nicht durchgeführt werden könne, da die Krankenkasse gem. § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch die Kosten für die notwendigen Krankentransporte zur ambulanten Behandlung erst übernehme, wenn das begehrte Merkzeichen gewährt würde, hat sich auf Nachfrage des Gerichtes bei der Krankenkasse des Antragstellers, der AOK Berlin, als unrichtig erwiesen. Diese teilte mit Schreiben vom 01. April 2009 mit, Fahrkosten unabhängig von der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zu übernehmen, da beim Antragsteller nach eigener Prüfung eine den in den Krankentransportrichtlinien hierfür genannten Voraussetzungen vergleichbare Mobilitätseinschränkung vorliege.

Weitere Nachteile, für die auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nur "schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare" in Betracht kommen, sind durch den Antragsteller weder dargetan worden, noch waren diese sonst ersichtlich.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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