L 26 B 921/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 118 AS 24740/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 921/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
offen gelassen, ob nächträgliche Erteilung einer Zusicherung möglich ist
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2008 wird zurückgewiesen. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein auf Erteilung einer Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 2 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II), hilfsweise die Feststellung der Notwendigkeit eines Umzugs gerichtetes Klageverfahren.

Die 1975 geborenen Kläger zu 1) und 2) bewohnten seit Sommer 2006 eine 69,05 m³ große 3-Zimmer-Wohnung in der Cstraße in B-W und standen seitdem gemeinsam mit ihrer im Dezember 2002 geborenen Tochter, der Klägerin zu 3), im Leistungsbezug des Beklagten. Zum 1. Februar 2007 wurde der Kläger zu 2) in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgenommen, im März 2007 der Kläger zu 4) geboren. Im August 2007 beantragte die Klägerin zu 1) unter Vorlage eines Wohnungsangebots für eine in der Cstraße gelegene 102,18 m² große 4-Zimmer-Wohnung die Erteilung einer Zusicherung. Die Gesamtmiete für diese Wohnung belief sich auf 754,88 EUR. Die Klägerin zu 1) führte hierzu aus, dass sie um Übernahme der Mietkosten in Höhe von 619,00 EUR zzgl. 10 % bäten, da bei dem Kläger zu 2) das Ende seiner Ausbildung im Januar 2009 absehbar sei und er dann als Rechtsanwalt arbeiten werde.

Mit Bescheid vom 24. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2007 lehnte der Beklagte die Erteilung der begehrten Zusicherung mit der Begründung ab, dass die Miete für einen 4-Personen-Haushalt nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen) unangemessen hoch sei. Selbst im Falle eventueller Angemessenheit könne jedoch keine Zusicherung erteilt werden, da der Umzug nicht erforderlich sei. Die Kläger verfügten über ausreichenden Wohnraum. Solange vier Personen mindestens drei Wohnräume mit insgesamt 65 m² Wohnfläche zur Verfügung stünden, lägen keine unzureichenden Wohnverhältnisse vor.

Am 4. Oktober 2007 haben die Kläger Klage erhoben und die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der begehrten Zusicherung, hilfsweise die Feststellung der Notwendigkeit eines Umzugs beantragt. Zugleich baten sie um Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. Am 7. Januar 2008 reichten sie den angeforderten Vordruck über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu den Akten. Ihren Angaben sowie den beigefügten Unterlagen ist zu entnehmen, dass sie bereits unter dem 1. Oktober 2007 einen Mietvertrag für die Wohnung in der Cstraße zum 1. Februar 2008 abgeschlossen hatten.

Mit Beschluss vom 28. März 2008 hat das Sozialgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kläger wohl aus den Gründen des Widerspruchsbescheides keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Zusicherung hätten, sodass keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Klage vorliegen dürften. Jedenfalls aber sei Prozesskostenhilfe im Hinblick darauf nicht zu gewähren, dass keine Kosten der Prozessführung entstünden, die die Kläger nicht aufbringen könnten. Das Verfahren vor dem Sozialgericht sei für die Kläger gerichtskostenfrei. Kosten für einen Rechtsanwalt seien nicht zu übernehmen, da eine Beiordnung nicht in Betracht komme. Diese erfolge nach § 121 Abs. 2 Regelung 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheine. Dies sei hier nicht der Fall. Die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache seien unterdurchschnittlich. Den wesentlichen Vortrag hätten die Kläger bereits mit ihrer Klageschrift geleistet. Im Übrigen sei der Kläger zu 1) Rechtsreferendar und verfüge damit über eine weit überdurchschnittliche Gewandtheit in bürokratischen Angelegenheiten. Bei gleichen Fähigkeiten würde ein Bemittelter in einem gerichtskostenfreien Verfahren niemals einen teuren Rechtsanwalt mandatieren.

Gegen diesen ihnen am 3. April 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 2. Mai 2008 eingelegte Beschwerde der Kläger. Sie meinen, dass vorliegend auch ein Bemittelter im Hinblick auf die mit ihrem Klagebegehren verbundenen wirtschaftlichen Folgen vernünftigerweise einen Rechtsanwalt eingeschaltet hätte. Auch wenn der Kläger zu 2) Rechtsreferendar sei, stehe dies der Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht entgegen. Die Materie des Sozialrechts stelle kein Pflichtgebiet dar. Im Übrigen habe ihm schon bei der Fertigung der Klageschrift ein Rechtsanwalt helfen müssen. Mit der Entscheidung, dass die Klage wohl keine hinreichende Erfolgsaussicht habe, habe das Sozialgericht die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert. Es habe damit ihren Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Denn dieses Vorgehen habe zur Folge, dass die ablehnende Entscheidung des JobCenters bei einer unbemittelten Partei bereits im Prozesskostenhilfeverfahren, bei einer bemittelten Partei dagegen erst im Hauptsacheverfahren überprüft werde.

II.

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2008 ist nach § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG). Nicht hingegen ist sie begründet. Das Sozialgericht beurteilt die Sach- und Rechtslage im Ergebnis zutreffend. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.

Es kann hier dahinstehen, ob die Kläger aktuell noch bedürftig, d.h. nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, nachdem der Kläger zu 2) vor einigen Wochen seinen juristischen Vorbereitungsdienst beendet und nach dem Vortrag im Verwaltungsverfahren inzwischen eine Tätigkeit als Rechtsanwalt aufgenommen haben müsste. Auch bedarf es keiner Klärung, ob einem Rechtsreferendar in einer sozialrechtlichen Streitigkeit ein Rechtsanwalt beizuordnen sein kann oder nicht. Denn jedenfalls hatte die Rechtsverfolgung zu keinem Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Rüge der Kläger, das Sozialgericht habe ihren Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit verletzt, indem es in ihrem Falle - wie allgemein bei bedürftigen Klägern - die ablehnende Entscheidung des Leistungsträgers bereits im Prozesskostenhilfeverfahren überprüft habe, während dies bei bemittelten Klägern erst im Hauptsacheverfahren geschehe, geht offensichtlich fehl. Abgesehen davon, dass das Sozialgericht seine ablehnende Entscheidung gerade nicht maßgebend auf die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung, sondern auf die nicht erforderliche Beiziehung eines Rechtsanwalts gestützt hat, ist es dem Prozesskostenhilfeverfahren in einer Leistungsstreitigkeit immanent, dass eine – wenn auch nur eingeschränkte - Überprüfung der ablehnenden Entscheidung zu erfolgen hat. Läge hierin ein Verstoß gegen die "Rechtsschutzgleichheit" wäre jedem Hilfebedürftigen ohne jegliche Vorprüfung in der Sache Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Richtig ist insoweit allerdings, dass das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu bewerten hat und die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Daraus folgt jedoch nur, dass an die Annnahme hinreichender Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Für deren Bejahung reicht deshalb die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Sache fern liegend ist (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – zitiert nach juris, Rn. 26). Letzteres aber war hier schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung, insbesondere aber zum Zeitpunkt der nach der Rechtsprechung des Senats maßgeblichen Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs (vgl. den grundlegenden Beschluss vom 18. November 2008 in der Sache L 28 B 1966/08 AS ER / L 28 B 1978/08 AS PKH, abrufbar unter erstgenanntem Aktenzeichen unter sozialgerichtsbarkeit.de sowie unter juris) am 7. Januar 2008 der Fall.

Die Kläger haben mit ihrer Klage im Wesentlichen die Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II begehrt. Sinn und Zweck der Erteilung einer Zusicherung ist es insbesondere, dem Hilfebedürftigen frühzeitig Klarheit zu verschaffen, ob der Leistungsträger die Kosten für eine von ihm ins Auge gefasste neue Unterkunft übernehmen wird oder nicht, und ihn damit vor dem Eingehen von Verbindlichkeiten zu bewahren, die er möglicherweise nicht befriedigen kann. Dem entspricht es, dass nach Satz 1 der genannten Vorschrift der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen soll. Vorliegend hatten die Kläger jedoch bereits vor Klageerhebung am 4. Oktober 2007 unter dem 1. Oktober 2007 den Mietvertrag unterzeichnet, sodass es im Klageverfahren von Anfang an nicht zu einer rechtzeitigen Erteilung der begehrten Zusicherung hätte kommen können. Jedenfalls am 7. Januar 2008 aber war der Mietvertrag bereits unterschrieben.

Dass ein Gericht aber den Beklagten entweder zur nachträglichen Erteilung einer Zusicherung verpflichten oder feststellen könnte, dass dieser hierzu verpflichtet bzw. – wie es die Kläger ausdrücklich beantragen - der Umzug erforderlich gewesen sei, kann zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen werden. Unabhängig davon, ob ein Gericht überhaupt zu einer entsprechenden Entscheidung berechtigt wäre, bestand hierfür im konkreten Fall zu keinem Zeitpunkt Anlass.

Mit Abschluss des Mietvertrages waren die Kläger zur Zahlung des vereinbarten Mietzinses verpflichtet. Der Beklagte hatte hingegen bei der Leistungsgewährung die tatsächlichen Unterkunftskosten - mangels vorheriger Erteilung einer weitergehenden Zusicherung - nach § 22 Abs. 1 SGB II nur insoweit zu berücksichtigen, als diese angemessen waren. Zur Klärung der angemessenen Unterkunftskosten bedurfte es mithin des hiesigen Klageverfahrens nicht mehr. Die Kläger hätten nach Abschluss des Mietvertrages im Rahmen eines Höhenstreits prüfen lassen können und müssen, in welchem Umfang bei der Leistungsberechnung ihre Kosten der Unterkunft auf der Bedarfsseite in Ansatz zu bringen sind. Indes fehlte es offensichtlich am Feststellungsinteresse sowohl für die ausdrücklich begehrte Feststellung der Erforderlichkeit des Umzugs (mit der die Kläger im Übrigen eine abschließende Klärung zu den ihnen zustehenden Kosten der Unterkunft auch nicht hätten erreichen können), als auch für eine Feststellung, dass der Beklagte zur Erteilung der Zusicherung verpflichtet gewesen wäre.

Soweit die rechtzeitige Erteilung der Zusicherung im Rahmen der Regelung in § 22 Abs. 3 SGB II grundsätzlich bedeutsam sein mag, kann hier dahinstehen, ob ein Interesse daran bestehen kann, nachträglich eine Zusicherung zu erteilen bzw. die begehrte Feststellung auszusprechen. Denn vorliegend ist ein entsprechendes Interesse offensichtlich abzulehnen, nachdem die Kläger zu 1) und 2) bereits in ihrem Widerspruchsschreiben vom September 2007 ausgeführt hatten, dass bei einem Umzug in die inzwischen bewohnte Wohnung keine Umzugskosten anfallen und sie Kautionszahlungen nicht beanspruchen würden, und Maklergebühren – soweit ersichtlich – nicht entstanden sind.

Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen ist, dass die angemietete Wohnung nicht angemessen und ein Umzug nicht erforderlich war, bedarf vor diesem Hintergrund im hieisgen Verfahren keiner Erläuterung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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