L 15 SO 34/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 SO 48/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 34/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. M N beigeordnet. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. Februar 2009 geändert. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. M N beigeordnet. Der Antragsgegner zu 1) wird verpflichtet, für die Zeit vom 15. Januar 2009 bis zum 15. Mai 2009 Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß der zwischen ihm und dem Verein zum Schutz vor psychischer Gewalt e.V. geschlossenen Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch vom 21. November 2008 als vorläufige Leistung zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners für beide Rechtszüge zur Hälfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, die nicht zu erstatten sind.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist 1968 geboren worden. Bis zum 13. November 2008 wohnte er im Haus seiner Eltern in der Gemeinde D im Landkreis O und war als Taxifahrer tätig. Für ihn war durch Beschluss des Amtsgerichts K (A) vom 27. Oktober 2008 (Geschäftsnummer ) bis längstens 27. Oktober 2011 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Sorge für die Gesundheit, Wohnungsangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträger angeordnet und ein Betreuer bestellt worden. Gegen die Anordnung der Betreuung hatte der Antragsteller nach seinen Angaben Rechtsmittel eingelegt. Nachdem die Betreuungssache mittlerweile zuständigkeitshalber an das Amtsgericht B-W abgegeben worden ist, ist von diesem Gericht mit Beschluss vom 4. März 2009 (Geschäftszeichen ) eine neue Betreuerin bestellt und der Aufgabenkreis der Betreuung auf die Gesundheitssorge zur nervenärztlichen Behandlung und die Aufenthaltsbestimmung, soweit im Rahmen der Gesundheitssorger erforderlich, beschränkt worden. Am 9. Dezember 2008 sprach der Antragsteller beim Bezirksamt C-W von B vor. Ausweislich eines Gesprächsvermerks erklärte er, mittellos und ohne Unterkunft zu sein. Seit drei Tagen halte er sich in B auf, davor sei er jeweils für kurze Dauer in mehreren europäischen Städten gewesen. Bis jetzt habe er von Ersparnissen gelebt, die nun aufgebraucht seien. Er sei aus seinem Heimatort "geflohen", weil man ihn in eine psychiatrische Klinik habe einweisen wollen. Er habe einen Betreuer. Er sei "Vegetarier" (richtig wohl: Veganer), was seine Eltern sehr verärgere. Der zu dem Beratungsgespräch hinzugezogene Arzt für Neurologie und Psychiatrie H empfahl dem Antragsteller, wie aus einem weiteren Gesprächsvermerk vom 10. Dezember 2008 hervorgeht, sich vom "Weglaufhaus V S" (im folgenden: Weglaufhaus) aufnehmen zu lassen. Der Gesundheitszustand mache eine Einweisung offensichtlich nicht erforderlich. Der Antragsteller müsse jedoch erst einmal "wo ankommen", um von dort aus mit entsprechender Hilfe seine Angelegenheiten klären zu können. Die Sachbearbeiterin des Bezirksamts führte weiter aus, dass sie keine Bedenken gehabt hätte, den Antragsteller – wie von ihm erbeten – in einem Wohnheim unterzubringen. Zurückgehalten habe sie seine Aussage, dass er einen Betreuer habe. Aktuell werde kein Handlungsbedarf gesehen. Der Antragsteller begab sich am 9. Dezember 2008 in das "Weglaufhaus". Am 10. Dezember 2008 beantragte er zunächst gegenüber dem Antragsgegner zu 1), am 11. Dezember 2008 auch gegenüber dem Antragsgegner zu 2) die Übernahme der Kosten für Unterkunft und persönliche Hilfe als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Zur Begründung des Antrags hat er über das Weglaufhaus unter anderem vortragen lassen, dass seine Eltern ihm den Betreuer aufgezwungen hätten. Nachdem dieser in vor die Wahl gestellt habe, entweder erneut Psychopharmaka einzunehmen oder in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen zu werden, sei er "geflohen". Er habe während seiner Reise bzw. Flucht immer wieder versucht, Arbeit zu finden, was jedoch nicht gelungen sei. Durch Bescheid vom 16. Dezember 2008, den er an den damaligen Betreuer des Antragstellers sandte, lehnte der Antragsgegner zu 1) den Antrag ab. Er sei für die begehrte stationäre Leistung nicht zuständig. Gegen den Bescheid, der ihm über das Weglaufhaus zur Kenntnis gegeben worden war, legte der Antragsteller selbst Widerspruch ein. Er sehe seinen neuen Lebensmittelpunkt definitiv in B. Durch Unterstützung des Weglaufhauses wolle er möglichst bald eine eigene Wohnung oder ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft und eine Arbeitsstelle finden. Der Antragsgegner zu 2) gab den bei ihm gestellten Leistungsantrag mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 an den Antragsgegner zu 1) zur weiteren Bearbeitung ab. Der Antragsteller habe sich gezielt nach B begeben. Er beabsichtige nicht, an seinen bisherigen Wohnsitz zurückzukehren und habe einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in B begründet. Selbst wenn der Antragsgegner zu 1) daran zweifle, werde er um vorrangige Entscheidung im Rahmen der Zuständigkeit als Vor-Ort-Träger ersucht. Am 15. Januar 2009 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin, den Antragsgegner zu 1), hilfsweise den Antragsgegner zu 2) zu verpflichten, wenigstens ab dem 15. Januar 2009 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten durch Übernahme der für die Unterbringung und Betreuung des Antragstellers entstandenen Kosten im Weglaufhaus "V S" zu gewähren und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Verfahren zu gewähren. Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs hat der Antragsteller im Wesentlichen den Vortrag aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt. Er sei von akuter Obdachlosigkeit bedroht, da wegen der ungeklärten Kostenübernahme die Kündigung seitens des Weglaufhauses drohe. Zum Beleg des Letzteren hat er mit Schriftsatz vom 26. Januar 2009 ein Schreiben des Weglaufhauses vom 20. Januar 2009 eingereicht, in dem er aufgefordert wird, die Einrichtung bis spätestens 2. Februar 2009 zu verlassen, wenn nicht bis zum 31. Januar 2009 eine Kostenübernahme vorliege. Der Antragsgegner zu 1) hat dem Antrag entgegengehalten, dass der Betreuer der Aufnahme in die Einrichtung und dem Antrag auf Sozialhilfe nicht zugestimmt habe. Er habe weder gegen den ihm zugesandten Bescheid Widerspruch eingelegt noch der Beauftragung der den Antragsteller vertretenden Anwälte zugestimmt. Der Leistungsantrag habe davon abgesehen abgelehnt werden müssen, weil ein gewöhnlicher Aufenthalt in Berlin nicht begründet worden sei. Auch eine vorläufige Kostenübernahme als Vor-Ort-Träger komme nicht in Betracht, weil feststehe, dass der Antragsteller in Berlin keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe und kein Eilfall vorliege. Nur die Einrichtung selbst habe die dringende Aufnahme in das Weglaufhaus befürwortet. Wenn eine stationäre Unterbringung dringend notwendig sei, müsse sich der Antragsteller an seinen Betreuer wenden. Wenn es nur um die Beseitigung von Obdachlosigkeit gehe, könne er durch die soziale Wohnhilfe des Antragstellers zu 1) untergebracht werden, wenn der Betreuer zugestimmt habe. Er hat eine Stellungnahme des Arztes H vom 28. Januar 2009 eingereicht, in der eine Unterbringung im Weglaufhaus als aus ärztlicher Sicht nicht notwendig bezeichnet wird. Eine psychiatrische Behandlung erscheine indiziert. Andere Maßnahmen, die über die Bereitstellung von Unterkunft und Lebensunterhalt hinausgingen, seien nicht notwendig. Der Antragsteller zu 2) hat weiterhin die Auffassung vertreten, mangels Zuständigkeit jedenfalls vorläufig nicht leistungspflichtig zu sein. Das Sozialgericht hat vom damaligen Betreuer des Antragstellers das im Auftrag des Amtsgerichts K – Vormundschaftsgericht – erstattete Gutachten der Dr. K (Bezirkskrankenhaus K) vom 26. Januar 2009 beigezogen (Untersuchung am 9. Oktober 2008; Diagnose: paranoide Psychose, differenzialdiagnostisch schizoaffektive Störung mit derzeit hypomanem Zustandsbild; derzeit keine Krankheits- und Behandlungseinsicht). Durch Beschluss vom 2. Februar 2009 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Es fehle bereits an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er in besonderen Verhältnissen lebe, die mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, und er zu deren Überwindung aus eigener Kraft nicht fähig sei. Aus den Berichten des Weglaufhauses vom Dezember 2008 ergebe sich, dass sich der Antragsteller der für ihn belastenden Situation an seinem früheren Wohnort entzogen habe und nunmehr ein neues Leben in Berlin aufbauen wolle. Es könne ihnen jedoch nicht entnommen werden, warum ihm dies nicht unter Zuhilfenahme des üblichen Sozialleistungssystems selbständig möglich sei. Die weiteren Ermittlungen der Kammer hätten ebenfalls nicht ergeben, dass die Betreuung des Antragstellers im Weglaufhaus erforderlich sei. Soweit der Antragsteller von Obdachlosigkeit bedroht sei, könne sein Bedarf anderweitig gedeckt werden. Der Antragsgegner habe insoweit bereits seine Leistungsbereitschaft erklärt. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Anliegen weiter. Aus dem im Betreuungsverfahren erstatteten Gutachten ergebe sich eine erhebliche Beeinträchtigung, die eine Betreuung notwendig mache. Die Mutter des Antragstellers habe der Gutachterin berichtet, dass das Zusammenleben mit ihm sehr schwierig und ein besonnenes Gespräch nicht möglich sei. Auch außerhalb der Familie ecke der Antragsteller immer wieder an. Die Gutachterin komme zu dem Schluss, dass sich deutliche diagnostische Kriterien einer paranoiden Schizophrenie mit ausgeprägten Störungen des inhaltlichen formalen Denkens, des Antriebs und der Psychomotorik gezeigt hätten. Der Antragsteller zeige ein deutliches Unvermögen, sich selbst um eine Wohnform außerhalb der Familie zu bemühen. Er sei im besonderen auch mit der Suche nach einer für ihn geeigneten Therapie sowie der Regelung seiner Wohn- und Arbeitsverhältnisse überfordert. Durch seine Verhaltensauffälligkeiten sei er nicht in der Lage, sich in das berufliche und soziale Leben zu integrieren. Das bloße Vermitteln einer Unterkunft reiche angesichts dessen nicht aus, um den Hilfebedarf des Antragstellers zu decken. Die Antragsgegner halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend und wiederholen im übrigen ihre bisherige Rechtsauffassung. Auf Anfrage des Senats hat das Weglaufhaus am 25. März 2009 mitgeteilt, dass sich der Antragsteller weiterhin dort aufhält. Ferner hat es die leistungstypspezifischen Regelungen gemäß Ziffer 2.3.2 des Berliner Rahmenvertrages nach § 79 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII; stationäre Kriseneinrichtungen für den Personenkreis nach § 67 SGB XII) und die zwischen dem Trägerverein und dem Land Berlin geschlossene Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung mit Gültigkeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2009 übersandt.

II.

Die Beschwerde ist in der Sache in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Ist – wie hier – eine begehrte Leistung (noch) nicht zuerkannt worden, setzt die einstweilige Verpflichtung zur Leistung voraus, dass bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch nach materiellem Recht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung [ZPO]; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit feststellbar sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund). Ein Anordnungsanspruch ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang ausreichend wahrscheinlich gemacht. Der Antragsgegner zu 1) ist für die Erbringung der Leistung sachlich (§ 2 des Berliner Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch [SGB XII]) wie örtlich, wenn auch insoweit nur vorläufig (§ 98 Abs. 2 Satz 3 i.V. mit Abs. 1 Satz 1 SGB XII), zuständig. Der Antragsteller hält sich in seinem Bereich tatsächlich auf und es liegt, da die begehrte Leistung einen akuten Hilfebedarf befriedigen muss und also nicht aufschiebbar ist, ein Eilfall vor. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners zu 2) lässt sich dagegen nach Lage der Akten nicht feststellen, dass auch eine endgültige örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners zu 1) gegeben ist. Der Antragsteller hatte im Zeitpunkt der Aufnahme in die stationäre Einrichtung "Weglaufhaus" noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in B begründet. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) besteht der gewöhnliche Aufenthalt dort, wo sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (zur Auslegung des Begriffs zusammenfassend Bundessozialgericht, Urteil vom 4. November 1998 – B 13 RJ 9/98 R). Dass der Antragsteller den Entschluss gefasst hatte, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin zu begründen, lässt sich erst feststellen, nachdem er bereits im Weglaufhaus aufgenommen worden war. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er bereits mit einer entsprechenden Absicht nach Berlin gereist war. Vielmehr ist die Zeit nach der "Flucht" aus seinem bisherigen Wohnort am 15. November 2008 – unterstellt, dass seine Darstellung zutrifft – zunächst gerade durch Ziellosigkeit gekennzeichnet. Der Antragsteller hat in kurzer Folge diverse Städte im europäischen Ausland aufgesucht, bevor er nach Deutschland zurückgekehrt ist und sich hier zunächst kurz in München aufgehalten hat. Allenfalls kann seinem Verhalten entnommen werden, dass er – wie er auch selbst sagt – jedenfalls nicht an seinen früheren Wohnort oder in dessen nähere Umgebung zurückkehren, also seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort aufgeben wollte. Einem Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner zu 1) steht dessen Bescheid vom 16. Dezember 2008 nicht entgegen. Es kann dabei offen bleiben, ob Leistungen überhaupt unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit hätten abgelehnt werden dürfen oder ob nicht – wie der Antragsgegner zu 2) es seinerseits getan hat – der Antrag gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I an den (mutmaßlich) zuständigen Leistungsträger hätte weitergeleitet werden müssen. Jedenfalls konnte der Bescheid gegenüber dem Antragsteller keine Bindungswirkung entfalten: Dieser hatte selbst einen Leistungsantrag gestellt. Daran war er rechtlich nicht gehindert, denn die vom Amtsgericht Kempten angeordnete Betreuung sah keinen Einwilligungsvorbehalt des Betreuers vor (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch und § 1903 Bürgerliches Gesetzbuch). Der bestellte Betreuer konnte somit allenfalls in das Verfahren einzubeziehen und gegebenenfalls berechtigt sein, selbst Rechtshandlungen vorzunehmen oder die Übersendung eines Bescheides an sich zu verlangen. Beides ist nicht geschehen. Er ist dagegen kein Verfahrensbeteiligter geworden. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Antragsteller zum Kreis der Leistungsberechtigten für die begehrten Hilfen nach §§ 67, 68 SGB XII gehört. Dies sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, zu deren Überwindung sie aus eigener Kraft nicht fähig sind. Die auf Grund von § 69 SGB XII geltende Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (VO-HBS) konkretisiert § 67 Satz 1 SGB XII dahingehend, dass Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten leben, wenn besondere Lebensverhältnisse derart mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, dass die Überwindung der besonderen Lebensverhältnisse auch die Überwindung der sozialen Schwierigkeiten erfordert (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VO-HBS). Besondere Lebensverhältnisse bestehen bei fehlender oder nicht ausreichender Wohnung, bei ungesicherter wirtschaftlicher Lebensgrundlage, bei gewaltgeprägten Lebensumständen, bei Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung oder bei vergleichbaren nachteiligen Umständen; sie können ihre Ursachen in äußeren Umständen oder in der Person der Hilfesuchenden haben (§ 1 Abs. 2 VO-HBS). Soziale Schwierigkeiten liegen vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung, mit der Erlangung oder Sicherung eines Arbeitsplatzes, mit familiären oder anderen sozialen Beziehungen oder mit Straffälligkeit (§ 1 Abs. 3 VO-HBS). Der Antragsteller erfüllt die Anforderungen des § 1 der Verordnung. Er verfügt über keinen ausreichenden Wohnraum und seine wirtschaftliche Lebensgrundlage ist derzeit nicht gesichert, nachdem er sein Vermögen verbraucht hat und seinen Lebensunterhalt ausschließlich durch bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen bestreitet. Soziale Schwierigkeiten sind ebenfalls objektivierbar. Wird seine sogenannte "Flucht" im besonderen unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des Gutachtens der Dr. K gewürdigt, so ist hoch wahrscheinlich, dass der Antragsteller sein Leben nicht ohne Weiteres verantwortungsbewusst eigenständig führen kann. Dies scheitert nicht an seinen intellektuellen Möglichkeiten, da er offenkundig in der Lage war, mehrjährig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder etwa weite Reisen kurzfristig zu organisieren. Deutlich herabgesetzt erscheint jedoch seine Fähigkeit, eine Krisensituation sozialadäquat zu beherrschen, im besonderen die Auswirkungen eigenen Verhaltens zu überdenken. Das offenbart sich an seiner Reaktion darauf, dass er sich von dem durch das Amtsgericht K eingesetzten Betreuer zu einer Entscheidung zwischen der von ihm abgelehnten medikamentösen Behandlung seines – kaum zu bestreitenden – Krankheitsbildes und einer Zwangseinweisung zur stationären Behandlung veranlasst sah. Die Ursache für diese Situation führt er auf die langjährige Verständnislosigkeit seiner Eltern für seine Lebensweise zurück, die zudem die von ihm als Bedrohung empfundene (erneute) Betreuung in die Wege geleitet hatten. Ungeachtet dessen bewohnte er im Haus der Eltern eine Einliegerwohnung, obwohl nach einer vorangegangenen stationären Behandlung bereits eine anderweitige Wohnmöglichkeit organisiert worden war. Dies indiziert, dass er nicht ohne Weiteres in der Lage ist, sich aus einer konfliktträchtigen Umgehung zu lösen und sein Leben eigenverantwortlich und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Verantwortlichkeit für eine Situation nicht zwangsläufig bei Dritten zu suchen ist, zu organisieren. Für Ansprüche aus §§ 67, 68 SGB XII hat – anders als das Sozialgericht meint – keine Bedeutung, ob dem Antragsteller möglicherweise auch Hilfen nach anderen Kapiteln des SGB XII zustehen könnten. Diese schließen gemäß § 67 Satz 2 SGB XII solche nach dem Achten Kapitel nur dann aus, wenn sie tatsächlich gewährt werden. Der Sinn des § 67 Satz 2 SGB XII besteht zudem – wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 bis 4 VO-HBS deutlich ergibt – darin, Personen, die sich in besonderen sozialen Schwierigkeiten befinden, gerade dann zunächst einmal eine unterstützende Hilfe "aus einer Hand" zukommen zu lassen, wenn auch Leistungen anderer Träger nach dem SGB XII oder anderen Büchern des Sozialgesetzbuchs geeignet sein können, die besonderen sozialen Schwierigkeiten zu überwinden. Zuständigkeitsfragen sollen im Interesse einer schnellen und effektiven Hilfe für den Bedürftigen zurücktreten und in das Erstattungsverfahren verlagert werden (§§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, die § 2 Abs. 1 Satz 4 letzter Teilsatz VO-HBS ausdrücklich auf das Verhältnis verschiedener Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII für anwendbar erklärt; ausführlich zur Wirkung des § 67 Satz 2 Roscher in LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 67 Rz. 27 ff.). Von daher war auch die von dem Arzt H am 9. Dezember 2008 ausgesprochene Empfehlung an den Antragsteller, sich an das "Weglaufhaus" zu wenden, zutreffend, auch wenn sich "im Ergebnis" die damalige Einschätzung der Sachbearbeiterin (und die spätere des Arztes H) bewahrheiten mag, dass eine Betreuung in einer stationären Einrichtung nicht erforderlich ist. Die vom Antragsteller begehrten Hilfen sind, wie sich aus den vorliegenden Rahmen- und Leistungsvereinbarungen ergibt, geeignet, seinen gegenwärtig bestehenden Hilfebedarf zu beseitigen. Sie sind, jedenfalls derzeit noch, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erforderlich. Andere gleich geeignete Hilfen, die im Rahmen der §§ 67, 68 SGB XII in Betracht kommen, sind gegenwärtig jedenfalls deshalb nicht ersichtlich, weil der endgültige Umfang der notwendigen Hilfen gerade noch nicht abschließend geklärt ist. In der Zwischenzeit ist es im besonderen nicht zu rechtfertigen, den Antragsteller abstrakt auf mögliche andere Sozialleistungen zu verweisen. Vielmehr muss der Hilfebedarf des Antragstellers unter seiner Beteiligung – eventuell auch unter Einbeziehung der jetzigen Betreuerin – geklärt werden. Sollte sich ein weiterer Aufenthalt im Weglaufhaus nicht als erforderlich erweisen, könnten aber andere Leistungen der Sozialhilfe oder anderer Träger von Sozialleistungen erforderlich sein, um Hilfebedarfe des Antragstellers zu decken, müssten diese Hilfen so koordiniert und vorbereitet werden, dass der Antragsteller nicht in ein "Leistungloch" fällt (s. auch §§ 14 bis 17 SGB I). Dem entsprechend ist der Ermessensspielraum des Antragsgegner zu 1), der ihm bei der Auswahl der Leistungen zur Verfügung steht, gegenwärtig "auf Null" reduziert. Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die zugesprochenen Leistungen sofort erforderlich waren und noch sind, um die Notlage des Antragstellers zu beseitigen. Einem Anordnungsgrund steht nicht etwa entgegen, dass das Weglaufhaus den Aufenthalt des Antragstellers entgegen der Ankündigung von Ende Januar 2009 nicht beendet hat. Es kann nicht angenommen werden, dass ein Leistungserbringer das Risiko, angefallene Kosten nicht ersetzt zu bekommen, unbegrenzt lang tragen wird. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass sich der Antragsteller dem Risiko aussetzen will, möglicherweise vom Leistungserbringer in Anspruch genommen zu werden, wenn die entstandenen Aufwendungen nicht von einem Träger von Sozialleistungen übernommen werden. Die Verpflichtung des Antragsgegners zu 1) ist jedoch auf die Zeit ab dem Eingang des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht am 15. Januar 2009 bis zum 15. Mai 2009 zu beschränken. Für eine Verpflichtung des Antragsgegners in der Zeit vor dem 15. Januar 2009 ist ein Grund nicht ersichtlich. Im übrigen besteht kein Anlass, dem Antragsteller unter vollständiger Vorwegnahme der Hauptsache die gewünschte Leistung ohne zeitliche Beschränkung oder auch nur für einen längeren Zeitraum zu gewähren. Vielmehr ist zur Gewährung effektiven Eilrechtsschutzes eine Verpflichtung für einen Zeitraum ausreichend, in dem der Antragsgegner zu 1) die Wirkung der bisher vom Weglaufhaus erbrachten Hilfen ermitteln und den weiteren Bedarf des Antragstellers – möglicherweise auch durch Sozialleistungen außerhalb der Sozialhilfe – sowie die endgültige Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen der Sozialhilfe klären kann. Angesichts dessen lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowohl in erster Instanz als auch im Beschwerdeverfahren vor. Der Antragsteller kann die Kosten der Rechtsverfolgung nicht selbst aufbringen, Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und Rechtsmittel boten hinreichende Aussicht auf Erfolg und schließlich war die Vertretung durch einen Rechtsanwalt wegen der Bedeutung der Sache und der nicht einfachen Sach- und Rechtslage notwendig (§ 73a SGG i.V. mit §§ 114, 115, 121 Abs. 2 ZPO). Der Beschluss des Sozialgerichts war somit auch insoweit zu ändern und dem für das Beschwerdeverfahren gestellten Antrag zu entsprechen. Klarstellend wird aber darauf hingewiesen, dass für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe erster Instanz selbst keine Prozesskostenhilfe geleistet wird, weil insoweit keine erstattungsfähigen Kosten anfallen (§ 127 Abs. 4 SGG). Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht hinsichtlich der Beschwerde gegen die Ablehung von Prozesskostenhilfe erster Instanz auf § 127 Abs. 4 ZPO, im übrigen auf § 193 SGG. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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