L 3 U 527/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 565/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 527/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Berlin vom 13. Juni 2008 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 25 U 962/07 beim Sozialgericht Berlin geführte Rechtsstreit nicht durch Erklärung des Klägers vom 17. März 2008 erledigt ist. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von - weiteren – Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der Kläger war nach Ablegung des Abiturs in der DDR seit dem 18. Lebensjahr als Berufsfußballer bei verschiedenen Vereinen, zuletzt beim Fußballclub A e. V., tätig. Hierbei erlitt er diverse Verletzungen und Unfälle, so u. a. bei einem Spiel am 01. Mai 2002 eine Bandruptur am rechten oberen Sprunggelenk (OSG), die operativ behandelt wurde. Als Folgen dieses Unfalls erkannte die Beklagte an: Erhebliche Bewegungseinschränkung und Schwellneigung im Bereich des rechten OSG nach operativ versorgter fibularer Bandruptur am rechten OSG sowie Gefühlsstörungen über der Narbe am Innenknöchel. Sie gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 02. Juli 2003 einem ersten Rentengutachten des Dr. P vom 10. Juni 2003 folgend zunächst Verletztenrente ab dem 14. Mai 2003 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 15 v. H. und nach Einholung eines zweiten Rentengutachtens von Dr. G vom 19. November 2004 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. mit Wirkung ab dem 01. Dezember 2004 (Bescheid vom 15. Dezember 2004).

Zudem gewährte die Beklagte dem Kläger, der auf Grund diverser Unfälle und Verletzungen nicht mehr als Fußballprofi tätig sein konnte, antragsgemäß Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. So schloss sie nach Durchführung einer psychologischen Eignungsuntersuchung des Klägers in den beruflichen Fortbildungszentren der B Wirtschaft (BFZ) mit diesem am 08. Oktober 2004 einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 53, 55 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)), in dem sie sich zur Förderung der Ausbildung des Klägers zum Sport- und Fitnesskaufmann ab dem 01. Oktober 2004 an der Berufsfachschule in G verpflichtete. Die Maßnahme war auf 24 Monate begrenzt und sollte mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses bzw. dem letzten Prüfungstag der IHK im Sommer 2006 enden. Die Ausbildung schloss ein spätestens am 01. November 2004 aufzunehmendes Praktikum ein, welches zunächst beim 1. FC U vorgesehen war, dann aber beim FC A e. V. durchgeführt wurde.

Auf Grund eines am 19. Oktober 2006 erlittenen weiteren Arbeitsunfalls, bei dem er sich eine Außenbandruptur des linken OSG zuzog, konnte der Kläger nicht an der Abschlussprüfung teilnehmen, so dass die Beklagte antragsgemäß die Förderung bis zum 05. Juli 2007 (Datum der voraussichtlich letzten Prüfung) verlängerte. Den schriftlichen Teil der Prüfung zur Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann absolvierte der Kläger im Mai 2007 erfolgreich, an der mündlichen Prüfung nahm der Kläger krankheitsbedingt unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (Durchführung einer Arthroskopie am Kniegelenk) wiederum nicht teil.

Der Kläger, der bereits seit dem 20. Juni 2007 in Berlin bei dem 1. FC U B e. V. sowohl eine Tätigkeit als Co-Trainer ausübte als auch im Rahmen der Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann sein Praktikum fortsetzte, beantragte am 12. Juni 2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Eingliederungshilfe zum Erwerb eines Arbeitsplatzes beim 1. FC U Die Beklagte lehnte eine Verlängerung der Förderung mit Schreiben vom 21. Juni 2007 unter Hinweis auf § 8 des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom 08. Oktober 2004 ebenso ab wie die Gewährung eines Eingliederungszuschusses. Der Kläger rügte dies telefonisch am 17. Juli 2007 und begehrte die Verlängerung der Förderung bis zur Nachholung der mündlichen Prüfung (voraussichtlicher Termin im Januar/Februar 2008). Zwischenzeitlich hatte auch der 1. FC U B e. V. die Gewährung eines Eingliederungszuschusses gemäß § 34 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zum Erwerb eines Arbeitsplatzes für den Kläger nach Abschluss der Ausbildung beantragt. Mit weiterem Schreiben vom 27. Juli 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er seit nunmehr 36 Monaten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (zunächst ab Juli 2004 für eine Berufsfindung, ab November 2004 für eine Umschulung zum Sport- und Fitnesskaufmann) erhalten habe, obgleich vertraglich lediglich eine Umschulungsdauer von 24 Monaten vereinbart worden sei. Da er aber an der vorgesehenen Prüfung 2006/2007 krankheitsbedingt nicht habe teilnehmen können, sei entgegen der Vereinbarung und vertraglichen Verpflichtung die Maßnahme verlängert worden. Für eine erneute Verlängerung bestehe keine Möglichkeit (§§ 7 und 8 des öffentlich-rechtlichen Vertrags). Aus denselben Gründen bestehe auch keine Möglichkeit der Zahlung eines Eingliederungszuschusses. Weiterhin wies die Beklagte darauf hin, dass es sich bei dem Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 des SGB X handele. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 06. August 2007 "Widerspruch" und vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Schreiben vom 27. Juli 2007 entgegen dem Hinweis sehr wohl um einen Verwaltungsakt handele, da mit ihm der Antrag auf Verlängerung der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt worden sei. Mit Schreiben vom 10. August 2007 teilte die Beklagte mit, der Widerspruch sei mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts unzulässig. Eine Anpassung des am 08. Oktober 2004 geschlossenen Vertrags nach § 59 Abs. 1 SGB X habe nicht zu erfolgen, da sich die maßgebenden Verhältnisse nicht geändert, sondern sich durch das erneute Nichtablegen der Prüfung die zum Vertragsinhalt erhobenen Regelungen realisiert hätten. In den §§ 7 und 8 des Vertrags sei geregelt, dass die Leistungspflicht mit der Abschlussprüfung im Sommer 2006 ende und der Kläger auf weitere Leistungen zur Teilhabe verzichte, wenn die Ausbildung scheitern sollte oder eine berufliche Eingliederung nach der Ausbildung nicht möglich sei. Trotz dieser Regelung hinsichtlich der Förderungsdauer habe sie im Februar 2007 in eine Verlängerung bis zum 05. Juli 2007 (Nachholtermin der mündlichen Prüfung) eingewilligt. Einer erneuten Verlängerung könne jedoch nicht zugestimmt werden, der Vertrag könne nicht entsprechend korrigiert werden. Auch sei der Antrag des Klägers auf Eingliederungszuschuss bereits mit Schreiben vom 21. Juni 2007 unter Hinweis auf die Verzichtserklärung im Vertrag abgelehnt worden. Die Gewährung eines Eingliederungszuschusses richte sich nach § 35 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit §§ 33, 34 SGB IX und erfolge im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegenüber dem Versicherten, d. h. dem Leistungsberechtigten. Leistungen zur Teilhabe Behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen am Arbeitsleben könnten auch in Betrieben/Unternehmen erbracht werden. Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des Berechtigten gemäß § 35 SGB VII i. V. m. § 33 SGB IX werde die Leistung nach § 34 SGB IX in Form von Zuschüssen zum Arbeitsentgelt nicht unmittelbar an den Leistungsberechtigten, sondern an den Arbeitsgeber erbracht. Anspruchsberechtigt sei jedoch immer der Versicherte, nicht der Arbeitsgeber. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2007 wies die Beklagte den "Widerspruch" des Klägers gegen das Schreiben vom 27. Juli 2007 als unzulässig unter Wiederholung ihrer Ausführungen in den Schreiben vom 27. Juli und 10. August 2007 zurück.

Gegen den "Verwaltungsakt vom 27. Juli 2007" in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2007 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben, mit der er sein Begehren auf Gewährung von weiteren Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weiter verfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, der 1. FC UB habe ihm unabhängig vom Ergebnis der IHK-Prüfung ein Dauerbeschäftigungsverhältnis angeboten. Dieses Angebot sei unter der Voraussetzung ergangen, dass die Beklagte dem Arbeitgeber einen Eingliederungszuschuss gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX gewähre. Daraufhin hätten sowohl er als auch der Praktikumsbetrieb die Gewährung eines Eingliederungszuschusses beantragt, welche die Beklagte jedoch unter Hinweis auf die §§ 7 und 8 des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom 08. Oktober 2004 mit Schreiben vom 27. Juli 2007 abgelehnt habe. Bei diesem Schreiben handele es sich um einen Verwaltungsakt, da hierin die Gewährung einer Antragsleistung abgelehnt worden sei. Dies habe die Beklagte ja offensichtlich selbst erkannt, da es ansonsten keines Widerspruchsbescheids bedurft hätte. Davon unabhängig sei der in § 8 des Vertrags geregelte Verzicht auf weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bedenklich. Zwar könne gemäß § 46 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auf Ansprüche auf Sozialleistungen verzichtet werden, dieser Verzicht könne jedoch jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Spätestens der Antrag auf Gewährung eines Eingliederungszuschusses habe konkludent sogleich den Widerruf des Verzichts auf Sozialleistungen beinhaltet. Auch seien weder die Voraussetzungen von § 7 noch von § 8 des Vertrags erfüllt. Er habe die schriftliche Prüfung erfolgreich bestanden, ihm habe lediglich die mündliche Prüfung gefehlt. Bereits dadurch habe er den Nachweis erbracht, dass ein erfolgreicher Abschluss der Maßnahme zu erwarten gewesen wäre. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine berufliche Eingliederung nach der Ausbildung nicht möglich sei. Im Gegenteil zeige sich gerade in dem Umstand, dass der Praktikumsbetrieb bereit gewesen sei, ihm ohne Rücksicht auf das Prüfungsergebnis einen Dauerarbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, der Erfolg der bisher durchgeführten Maßnahme. Da er die Ausbildung aus krankheitsbedingten, also nicht von ihm zu vertretenen Umständen noch nicht erfolgreich habe abschließen können, bestehe auch ein Anspruch auf Weiterzahlung von Übergangsgeld.

Nachdem der Kammervorsitzende den Kläger mit Schreiben vom 08. Januar 2008 darauf hin gewiesen hatte, dass nach seiner Auffassung die erhobene Anfechtungsklage nicht statthaft sein dürfte, da die Beklagte einen öffentlich-rechtlichen Vertrag auf der Ebene der Gleichordnung mit dem Kläger geschlossen habe, jedoch die Umstellung auf eine Leistungsklage zulässig sein dürfte, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 14. März 2008, bei Gericht eingegangen am 17. März 2008 (im Folgenden: Erklärung vom 17. März 2008), zu dem Aktenzeichen des Verfahrens – 25 U 962/07 – folgendes mitgeteilt: "hat die Beklagte mit Bescheid vom 29. Februar 2008 über den Widerspruch entschieden, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt wird." Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärt, dass in dieser Streitsache zu dem genannten Termin kein Widerspruchsbescheid oder Verwaltungsakt erlassen worden sei, so dass für sie nicht erkennbar sei, worauf sich die Erklärung beziehe. Mit weiterem Schreiben vom 17. April 2008 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, es sei ihm ein redaktioneller Fehler im Schreiben vom 14. März 2008 an das Gericht aufgefallen. Mit diesem Schreiben habe der weitere vom Kläger geführte Rechtsstreit zum Aktenzeichen S 25 U 132/08 für erledigt erklärt werden sollen. Bedauerlicherweise sei in diesem Schreiben auf das Aktenzeichen S 25 U 962/07 Bezug genommen worden. Eine Erledigungserklärung zu diesem Verfahren sei nicht ergangen und weder gewollt noch angedacht gewesen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), der auch im Prozessrecht gelte, könnten Prozesshandlungen widerrufen werden, wenn dieser ein Festhalten an der Prozesshandlung verbiete. Aus der Erklärung vom 17. März 2008 habe nach den Umständen des Verfahrens zum Aktenzeichen S 25 U 962/07 nicht auf eine Erledigungserklärung geschlossen werden können. Bei der Auslegung von Prozesshandlungen müsse der Wille des Erklärenden ermittelt werden, wobei es auf den erklärten Willen ankomme, man jedoch nicht am Wortlaut haften dürfe. Maßgebend sei der objektive Erklärungswert, der sich danach bestimme, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere nach der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen musste. Hier habe aufgrund der Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2008 nur davon ausgegangen werden können, dass diese Erklärung sich auf das Verfahren zum Aktenzeichen S 25 U 132/08 beziehe, welches ebenfalls bei der 25. Kammer anhängig gewesen sei. Aufgrund der besonderen Umstände des Falls habe ein für das Gericht erkennbarer Irrtum vorgelegen und dieser Irrtum hätte zumindest eine Hinweispflicht des Gerichts begründet. Er beantrage daher, das Verfahren als Leistungsklage fortzuführen.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2008 festgestellt, dass der Rechtsstreit durch die Erklärung vom 17. März 2008 erledigt sei und ausgeführt, dass im sozialgerichtlichen Verfahren bereits die einseitige Erledigungserklärung des Klägers, die jederzeit auch schriftlich gegenüber dem Gericht abgegeben werden könne, zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache führe. Die Erledigung sei eine Prozesshandlung, die das Gericht und die Beteiligten binde, auch wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt worden sei. Eine Prozesshandlung wie die von dem Kläger erklärte Erledigung könne weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums oder Drohung (§§ 119, 123 BGB) angefochten werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könne dann angenommen werden, wenn gleichzeitig mit der Erledigungserklärung deren Widerruf bei Gericht eingehe, was hier nicht der Fall gewesen sei (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Dezember 1995, 6 RKa 18/95; Urteil des Bayerischen LSG vom 16. Dezember 2001, L 15 V 37/01; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz (SGG) Kommentar, § 102 Rn. 7 ff.). Der Rechtsstreit sei hier durch die Erledigungserklärung vom 17. März 2008 erledigt worden, ohne dass ein Widerruf oder eine Anfechtung in Betracht komme. Ein Widerruf wäre nur unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme möglich gewesen (§§ 179, 180 SGG). Ein solcher Fall sei jedoch weder ersichtlich, noch werde er durch den Kläger vorgetragen. Soweit der auch im Prozessrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben es verlange, einen Widerruf unter Umständen ausnahmsweise zuzulassen, wenn bei der Erklärung ein offensichtliches Versehen unterlaufen sei (vgl. hierzu Beschluss des Thüringer OVG vom 24. November 2000, 3 ZKO 530/00; Beschluss des Hessischen VG vom 06. November 1985, 10 TE 474/85), gebiete dies vorliegend keine abweichende Beurteilung des Sachverhalts. Es fehle jedenfalls eine Sachlage, die die Annahme eines offensichtlichen Versehens rechtfertige. Auch wenn sich möglicherweise die Erledigungserklärung nicht auf das vorliegende Verfahren beziehen sollte, sondern auf das gleichfalls beim Sozialgericht Berlin anhängige Verfahren S 25 U 132/08, wofür die Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2008 sprechen könnte, sei es jedoch ebenso denkbar, dass die Bescheidung eines Antrags des Klägers in anderer Sache auch sein Interesse an einer Aufrechterhaltung des Antrags auf Gewährung eines Einglie-derungszuschusses im hiesigen Verfahren habe entfallen lassen. Das Gericht brauche Beweggründen für eine Erledigungserklärung nicht nachzugehen. Dass die Erledigungserklärung entgegen der eindeutigen Bezeichnung des Verfahrens in dem Schreiben vom 14. März 2008 ein anderes Verfahren betreffen sollte, habe sich dem Gericht hier nicht aufdrängen müssen.

Gegen den ihm am 23. Juni 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er an seinem Begehren festhält, das Verfahren fortzuführen und ihm weitere Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Eingliederungszuschusses, hilfsweise die Verlängerung der Förderung der beruflichen Ausbildung zu gewähren. Ergänzend trägt er vor, es habe sich dem Gericht aufdrängen müssen, dass es sich um eine irrtümlich zu diesem Verfahren abgegebene Erklärung gehandelt habe, wie sich bereits aus dem genannten Bezugsbescheid der Beklagten vom 29. Februar 2008 und aus dem vom Gericht mit Schreiben vom 10. April 2008 übersandten Schriftsatz der Beklagten vom 31. März 2008 ergebe. Bei Zweifeln an der Eindeutigkeit einer Erklärung hätte das Gericht den Willen des Erklärenden ermitteln müssen, wobei alle Umstände zu beachten seien. Die Argumentation des Gerichts, dass die Bescheidung durch die Beklagte das Interesse an der Aufrechterhaltung des Antrags auf einen Eingliederungszuschuss im hiesigen Verfahren hätte entfallen lassen können, könne nicht durchgreifen. Das Verfahren zum Aktenzeichen S 25 U 132/08 betreffe die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). In dem Verfahren zum Aktenzeichen S 25 U 962/07 gehe es um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aufgrund des Unfalls vom 01. Mai 2002. Es sei unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt ein Interesse seinerseits dahingehend erkennbar, dass die ablehnende Bescheidung im BK-Verfahren sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Antrags auf Eingliederungszuschuss habe entfallen lassen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2008 aufzuheben und festzustellen, dass sich der ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 25 U 962/07 anhängige Rechtsstreit nicht durch die Erklärung vom 17. März 2008 erledigt hat, sowie den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurück zu verweisen.

Die Beklagte schließt sich dem Antrag des Klägers an.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten (drei Bände - ) vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2008 war aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 159 Abs. 1 SGG zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurück zu verweisen, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Fortführung des unter dem Aktenzeichen S 25 U 962/07 anhängig gewordenen Klageverfahrens, weil sich dieses Verfahren nicht durch die am 17. März 2008 beim Sozialgericht Berlin eingegangene Erklärung seines damaligen Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 14. März 2008 erledigt hat.

Vorliegend bedarf es mangels unterschiedlicher Wirkungen keiner weiteren Klärung, ob bereits eine vom Kläger abgegebene Erledigungserklärung entsprechend § 91a Zivilprozessordnung (ZPO) die Hauptsache unmittelbar erledigt oder in dieser Prozesserklärung eine den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigende Rücknahme der Klage gemäß § 102 Satz 2 SGG zu sehen ist (vgl. hierzu im Einzelnen: Hauck, Die Erledigungserklärung im sozialgerichtlichen Verfahren, SGb 2004, S. 407 ff). Denn sowohl die Erledigungserklärung als auch die Klagerücknahme haben in sozialgerichtlichen Verfahren, die nicht von § 197a SGG erfasst werden, anders als etwa im Verwaltungsprozess, bei dem die Klagerücknahme mit der Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verbunden ist (§ 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)), keine eigenständige, insbesondere kostenrechtliche Bedeutung. Über die Kosten entscheidet nämlich auf Antrag das Gericht nach billigem Ermessen (vgl. §§ 102 Satz 3, 193 Abs. 1 Satz 3 SGG), eine generelle Kostentragungspflicht ist weder mit der einseitigen Erledigungserklärung noch mit der Klagerücknahme verbunden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 102 RNr. 3, m. w. N.).

Bei der einseitigen Erledigungserklärung handelt es sich - wie bei der Klagerücknahme - zwar um eine einseitige Prozesshandlung, die nicht nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts angefochten und nur ausnahmsweise widerrufen werden kann, wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 179, 180 SGG erfüllt sind (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 102 RNr. 7c, § 125 RNr. 10, m. w. N.; Pawlak in Hennig, SGG, Stand Februar 2009, RNr. 5, 13 f). Dies ist vorliegend jedoch nicht entscheidend, da es bereits an einer wirksamen, auf die Beendigung des zum Aktenzeichen S 25 U 962/07 geführten Verfahrens gerichteten, dem Kläger zurechenbaren Erklärung seines damaligen Prozessbevollmächtigten fehlt.

Eine auf die Beendigung des Verfahrens gerichtete Prozesserklärung – sei es als einseitige Erledigungserklärung, sei es als Klagerücknahme - muss eindeutig, klar, unmissverständlich und bedingungslos ausgesprochen werden, um wirksam zu sein (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 102 RNr. 7a ff, Pawlak in Hennig, SGG, Stand Februar 2009, RNr. 5, 9 f, 13 f). Maßgebend ist der objektive Erklärungswert, der sich dadurch bestimmt, wie der Empfänger nach den Umständen die Erklärung verstehen muss, wobei § 133 BGB entsprechend heran zu ziehen ist. Im Zweifelsfall ist darauf abzustellen, was das Erklärte vernünftigerweise bedeuten soll; das Gericht hat das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2006, B 11 AL 23/02 R, zitiert nach juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Vor § 60 RNr. 10 f, 11a ff; jeweils m. w. N.). Der am 17. März 2008 im Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin S 25 U 962/07 eingegangene Schriftsatz des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. März 2008 bedarf der Auslegung, da sein Inhalt schon beim ersten Blick Zweifel an den Bezugspunkt der Erledigungserklärung aufkommen lässt und es damit an einer für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung erforderlichen Eindeutigkeit mangelt. Auch die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 31. März 2008 sofort darauf hingewiesen, dass für sie nicht erkennbar ist, worauf sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz vom 14. März 2008 eigentlich bezieht. Zwar werden vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Betreff des Schreibens das Aktenzeichen S 25 U 962/07 wie auch die Beteiligten dieses Rechtsstreits aufgeführt. Gleichwohl bezieht sich die nachfolgend abgegebene Erledigungserklärung ausdrücklich auf einen nach Erhebung der Klage von der Beklagten erlassenen Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2008. Gegenstand des Verfahrens S 25 U 962/07 war jedoch die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers gegen den "Verwaltungsakt vom 27. Juli 2007" in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2007. Dieser Umstand spricht schon dagegen, dass mit dem Schriftsatz vom 14. März 2008 eine Beendigung des zum Aktenzeichen S 25 U 962/07 geführten Rechtsstreits bewirkt werden sollte. Es liegt vielmehr nahe, dass ein anderes Verfahren von dem Prozessbevollmächtigten gemeint worden war. Diese Annahme wird zur Gewissheit, wenn man berücksichtigt, dass Gegenstand eines weiteren, bei der selben Kammer des Sozialgerichts Berlin anhängigen Verfahrens zum Aktenzeichen S 25 U 132/08 mit den selben Beteiligten eine Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) im Rahmen eines BK-Feststellungsverfahrens war. Daher konnte ein verständiger Empfänger nach den konkreten Umständen des streitigen Sachverhalts die in dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 14. März 2008 enthaltene Erledigungserklärung allenfalls auf die Beendigung des Untätigkeitsklageverfahrens beziehen, keinesfalls jedoch auf das zum Aktenzeichen S 25 U 962/07 anhängige Verfahren betreffend eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den "Verwaltungsakt vom 27. Juli 2007" in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2007. Zumindest gab der Wortlaut der Erklärung hinreichend Anlass, das wirklich Gewollte durch Nachfrage bei dem Bevollmächtigten des Klägers zu ermitteln, der – wie dann mit Schriftsatz vom 17. April 2008 geschehen – die Erledigung des Untätigkeitsklageverfahrens bestätigt hätte.

Es war daher unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2008 die Feststellung zu treffen, dass der ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 25 U 962/07 geführte Rechtsstreit nicht durch die Erklärung des Klägers vom 17. März 2008 (im Schriftsatz seines damaligen Bevollmächtigten vom 14. März 2008) erledigt worden ist. Das Verfahren S 25 U 962/07 ist vom Sozialgericht Berlin fortzuführen, denn der Senat macht vorliegend von der Möglichkeit Gebrauch, das Verfahren gemäß § 159 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in vollem Umfang in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Sachlage ist hier gegeben. Des Weiteren ist auch der Tatbestand des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG erfüllt, da die Entscheidung eines Rechtsstreits durch Prozessurteil an Stelle eines möglichen Sachurteils zugleich einen wesentlichen Mangel des Verfahrens darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2006, B 11 AL 23/02 R, m. w. N., zitiert nach juris ). In Ausübung des ihm in § 159 Abs. 1 SGG eingeräumten Ermessens weist der Senat das Verfahren zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen betreffend die vom Kläger ursprünglich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemachten Ansprüche auf weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an das Sozialgericht zurück. Zwar ist auch die Berufungsinstanz im sozialgerichtlichen Verfahren als vollständige zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet. Im Zweifel ist deshalb die Entscheidung des Landessozialgerichts, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (vgl. BSG, Beschlüsse vom 16. Dezember 2003 - B 13 RJ 194/03 B – und vom 14. Februar 2006 - B 9a SB 22/05 B –, zitiert nach juris). Der Senat handhabt die Zurückverweisung deshalb zurückhaltend und führt noch fehlende Ermittlungen in aller Regel selbst durch. In die Ermessensentscheidung ist jedoch auch einzubeziehen, dass die Beteiligten nach dem SGG das Recht auf zwei vollständige Tatsacheninstanzen haben. Hat das Sozialgericht, wie hier, sich mit dem eigentlichen Streitgegenstand überhaupt nicht befasst, keine eigenen Ermittlungen durchgeführt und sich mit dem maßgeblichen Begehren des Klägers in der Sache nicht auseinander gesetzt, würde den Beteiligten faktisch eine volle Instanz genommen, sofern das Berufungsgericht den Sachverhalt seinerseits vollständig aufklären würde. Dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie trägt der Senat hier durch eine zeitige Zurückverweisung des Rechtsstreits Rechnung. Bei seiner erneuten Befassung wird sich das Sozialgericht intensiv mit den einschlägigen verwaltungsverfahrens-, prozess- und materiell-rechtlichen Vorschriften auseinander zu setzen haben. Abgesehen von der Tatsache des Vorliegens eines Widerspruchsbescheids (§§ 78, 85 SGG) wird es bei Prüfung der Zulässigkeit der Anfechtungsklage und damit der Frage, ob in dem die beantragten Leistungen ablehnenden Schreiben der Beklagten vom 27. Juli 2007 ein Verwaltungsakt zu sehen ist, zu berücksichtigen haben, dass über Anträge auf gesetzlich vorgesehene Leistungen der Leistungsträger in der Regel durch Verwaltungsakt zu entscheiden hat (vgl. § 18 SGB X, § 88 Abs. 1 SGG). Hinsichtlich der vom Kläger mit der Leistungsklage verfolgten Begehren wird es zudem auf eine Konkretisierung der aktuell noch begehrten Leistungen (Zahlung von Übergangsgeld, Erstattung der Prüfungsgebühren?) im Zusammenhang mit der Verlängerung der Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann und der dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt (Eingliederungshilfen, Eingliederungszuschuss u. ä. für welches Arbeitsverhältnis?) hinzuwirken haben. Bzgl. der konkret geltend gemachten Ansprüche auf Leistungen nach § 35 SGB VII ist u. a. die Wirksamkeit eines Leistungsverzichts im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom 08. Oktober 2004 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur umfassenden Förderung des Versicherten nach § 26 Abs. 2 SGB VII zu prüfen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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