Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 535/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 56/04 -16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei Morbus-Hodgkin-Erkrankungen oder Atemwegserkrankungen handelt es sich nicht um Erkrankungen, die durch Benzoleinwirkungen verursacht werden können. Für eine Anerkennung als BK Nr. 1303 fehlt es nach wie vor an entpsrechenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung unter Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1303 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol.
Der 1940 geborene Kläger, für den mit Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales – Versorgungsamt – vom 11. November 2003 ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 festgestellt ist, war nach einer Tankwartlehre (1956 bis 1959) zunächst vom 11. Juli 1960 bis zum 19. Januar 1962 bei der E AG in der Plattenbeschichtung (Spritzerei) berufstätig. Im Anschluss war er als selbständiger Taxiunternehmer (1962 bis 1966) und selbständiger Landwirt (1966 bis 1971) tätig, betrieb dann vom 15. Mai 1971 bis zum 31. Dezember 1979 als selbständiger Unternehmer eine Tankstelle und war in dieser Zeit als freiwilliges Mitglied bei der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel (BG Einzelhandel) versichert. Seit dem 01. Januar 1980 war der Kläger Mitinhaber der "M und M GmbH" (GmbH), einer Kfz-Werkstatt mit Neu- und Gebrauchtwagenhandel. Während der Tätigkeiten an der Tankstelle und in der Kfz-Werkstatt war der Kläger einer Benzol-Exposition ausgesetzt. Im März/April 2001 wurde bei dem Kläger bei einem Krankenhausaufenthalt wegen einer Leistenhernie ein Morbus Hodgkin, Stadium III A, mit rechts cervikal und links inguinal befallenen Lymphknoten (bösartige Erkrankung der Lymphknoten) diagnostiziert (Bericht des St. JKrankenhauses vom 11. April 2001). Nachdem es im Verlauf einer Chemotherapie zu massiven Atemnotproblemen gekommen war, wurde der Kläger stationär in die C(C V-Klinikum) aufgenommen, wo im November 2001 eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und eine Lungenfibrose mit obstruktiv und restriktiv eingeschränkter Lungenfunktion diagnostiziert wurde. Die Ursache sei unklar, verdächtigt wurden Auswirkungen der Chemotherapie und eine infektologische Komponente. Die Therapie während des stationären Aufenthalts habe zwar zu einer Besserung der Symptomatik geführt, die Lungenfunktionswerte hätten sich im Verlauf des Aufenthalts jedoch sogar weiter verschlechtert (Entlassungsbrief der C vom 27. November 2001).
Von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (BG Chemie) wurden zunächst auf BK-Anzeige des Klägers, der angab, in den 60er Jahren bei der Fa. E gearbeitet zu haben, Ermittlungen wegen Anerkennung von Atembeschwerden des Klägers als BK nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV (Asbestose) vorgenommen. In dem am 25. Oktober 2001 von ihm ausgefüllten Fragebogen gab der Kläger an, täglich ca. 18 Zigaretten zu rauchen, demgegenüber hatte er bei einer arbeitsmedizinischen Kontrolluntersuchung in 1999 von ca. 40 Zigaretten täglich gesprochen. Die Beklagte, die ihre Zuständigkeit im Hinblick auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Mitgesellschafter der GmbH bejaht hatte, lehnte nach Einholung mehrerer Stellungnahmen der Technischen Aufsichtsdienste (TAD) der Einzelhandel BG und der BG Chemie und ihres eigenen TAD sowie einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S vom 14. Februar 2002 und einer Stellungnahme der Landesgewerbeärztin S mit Bescheid vom 08. August 2002 die Anerkennung der Atembeschwerden des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV (Asbestose) ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2003 als unbegründet zurück. Wesentliche asbestinduzierte fibrotische Umbauvorgänge des Lungenparenchyms seien beim Kläger nicht festzustellen. Die vereinzelten Umbauvorgänge im Bereich beider Lungenoberlappen könnten wegen konkurrierender Faktoren, insbesondere des Morbus Hodgkin und des jahrelangen Nikotinabusus, die Feststellung einer Lungenasbestose nicht begründen. Bei dieser Beurteilung seien auch mögliche Wechselwirkungen mit der Benzol-Exposition beim Kläger berücksichtigt worden.
Im Hinblick auf eine BK nach Nr. 1303 veranlasste die Beklagte des Weiteren Ermittlungen zur beruflichen Benzolbelastung des Klägers. Herr Dr. B von der BG Chemie teilte hierzu telefonisch mit, dass für die Anerkennung einer BK infolge von Benzoleinwirkung eine Dosis von insgesamt 40 bis 60 ppm-Jahren als erforderlich angesehen werde. In einer Stellungnahme vom 10. September 2002 des Präventionsbezirks (früher: TAD) wurde die Benzol-Belastungsdosis, der der Kläger während der 22jährigen Tätigkeit in der GmbH ausgesetzt gewesen sei, auf insgesamt 13,483 ppm-Jahre und die Dosis im Rahmen seiner vorhergehenden Tätigkeiten auf insgesamt 6,8 ppm-Jahre geschätzt. Nach Durchführung von weiteren Ermittlungen, insbesondere einer Befragung des Klägers, ergaben sich jedoch wesentlich höhere Werte. So errechnete der Präventionsbezirk der Beklagten nunmehr eine Benzol-Exposition von 25,907 ppm-Jahren für die Zeit von 1971 bis 1979 und von 22,151 ppm-Jahren für die Zeit von 1980 bis 2001. Insgesamt liege die Exposition knapp über 50 ppm-Jahren (Stellungnahme vom 11. Oktober 2002). Diese Einschätzung korrigierte der Präventionsbezirk der Beklagten, nachdem ehemalige Mitarbeiter zur Tätigkeit des Klägers schriftlich befragt worden waren, in der Stellungnahme vom 31. März 2003. Darin führte Dipl. Ing. aus, die eingeholten Auskünfte bestätigten das normale Tätigkeitsfeld eines Kfz-Schlossers, welches der ersten Bewertung vom 10. September 2002 zugrunde gelegt worden sei. Die späteren Darstellungen des Klägers, bei denen er die Tätigkeit des Teilewaschens mit Otto-Kraftstoff zeitlich in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit gestellt habe, würden durch die Zeugenaussagen nicht bestätigt, die nicht lediglich Zuarbeiten und Helfertätigkeiten mit überwiegenden Reinigungsarbeiten beschrieben hätten, sondern allgemeine Kfz-Instandsetzungsarbeiten. Die Bewertung vom 11. Oktober 2002 sei daher gegenstandslos. Der Kläger sei nicht gefährdend im Sinne der BK Nr. 1303 tätig gewesen. Der TAD der für den Zeitraum 1971 bis 1979 zuständigen BG Einzelhandel, der in seiner Stellungnahme vom 05. Februar 2003 im Grundsatz der arbeitstechnischen Bewertung vom 10. September 2002 gefolgt, allerdings von einer etwas höheren Belastungsdosis von 6,8 ppm-Jahren ausgegangen war, führte aus, die spätere Erhöhung auf 26 ppm-Jahre könne nicht bestätigt werden, sie widerspreche dem Kenntnisstand vom Berufsbild des Klägers und stehe auch nicht im Einklang mit den bekannten Benzolexpositionsdaten für Tankwarte und Kfz-Monteure. Nachdem der arbeitsmedizinische Dienst der Beklagten ausgeführt hatte, für die Morbus-Hodgkin-Erkrankung des Klägers könne – anders als es bei den Non-Hodgkin-Lymphomen der Fall sei - eine kausale Beziehung zu der Benzoleinwirkung nach dem derzeitigen Stand der arbeitsmedizinischen Literatur nicht hergestellt werden (Stellungnahme des Dr. J vom 22. Mai 2003), lehnte die Beklagte es nach Einholung einer Stellungnahme der Landesgewerbeärztin S vom 03. Juli 2003 mit Bescheid vom 24. Juli 2003 ab, dem Kläger wegen der Morbus-Hodgkin-Erkrankung Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, da keine BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV vorliege. Der Kläger sei zwar während seiner verschiedenen beruflichen Tätigkeiten in der Zeit von 1956 bis 1959, 1971 bis 1979 und von 1987 bis 2001 Benzoleinwirkungen ausgesetzt gewesen, jedoch hätten diese insgesamt deutlich unterhalb des Grenzwertes von 50 ppm-Jahren gelegen, es bleibe bei der Berechnung in der Stellungnahme vom 10. September 2002 (Benzol-Dosis von insgesamt 20,283 ppm-Jahren). Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 1303 seien deshalb nicht erfüllt. Außerdem sei generell nicht gesichert, dass eine ursächliche Beziehung von Morbus-Hodgkin-Erkrankungen zu beruflichen Benzol-Expositionen bestehe. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe nie die Anerkennung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung als BK beantragt, sondern seine Atemwegserkrankung, die ihn in hohem Maße einschränke. Auch sei die Zeit seiner Tätigkeit in der Werkstatt der GmbH von 1980 bis 1987 nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09. September 2003 zurück und führte aus, dass auch unter Berücksichtigung der selbständigen Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1980 bis 1987 die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht angenommen werden könnten. Zudem verursache eine chronische und erhebliche Benzoleinwirkung in erster Linie Schädigungen des Knochenmarks sowie des Blutbildes, so dass sich ein Ursachenzusammenhang nicht herstellen lasse. Atemwegserkrankungen gehörten nicht zu den typischen Krankheitsbildern nach einer Benzoleinwirkung.
Hiergegen hat der Kläger bei dem Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, dass der Ursachenzusammenhang zwischen den diversen schädlichen Emissionen, denen er bei der Firma E, als Taxifahrer, Landwirt, Tankwart und in der Kfz-Werkstatt ausgesetzt gewesen sei, und seiner Atemwegserkrankung auf der Hand liege.
Das SG hat durch Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2004 die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, wegen der Benzolbelastungen, denen der Kläger in seinem Berufsleben ausgesetzt gewesen sei, eine BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. Nr. 1303 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm entsprechende Entschädigungsleistungen nach §§ 26 ff SGB VII, § 3 BKV zu gewähren. Die Anerkennung einer BK Nr. 1303 sei bereits deshalb nicht möglich, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nach dem Ergebnis der arbeitstechnischen Ermittlungen der Beklagten kein Ausmaß erreicht hätten, das eine Gefährdung im Sinne der BK Nr. 1303 begründen könnte. Der einschlägige Grenzwert von 40 bis 60 ppm-Jahren (nach Auskunft der BG Chemie) bzw. 50 ppm-Jahren (nach Einschätzung der Präventionsabteilung der Beklagten) werde bei einer anzunehmenden Belastung des Klägers von insgesamt lediglich knapp über 20 ppm-Jahren, die anhand von Befragungen der ehemaligen Mitarbeiter des Klägers ermittelt worden sei, deutlich unterschritten. Deshalb könne auch die konkrete Gefahr der Entstehung einer BK Nr. 1303 im Sinne von § 3 BKV unabhängig von weiteren medizinischen Fragen verneint werden. Weitere BK’en seien nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weil die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 24. Juli 2003 nur über die Anerkennung einer BK Nr. 1303 entschieden habe. Ob sich der Regelungsbereich des angefochtenen Bescheids allein auf die Morbus-Hodgkin-Erkrankung beschränke und eine Atemwegserkrankung gar nicht erfasse, wofür der Tenor des Bescheids vom 24. Juli 2003 spreche, könne dahinstehen, weil bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 1303 nicht erfüllt seien. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass aber auch aus medizinischer Sicht eine Verursachung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung durch die Benzol-Belastung nicht angenommen werden könne. Auch die Atemwegserkrankung könne nach den vorliegenden Arzt- und Klinikberichten in Anbetracht der massiven Rauchgewohnheiten des Klägers und vor allem vor dem Hintergrund ihrer Entstehungsgeschichte im Zusammenhang mit der Chemotherapie im Jahr 2001 nur schwerlich als selbständige, durch berufliche Benzol-Belastungen verursachte Atemwegserkrankung bewertet werden.
Gegen den ihm am 05. August 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die bei dem Landessozialgericht Berlin (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit der dieser an seinem Begehren auf Anerkennung einer BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV und Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung festhält und ergänzend vorträgt, nach der Ergänzung zum Merkblatt Nr. 1303 sei das Erscheinungsbild der Erkrankung durch Benzol-Einwirkungen unspezifisch, wirke sich aber nach III des Merkblattes auf die Lymph-Gefäße und die Schleimhäute aus. Sowohl Karzinombildung als auch Störungen der Lungenfunktion würden durch die Benzol-Einwirkung begünstigt. Zudem sei er jahrelang der Einwirkung von Asbest-Staub ausgesetzt gewesen, und zwar zum einen bei seiner Tätigkeit bei der Firma E und zum anderen durch Staub aus den Kfz-Bremsen. Vor einigen Jahren habe es noch keinen den Bremsstaub bindenden Bremsenreiniger gegeben, die Bremstrommeln seien regelmäßig mit Pressluft ausgeblasen worden, wobei die dadurch entstehende Gefahr ebenso groß gewesen sei wie diejenige durch den Baustoff Eternit. Bremsbeläge hätten bis vor wenigen Jahren ausnahmslos Asbest enthalten. Die verringerte Lungenkapazität dürfte daher auch auf eine Asbestose zurückzuführen seien. Laut Merkblatt zur BK Nr. 4103 seien Anzeichen der Asbestose Reizhusten, Kurzatmigkeit besonders bei Belastungen, Knisterrasseln sowie auch horizontal verlaufende Strichschatten. Ausweislich des Entlassungsberichts der C dort unter Röntgen-Thorax, sei eine Plattenatelektase, mithin ein Schatten, festgestellt worden. Soweit das SG ausgeführt habe, die Beklagte habe nur über die Anerkennung einer BK Nr. 1303 entschieden, sei dies zwar dem Wortlaut nach richtig, allerdings habe er auch eine Anerkennung der Beeinträchtigung durch Asbest beantragt. Es seien alle Faktoren und negativen Emissionen zu prüfen, die Beklagte habe jedoch eine Kreuzwirkung von Asbest und Benzol offensichtlich nicht geprüft. Eine derartige Kreuzwirkung werde allein im Bescheid vom 17. Juni 2003 angesprochen, jedoch beziehe sich der Bescheid einzig und allein auf eine Asbestose und nicht auf die Zusammenwirkung von Benzol und Asbest.
In dem Erörterungstermin vom 24. August 2006 hat der Kläger ergänzende Angaben zu den einzelnen Aufgaben im Rahmen seiner Tätigkeit als selbständiger Tankwart (Mai 1971 bis Dezember 1979) und in der GmbH (1980 bis 1990) gemacht (Tanken, kleinere Reparaturen, Erneuern von Bremsen, Auspuffanlagen und Kupplungen, Ölwechsel, Reifenwechsel, Reifen auswuchten, Reinigen von Bremsen und Getriebe mit Benzin, Vorbereitung der Wagen für die Schweißtätigkeiten, Entfernung des Unterbodenschutzes, Ausbauen des Tanks, Auseinandernehmen der Bremsen, Ausblasen der Bremstrommeln mit Luft) und es wurden die Mitarbeiter F, R und M als Zeugen vernommen, die die Angaben des Klägers im Wesentlichen bestätigt haben; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Beklagte hat zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst vorgetragen, dass das Tätigkeitsbild des Klägers ausweislich der Angaben im Erörterungstermin vom 24. August 2006 von der Schilderung des Klägers vom 09. Oktober 2002 abweiche. Hiernach ergebe sich für den Zeitraum vom 01. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1993 eine Benzoleinwirkung von 12,8 ppm-Jahren (Vorgehensweise I nach Angaben des Klägers) bzw. von 14,2 ppm-Jahren (Vorgehensweise II nach Angaben der Zeugen). Die Neuberechnung für den Zeitraum von Mai 1971 bis Dezember 1979, in dem der Kläger als selbständiger Tankwart freiwillig versichert war, ergebe 9,03 ppm-Jahre, maximal 12,85 ppm-Jahre (technische Stellungnahme des Dipl.-Ing. Mittelhäuser vom 07. Februar 2007 nebst Ergänzung vom 09. Februar 2007). Für die dreijährige Lehrzeit, für die es keine beweiskräftigen Beschreibungen oder Zeugenaussagen gebe, sei ein zusätzlicher Wert von 2,7 ppm-Jahren anzusetzen. Mithin ergebe sich aus allen Beschäftigungszeiten ein Dosiswert von max. 29,75 ppm-Jahren, sofern alle maximalen Einwirkungen zugrunde gelegt würden, wobei es sich um eine "worst-case-Einschätzung" handele. Eine hinreichende Benzolbelastung von mindestens 40 ppm-Jahren könne eindeutig nicht festgestellt werden.
Zur weiteren Begründung seiner Berufung hat der Kläger ein Attest des Facharztes für Innere Medizin M vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass der Kläger an einer konsumierenden chronisch progredienten Erkrankung leide und aufgrund von Ruhedyspnoe, rez. nozizeptiven Schmerzen und einer Lungenfibrose mit deutlich verminderter Diffusionskapazität kontinuierlich auf die Nutzung einer Beatmungsanlage angewiesen sei. Er vertritt die Auffassung, dass Störungen des Immunsystems bei der Entstehung des Morbus Hodgkin eine bedeutende Rolle zukämen. Solche Störungen entstünden u. a. dadurch, dass jemand jahrelang Benzoldämpfen ausgesetzt sei. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Lungenfibrose eine Folge der Chemotherapie sei. Er habe 20 Wochen eine so genannte Copblamkombinationstherapie erhalten, bei der schwerpunktmäßig das Medikament Bleomycin enthalten gewesen sei. In diesem Fall wäre die Lungenfibrose eine Folge der Tatsache, dass er während seinem Berufsleben einer hohen Belastung durch Benzol und Asbest ausgesetzt gewesen sei.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2004 sowie den Bescheid vom 24. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat das Rundschreiben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) vom 29. Mai 2007 betreffend benzolverursachte Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems überreicht und mitgeteilt, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mittlerweile im gemeinsamen Ministerialblatt (85. Jahrgang, Nr. 49 bis 51, vom 12. November 2007) die wissenschaftliche Begründung für eine neue BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol" amtlich bekannt gegeben habe. Der Überblick über die epidemiologischen Studien lasse jedoch eine eindeutige Ableitung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung für alle Erkrankungen nicht zu. Die offenen Fragen würden derzeit beim Hauptverband der DGUV mit dem GFK-Ausschuss "Berufskrankheiten" abgestimmt. Ausweislich der zur Akte gereichten Zusammenstellung der Inhalte der neuen wissenschaftlichen Begründung "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden Systems und des lymphatischen Systems durch Benzol" des BGFA vom 07. März 2008 komme die Anerkennung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung des Klägers unabhängig von dem Ausmaß der Benzolbelastung auch weiterhin nicht in Betracht. Zudem gehe es dem Kläger auch nicht um die Anerkennung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung als solcher, sondern vielmehr um seine Atemwegserkrankung, die er auf eine Kreuzwirkung von Benzol und Asbest zurückführe. Über eine derartige Kreuzwirkung bezogen auf eine Lungenerkrankung lägen jedoch überhaupt keine medizinischen Erkenntnisse vor.
In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 11. Dezember 2008 hat der Vertreter der Beklagten im Hinblick auf die Empfehlungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen erklärt, dass nach den neuen arbeitstechnischen Kriterien und nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme für den Kläger die Stufe 2 (hohe Belastungsintensität) für eine Benzolexposition anzunehmen sei.
Der Senat hat eine Auskunft vom Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim BMAS zur Frage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bezüglich der Verursachung von Lungenerkrankungen durch Benzol vom 12. Januar 2009 eingeholt. Darin wird mitgeteilt, der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" habe sich mit der Thematik der Krebserkrankungen, insbesondere der bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems, durch Benzol eingehend befasst und eine Empfehlung für eine neue BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden Systems und des lymphatischen Systems durch Benzol" beschlossen. Die Frage einer Erkrankung an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung durch Benzol habe der Sachverständigenbeirat dagegen nicht geprüft. Insoweit lägen dem BMAS auch keine Erkenntnisse vor.
Die Beteiligten haben sich mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu BK- und BK- sowie Ablichtungen aus der Schwerbehindertenakte des Klägers () vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. September 2003 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung unter Anerkennung seiner Atemwegserkrankung und/oder der Morbus-Hodgkin-Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV.
Der Anspruch des Klägers auf Anerkennung einer BK und Entschädigung, der sich nach den Vorschriften des SGB VII richtet, da ein nach dem 01. Januar 1997 in Kraft getretener Versicherungsfall zu beurteilen ist (§§ 212, 214 SGB VII), setzt das Vorliegen einer BK voraus. BK’en sind gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BK’en bezeichnet hat und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Kläger im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (vgl. BSG, Urteile vom 20. Januar 1987, Az.: 2 RU 27/86, BSGE 61, 127, 130 und vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9a RVg 3/87, BSGE 63, 270, 271; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rn. 3; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, E § 9 SGB VII Rn. 14). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität müssen hinreichend wahrscheinlich sein; die bloße Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteile vom 02. Februar 1978, Az.: 8 RU 66/77, SozR 2200 § 548 Nr. 38 und § 551 Nr. 1; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., E § 9 SGB VII Rn. 26). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden. Die Faktoren, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, müssen die Umstände, die gegen die Kausalität sprechen, deutlich überwiegen, die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges reicht nicht aus (BSG SozR § 548 Nr. 38; BSG, Urteil vom 18. Dezember 1997, Az.: 2 RU 48/96, SGb 1999, 39, 40).
Im vorliegenden Verfahren ist allein über das Vorliegen einer BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV zu entscheiden, da die Anerkennung der Lungenerkrankung des Klägers als BK nach Nr. 4103 (Asbestose) bereits mit Bescheid vom 08. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2003 bestandskräftig abgelehnt worden ist.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV (Erkrankung durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol) und damit für die Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung liegen nicht vor. Zwar kann – wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 11. Dezember 2008 auch anerkannt - unter Berücksichtung der Empfehlungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" (veröffentlicht im GMBl 2007, Seite 974 ff.) nunmehr vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. einer Benzolexposition des Klägers der Stufe 2 (= hohe Belastungsintensität), ausgegangen werden. Jedoch gehören die beim Kläger bestehende Morbus-Hodgkin- und Lungenerkrankung nicht zu den bekanntermaßen durch Benzol verursachten Erkrankungen. Benzol ist generell geeignet, sowohl bösartige als auch nicht bösartige Erkrankungen des Blut- und des Lymphsystems zu verursachen (vgl. die "Zusammenstellung der Inhalte der neuen wissenschaftlichen Begründung vom 07. März 2008 des Hauptverbandes der DGUV). Benzol ist die wichtigste berufliche Noxe für das Auftreten von myelo- und lymphoproliferativen Systemerkrankungen. Benzol kann danach alle malignen hämolymphatischen Systemerkrankungen verursachen, deren Zellreihen sich von der omnipotenten Stammzelle ableiten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 1016 m. w. N.). Die Aufnahme erfolgt überwiegend durch Einatmung der Dämpfe und kann zu einer schweren Schädigung des blutbildenden Systems (Knochenmark u. a.) und der Kapillaren führen (Merkblatt des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung - BMGS - für die ärztlichen Untersuchungen bei Berufskrankheiten zu Nr. 1303 der Anlage zur BKV, in: Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 266). Eine derartige Krankheit ist bei dem Kläger jedoch nicht nachgewiesen worden. Die Morbus-Hodgkin-Erkrankung wird - unabhängig von dem Ausmaß der Benzolbelastung - auch weiterhin nicht als entschädigungsfähig im Rahmen der BK Nr. 1303 angesehen. So gibt es auch nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Grundlage der Empfehlungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats zur Bildung einer eigenständigen BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol" gewesen sind, keine Studien, die die Morbus-Hodgkin-Erkrankung als eine durch Benzol verursachte Erkrankung darstellen würden. In der vom BMAS amtlich bekannt gegebenen wissenschaftlichen Begründung für eine neue BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol" (gemeinsames Ministerialblatt, 85. Jahrgang, Nr. 49 bis 51, vom 12. November 2007), ist die Morbus-Hodgkin-Erkrankung – anders als die Non-Hodgkin-Lymphome - ausdrücklich ausgenommen. Damit erübrigt sich auch ein weiteres Eingehen auf die vom Kläger aufgeworfene Problematik einer eventuellen Entstehung der Lungenfibrose als Folge der Chemotherapie, denn diese wurde bei dem Kläger zur Behandlung der nicht berufsbedingten Morbus-Hodgkin-Erkrankung eingesetzt. Es besteht daher keine Möglichkeit, diese Erkrankung als BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV anzuerkennen. Auch hinsichtlich der Verursachung von Atemwegserkrankungen (wie hier die COPD und die Lungenfibrose) lässt sich ein Zusammenhang zu einer Benzoleinwirkung nicht feststellen. So hat der Kläger bereits im Schwerbehindertenverfahren angegeben, seine Atemswegserkrankung sei eine Folge der Chemotherapie, die wegen der Morbus-Hodgkin-Erkrankung durchgeführt wurde. Hierfür spricht auch die im Schwerbehindertenfeststellungsverfahren abgegebene gutachterliche Stellungnahme seines behandelnden Arztes Prof. Dr. K vom Allergie- und Asthma-Zentrum Wvom 28. August 2003 der ausführt, dass es in Folge der zytostatischen Behandlung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung zu einer Verschlechterung der Atmungssituation gekommen sei. Nicht unberücksichtigt dürfen in diesem Zusammenhang auch die massiven Rauchgewohnheiten des Klägers bleiben. Davon unabhängig finden sich weder in den Erläuterungen zur BK Nr. 1303 der Anlage 1 BKV noch in der zitierten Zusammenstellung der Inhalte der neuen wissenschaftlichen Begründung "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden Systems und des lymphatischen Systems durch Benzol" vom 07. März 2008 des Hauptverbandes der DGUV noch in der sonstigen unfallmedizinischen Literatur Hinweise auf einen Ursachenzusammenhang zwischen Benzoleinwirkung und Lungenerkrankungen. Der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim BMAS, bei dem der Senat nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich der Verursachung von Lungenerkrankungen durch Benzol angefragt hatte, hat mitgeteilt (Schreiben des Herrn G vom 12. Januar 2009), dass hinsichtlich der Frage einer Erkrankung an einer COPD durch Benzoleinwirkung keine Erkenntnisse vorlägen. Hieraus schließt der Senat, dass Lungenkrankheiten für den Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten", der sich ja mit der Thematik von durch Benzoleinwirkung verursachten Erkrankungen eingehend befasst und eine Empfehlung für eine neue BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden Systems und des lymphatischen Systems durch Benzol" beschlossen hat, keine Rolle gespielt haben, weil ihre Verursachung durch Benzol nach derzeitigem medizinischen Erkenntnisstand ausgeschlossen erscheint.
Nach alledem konnte das Begehren des Klägers auf Anerkennung einer BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV keinen Erfolg haben und die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung unter Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1303 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol.
Der 1940 geborene Kläger, für den mit Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales – Versorgungsamt – vom 11. November 2003 ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 festgestellt ist, war nach einer Tankwartlehre (1956 bis 1959) zunächst vom 11. Juli 1960 bis zum 19. Januar 1962 bei der E AG in der Plattenbeschichtung (Spritzerei) berufstätig. Im Anschluss war er als selbständiger Taxiunternehmer (1962 bis 1966) und selbständiger Landwirt (1966 bis 1971) tätig, betrieb dann vom 15. Mai 1971 bis zum 31. Dezember 1979 als selbständiger Unternehmer eine Tankstelle und war in dieser Zeit als freiwilliges Mitglied bei der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel (BG Einzelhandel) versichert. Seit dem 01. Januar 1980 war der Kläger Mitinhaber der "M und M GmbH" (GmbH), einer Kfz-Werkstatt mit Neu- und Gebrauchtwagenhandel. Während der Tätigkeiten an der Tankstelle und in der Kfz-Werkstatt war der Kläger einer Benzol-Exposition ausgesetzt. Im März/April 2001 wurde bei dem Kläger bei einem Krankenhausaufenthalt wegen einer Leistenhernie ein Morbus Hodgkin, Stadium III A, mit rechts cervikal und links inguinal befallenen Lymphknoten (bösartige Erkrankung der Lymphknoten) diagnostiziert (Bericht des St. JKrankenhauses vom 11. April 2001). Nachdem es im Verlauf einer Chemotherapie zu massiven Atemnotproblemen gekommen war, wurde der Kläger stationär in die C(C V-Klinikum) aufgenommen, wo im November 2001 eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und eine Lungenfibrose mit obstruktiv und restriktiv eingeschränkter Lungenfunktion diagnostiziert wurde. Die Ursache sei unklar, verdächtigt wurden Auswirkungen der Chemotherapie und eine infektologische Komponente. Die Therapie während des stationären Aufenthalts habe zwar zu einer Besserung der Symptomatik geführt, die Lungenfunktionswerte hätten sich im Verlauf des Aufenthalts jedoch sogar weiter verschlechtert (Entlassungsbrief der C vom 27. November 2001).
Von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (BG Chemie) wurden zunächst auf BK-Anzeige des Klägers, der angab, in den 60er Jahren bei der Fa. E gearbeitet zu haben, Ermittlungen wegen Anerkennung von Atembeschwerden des Klägers als BK nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV (Asbestose) vorgenommen. In dem am 25. Oktober 2001 von ihm ausgefüllten Fragebogen gab der Kläger an, täglich ca. 18 Zigaretten zu rauchen, demgegenüber hatte er bei einer arbeitsmedizinischen Kontrolluntersuchung in 1999 von ca. 40 Zigaretten täglich gesprochen. Die Beklagte, die ihre Zuständigkeit im Hinblick auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Mitgesellschafter der GmbH bejaht hatte, lehnte nach Einholung mehrerer Stellungnahmen der Technischen Aufsichtsdienste (TAD) der Einzelhandel BG und der BG Chemie und ihres eigenen TAD sowie einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S vom 14. Februar 2002 und einer Stellungnahme der Landesgewerbeärztin S mit Bescheid vom 08. August 2002 die Anerkennung der Atembeschwerden des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV (Asbestose) ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2003 als unbegründet zurück. Wesentliche asbestinduzierte fibrotische Umbauvorgänge des Lungenparenchyms seien beim Kläger nicht festzustellen. Die vereinzelten Umbauvorgänge im Bereich beider Lungenoberlappen könnten wegen konkurrierender Faktoren, insbesondere des Morbus Hodgkin und des jahrelangen Nikotinabusus, die Feststellung einer Lungenasbestose nicht begründen. Bei dieser Beurteilung seien auch mögliche Wechselwirkungen mit der Benzol-Exposition beim Kläger berücksichtigt worden.
Im Hinblick auf eine BK nach Nr. 1303 veranlasste die Beklagte des Weiteren Ermittlungen zur beruflichen Benzolbelastung des Klägers. Herr Dr. B von der BG Chemie teilte hierzu telefonisch mit, dass für die Anerkennung einer BK infolge von Benzoleinwirkung eine Dosis von insgesamt 40 bis 60 ppm-Jahren als erforderlich angesehen werde. In einer Stellungnahme vom 10. September 2002 des Präventionsbezirks (früher: TAD) wurde die Benzol-Belastungsdosis, der der Kläger während der 22jährigen Tätigkeit in der GmbH ausgesetzt gewesen sei, auf insgesamt 13,483 ppm-Jahre und die Dosis im Rahmen seiner vorhergehenden Tätigkeiten auf insgesamt 6,8 ppm-Jahre geschätzt. Nach Durchführung von weiteren Ermittlungen, insbesondere einer Befragung des Klägers, ergaben sich jedoch wesentlich höhere Werte. So errechnete der Präventionsbezirk der Beklagten nunmehr eine Benzol-Exposition von 25,907 ppm-Jahren für die Zeit von 1971 bis 1979 und von 22,151 ppm-Jahren für die Zeit von 1980 bis 2001. Insgesamt liege die Exposition knapp über 50 ppm-Jahren (Stellungnahme vom 11. Oktober 2002). Diese Einschätzung korrigierte der Präventionsbezirk der Beklagten, nachdem ehemalige Mitarbeiter zur Tätigkeit des Klägers schriftlich befragt worden waren, in der Stellungnahme vom 31. März 2003. Darin führte Dipl. Ing. aus, die eingeholten Auskünfte bestätigten das normale Tätigkeitsfeld eines Kfz-Schlossers, welches der ersten Bewertung vom 10. September 2002 zugrunde gelegt worden sei. Die späteren Darstellungen des Klägers, bei denen er die Tätigkeit des Teilewaschens mit Otto-Kraftstoff zeitlich in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit gestellt habe, würden durch die Zeugenaussagen nicht bestätigt, die nicht lediglich Zuarbeiten und Helfertätigkeiten mit überwiegenden Reinigungsarbeiten beschrieben hätten, sondern allgemeine Kfz-Instandsetzungsarbeiten. Die Bewertung vom 11. Oktober 2002 sei daher gegenstandslos. Der Kläger sei nicht gefährdend im Sinne der BK Nr. 1303 tätig gewesen. Der TAD der für den Zeitraum 1971 bis 1979 zuständigen BG Einzelhandel, der in seiner Stellungnahme vom 05. Februar 2003 im Grundsatz der arbeitstechnischen Bewertung vom 10. September 2002 gefolgt, allerdings von einer etwas höheren Belastungsdosis von 6,8 ppm-Jahren ausgegangen war, führte aus, die spätere Erhöhung auf 26 ppm-Jahre könne nicht bestätigt werden, sie widerspreche dem Kenntnisstand vom Berufsbild des Klägers und stehe auch nicht im Einklang mit den bekannten Benzolexpositionsdaten für Tankwarte und Kfz-Monteure. Nachdem der arbeitsmedizinische Dienst der Beklagten ausgeführt hatte, für die Morbus-Hodgkin-Erkrankung des Klägers könne – anders als es bei den Non-Hodgkin-Lymphomen der Fall sei - eine kausale Beziehung zu der Benzoleinwirkung nach dem derzeitigen Stand der arbeitsmedizinischen Literatur nicht hergestellt werden (Stellungnahme des Dr. J vom 22. Mai 2003), lehnte die Beklagte es nach Einholung einer Stellungnahme der Landesgewerbeärztin S vom 03. Juli 2003 mit Bescheid vom 24. Juli 2003 ab, dem Kläger wegen der Morbus-Hodgkin-Erkrankung Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, da keine BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV vorliege. Der Kläger sei zwar während seiner verschiedenen beruflichen Tätigkeiten in der Zeit von 1956 bis 1959, 1971 bis 1979 und von 1987 bis 2001 Benzoleinwirkungen ausgesetzt gewesen, jedoch hätten diese insgesamt deutlich unterhalb des Grenzwertes von 50 ppm-Jahren gelegen, es bleibe bei der Berechnung in der Stellungnahme vom 10. September 2002 (Benzol-Dosis von insgesamt 20,283 ppm-Jahren). Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 1303 seien deshalb nicht erfüllt. Außerdem sei generell nicht gesichert, dass eine ursächliche Beziehung von Morbus-Hodgkin-Erkrankungen zu beruflichen Benzol-Expositionen bestehe. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe nie die Anerkennung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung als BK beantragt, sondern seine Atemwegserkrankung, die ihn in hohem Maße einschränke. Auch sei die Zeit seiner Tätigkeit in der Werkstatt der GmbH von 1980 bis 1987 nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09. September 2003 zurück und führte aus, dass auch unter Berücksichtigung der selbständigen Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1980 bis 1987 die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht angenommen werden könnten. Zudem verursache eine chronische und erhebliche Benzoleinwirkung in erster Linie Schädigungen des Knochenmarks sowie des Blutbildes, so dass sich ein Ursachenzusammenhang nicht herstellen lasse. Atemwegserkrankungen gehörten nicht zu den typischen Krankheitsbildern nach einer Benzoleinwirkung.
Hiergegen hat der Kläger bei dem Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, dass der Ursachenzusammenhang zwischen den diversen schädlichen Emissionen, denen er bei der Firma E, als Taxifahrer, Landwirt, Tankwart und in der Kfz-Werkstatt ausgesetzt gewesen sei, und seiner Atemwegserkrankung auf der Hand liege.
Das SG hat durch Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2004 die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, wegen der Benzolbelastungen, denen der Kläger in seinem Berufsleben ausgesetzt gewesen sei, eine BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. Nr. 1303 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm entsprechende Entschädigungsleistungen nach §§ 26 ff SGB VII, § 3 BKV zu gewähren. Die Anerkennung einer BK Nr. 1303 sei bereits deshalb nicht möglich, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nach dem Ergebnis der arbeitstechnischen Ermittlungen der Beklagten kein Ausmaß erreicht hätten, das eine Gefährdung im Sinne der BK Nr. 1303 begründen könnte. Der einschlägige Grenzwert von 40 bis 60 ppm-Jahren (nach Auskunft der BG Chemie) bzw. 50 ppm-Jahren (nach Einschätzung der Präventionsabteilung der Beklagten) werde bei einer anzunehmenden Belastung des Klägers von insgesamt lediglich knapp über 20 ppm-Jahren, die anhand von Befragungen der ehemaligen Mitarbeiter des Klägers ermittelt worden sei, deutlich unterschritten. Deshalb könne auch die konkrete Gefahr der Entstehung einer BK Nr. 1303 im Sinne von § 3 BKV unabhängig von weiteren medizinischen Fragen verneint werden. Weitere BK’en seien nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weil die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 24. Juli 2003 nur über die Anerkennung einer BK Nr. 1303 entschieden habe. Ob sich der Regelungsbereich des angefochtenen Bescheids allein auf die Morbus-Hodgkin-Erkrankung beschränke und eine Atemwegserkrankung gar nicht erfasse, wofür der Tenor des Bescheids vom 24. Juli 2003 spreche, könne dahinstehen, weil bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 1303 nicht erfüllt seien. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass aber auch aus medizinischer Sicht eine Verursachung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung durch die Benzol-Belastung nicht angenommen werden könne. Auch die Atemwegserkrankung könne nach den vorliegenden Arzt- und Klinikberichten in Anbetracht der massiven Rauchgewohnheiten des Klägers und vor allem vor dem Hintergrund ihrer Entstehungsgeschichte im Zusammenhang mit der Chemotherapie im Jahr 2001 nur schwerlich als selbständige, durch berufliche Benzol-Belastungen verursachte Atemwegserkrankung bewertet werden.
Gegen den ihm am 05. August 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die bei dem Landessozialgericht Berlin (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit der dieser an seinem Begehren auf Anerkennung einer BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV und Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung festhält und ergänzend vorträgt, nach der Ergänzung zum Merkblatt Nr. 1303 sei das Erscheinungsbild der Erkrankung durch Benzol-Einwirkungen unspezifisch, wirke sich aber nach III des Merkblattes auf die Lymph-Gefäße und die Schleimhäute aus. Sowohl Karzinombildung als auch Störungen der Lungenfunktion würden durch die Benzol-Einwirkung begünstigt. Zudem sei er jahrelang der Einwirkung von Asbest-Staub ausgesetzt gewesen, und zwar zum einen bei seiner Tätigkeit bei der Firma E und zum anderen durch Staub aus den Kfz-Bremsen. Vor einigen Jahren habe es noch keinen den Bremsstaub bindenden Bremsenreiniger gegeben, die Bremstrommeln seien regelmäßig mit Pressluft ausgeblasen worden, wobei die dadurch entstehende Gefahr ebenso groß gewesen sei wie diejenige durch den Baustoff Eternit. Bremsbeläge hätten bis vor wenigen Jahren ausnahmslos Asbest enthalten. Die verringerte Lungenkapazität dürfte daher auch auf eine Asbestose zurückzuführen seien. Laut Merkblatt zur BK Nr. 4103 seien Anzeichen der Asbestose Reizhusten, Kurzatmigkeit besonders bei Belastungen, Knisterrasseln sowie auch horizontal verlaufende Strichschatten. Ausweislich des Entlassungsberichts der C dort unter Röntgen-Thorax, sei eine Plattenatelektase, mithin ein Schatten, festgestellt worden. Soweit das SG ausgeführt habe, die Beklagte habe nur über die Anerkennung einer BK Nr. 1303 entschieden, sei dies zwar dem Wortlaut nach richtig, allerdings habe er auch eine Anerkennung der Beeinträchtigung durch Asbest beantragt. Es seien alle Faktoren und negativen Emissionen zu prüfen, die Beklagte habe jedoch eine Kreuzwirkung von Asbest und Benzol offensichtlich nicht geprüft. Eine derartige Kreuzwirkung werde allein im Bescheid vom 17. Juni 2003 angesprochen, jedoch beziehe sich der Bescheid einzig und allein auf eine Asbestose und nicht auf die Zusammenwirkung von Benzol und Asbest.
In dem Erörterungstermin vom 24. August 2006 hat der Kläger ergänzende Angaben zu den einzelnen Aufgaben im Rahmen seiner Tätigkeit als selbständiger Tankwart (Mai 1971 bis Dezember 1979) und in der GmbH (1980 bis 1990) gemacht (Tanken, kleinere Reparaturen, Erneuern von Bremsen, Auspuffanlagen und Kupplungen, Ölwechsel, Reifenwechsel, Reifen auswuchten, Reinigen von Bremsen und Getriebe mit Benzin, Vorbereitung der Wagen für die Schweißtätigkeiten, Entfernung des Unterbodenschutzes, Ausbauen des Tanks, Auseinandernehmen der Bremsen, Ausblasen der Bremstrommeln mit Luft) und es wurden die Mitarbeiter F, R und M als Zeugen vernommen, die die Angaben des Klägers im Wesentlichen bestätigt haben; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Beklagte hat zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst vorgetragen, dass das Tätigkeitsbild des Klägers ausweislich der Angaben im Erörterungstermin vom 24. August 2006 von der Schilderung des Klägers vom 09. Oktober 2002 abweiche. Hiernach ergebe sich für den Zeitraum vom 01. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1993 eine Benzoleinwirkung von 12,8 ppm-Jahren (Vorgehensweise I nach Angaben des Klägers) bzw. von 14,2 ppm-Jahren (Vorgehensweise II nach Angaben der Zeugen). Die Neuberechnung für den Zeitraum von Mai 1971 bis Dezember 1979, in dem der Kläger als selbständiger Tankwart freiwillig versichert war, ergebe 9,03 ppm-Jahre, maximal 12,85 ppm-Jahre (technische Stellungnahme des Dipl.-Ing. Mittelhäuser vom 07. Februar 2007 nebst Ergänzung vom 09. Februar 2007). Für die dreijährige Lehrzeit, für die es keine beweiskräftigen Beschreibungen oder Zeugenaussagen gebe, sei ein zusätzlicher Wert von 2,7 ppm-Jahren anzusetzen. Mithin ergebe sich aus allen Beschäftigungszeiten ein Dosiswert von max. 29,75 ppm-Jahren, sofern alle maximalen Einwirkungen zugrunde gelegt würden, wobei es sich um eine "worst-case-Einschätzung" handele. Eine hinreichende Benzolbelastung von mindestens 40 ppm-Jahren könne eindeutig nicht festgestellt werden.
Zur weiteren Begründung seiner Berufung hat der Kläger ein Attest des Facharztes für Innere Medizin M vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass der Kläger an einer konsumierenden chronisch progredienten Erkrankung leide und aufgrund von Ruhedyspnoe, rez. nozizeptiven Schmerzen und einer Lungenfibrose mit deutlich verminderter Diffusionskapazität kontinuierlich auf die Nutzung einer Beatmungsanlage angewiesen sei. Er vertritt die Auffassung, dass Störungen des Immunsystems bei der Entstehung des Morbus Hodgkin eine bedeutende Rolle zukämen. Solche Störungen entstünden u. a. dadurch, dass jemand jahrelang Benzoldämpfen ausgesetzt sei. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Lungenfibrose eine Folge der Chemotherapie sei. Er habe 20 Wochen eine so genannte Copblamkombinationstherapie erhalten, bei der schwerpunktmäßig das Medikament Bleomycin enthalten gewesen sei. In diesem Fall wäre die Lungenfibrose eine Folge der Tatsache, dass er während seinem Berufsleben einer hohen Belastung durch Benzol und Asbest ausgesetzt gewesen sei.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2004 sowie den Bescheid vom 24. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat das Rundschreiben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) vom 29. Mai 2007 betreffend benzolverursachte Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems überreicht und mitgeteilt, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mittlerweile im gemeinsamen Ministerialblatt (85. Jahrgang, Nr. 49 bis 51, vom 12. November 2007) die wissenschaftliche Begründung für eine neue BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol" amtlich bekannt gegeben habe. Der Überblick über die epidemiologischen Studien lasse jedoch eine eindeutige Ableitung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung für alle Erkrankungen nicht zu. Die offenen Fragen würden derzeit beim Hauptverband der DGUV mit dem GFK-Ausschuss "Berufskrankheiten" abgestimmt. Ausweislich der zur Akte gereichten Zusammenstellung der Inhalte der neuen wissenschaftlichen Begründung "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden Systems und des lymphatischen Systems durch Benzol" des BGFA vom 07. März 2008 komme die Anerkennung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung des Klägers unabhängig von dem Ausmaß der Benzolbelastung auch weiterhin nicht in Betracht. Zudem gehe es dem Kläger auch nicht um die Anerkennung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung als solcher, sondern vielmehr um seine Atemwegserkrankung, die er auf eine Kreuzwirkung von Benzol und Asbest zurückführe. Über eine derartige Kreuzwirkung bezogen auf eine Lungenerkrankung lägen jedoch überhaupt keine medizinischen Erkenntnisse vor.
In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 11. Dezember 2008 hat der Vertreter der Beklagten im Hinblick auf die Empfehlungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen erklärt, dass nach den neuen arbeitstechnischen Kriterien und nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme für den Kläger die Stufe 2 (hohe Belastungsintensität) für eine Benzolexposition anzunehmen sei.
Der Senat hat eine Auskunft vom Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim BMAS zur Frage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bezüglich der Verursachung von Lungenerkrankungen durch Benzol vom 12. Januar 2009 eingeholt. Darin wird mitgeteilt, der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" habe sich mit der Thematik der Krebserkrankungen, insbesondere der bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems, durch Benzol eingehend befasst und eine Empfehlung für eine neue BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden Systems und des lymphatischen Systems durch Benzol" beschlossen. Die Frage einer Erkrankung an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung durch Benzol habe der Sachverständigenbeirat dagegen nicht geprüft. Insoweit lägen dem BMAS auch keine Erkenntnisse vor.
Die Beteiligten haben sich mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu BK- und BK- sowie Ablichtungen aus der Schwerbehindertenakte des Klägers () vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. September 2003 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung unter Anerkennung seiner Atemwegserkrankung und/oder der Morbus-Hodgkin-Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV.
Der Anspruch des Klägers auf Anerkennung einer BK und Entschädigung, der sich nach den Vorschriften des SGB VII richtet, da ein nach dem 01. Januar 1997 in Kraft getretener Versicherungsfall zu beurteilen ist (§§ 212, 214 SGB VII), setzt das Vorliegen einer BK voraus. BK’en sind gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BK’en bezeichnet hat und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Kläger im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (vgl. BSG, Urteile vom 20. Januar 1987, Az.: 2 RU 27/86, BSGE 61, 127, 130 und vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9a RVg 3/87, BSGE 63, 270, 271; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rn. 3; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, E § 9 SGB VII Rn. 14). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität müssen hinreichend wahrscheinlich sein; die bloße Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteile vom 02. Februar 1978, Az.: 8 RU 66/77, SozR 2200 § 548 Nr. 38 und § 551 Nr. 1; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., E § 9 SGB VII Rn. 26). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden. Die Faktoren, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, müssen die Umstände, die gegen die Kausalität sprechen, deutlich überwiegen, die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges reicht nicht aus (BSG SozR § 548 Nr. 38; BSG, Urteil vom 18. Dezember 1997, Az.: 2 RU 48/96, SGb 1999, 39, 40).
Im vorliegenden Verfahren ist allein über das Vorliegen einer BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV zu entscheiden, da die Anerkennung der Lungenerkrankung des Klägers als BK nach Nr. 4103 (Asbestose) bereits mit Bescheid vom 08. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2003 bestandskräftig abgelehnt worden ist.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV (Erkrankung durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol) und damit für die Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung liegen nicht vor. Zwar kann – wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 11. Dezember 2008 auch anerkannt - unter Berücksichtung der Empfehlungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" (veröffentlicht im GMBl 2007, Seite 974 ff.) nunmehr vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. einer Benzolexposition des Klägers der Stufe 2 (= hohe Belastungsintensität), ausgegangen werden. Jedoch gehören die beim Kläger bestehende Morbus-Hodgkin- und Lungenerkrankung nicht zu den bekanntermaßen durch Benzol verursachten Erkrankungen. Benzol ist generell geeignet, sowohl bösartige als auch nicht bösartige Erkrankungen des Blut- und des Lymphsystems zu verursachen (vgl. die "Zusammenstellung der Inhalte der neuen wissenschaftlichen Begründung vom 07. März 2008 des Hauptverbandes der DGUV). Benzol ist die wichtigste berufliche Noxe für das Auftreten von myelo- und lymphoproliferativen Systemerkrankungen. Benzol kann danach alle malignen hämolymphatischen Systemerkrankungen verursachen, deren Zellreihen sich von der omnipotenten Stammzelle ableiten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 1016 m. w. N.). Die Aufnahme erfolgt überwiegend durch Einatmung der Dämpfe und kann zu einer schweren Schädigung des blutbildenden Systems (Knochenmark u. a.) und der Kapillaren führen (Merkblatt des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung - BMGS - für die ärztlichen Untersuchungen bei Berufskrankheiten zu Nr. 1303 der Anlage zur BKV, in: Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 266). Eine derartige Krankheit ist bei dem Kläger jedoch nicht nachgewiesen worden. Die Morbus-Hodgkin-Erkrankung wird - unabhängig von dem Ausmaß der Benzolbelastung - auch weiterhin nicht als entschädigungsfähig im Rahmen der BK Nr. 1303 angesehen. So gibt es auch nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Grundlage der Empfehlungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats zur Bildung einer eigenständigen BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol" gewesen sind, keine Studien, die die Morbus-Hodgkin-Erkrankung als eine durch Benzol verursachte Erkrankung darstellen würden. In der vom BMAS amtlich bekannt gegebenen wissenschaftlichen Begründung für eine neue BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol" (gemeinsames Ministerialblatt, 85. Jahrgang, Nr. 49 bis 51, vom 12. November 2007), ist die Morbus-Hodgkin-Erkrankung – anders als die Non-Hodgkin-Lymphome - ausdrücklich ausgenommen. Damit erübrigt sich auch ein weiteres Eingehen auf die vom Kläger aufgeworfene Problematik einer eventuellen Entstehung der Lungenfibrose als Folge der Chemotherapie, denn diese wurde bei dem Kläger zur Behandlung der nicht berufsbedingten Morbus-Hodgkin-Erkrankung eingesetzt. Es besteht daher keine Möglichkeit, diese Erkrankung als BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV anzuerkennen. Auch hinsichtlich der Verursachung von Atemwegserkrankungen (wie hier die COPD und die Lungenfibrose) lässt sich ein Zusammenhang zu einer Benzoleinwirkung nicht feststellen. So hat der Kläger bereits im Schwerbehindertenverfahren angegeben, seine Atemswegserkrankung sei eine Folge der Chemotherapie, die wegen der Morbus-Hodgkin-Erkrankung durchgeführt wurde. Hierfür spricht auch die im Schwerbehindertenfeststellungsverfahren abgegebene gutachterliche Stellungnahme seines behandelnden Arztes Prof. Dr. K vom Allergie- und Asthma-Zentrum Wvom 28. August 2003 der ausführt, dass es in Folge der zytostatischen Behandlung der Morbus-Hodgkin-Erkrankung zu einer Verschlechterung der Atmungssituation gekommen sei. Nicht unberücksichtigt dürfen in diesem Zusammenhang auch die massiven Rauchgewohnheiten des Klägers bleiben. Davon unabhängig finden sich weder in den Erläuterungen zur BK Nr. 1303 der Anlage 1 BKV noch in der zitierten Zusammenstellung der Inhalte der neuen wissenschaftlichen Begründung "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden Systems und des lymphatischen Systems durch Benzol" vom 07. März 2008 des Hauptverbandes der DGUV noch in der sonstigen unfallmedizinischen Literatur Hinweise auf einen Ursachenzusammenhang zwischen Benzoleinwirkung und Lungenerkrankungen. Der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim BMAS, bei dem der Senat nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich der Verursachung von Lungenerkrankungen durch Benzol angefragt hatte, hat mitgeteilt (Schreiben des Herrn G vom 12. Januar 2009), dass hinsichtlich der Frage einer Erkrankung an einer COPD durch Benzoleinwirkung keine Erkenntnisse vorlägen. Hieraus schließt der Senat, dass Lungenkrankheiten für den Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten", der sich ja mit der Thematik von durch Benzoleinwirkung verursachten Erkrankungen eingehend befasst und eine Empfehlung für eine neue BK "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden Systems und des lymphatischen Systems durch Benzol" beschlossen hat, keine Rolle gespielt haben, weil ihre Verursachung durch Benzol nach derzeitigem medizinischen Erkenntnisstand ausgeschlossen erscheint.
Nach alledem konnte das Begehren des Klägers auf Anerkennung einer BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV keinen Erfolg haben und die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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