L 16 R 125/09 WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 R 2223/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 125/09 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Regelaltersrente (RAR) für die Zeit ab 1. Juli 1997.

Die 1931 in P geborene Klägerin gehört als J zum Personenkreis der rassisch Verfolgten im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Sie lebt seit September 1950 in den V S v A (U) und besitzt die U- Staatsangehörigkeit. Vom 1. August 1943 bis 8. Mai 1945 arbeitete die Klägerin, die sich in dieser Zeit im Ghetto Theresienstadt (Terezin) aufhalten musste, als Garten- und Feldarbeiterin sowie Zahnarzthelferin. Am 8. Mai 1945 wurde sie in Theresienstadt befreit. Nach Schulausbildungen in P und B A legte die Klägerin in den U insgesamt 21 Beitragsmonate (7 Quarters) zur dortigen Sozialversicherung zurück.

Im Juni 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach Maßgabe des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2074) und machte dabei eine Ghetto-Beitragszeit im Ghetto Theresienstadt vom 1. August 1943 bis 8. Mai 1945 geltend. Mit Bescheid vom 26. August 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt sei. Auf die Wartezeit seien insgesamt 55 Monate anzurechnen, und zwar Ghetto-Beitragszeiten nach dem ZRBG vom 1. August 1943 bis 8. Mai 1945 (22 Monate), Ersatzzeiten (EZ) wegen verfolgungsbedingter Arbeitsunfähigkeit (AU) vom 9. Mai 1945 bis 8. Mai 1946 (12 Monate) und Beitragszeiten in den USA im Umfang von 21 Monaten (insgesamt = 55 Monate).

Im sich anschließenden Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, bis 1946 verfolgungsbedingt erkrankt gewesen zu sein und danach ihre Schulausbildung nachgeholt zu haben. Im Jahr 1948 sei sie dann nach B A emigriert, wo sie erneut erkrankt sei. Diese Krankheit habe ungefähr bis Mitte 1950 angedauert. Im September 1950 habe sie dann A verlassen und sei in die U ausgewandert (Schreiben vom 11. November 2004). Mit Bescheid vom 3. Januar 2005 lehnte die Beklagte die Vormerkung einer EZ wegen AU vom 9. Mai 1946 bis 31. Dezember 1949 ab, weil sie weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht sei. Hierauf erklärte die Klägerin in einem Schreiben vom 10. Januar 2005 persönlich, sie habe im Juni 1945 das 14. Lebensjahr vollendet und sei wie alle Kinder bis 1948 in P zur Schule gegangen. Sie habe jedoch keinen Abschluss gemacht, weil sie nach B A ausgewandert sei, wo sie eine aHS, die L S, besucht und 1949 abgeschlossen habe. Als Nachweis legte die Klägerin Auszüge eines Jahrbuches der L S vom November 1949 vor, in dem ihre schulischen und sportlichen Leistungen beschrieben werden; hierauf wird Bezug genommen. Mit Bescheid vom 29. März 2005 lehnte die Beklagte die Vormerkung einer Ausbildungs-Anrechnungszeit vom 20. Juni 1947 bis 31. Dezember 1949 ab. Hierauf trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie seinerzeit im Ghetto Theresienstadt an Magenkrämpfen, Unwohlsein und anderen gastro-intestinalen Symptomen gelitten habe, die bis zum heutigen Tage anhielten. Besonders schwerwiegend seien diese Symptome in den Jahren 1945 bis 1948 gewesen, in denen sie nicht in der Lage gewesen sei zu arbeiten (Erklärung vom 5. Dezember 2005). Als Nachweis legte die Klägerin schriftliche Erklärungen der M E (Schulkollegin aus der L S) vom 15. Dezember 2005 und des F J vom 30. November 2005 (Schulzeit in P) vor, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ferner ein Attest des sie seit 1998 behandelnden Gastroenterologen L vom 27. April 2005, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Nach Vorlage an ihren beratenden Arzt G und Vormerkung einer Ausbildungs-Anrechnungszeit vom 20. Juni 1948 bis 31. Mai 1950 (Bescheid vom 16. Februar 2006) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2006 die Widersprüche gegen die Bescheide vom 26. August 2004 und 29. März 2005, soweit ihnen nicht durch Bescheid vom 16. Februar 2006 abgeholfen worden war, zurück. Eine AU-Zeit über den 8. Mai 1946 hinaus sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von RAR. Sie habe während ihrer Inhaftierung in Theresienstadt im Jahr 1943 einen chronischen Reizdarm entwickelt. Besonders stark seien die Beschwerden in der Zeit zwischen der Befreiung im Mai 1945 bis "Ende 1948" gewesen, so dass sie nicht in der Lage gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie habe unter häufigen Magen-Darm-Problemen gelitten und habe Krämpfe gehabt, die sie von jeglicher Tätigkeit abgehalten hätten. Sie sei häufig schwach und nicht in der Lage gewesen, das Bett zu verlassen. Es sei ihr damals unmöglich gewesen, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen (Erklärung vom 22. Mai 2007).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. November 2007 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf RAR nach den §§ 35, 50 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sei nicht erfüllt. Denn über die von der Beklagten bereits vorgemerkten Zeiten hinaus könnten keine auf die allgemeine Wartezeit anrechenbaren rentenrechtlichen Zeiten zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden, insbesondere keine weitere verfolgungsbedingte EZ wegen AU vom 9. Mai 1946 bis 31. Dezember 1948. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der insoweit anwendbaren Vorschrift des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI seien insoweit nicht erfüllt. Die Klägerin sei zwar Opfer nationalsozialistischer Verfolgung nach § 1 BEG. Es sei jedoch weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass die Klägerin in der streitigen Zeit wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei. AU liege vor, wenn die Versicherte infolge von Krankheit ihrer zuletzt ausgeübten oder einer ähnlich gearteten Erwerbstätigkeit entweder überhaupt nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, ihren Zustand zu verschlimmern, nachgehen könne. Eine entsprechende Glaubhaftmachung sei der Klägerin nicht gelungen. Aussagekräftige medizinische Unterlagen fehlten. Die Angabe des die Klägerin seit 1998 behandelnden Arztes L belege allenfalls einen Zusammenhang zwischen der Darmerkrankung der Klägerin und ihrer Inhaftierung. Ob die Krankheit zu einer AU im streitigen Zeitraum geführt habe, sei jedoch nicht mehr feststellbar, zumal auch die Angaben der Klägerin hierzu nicht widerspruchsfrei seien. So habe sie im Rahmen ihres Widerspruchsvorbringens zunächst vorgebracht, bis 1946 verfolgungsbedingt erkrankt gewesen zu sein, danach ihre Schulausbildung nachgeholt zu haben und erst 1948 in B A erneut erkrankt zu sein, und zwar bis Mitte 1950. In ihrer eidestattlichen Versicherung vom 5. Dezember 2005 habe sie hingegen erklärt, insbesondere in der Zeit von 1945 bis 1948 besonders schwer erkrankt gewesen zu sein. Die Sachverhaltsschilderungen der Klägerin seien angesichts der Widersprüchlichkeiten nicht überzeugend. Auch aus den schriftlichen Erklärungen der Zeugen J und Efolge keine andere Beurteilung. Die Zeugin E habe zwar vorgetragen, dass die Klägerin in B Ain der Schule oft gefehlt habe. Hieraus lasse sich jedoch nicht die Annahme einer AU herleiten. Hinzu komme, dass aus den Schilderungen in dem von der Klägerin vorgelegten Jahrbuch der L S sich herausragende schulische und sportliche Leistungen derselben entnehmen ließen, die mit den Krankheitsschilderungen der Klägerin und der Zeugin E nicht in Einklang zu bringen seien.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten sei von verfolgungsbedingter AU auch in der Zeit vom 9. Mai 1946 bis 31. Dezember 1948 auszugehen. Die Zeugen J und E hätten übereinstimmend bekundet, dass sie in diesem Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Dass sie während dieses Zeitraumes zeitweilig und "sporadisch" die Schule besucht habe, spreche nicht "automatisch" gegen AU. Es komme insoweit entscheidend darauf an, ob sie ihren zuletzt ausgeübten oder einen ähnlich gearteten Beruf habe ausüben können. Im Ghetto Theresienstadt sei sie aber als Zahnarzthelferin und im Gartenbau tätig gewesen. Eine Tätigkeit in diesen Berufen sei ihr seinerzeit nicht mehr möglich gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 26. August 2004 und 3. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. Juli 1997 Regelaltersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlich erhobene und statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung von RAR weiter verfolgt, ist nicht begründet. Gegenstand des Verfahrens sind dabei (nur) die Bescheide der Beklagten vom 26. August 2004 (Rentenablehnungsbescheid), 3. Januar 2005 (Ablehnung einer EZ wegen AU vom 9. Mai 1946 bis 31. Dezember 1949) und der sich zu diesen Bescheiden verhaltende Widerspruchsbescheid vom 30. März 2006. Die im Verwaltungsverfahren noch streitige Vormerkung von Ausbildungs-Anrechnungszeiten hat die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2006 anerkannt.

Die Klägerin hat im Hinblick auf ihren im Juni 2003 gestellten Antrag (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 ZRBG) gegen die Beklagte keinen Anspruch auf RAR nach § 35 SGB VI für die Zeit ab 1. Juli 1997 (Inkrafttreten des ZRBG; vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R = SozR 4-5075 § 1 Nr 3), weil sie die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) nicht erfüllt und auch nicht durch die Zahlung freiwilliger Beiträge erfüllen kann.

Versicherte haben Anspruch auf RAR, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 35 SGB VI). Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Nach § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten und EZ angerechnet. Für die Klägerin sind keine 60 Kalendermonate mit Beitragszeiten bzw. EZ zu berücksichtigen.

Mit den von der Klägerin geltend gemachten und von der Beklagten in vollem Umfang vorgemerkten Ghetto-Beitragszeiten iS von § 2 Abs. 1 ZRBG vom 1. August 1943 bis 8. Mai 1945 (22 Monate) und den nach Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den U über Soziale Sicherheit (D) vom 7. Januar 1976 (BGBl. 1976 II, S. 1358) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 2. Oktober 1986 (BGBl. 1988 II, S. 83) und des Zweiten Zusatzabkommens vom 6. März 1995 (BGBl. 1996 II, S. 302) auf die allgemeine Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten in den U (21 Monate) werden nur 43 Monate erreicht, jedoch keine 60 Monate. Sonstige Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten in der damaligen T bzw. im Herkunftsgebiet hat die Klägerin nicht zurückgelegt, so dass es jedenfalls auch keiner Klärung bedarf, ob die Klägerin zum Personenkreis des § 1 Fremdrentengesetz (FRG) oder dem des § 17a FRG bzw. des § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) zu zählen ist. Der Rechtsprechung des inzwischen für Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zuständigen 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 14. Dezember 2006 (- B 4 R 29/06 R -), wonach ein Rentenanspruch aufgrund von Ghetto-Beitragszeiten nicht die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voraussetze, folgt der Senat nicht. Ein entsprechender Rechtssatz lässt sich dem ZRBG, insbesondere § 1 Abs. 3 ZRBG, nicht entnehmen (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 26. Juli 2007 – B 13 R 28/06 R = SozR 4-5075 § 1 Nr 4).

Auch mithilfe von EZ nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI erreicht die Klägerin nicht die erforderlichen auf die Wartezeit anrechenbaren 60 Kalendermonate. Eine nach dem Vorbringen der Klägerin einzig in Betracht kommende EZ wegen krankheitsbedingter AU im Anschluss an die Verfolgungsmaßnahmen gemäß den §§ 43, 47 BEG ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht (vgl. § 3 WGSVG). EZ sind u.a. Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen sind oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 BEG) oder sie im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen oder infolge Verfolgungsmaßnahmen arbeitslos gewesen sind, auch wenn sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden haben, längstens aber die Zeit bis 31. Dezember 1946 (§ 250 Abs. 1 Nr. 4a SGB VI). Für eine Zeit der Arbeitslosigkeit der Klägerin im Anschluss an die bis 8. Mai 1945 andauernde Verfolgung besteht kein Anhalt, zumal die Klägerin für die Zeit nach ihrer Befreiung am 8. Mai 1945 bis zu ihrer Auswanderung nach A im Jahr 1948 durchgängig eine Schulausbildung in P behauptet hat.

Eine EZ wegen krankheitsbedingter AU vom 9. Mai 1945 bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs der Klägerin am 20. Juni 1945 kommt schon wegen des Lebensalters nicht in Betracht. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine EZ wegen krankheitsbedingter AU nach dem 8. Mai 1946 sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht (vgl. § 3 WGSVG). Denn es fehlt bereits an einem plausiblen und vor allem widerspruchsfreien und damit glaubhaften Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Krankheitszeiten, der eine tragfähige Grundlage für die von der Klägerin geltend gemachten EZ wegen krankheitsbedingter AU vom 9. Mai 1946 bis 31. Dezember 1948 (so die Berufungsschrift vom 14. Januar 2008) bilden könnte.

In der persönlich verfassten und unterschriebenen Erklärung vom 10. Januar 2005 hat die Klägerin ihr Schicksal nach der Befreiung umfassend geschildert; sie hat indes dabei keinerlei Erkrankung erwähnt, sondern vielmehr ausgeführt, dass sie wegen der Vollendung des 14. Lebensjahres im Juni 1945 wie alle Kinder in P zur Schule habe gehen müssen, und zwar bis 1948. Wegen der Auswanderung nach B A habe sie dann dort die L Sbesucht und diese 1949 abgeschlossen. In der Erklärung der Bevollmächtigten der Klägerin vom 11. November 2004 heißt es dagegen, die Klägerin sei zunächst bis 1946 verfolgungsbedingt erkrankt gewesen und habe dann ihre Schulausbildung nachgeholt. Mit den Angaben der Klägerin vom 10. Januar 2005 ist dieses Vorbringen aber schlechterdings unvereinbar, ebenso wie der weitere Vortrag, dass die Klägerin nach ihrer Emigration in B A erneut erkrankt sei, und zwar "ungefähr bis Mitte 1950". Auch mit den Schilderungen im Jahrbuch der L S, auf die sich die Klägerin in ihrem Schreiben vom 10. Januar 2005 ausdrücklich beruft, ist eine bis in das Jahr 1950 andauernde und AU bedingende Erkrankung nicht in Einklang zu bringen. Denn in diesem Jahrbuch wird die Klägerin als hervorragende Schülerin und Sportlerin in Basketball, Baseball und Modernem Fünfkampf beschrieben, den sie zwei Jahre hintereinander gewonnen habe. Sie habe einen der höchsten Notendurchschnitte erhalten, der in einer derart kurzen Zeit jemals an der LS erzielt worden sei. Angesichts der von der Klägerin behaupteten und in A angeblich bis in das Jahr 1950 andauernden, ernsthaften Erkrankung lässt sich ein derartiger nachweislicher Erfolg auf schulischem und sportlichem Gebiet nicht erklären.

Mit den zu ihrem Vorbringen vom 10. Januar 2005 im Widerspruch stehenden Erklärungen vom 12. Mai 2005 und 22. Mai 2007 hat die Klägerin schließlich – und erstmals persönlich -vorgetragen, schon seit ihrer Inhaftierung im Lager Theresienstadt an Magenkrämpfen und anderen gastro-intestinalen Symptomen gelitten zu haben, die bis heute andauern würden. Besonders schwerwiegend seien die Symptome in den Jahren 1945 bis 1948 gewesen, in denen sie nicht in der Lage gewesen sei zu arbeiten. Sie sei damals "häufig schwach und nicht fähig" gewesen, "das Bett zu verlassen". Weshalb die Klägerin eine derart schwere Erkrankung, die nach ihrem zuletzt vorgetragenen Vorbringen auch keinen Schulbesuch zugelassen hätte, zunächst überhaupt nicht erwähnt hat, ist nicht nachzuvollziehen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung des klägerischen Vortrags sind daher die tatsächlichen Grundlagen für die Annahme krankheitsbedingter AU ab 9. Mai 1946 (ggfs. für welchen Zeitraum?) nicht als überwiegend wahrscheinlich anzusehen. Die bloße Möglichkeit, dass die Klägerin in dem streitigen Zeitraum in nicht näher bestimmbaren Zeitabschnitten erkrankt und hierdurch zeitweise am Schulbesuch gehindert gewesen sein könnte, reicht hierfür nicht aus.

Abgesehen von dem nicht widerspruchsfreien eigenen Vorbringen der Klägerin können auch die von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten schriftlichen Erklärungen der Zeugen E und J nicht dazu führen, eine krankheitsbedingte AU nach der Befreiung als nachgewiesen oder glaubhaft gemacht anzusehen. Denn der Zeuge J bestätigt zwar den Schulbesuch in P, trägt andererseits aber vor, die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, "erwerbstätig" zu sein. Die Zeugin E wiederum bekräftigt nunmehr auch für die Zeit, in der die Klägerin selbst – zuletzt - keine ernsthaften Erkrankungen mehr vorgetragen hatte, nämlich für die Zeit in A, dass diese "oft" in der Schule gefehlt habe. Mit dem Vortrag der Klägerin und dem Inhalt des eingereichten Jahrbuches der L S ist dies, wie bereits dargelegt, nicht vereinbar. Es fehlt zudem auch an medizinischen Anknüpfungstatsachen, die (nur) Grundlage einer nachvollziehbaren Feststellung von AU sein könnten. Demgemäß hat auch der beratende Arzt der Beklagten Ge nur feststellen können, dass aus medizinischer Sicht keine AU-Zeiten im maßgebenden Zeitraum zu objektivieren seien. Die ärztliche Äußerung des die Klägerin seit 1998 behandelnden Gastroenterologen L vom 27. April 2005 beschränkt sich nämlich auf die Bewertung, dass es "gewiss vorstellbar" sei, dass die Reizdarmerkrankung "vor vielen Jahren" aufgetreten sei. Für die tatsächliche Feststellung der Voraussetzungen krankheitsbedingter AU in den Jahren 1945 bis 1948 reicht diese ohne sichere Beurteilungsgrundlagen abgegebene Einschätzung aber nicht aus.

Für die Klägerin besteht auch nicht die Möglichkeit, freiwillige Beiträge zu entrichten, um die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Nach Maßgabe von Nr. 7b des Schlussprotokolls zum D (SP-D) sind nämlich a Staatsangehörige, die sich – wie die Klägerin - gewöhnlich außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung (nur) berechtigt, wenn sie zu dieser mindestens 60 Monate wirksam Beiträge entrichtet haben oder aufgrund übergangsrechtlicher Rechtsvorschriften, die vor dem 19. Oktober 1972 in Kraft waren, zur freiwilligen Versicherung berechtigt waren. Beides ist bei der Klägerin nicht der Fall. Die vor dem genannten Datum geltenden übergangsrechtlichen Rechtsvorschriften (vgl. Art. 2 § 5 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz) sahen ein Recht zur Fortsetzung der Versicherung nur in den dort genannten Fallgestaltungen vor, deren Voraussetzungen die Klägerin ersichtlich nicht erfüllt. Auch ein Recht auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Nr. 7c SP-DASVA besteht ungeachtet dessen, dass die dort normierte Antragsfrist ohnehin abgelaufen ist, nicht. Denn die Klägerin hatte nach den bis 18. Oktober 1972 geltenden Rechtsvorschriften (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz – AVG -) kein Recht zur freiwilligen Versicherung, weil sie nicht innerhalb von zehn Jahren mindestens 60 Kalendermonate Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung entrichtet hatte. Ihr Recht zur freiwilligen Versicherung konnte daher durch die ab 19. Oktober 1972 erfolgte Neuregelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AVG nicht "entfallen" (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 22. Oktober 1987 – 12 RK 9/87 = SozR 6961 Nr 7 Nr 1). Für die Nachentrichtungsmöglichkeiten nach den §§ 21, 22 WGSVG sind ungeachtet dessen, ob die Klägerin die Voraussetzungen der §§ 1, 17a FRG, 20 WGSVG erfüllt, die Antragsfristen ebenfalls abgelaufen. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB VI statuiert nur ein Recht zur freiwilligen Versicherung für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Artikel 4 Abs. 1 D sieht zwar eine Gleichstellung der Staatsangehörigkeiten und Gebiete vor, jedoch nur unter den Einschränkungen des SP (vgl. hierzu bereits oben).

Auch die Berücksichtigung einer EZ nach § 250 Abs. 1 Nr. 4b SGB VI kommt nicht in Betracht. Hierzu wäre Voraussetzung, dass die Versicherte infolge von Verfolgungsmaßnahmen bis zum 30. Juni 1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereiches der Reichsversicherungsgesetze oder danach in Gebieten außerhalb des Geltungsbereiches der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 genommen oder einen solchen beibehalten hätte, längstens aber die Zeit bis 31. Dezember 1949. Dies setzte aber voraus, dass ihr ein Schaden in der deutschen Rentenversicherung dadurch entstanden wäre, dass sie einmal in den Bereich des deutschen Rentenversicherungsrechts eingegliedert war (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2006 - B 13 RJ 7/05 R = 4-2600 § 250 Nr. 2). Weder die ehemalige T noch das "Protektorat Böhmen und Mähren", in dem seinerzeit das Ghetto Theresienstadt lag, befanden sich aber jemals im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze, sondern nur das Sudetenland.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen im Hinblick darauf, dass der 4. Senat des BSG für Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zuständig ist und die Frage, ob aus Ghetto-Beitragszeiten auch ohne Erfüllung der allgemeinen Wartezeit eine RAR zu zahlen ist, nunmehr iS der Rechtsprechung des 13. Senats zu verneinen ist, nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved