Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 67/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei Streit über die Wirksamkeiten ferner Klagerücknahme ist ein Befangenheitsgesuch gegen den Richter erster Instanz nicht unzulässig, weil dieser weiter mit der Sache befasst ist.
Das Gesuch des Antragstellers, den Richter am Sozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Dies zugrunde gelegt hat der Antragsteller hier keinen Grund glaubhaft gemacht, der Anlass bieten könnte, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln.
Der Antragsteller ist der Vater des 1996 geborenen R M (nachfolgend: M). Streitbefangen in dem hier zugrunde liegenden Klageverfahren ist ein anteiliger Anspruch des M auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Buch für den Monat April 2005.
Mit Schreiben vom 21.08.2008 wies der Beklagte darauf hin, dass der minderjährige M im Klageverfahren durch den Kindesvater und Antragsteller nicht ordnungsgemäß vertreten sei. Der abgelehnte Richter schrieb daraufhin am 25.09.2008 an den Antragsteller: " ergeben sich seit dem Termin am 18. Juni 2008 hinsichtlich der Vertretungsmacht Probleme, die bisher weder von der ... noch von der ... Kammer dargelegt worden sind. Die Regelung des § 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach das Gericht die Vollmacht unter Verwandten in gerade Linie unterstellen kann, ist nämlich zum 1. Juli 2008 ersatzlos gestrichen worden. Der Gesetzgeber hat die Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes zum Anlass genommen, die Vertretungsregelungen in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten aneinander anzugleichen. Dabei ist die genannte Regelung, die in der Sozialgerichtsbarkeit hohe Bedeutung und erhebliche praktische Auswirkungen hatte, wohl ohne nähere Diskussion gestrichen worden. Nach dem nunmehr geltenden § 73 SGG sind Sie zwar befugt, Ihren Sohn zu vertreten. Allerdings ist dafür nunmehr eine schriftliche Vollmacht erforderlich. Da die Sorgeberechtigten das Kind gemeinsam vertreten, bedarf es einer Vollmacht Ihrer geschiedenen Frau. Diese werde ich schriftlich um die Erteilung einer solchen bitten. Da jedoch die Klage nach dem bis zum 30 Juni 2008 geltenden Vertretungsrecht wirksam erhoben und geführt worden ist, hätte auch die Verweigerung der Vollmachtserteilung durch die Mutter nicht zur Folge, dass die Klage unzulässig wäre. Folge wäre allein, dass der Kläger nicht mehr durch Sie als Prozessbevollmächtigten vertreten wäre, sondern durch Sie und Ihre geschiedene Frau gemeinsam als gesetzliche Vertreter. Dabei gehe ich davon aus, dass Ihnen beiden das Sorgerecht gemeinsam zusteht. Insoweit haben Sie jedoch meine Anfrage vom 26. August 2008 nicht beantwortet. Dies bitte ich, noch nachzuholen."
An die Kindesmutter schrieb der Richter unter dem gleichen Datum: "in obiger Sache stehen die Ansprüche für ihren Sohn R im April 2005 während der Zeit des Aufenthalts bei seinem Vater, Herrn J K-G, im Streit. Diesen Prozess hat Herr K-G bisher aufgrund einer vom Gericht unterstellten Vollmacht als Vater von R geführt. Aufgrund einer Änderung des Prozessrechtes zum 1. Juli 2008 kann er in dieser Sache jedoch nur dann weiter als Prozessbevollmächtigter für R tätig werden, wenn er eine schriftliche Vollmacht aller Sorgerechtsberechtigten vorlegt. Da ich gegenwärtig davon ausgehe, dass Sie und Herr K-G das gemeinsame Sorgerecht für Rinnehaben, wäre eine Vollmachtserteilung durch Sie erforderlich. Falls Sie diese Vollmacht erteilen wollen, bitte ich um Rücksendung des beigefügten Formulars. Falls Sie diese Vollmacht nicht erteilen, wäre R in diesem Prozess durch die gesetzlichen Vertreter vertreten. Bei gemeinsamem Sorgerecht hätte dies zur Folge, dass Entscheidungen des Gerichts Ihnen beiden zuzustellen wären und Prozesserklärungen für R nur gemeinsam abgegeben werden können."
Die Kindesmutter teilte daraufhin dem Richter telefonisch mit, dass sie seit September 2005 das alleinige Sorgerecht für R habe und nicht mit der weiteren Durchführung des Verfahrens einverstanden sei. Sie wolle die Klage zurücknehmen. Der Richter sandte ihr daraufhin eine vorbereitete Rücknahmeerklärung, die die Kindesmutter unterzeichnet zurücksandte verbunden mit der erbetenen Kopie der Sorgerechtsentscheidung. Nachdem der Richter telefonisch mit dem Kammergericht abgeklärt hatte, dass die ursprünglich mit der Beschwerde angefochtene Sorgerechtsentscheidung mittlerweile rechtskräftig sei, verfügte er die Erledigung des Klageverfahrens und teilte dies dem Antragsteller mit. Dieser erhob zunächst Beschwerde gegen die Erledigung des Verfahrens und beantragte nach Belehrung durch das Landessozialgericht die Fortsetzung des Verfahrens durch das Sozialgericht unter Rücknahme der Beschwerde.
Sodann lehnte der Antragsteller den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Richter habe noch vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung des Vertretungsrechts entscheiden können. Er habe ihn und die Kindesmutter fehlerhaft informiert und ihnen die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs verwehrt.
Das Befangenheitsgesuch ist zulässig. Ihm steht nicht entgegen, dass die Kindesmutter die Klage zurückgenommen hat; denn bei Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme ist der abgelehnte Richter weiter befasst. Er hat die Verhandlung fortzusetzen und ggf. durch Urteil darüber zu entscheiden, ob die Klage wirksam zurückgenommen wurde (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Rdnr. 12 zu § 102 SGG).
Das Gesuch ist jedoch im Hinblick auf die dargelegten Umstände und die vorgetragenen Argumente des Antragstellers nicht begründet. Das Verhalten des Richters bietet bei objektiver Betrachtung keinen Anlass, Zweifel an seiner Unbefangenheit zu hegen.
Der Richter hat den Antragsteller nicht "belogen", wie der Antragsteller meint und ihm und der Kindesmutter damit das rechtliche Gehör versagt, sondern tatsächlich die Kindesmutter schriftlich um Erteilung der Vollmacht zur weiteren Prozessführung gebeten. Dass sich dabei heraus stellte, dass die Kindesmutter seit längerem das alleinige Sorgerecht besaß, ist nicht dem Richter anzulasten sondern der fehlenden Information durch den Antragsteller. Die Gesetzesänderung, die zum Wegfall des § 73 Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geführt hat, hat deshalb an dem Sachverhalt nichts Wesentliches verändert. Bei Kenntnis der Sorgerechtsentscheidung hätte das Gericht auch vor dem 1.07.2008 die Vertretungsberechtigung des Antragstellers nicht mehr unterstellen dürfen, da diese seit der Rechtskraft der Sorgerechtsentscheidung nicht mehr bestand. Das Gericht hätte deshalb von seinem Standpunkt aus auch nicht am 18.06.2008 zugunsten des Antragstellers entscheiden können. Ob dem Antragsteller gleichwohl möglicherweise ein Recht zusteht, den Anspruch des M nach dem SGB II auch gegen den Willen der Kindesmutter durchzusetzen und ob dies auf dem Weg der Erteilung einer Prozessvollmacht durch das Familiengericht möglich ist, den der Antragsteller beschritten hat, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und kann deshalb dahinstehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Dies zugrunde gelegt hat der Antragsteller hier keinen Grund glaubhaft gemacht, der Anlass bieten könnte, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln.
Der Antragsteller ist der Vater des 1996 geborenen R M (nachfolgend: M). Streitbefangen in dem hier zugrunde liegenden Klageverfahren ist ein anteiliger Anspruch des M auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Buch für den Monat April 2005.
Mit Schreiben vom 21.08.2008 wies der Beklagte darauf hin, dass der minderjährige M im Klageverfahren durch den Kindesvater und Antragsteller nicht ordnungsgemäß vertreten sei. Der abgelehnte Richter schrieb daraufhin am 25.09.2008 an den Antragsteller: " ergeben sich seit dem Termin am 18. Juni 2008 hinsichtlich der Vertretungsmacht Probleme, die bisher weder von der ... noch von der ... Kammer dargelegt worden sind. Die Regelung des § 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach das Gericht die Vollmacht unter Verwandten in gerade Linie unterstellen kann, ist nämlich zum 1. Juli 2008 ersatzlos gestrichen worden. Der Gesetzgeber hat die Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes zum Anlass genommen, die Vertretungsregelungen in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten aneinander anzugleichen. Dabei ist die genannte Regelung, die in der Sozialgerichtsbarkeit hohe Bedeutung und erhebliche praktische Auswirkungen hatte, wohl ohne nähere Diskussion gestrichen worden. Nach dem nunmehr geltenden § 73 SGG sind Sie zwar befugt, Ihren Sohn zu vertreten. Allerdings ist dafür nunmehr eine schriftliche Vollmacht erforderlich. Da die Sorgeberechtigten das Kind gemeinsam vertreten, bedarf es einer Vollmacht Ihrer geschiedenen Frau. Diese werde ich schriftlich um die Erteilung einer solchen bitten. Da jedoch die Klage nach dem bis zum 30 Juni 2008 geltenden Vertretungsrecht wirksam erhoben und geführt worden ist, hätte auch die Verweigerung der Vollmachtserteilung durch die Mutter nicht zur Folge, dass die Klage unzulässig wäre. Folge wäre allein, dass der Kläger nicht mehr durch Sie als Prozessbevollmächtigten vertreten wäre, sondern durch Sie und Ihre geschiedene Frau gemeinsam als gesetzliche Vertreter. Dabei gehe ich davon aus, dass Ihnen beiden das Sorgerecht gemeinsam zusteht. Insoweit haben Sie jedoch meine Anfrage vom 26. August 2008 nicht beantwortet. Dies bitte ich, noch nachzuholen."
An die Kindesmutter schrieb der Richter unter dem gleichen Datum: "in obiger Sache stehen die Ansprüche für ihren Sohn R im April 2005 während der Zeit des Aufenthalts bei seinem Vater, Herrn J K-G, im Streit. Diesen Prozess hat Herr K-G bisher aufgrund einer vom Gericht unterstellten Vollmacht als Vater von R geführt. Aufgrund einer Änderung des Prozessrechtes zum 1. Juli 2008 kann er in dieser Sache jedoch nur dann weiter als Prozessbevollmächtigter für R tätig werden, wenn er eine schriftliche Vollmacht aller Sorgerechtsberechtigten vorlegt. Da ich gegenwärtig davon ausgehe, dass Sie und Herr K-G das gemeinsame Sorgerecht für Rinnehaben, wäre eine Vollmachtserteilung durch Sie erforderlich. Falls Sie diese Vollmacht erteilen wollen, bitte ich um Rücksendung des beigefügten Formulars. Falls Sie diese Vollmacht nicht erteilen, wäre R in diesem Prozess durch die gesetzlichen Vertreter vertreten. Bei gemeinsamem Sorgerecht hätte dies zur Folge, dass Entscheidungen des Gerichts Ihnen beiden zuzustellen wären und Prozesserklärungen für R nur gemeinsam abgegeben werden können."
Die Kindesmutter teilte daraufhin dem Richter telefonisch mit, dass sie seit September 2005 das alleinige Sorgerecht für R habe und nicht mit der weiteren Durchführung des Verfahrens einverstanden sei. Sie wolle die Klage zurücknehmen. Der Richter sandte ihr daraufhin eine vorbereitete Rücknahmeerklärung, die die Kindesmutter unterzeichnet zurücksandte verbunden mit der erbetenen Kopie der Sorgerechtsentscheidung. Nachdem der Richter telefonisch mit dem Kammergericht abgeklärt hatte, dass die ursprünglich mit der Beschwerde angefochtene Sorgerechtsentscheidung mittlerweile rechtskräftig sei, verfügte er die Erledigung des Klageverfahrens und teilte dies dem Antragsteller mit. Dieser erhob zunächst Beschwerde gegen die Erledigung des Verfahrens und beantragte nach Belehrung durch das Landessozialgericht die Fortsetzung des Verfahrens durch das Sozialgericht unter Rücknahme der Beschwerde.
Sodann lehnte der Antragsteller den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Richter habe noch vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung des Vertretungsrechts entscheiden können. Er habe ihn und die Kindesmutter fehlerhaft informiert und ihnen die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs verwehrt.
Das Befangenheitsgesuch ist zulässig. Ihm steht nicht entgegen, dass die Kindesmutter die Klage zurückgenommen hat; denn bei Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme ist der abgelehnte Richter weiter befasst. Er hat die Verhandlung fortzusetzen und ggf. durch Urteil darüber zu entscheiden, ob die Klage wirksam zurückgenommen wurde (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Rdnr. 12 zu § 102 SGG).
Das Gesuch ist jedoch im Hinblick auf die dargelegten Umstände und die vorgetragenen Argumente des Antragstellers nicht begründet. Das Verhalten des Richters bietet bei objektiver Betrachtung keinen Anlass, Zweifel an seiner Unbefangenheit zu hegen.
Der Richter hat den Antragsteller nicht "belogen", wie der Antragsteller meint und ihm und der Kindesmutter damit das rechtliche Gehör versagt, sondern tatsächlich die Kindesmutter schriftlich um Erteilung der Vollmacht zur weiteren Prozessführung gebeten. Dass sich dabei heraus stellte, dass die Kindesmutter seit längerem das alleinige Sorgerecht besaß, ist nicht dem Richter anzulasten sondern der fehlenden Information durch den Antragsteller. Die Gesetzesänderung, die zum Wegfall des § 73 Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geführt hat, hat deshalb an dem Sachverhalt nichts Wesentliches verändert. Bei Kenntnis der Sorgerechtsentscheidung hätte das Gericht auch vor dem 1.07.2008 die Vertretungsberechtigung des Antragstellers nicht mehr unterstellen dürfen, da diese seit der Rechtskraft der Sorgerechtsentscheidung nicht mehr bestand. Das Gericht hätte deshalb von seinem Standpunkt aus auch nicht am 18.06.2008 zugunsten des Antragstellers entscheiden können. Ob dem Antragsteller gleichwohl möglicherweise ein Recht zusteht, den Anspruch des M nach dem SGB II auch gegen den Willen der Kindesmutter durchzusetzen und ob dies auf dem Weg der Erteilung einer Prozessvollmacht durch das Familiengericht möglich ist, den der Antragsteller beschritten hat, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und kann deshalb dahinstehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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