Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 SO 235/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 255/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. September 2008 wird in der Sache zurückgewiesen. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung werden aufgehoben. Außergerichtliche Kosten des gesamten Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Bescheidung von Widersprüchen hat, die die vormals vom ambulanten Pflegedienst des Klägers gepflegte, inzwischen verstorbene Hilfeempfängerin eingelegt hat.
Die 2007 verstorbene Hilfeempfängerin war schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen B, aG und T). Ihr war die Pflegestufe III zuerkannt worden. Mit Bescheid vom 10. April 2006 gewährte der Beklagte der Hilfeempfängerin Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege für die Zeit vom 3. Februar 2006 bis zum 30. April 2007 im Umfang von 24 Stunden täglich, die der vom Kläger betriebene ambulante Pflegedienstes ausführte. Dabei setzte der Beklagte den Eigenanteil der Hilfeempfängerin an den Pflegekosten mit 237,67 Euro monatlich fest. Nach einer erneuten Prüfung durch den ärztlichen Dienst des Beklagten hob dieser mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 den Bescheid vom 10. April 2006 auf und bewilligte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Zeit ab 15. Oktober 2006 häusliche Pflege nur noch in einem Umfang von 20 Stunden täglich. Der festgesetzte Eigenanteil blieb unverändert. Hiergegen legte die Hilfeempfängerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2006 – Eingang am 3. November 2006 – Widerspruch ein und trug vor, dass eine 20stündige Pflege nicht ausreichend sei. Mit Beschluss vom 21. November 2006 ordnete das Sozialgericht Berlin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an (S 2 SO 2606/06 ER). Daraufhin gewährte der Beklagte der Hilfeempfängerin weiter die Kosten für eine 24-stündige Pflege unter Abzug des errechneten Eigenanteils. Bereits mit Schreiben vom 26. September 2006 hatte die Hilfeempfängerin die Übernahme der Kosten für den Eigenanteil der Krankenkasse für eine Rehabilitationsmaßnahme, den Eigenanteil der Pflegekasse für eine Kurzzeitpflege und für eine Verhinderungspflege beantragt. Mit Schreiben vom 30. November 2006 ergänzte die Hilfeempfängerin ihren Widerspruch dahingehend, dass der von ihr zu entrichtende Eigenanteil nicht richtig berechnet worden sei, weil unter anderem die mit dem Schreiben vom 26. September 2006 geltend gemachten Belastungen nicht zutreffend bei der Feststellung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse berücksichtigt worden seien. Mit Bescheid vom 23. April 2007 bewilligte der Beklagte der Hilfeempfängerin nach Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme wiederum häusliche Pflege im Umfang von 24 Stunden täglich für den Zeitraum vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Januar 2008, wobei ihr Eigenanteil im bisheriger Höhe abgezogen wurde. Gleichzeitig teilte der Beklagte der Hilfeempfängerin mit, dass er aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2006 bisher weiter Leistungen im Umfang von 24 Stunden übernommen habe und deshalb davon ausgehe, dass sich der Widerspruch insoweit erledigt habe. Soweit sich die Hilfeempfängerin gegen die Berechnung des Eigenanteils wende, sei kein erneuter Widerspruch erforderlich, weil diese im Rahmen der weiteren Widerspruchsbearbeitung überprüft werde. Diesbezüglich forderte der Beklagte von der Hilfeempfängerin noch verschiedene Unterlagen, um über den Widerspruch und den Antrag vom 26. September 2006 entscheiden zu können. Zwischenzeitlich gewährte der Beklagte der Hilfeempfängerin auf ihren Antrag vom 17. Mai 2007 hin mit Bescheid vom 20. Juni 2007 Pflegegeld in Höhe von 221,67 Euro monatlich. Der Beklagte führte weitere Ermittlungen und forderte den bevollmächtigten Sohn der Hilfeempfängerin mit Schreiben vom 26. Juni 2007 und 17. August 2007 zur Übersendung weiterer Unterlagen auf, insbesondere werde eine Aufstellung benötigt, aus der sich ergebe, welche Klinik – bzw. Pflegekosten noch offen seien. Unter dem 27. August 2007 gab der Bevollmächtigte der Hilfeempfängerin an, dass er nicht mehr alle Unterlagen gefunden habe. Nachdem sie Ende Oktober 2007 verstorben war, teilte der Beklagte ihrem Sohn und Bevollmächtigen mit Schreiben vom 21. November 2007 mit, dass Sozialhilfeansprüche nur in Ausnahmefällen vererbt werden könnten. Ein solcher Fall läge hier nicht vor, so dass keine Bearbeitung des Widerspruches mehr erfolgen könne. Mit Schreiben vom 27. November 2007 zeigte der Kläger dem Beklagten an, dass die Ansprüche aus den Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 4. Oktober 2006 und vom 23. April 2007 gemäß § 19 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – auf ihn übergegangen seien. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er den Anspruchsübergang nicht bestätigen könne. Der Schutz des § 19 Abs. 6 SGB XII gelte nur für Einrichtungen und für den Anspruch auf ein Pflegegeld. Mit am 25. Januar 2008 beim Sozialgericht Berlin erhobener Untätigkeitsklage begehrte der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, über die Widersprüche der verstorbenen Hilfeempfängerin vom 29. Oktober 2006 und 26. April 2007 zu entscheiden. Sie habe für die Monate November 2006 bis Juli 2007 nur einen Eigenanteil von 150,00 Euro und für die Monate August bis Oktober 2007 gar keinen Eigenanteil gezahlt.
Die vom Beklagten vertretene Auffassung, ambulante Dienste seien keine Einrichtungen im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII, sei vom Gesetz nicht gedeckt. Unter den Einrichtungsbegriff des § 13 Abs. 2 SGB XII fielen auch ambulante Einrichtungen. Der Einrichtungsbegriff sei dort weiter – umfassender – zu verstehen, als beispielsweise in § 75 Abs. 1 Satz SGB XII. Auch entspräche es dem Verständnis des § 19 Abs. 6 SGB XII, dass jedem, der bedarfsdeckend pflege, eine Erstattungsmöglichkeit gegeben werden solle. Eine enge Auslegung des Einrichtungsbegriffs im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII lasse sich weder aus der Systematik des Gesetzes noch aus der Norm ableiten; die Forderung der Hilfeempfängerin sei deshalb auf ihn übergegangen und die Klage zulässig. Im Übrigen entspräche seine Auslegung auch dem Willen des Gesetzgebers.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. September 2008 abgewiesen. Es ist der Auffassung, dass die Klage – über die im Einverständnis mit den Beteiligten in schriftlicher Entscheidung entschieden wurde – bereits unzulässig sei. Ein Anspruchsübergang auf den Kläger gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII habe nicht stattgefunden. Der dort geregelte Anspruchsübergang erfasse nur den Anspruch eines Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen, zum anderen dessen Anspruch auf Pflegegeld. Die in § 19 Abs. 6 SGB XII genanten Träger und Personen könnten gegebenenfalls einen übergegangenen Anspruch oder damit akzessorisch einen Bescheidungsanspruch in eigenem Namen geltend machen. Die Hilfeempfängerin habe mit ihrem Widerspruch nicht "höhere Leistungen für Einrichtungen" beansprucht. Die Kammer folge nicht der vom Kläger vertretenen Auffassung, dass zu den nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf den Leistungsträger übergehenden Ansprüchen auch der Anspruch auf Übernahme angemessener Kosten für eine besondere Pflegekraft nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII und insoweit auch auf Kosten für einen ambulanten Pflegedienst gehörten. Der diesbezüglichen vom Kläger zitierten Rechtsprechung folge die Kammer nicht. Vielmehr sei – wie auch in der Literatur überwiegend vertreten – davon auszugehen, dass Einrichtungen im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII nur stationäre oder teilstationäre Einrichtungen seien.
Bei der Auslegung des Begriffs "Einrichtung" in § 19 Abs. 6 SGB XII ergebe weder der Wortsinn noch die historische oder teleologische Auslegung, dass ambulante Dienste unter diesen Begriff fielen. Bei der Auslegung einer Norm bilde der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, dem besonderen Sprachgebrauch und dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn den Ausgangspunkt der Auslegung, zugleich würden sich daraus die Grenzen der Auslegung bestimmen. Nach diesen Maßstäben komme man zu der Feststellung, dass Einrichtungen Komplexe seien, die von Menschen für bestimmte Bedarfe rund um die Uhr (stationär) oder nur stundenweise (teilstationär) aufgesucht würden. Auch der Sprachgebrauch innerhalb des SGB XII mache klar, dass zwischen Einrichtungen und Diensten, beziehungsweise Leistungen für Einrichtungen und Leistungen, die außerhalb von Einrichtungen erbracht würden, zu unterscheiden sei. In § 75 SGB XII würden die Dienste nach Absatz 1 Satz 2 nunmehr ausdrücklich neben die Einrichtungen gestellt und in den Anwendungsbereich des Zehnten Kapitel einbezogen. Auch sei es aufschlussreich, dass im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 63 SGB XII ausdrücklich zwischen stationären und teilstationären Einrichtungen einerseits und ambulanten Leistungen andererseits unterschieden werde. Die Tatsache, dass es nunmehr – anders als noch in § 28 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) – in § 19 Abs. 6 SGB XII "Leistungen für Einrichtungen" und nicht mehr "Leistungen in Einrichtungen" heiße, belege nicht, wie der Kläger meine, dass unter den Begriff "Einrichtung" nunmehr auch Dienste fielen. Diese Formulierung sei auch in § 13 SGB XII eingeführt worden, ohne dass der Gesetzgeber hierdurch die Unterscheidung zwischen Leistungen in und außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen) habe aufgeben wollen. Auch die möglichen Motive des Gesetzgebers – die im Übrigen nicht eindeutig seien – könnten nicht zu einer Rechtsanwendung contra legem führen. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift sei ausgeschlossen, denn es liege keine planwidrige Regelungslücke vor, die eine entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 6 SGB XII zuließe. Denn selbst wenn es sich vormals um ein Redaktionsversehen des BSHG-Gesetzgebers gehandelt haben sollte, könne hiervon nach Inkrafttreten des SGB XII nicht mehr ausgegangen werden. Der Gesetzgeber habe § 28 Abs. 2 BSHG in seiner bisherigen Fassung und Reichweite übernehmen wollen, obgleich er innerhalb des Gesetzes durchaus zwischen Leistungen für Einrichtungen und sonstigen Leistungen beziehungsweise zwischen Einrichtungen und Diensten unterschieden habe und die Rechtsprechung hierzu nicht einheitlich gewesen sei. Außerdem habe § 19 Abs. 6 SGB XII Ausnahmecharakter. Grundsätzlich sei der Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragbar, verpfändbar oder pfändbar (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). In Bezug auf die Rechtsnachfolge stelle § 19 Abs. 6 SGB XII eine die §§ 56 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I – verdrängende lex specialis dar, der Unbilligkeiten vermeiden solle, die zuvor entstanden seien, wenn mit dem Tod des Berechtigten noch nicht erfüllte Leistungsansprüche untergegangen seien.
Gegen das ihm am 25. September 2008 zugestellte Urteil hat sich der Kläger mit seiner am 21. Oktober 2008 eingelegten Berufung gewandt. Ergänzend zu seinen erstinstanzlichen Ausführungen hat der Kläger ausgeführt, dass der Gesetzgeber sehr wohl in § 19 Abs. 6 SGB XII wie auch schon in § 28 BSHG die ambulanten Dienste habe mit einbeziehen wollen, dies ergebe sich aus der Begründung zu der Neuregelung des § 28 Abs. 2 BSHG, in der eindeutig von ambulanter Pflege die Rede gewesen sei. Auch könne daraus, dass der Gesetzgeber in § 19 Abs. 6 SGB XII anders als noch in § 28 Abs. 2 BSHG von Leistungen für Einrichtungen spreche, der Schluss gezogen werden, dass nunmehr auch Leistungen, die nicht in, sondern nur durch Einrichtungen erbracht würden, unter die Norm zu subsumieren seien. Auch der Wortlaut der Norm schließe es nicht aus, ambulante Pflegedienste unter den Begriff "Einrichtung" zu fassen, weil dieser nicht eindeutig sei und innerhalb des SGB XII unterschiedlich angewandt werde.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 10. September 2008 zu verurteilen, die Widersprüche der Hilfeempfängerin gegen die Bescheide vom 4. Oktober 2006 und vom 23. April 2007 bezüglich des zu leistenden Eigenanteils zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klage unzulässig ist, weil etwaige Ansprüche der verstorbenen Hilfeempfängerin gegen den Beklagten nicht auf den Kläger übergegangen sind.
Der Kläger ist nicht berechtigt, eine Entscheidung über den von der verstorbenen Hilfeempfängerin eingelegten Widerspruch gemäß § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zu verlangen. Eine Untätigkeitsklage ist danach zulässig, wenn nach Ablauf von drei Monaten ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht sachlich entschieden worden ist. Der Widerspruch der Hilfeempfängerin vom 3. November 2006 gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2006 ist zwar noch nicht beschieden. Dabei kann dahinstehen, ob die Hilfeempfängerin noch einen zweiten Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. April 2007 eingelegt hat. Das Widerspruchsschreiben vom 26. April 2007, das der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, ist nicht unterschrieben und lässt sich auch in den Verwaltungsakten des Beklagten nicht finden. Der Widerspruch wäre jedoch auf keinen Fall Gegenstand des Verfahrens geworden, weil mit dem Bescheid vom 23. April 2007 ein neuer Leistungszeitraum geregelt worden ist. Im Übrigen hatte der Beklagte erklärt, dass er auch ohne Widerspruch gegebenenfalls die Eigenanteilsberechnung korrigieren würde. Darauf kommt es jedoch letztlich nicht mehr an, denn der Anspruch der Hilfeempfängerin auf Bescheidung ihres Widerspruchs ist mit ihrem Tod untergegangen und nicht kraft Gesetz auf den Kläger übergegangen, weil ein Forderungsübergang gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII nicht stattgefunden hat.
Gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tod demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
Danach gehen einmal der Anspruch des Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen auf den Träger der Einrichtung über, außerdem geht der Anspruch auf Pflegegeld auf die Personen über, die die mit dem Pflegegeld finanzierte Pflege geleistet haben. Die betroffenen Träger beziehungsweise Personen sind dann berechtigt, in eigenem Namen den auf sie übergegangenen Anspruch und auch einen damit verbundenen Bescheidungsanspruch geltend zu machen. Der Kläger gehört jedoch nicht zu den in § 19 Abs. 6 SGB XII aufgeführten Berechtigten, auf die der Anspruch übergegangen sein könnte. Denn der von der Hilfeempfängerin eingelegte Widerspruch vom 3. November 2006 gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2006 betraf weder Leistungen für Einrichtungen noch Ansprüche auf Pflegegeld (Auch der Bescheid vom 23. April 2007 hatte im Übrigen solche Leistungen oder Ansprüche nicht zum Inhalt).
Pflegegeld gemäß § 64 SGB XII wurde der Hilfeempfängerin erst auf ihren Antrag vom 17. Mai 2007 mit Bescheid vom 20. Juni 2007 vom Beklagten gewährt. Aus diesem Bewilligungsbescheid sind aber offensichtlich keine Ansprüche mehr offen oder zumindest nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Hilfeempfängerin hat sich mit ihrem Widerspruch aber auch nicht gegen die Berechnung von "Leistungen für Einrichtungen" gewandt. Denn zu den nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf den Leistungsträger übergehenden Ansprüchen gehören nicht die angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII und insoweit für einen ambulanten Pflegedienst. Der Beklagte hat den vom Kläger betriebenen ambulanten Pflegedienst mit der Erbringung der der Hilfeempfängerin durch die Bescheide vom 4. Oktober 2006 beziehungsweise 23. April 2007 gewährten Hilfe zur Pflege gemäß §§ 61, 65 SGB XII in Verbindung mit §§ 36 -38 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI – , 19 Abs. 5 SGB XII beauftragt, damit hat er aber nicht eine Einrichtung im Sinne der Vorschrift mit der Leistungserbringung beauftragt. Die Hilfeempfängerin wurde nicht in einer Einrichtung, sondern ambulant – in ihrer Wohnung – durch den Dienst des Klägers versorgt.
Unter den Begriff der Einrichtung im Sinne von § 19 Abs. 6 SGB XII fallen nach Auffassung des erkennenden Senates jedoch nur stationäre oder teilstationäre Einrichtungen (vgl. Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 19 Rdnr. 38; Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 19 SGB XII Rdnr. 77; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 19 Rdnr. 59; OVG Bremen, Beschluss vom 28. November 2008 – S3 A 233/08 – zitiert nach juris; a.A. Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, § 19 Rdnr. 65; Seidel in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 19 Rdnr. 66; SG Hamburg, Urteil vom 14. März 2008 – S 58 SO 514/06 – mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand -; sowie noch zum BSHG: VG Hannover, Urteil vom 28. Januar 2003 - 7 A 1408/01-, beide zitiert nach juris). Ambulante Pflegedienste, wie sie in §§ 13 Abs. 1, 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII definiert sind, zu denen u. a. Pflegestationen, Sozialstationen und Pflegedienste gehören, sind – wie das Sozialgericht umfassend und zutreffend ausgeführt hat – in § 19 Abs. 6 SGB XII nicht genannt, und der Begriff der Einrichtung ist auch nicht entsprechend auszulegen.
Denn aus § 13 Abs. 1 SGB XII ergibt sich, dass zwischen Leistungen in Einrichtungen (teilstationär oder stationär) und außerhalb von Einrichtungen (ambulanten Leistungen) zu differenzieren ist. Die in § 13 Abs. 2 SGB XII vorgenommene funktionsbezogene Bestimmung des Einrichtungsbegriffs führt nicht dazu, dass die in Absatz 1 vorgenommene Unterscheidung zwischen Leistungen außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen) und Leistungen für Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Einrichtungen) aufgehoben wird. Eine Erfüllung des Einrichtungsbegriffs gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII ist nur gegeben, wenn die Leistungserbringung während eines teilweisen oder vollständigen Aufenthaltes des Leistungsempfängers unter geeigneter sozialhilferechtlicher Betreuung in einer besonderen Organisationsform von personellen und tatsächlichen Mitteln erfolgt (s.Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 13 Rdnr. 6). Ein ambulanter Pflegedienst erbringt weder Leistungen in noch für Einrichtungen, sondern außerhalb von Einrichtungen, denn in Einrichtungen können grundsätzlich nur teilstationäre und stationäre Leistungen erbracht werden (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand März 2009, § 13 Rdnr. 22; OVG Bremen a.a.O.). Ebenso macht der Verweis in § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII deutlich, dass der Gesetzgeber zwischen Einrichtungen und (ambulanten) Diensten unterscheidet. Die dort vorgenommene Einbeziehung der Dienste unter die Vorschriften des Zehnten Kapitels ist nur deshalb erforderlich, weil ansonsten zwischen Einrichtungen und ambulanten Diensten zu differenzieren ist (vgl. Münder in LPK- SGB XII, 8. Aufl. 2008 § 75 Rdnr. 3).
Auch aus den Motiven des Gesetzgebers bei der Fassung der Vorgängervorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII, dem § 28 Abs. 2 BSHG, kann nicht geschlussfolgert werden, dass der Gesetzgeber die ambulanten Pflegedienste habe mit einbeziehen wollen (so SG Hamburg a.a.O.). Vielmehr heißt es in der vom Kläger zitierten Stelle zur Gesetzesbegründung (BT-Dr. 13/3904, S. 45) nur: "Beansprucht jemand Sozialhilfe und stirbt vor der Entscheidung des Trägers der Sozialhilfe, so geht der Anspruch unter. Da bei der Hilfe in Einrichtungen oder bei ambulanter Pflege die Entscheidungen oftmals längere Zeit beanspruchen und die Leistungen bereits von Dritten erbracht werden, führt die geltende Rechtslage dazu, dass Einrichtungen und Pflegepersonen trotz berechtigten Vertrauens auf Leistungen der Sozialhilfe leer ausgehen. Dies erscheint nicht gerechtfertigt und erschwert schnelle Hilfe durch Dritte. Die Neuregelung verhindert dies, indem sie den Anspruch des Hilfesuchenden, soweit er bis zu dessen Tode zu erfüllen gewesen wäre, auf einen Dritten übergehen lässt." Der Gesetzgeber spricht dort keineswegs von ambulanten Diensten, sondern die Begründung korrespondiert vielmehr jeweils mit den Begriffen "Einrichtungen" und "Pflegegeld" im Gesetzestext. Unterschieden wird zwischen Hilfe in Einrichtungen und ambulanter Pflege und dem berechtigten Vertrauen dieser Einrichtungen und der Pflegepersonen. Der Begriff "ambulante Pflege" bezieht sich dabei auf die Pflege, die von den Pflegepersonen, bei denen es sich gemäß §§ 69 Satz 1, 69 b Abs. 1 Satz 1 BSHG bzw. jetzt §§ 63 Satz 1, 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII um dem Hilfebedürftigen, dem Pflegegeld bewilligt worden ist, nahe stehende Personen handelt, erbracht wird. Deren Vertrauen soll geschützt werden, indem der Pflegegeldanspruch nach dem Tod des Hilfeempfängers auf sie übergeht. Der Gesetzesbegründung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass auch das Vertrauen ambulanter Dienste geschützt werden sollte. Ambulante Pflegedienste erbringen keine Leistungen in Einrichtungen und es sind auch keine Pflegepersonen im Sinne der oben genannten Vorschriften, sondern besondere Pflegekräfte gemäß § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG bzw. jetzt § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Für die vom Kläger vorgenommene Auslegung der Gesetzesmaterialien, der aus der Erwähnung der Worte "ambulante Pflege" die Einbeziehung der ambulanten Pflegedienste unter den Einrichtungsbegriff im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII herleiten will, findet sich dort dagegen keine Stütze (vgl. ebenso OVG Bremen a.a.O.). Auch aus dem Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. September 2008 – B 8 SO 12/08 B – (zitiert nach juris) lassen sich keine die Auffassung des Klägers tragenden Argumente herleiten. Denn diesem Beschluss lagen Streitigkeiten wegen der Übernahme ungedeckter Heimkosten zu Grunde. Der Übergang von Ansprüchen auf ambulante Pflegedienste war nicht Verfahrensgegenstand, und das BSG hat zu der Frage auch nicht Stellung genommen.
Gegen eine ausweitende Auslegung der Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII im Sinne der Einbeziehung der ambulanten Dienste unter den Einrichtungsbegriff spricht auch der Ausnahmecharakter der Vorschrift. Grundsätzlich sind Ansprüche auf Leistungen der Sozialhilfe nicht vererbbar, denn nach dem Tod des Hilfeempfängers kann sein Bedarf nicht mehr gedeckt werden, da Sozialhilfe für die Vergangenheit grundsätzlich nicht geleistet wird (vgl. Schoch in LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 19 Rdnr. 54). Nur ausnahmsweise soll das Vertrauen besonders schützenswerter Personen beziehungsweise die Erbringung – nach Einschätzung des Gesetzgebers - besonders kostenintensiver Leistungen im Voraus geschützt werden.
Hinter dem in § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII geregelten Vorrang der ambulanten Hilfe steht zum einen der finanzpolitische Gedanke des Gesetzgebers, dass ambulante Hilfe gegenüber stationärer Hilfe kostengünstiger ist (s. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 13 Rdnr. 3). Da bei der Betreuung in teilstationären und insbesondere in vollstationären Einrichtungen schon für einen Monat Kosten von zwei- bis fünftausend Euro entstehen können, die ein Heimbetreiber ohne die Regelung des § 19 Abs. 6 SGB XII beim Tod des Hilfeempfängers während des Hilfegewährungsverfahrens nicht erstattet bekommen würde, erschienen dem Gesetzgeber Einrichtungen besonders schützenswert. Daneben steht der Gesichtspunkt, dass die Pflege in häuslicher Umgebung und im vertrauten Umfeld – und möglichst durch nahe stehende Personen – die humanere Hilfe ist und deshalb besonders unterstützt werden soll (vgl. W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 1). Insbesondere soll dabei durch die Regelung des § 63 SGB XII die Hilfe durch nahe Angehörige und Nachbarn angeregt und gefördert werden (vgl. H. Schellhorn a.a.O., § 63 Rdnr. 6). Ergänzt wird diese Unterstützung der Hilfe durch nahe stehende Personen durch den in § 19 Abs. 6 SGB XII geregelten Übergang des Pflegegeldanspruchs. Gründe dafür, entgegen dem Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII die Möglichkeit des Anspruchsübergangs auch anderen Leistungserbringern einzuräumen, sind nicht ersichtlich. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass die von seinem Pflegedienst für die verstorbene Hilfeempfängerin erbrachte 24-Stunden Assistenzpflege außergewöhnlich kostenintensiv war und dies insofern auch der Annahme des Gesetzgebers entgegenstehen könnte, dass ambulante Pflege weit weniger kostenintensiv ist und die Dienste deshalb auch nicht eines besonderen Schutzes bedürfen. Konkret ist aber nur die endgültige Berechnung des Eigenanteils der Hilfeempfängerin offen geblieben, die sie in Höhe von ca. 1.500,00 Euro nicht an den Kläger gezahlt hat. Im Übrigen dürfte es sich bei der Situation der verstorbenen Hilfeempfängerin, die ca. 20 Monate lang rund um die Uhr ambulant zu Hause betreut worden ist, um einen Ausnahmefall handeln, der keinen Anlass zu einer anderen Auslegung der Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII gibt. Diese Einschätzung wird auch durch die Entscheidung des Gesetzgebers bestätigt, dass der Vorrang der ambulanten Pflege dann nicht mehr gegeben ist, wenn diese ausnahmsweise höhere Kosten verursacht als die stationäre. Der Sozialhilfeträger hat dann, sofern es dem Berechtigten zumutbar ist, abzuwägen, ob die Leistungen trotz des Vorrangsprinzips stationär erbracht werden sollen (§13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Dies zeigt, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von niedrigeren Kosten bei ambulanter Pflege ausgeht und deshalb einen besonderen – ausnahmsweise zu gewährenden – Schutz der ambulanten Dienste vor Anspruchsverlust durch den Tod des Berechtigten offensichtlich nicht für erforderlich gehalten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger ist gemäß § 183 Satz 3 SGG von den Gerichtskosten befreit. Denn Einrichtungen, auf die gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII Ansprüche der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen übergehen, gehören zu dem Personenkreis, der unter § 183 Satz 1 SGG fällt (BSG, Beschluss vom 1. September 2008 – B 8 SO 12/08 – ; OVG Bremen a.a.O m.w. N.). Auch wenn der Kläger, wie ausgeführt, nicht berechtigt ist, die Bescheidung des von der verstorbenen Hilfeempfängerin eingelegten Widerspruch zu verlangen, ist er jedoch gemäß § 183 Satz 3 SGG den nach § 183 Satz 1 SGG privilegierten Personen gleichgestellt, weil er im Fall des Obsiegens zu ihnen gehören würde. Diese Regelung dient der Klarstellung, dass die Kostenfreiheit auch für den gilt, der die Zugehörigkeit zum kostenprivilegierten Personenkreis erst geltend macht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 183 Rdnr. 9). Entsprechend waren die erstinstanzliche Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung aufzuheben.
Die Entscheidung zur Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Bescheidung von Widersprüchen hat, die die vormals vom ambulanten Pflegedienst des Klägers gepflegte, inzwischen verstorbene Hilfeempfängerin eingelegt hat.
Die 2007 verstorbene Hilfeempfängerin war schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen B, aG und T). Ihr war die Pflegestufe III zuerkannt worden. Mit Bescheid vom 10. April 2006 gewährte der Beklagte der Hilfeempfängerin Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege für die Zeit vom 3. Februar 2006 bis zum 30. April 2007 im Umfang von 24 Stunden täglich, die der vom Kläger betriebene ambulante Pflegedienstes ausführte. Dabei setzte der Beklagte den Eigenanteil der Hilfeempfängerin an den Pflegekosten mit 237,67 Euro monatlich fest. Nach einer erneuten Prüfung durch den ärztlichen Dienst des Beklagten hob dieser mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 den Bescheid vom 10. April 2006 auf und bewilligte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Zeit ab 15. Oktober 2006 häusliche Pflege nur noch in einem Umfang von 20 Stunden täglich. Der festgesetzte Eigenanteil blieb unverändert. Hiergegen legte die Hilfeempfängerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2006 – Eingang am 3. November 2006 – Widerspruch ein und trug vor, dass eine 20stündige Pflege nicht ausreichend sei. Mit Beschluss vom 21. November 2006 ordnete das Sozialgericht Berlin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an (S 2 SO 2606/06 ER). Daraufhin gewährte der Beklagte der Hilfeempfängerin weiter die Kosten für eine 24-stündige Pflege unter Abzug des errechneten Eigenanteils. Bereits mit Schreiben vom 26. September 2006 hatte die Hilfeempfängerin die Übernahme der Kosten für den Eigenanteil der Krankenkasse für eine Rehabilitationsmaßnahme, den Eigenanteil der Pflegekasse für eine Kurzzeitpflege und für eine Verhinderungspflege beantragt. Mit Schreiben vom 30. November 2006 ergänzte die Hilfeempfängerin ihren Widerspruch dahingehend, dass der von ihr zu entrichtende Eigenanteil nicht richtig berechnet worden sei, weil unter anderem die mit dem Schreiben vom 26. September 2006 geltend gemachten Belastungen nicht zutreffend bei der Feststellung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse berücksichtigt worden seien. Mit Bescheid vom 23. April 2007 bewilligte der Beklagte der Hilfeempfängerin nach Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme wiederum häusliche Pflege im Umfang von 24 Stunden täglich für den Zeitraum vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Januar 2008, wobei ihr Eigenanteil im bisheriger Höhe abgezogen wurde. Gleichzeitig teilte der Beklagte der Hilfeempfängerin mit, dass er aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2006 bisher weiter Leistungen im Umfang von 24 Stunden übernommen habe und deshalb davon ausgehe, dass sich der Widerspruch insoweit erledigt habe. Soweit sich die Hilfeempfängerin gegen die Berechnung des Eigenanteils wende, sei kein erneuter Widerspruch erforderlich, weil diese im Rahmen der weiteren Widerspruchsbearbeitung überprüft werde. Diesbezüglich forderte der Beklagte von der Hilfeempfängerin noch verschiedene Unterlagen, um über den Widerspruch und den Antrag vom 26. September 2006 entscheiden zu können. Zwischenzeitlich gewährte der Beklagte der Hilfeempfängerin auf ihren Antrag vom 17. Mai 2007 hin mit Bescheid vom 20. Juni 2007 Pflegegeld in Höhe von 221,67 Euro monatlich. Der Beklagte führte weitere Ermittlungen und forderte den bevollmächtigten Sohn der Hilfeempfängerin mit Schreiben vom 26. Juni 2007 und 17. August 2007 zur Übersendung weiterer Unterlagen auf, insbesondere werde eine Aufstellung benötigt, aus der sich ergebe, welche Klinik – bzw. Pflegekosten noch offen seien. Unter dem 27. August 2007 gab der Bevollmächtigte der Hilfeempfängerin an, dass er nicht mehr alle Unterlagen gefunden habe. Nachdem sie Ende Oktober 2007 verstorben war, teilte der Beklagte ihrem Sohn und Bevollmächtigen mit Schreiben vom 21. November 2007 mit, dass Sozialhilfeansprüche nur in Ausnahmefällen vererbt werden könnten. Ein solcher Fall läge hier nicht vor, so dass keine Bearbeitung des Widerspruches mehr erfolgen könne. Mit Schreiben vom 27. November 2007 zeigte der Kläger dem Beklagten an, dass die Ansprüche aus den Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 4. Oktober 2006 und vom 23. April 2007 gemäß § 19 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – auf ihn übergegangen seien. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er den Anspruchsübergang nicht bestätigen könne. Der Schutz des § 19 Abs. 6 SGB XII gelte nur für Einrichtungen und für den Anspruch auf ein Pflegegeld. Mit am 25. Januar 2008 beim Sozialgericht Berlin erhobener Untätigkeitsklage begehrte der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, über die Widersprüche der verstorbenen Hilfeempfängerin vom 29. Oktober 2006 und 26. April 2007 zu entscheiden. Sie habe für die Monate November 2006 bis Juli 2007 nur einen Eigenanteil von 150,00 Euro und für die Monate August bis Oktober 2007 gar keinen Eigenanteil gezahlt.
Die vom Beklagten vertretene Auffassung, ambulante Dienste seien keine Einrichtungen im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII, sei vom Gesetz nicht gedeckt. Unter den Einrichtungsbegriff des § 13 Abs. 2 SGB XII fielen auch ambulante Einrichtungen. Der Einrichtungsbegriff sei dort weiter – umfassender – zu verstehen, als beispielsweise in § 75 Abs. 1 Satz SGB XII. Auch entspräche es dem Verständnis des § 19 Abs. 6 SGB XII, dass jedem, der bedarfsdeckend pflege, eine Erstattungsmöglichkeit gegeben werden solle. Eine enge Auslegung des Einrichtungsbegriffs im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII lasse sich weder aus der Systematik des Gesetzes noch aus der Norm ableiten; die Forderung der Hilfeempfängerin sei deshalb auf ihn übergegangen und die Klage zulässig. Im Übrigen entspräche seine Auslegung auch dem Willen des Gesetzgebers.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. September 2008 abgewiesen. Es ist der Auffassung, dass die Klage – über die im Einverständnis mit den Beteiligten in schriftlicher Entscheidung entschieden wurde – bereits unzulässig sei. Ein Anspruchsübergang auf den Kläger gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII habe nicht stattgefunden. Der dort geregelte Anspruchsübergang erfasse nur den Anspruch eines Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen, zum anderen dessen Anspruch auf Pflegegeld. Die in § 19 Abs. 6 SGB XII genanten Träger und Personen könnten gegebenenfalls einen übergegangenen Anspruch oder damit akzessorisch einen Bescheidungsanspruch in eigenem Namen geltend machen. Die Hilfeempfängerin habe mit ihrem Widerspruch nicht "höhere Leistungen für Einrichtungen" beansprucht. Die Kammer folge nicht der vom Kläger vertretenen Auffassung, dass zu den nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf den Leistungsträger übergehenden Ansprüchen auch der Anspruch auf Übernahme angemessener Kosten für eine besondere Pflegekraft nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII und insoweit auch auf Kosten für einen ambulanten Pflegedienst gehörten. Der diesbezüglichen vom Kläger zitierten Rechtsprechung folge die Kammer nicht. Vielmehr sei – wie auch in der Literatur überwiegend vertreten – davon auszugehen, dass Einrichtungen im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII nur stationäre oder teilstationäre Einrichtungen seien.
Bei der Auslegung des Begriffs "Einrichtung" in § 19 Abs. 6 SGB XII ergebe weder der Wortsinn noch die historische oder teleologische Auslegung, dass ambulante Dienste unter diesen Begriff fielen. Bei der Auslegung einer Norm bilde der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, dem besonderen Sprachgebrauch und dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn den Ausgangspunkt der Auslegung, zugleich würden sich daraus die Grenzen der Auslegung bestimmen. Nach diesen Maßstäben komme man zu der Feststellung, dass Einrichtungen Komplexe seien, die von Menschen für bestimmte Bedarfe rund um die Uhr (stationär) oder nur stundenweise (teilstationär) aufgesucht würden. Auch der Sprachgebrauch innerhalb des SGB XII mache klar, dass zwischen Einrichtungen und Diensten, beziehungsweise Leistungen für Einrichtungen und Leistungen, die außerhalb von Einrichtungen erbracht würden, zu unterscheiden sei. In § 75 SGB XII würden die Dienste nach Absatz 1 Satz 2 nunmehr ausdrücklich neben die Einrichtungen gestellt und in den Anwendungsbereich des Zehnten Kapitel einbezogen. Auch sei es aufschlussreich, dass im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 63 SGB XII ausdrücklich zwischen stationären und teilstationären Einrichtungen einerseits und ambulanten Leistungen andererseits unterschieden werde. Die Tatsache, dass es nunmehr – anders als noch in § 28 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) – in § 19 Abs. 6 SGB XII "Leistungen für Einrichtungen" und nicht mehr "Leistungen in Einrichtungen" heiße, belege nicht, wie der Kläger meine, dass unter den Begriff "Einrichtung" nunmehr auch Dienste fielen. Diese Formulierung sei auch in § 13 SGB XII eingeführt worden, ohne dass der Gesetzgeber hierdurch die Unterscheidung zwischen Leistungen in und außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen) habe aufgeben wollen. Auch die möglichen Motive des Gesetzgebers – die im Übrigen nicht eindeutig seien – könnten nicht zu einer Rechtsanwendung contra legem führen. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift sei ausgeschlossen, denn es liege keine planwidrige Regelungslücke vor, die eine entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 6 SGB XII zuließe. Denn selbst wenn es sich vormals um ein Redaktionsversehen des BSHG-Gesetzgebers gehandelt haben sollte, könne hiervon nach Inkrafttreten des SGB XII nicht mehr ausgegangen werden. Der Gesetzgeber habe § 28 Abs. 2 BSHG in seiner bisherigen Fassung und Reichweite übernehmen wollen, obgleich er innerhalb des Gesetzes durchaus zwischen Leistungen für Einrichtungen und sonstigen Leistungen beziehungsweise zwischen Einrichtungen und Diensten unterschieden habe und die Rechtsprechung hierzu nicht einheitlich gewesen sei. Außerdem habe § 19 Abs. 6 SGB XII Ausnahmecharakter. Grundsätzlich sei der Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragbar, verpfändbar oder pfändbar (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). In Bezug auf die Rechtsnachfolge stelle § 19 Abs. 6 SGB XII eine die §§ 56 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I – verdrängende lex specialis dar, der Unbilligkeiten vermeiden solle, die zuvor entstanden seien, wenn mit dem Tod des Berechtigten noch nicht erfüllte Leistungsansprüche untergegangen seien.
Gegen das ihm am 25. September 2008 zugestellte Urteil hat sich der Kläger mit seiner am 21. Oktober 2008 eingelegten Berufung gewandt. Ergänzend zu seinen erstinstanzlichen Ausführungen hat der Kläger ausgeführt, dass der Gesetzgeber sehr wohl in § 19 Abs. 6 SGB XII wie auch schon in § 28 BSHG die ambulanten Dienste habe mit einbeziehen wollen, dies ergebe sich aus der Begründung zu der Neuregelung des § 28 Abs. 2 BSHG, in der eindeutig von ambulanter Pflege die Rede gewesen sei. Auch könne daraus, dass der Gesetzgeber in § 19 Abs. 6 SGB XII anders als noch in § 28 Abs. 2 BSHG von Leistungen für Einrichtungen spreche, der Schluss gezogen werden, dass nunmehr auch Leistungen, die nicht in, sondern nur durch Einrichtungen erbracht würden, unter die Norm zu subsumieren seien. Auch der Wortlaut der Norm schließe es nicht aus, ambulante Pflegedienste unter den Begriff "Einrichtung" zu fassen, weil dieser nicht eindeutig sei und innerhalb des SGB XII unterschiedlich angewandt werde.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 10. September 2008 zu verurteilen, die Widersprüche der Hilfeempfängerin gegen die Bescheide vom 4. Oktober 2006 und vom 23. April 2007 bezüglich des zu leistenden Eigenanteils zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klage unzulässig ist, weil etwaige Ansprüche der verstorbenen Hilfeempfängerin gegen den Beklagten nicht auf den Kläger übergegangen sind.
Der Kläger ist nicht berechtigt, eine Entscheidung über den von der verstorbenen Hilfeempfängerin eingelegten Widerspruch gemäß § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zu verlangen. Eine Untätigkeitsklage ist danach zulässig, wenn nach Ablauf von drei Monaten ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht sachlich entschieden worden ist. Der Widerspruch der Hilfeempfängerin vom 3. November 2006 gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2006 ist zwar noch nicht beschieden. Dabei kann dahinstehen, ob die Hilfeempfängerin noch einen zweiten Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. April 2007 eingelegt hat. Das Widerspruchsschreiben vom 26. April 2007, das der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, ist nicht unterschrieben und lässt sich auch in den Verwaltungsakten des Beklagten nicht finden. Der Widerspruch wäre jedoch auf keinen Fall Gegenstand des Verfahrens geworden, weil mit dem Bescheid vom 23. April 2007 ein neuer Leistungszeitraum geregelt worden ist. Im Übrigen hatte der Beklagte erklärt, dass er auch ohne Widerspruch gegebenenfalls die Eigenanteilsberechnung korrigieren würde. Darauf kommt es jedoch letztlich nicht mehr an, denn der Anspruch der Hilfeempfängerin auf Bescheidung ihres Widerspruchs ist mit ihrem Tod untergegangen und nicht kraft Gesetz auf den Kläger übergegangen, weil ein Forderungsübergang gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII nicht stattgefunden hat.
Gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tod demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
Danach gehen einmal der Anspruch des Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen auf den Träger der Einrichtung über, außerdem geht der Anspruch auf Pflegegeld auf die Personen über, die die mit dem Pflegegeld finanzierte Pflege geleistet haben. Die betroffenen Träger beziehungsweise Personen sind dann berechtigt, in eigenem Namen den auf sie übergegangenen Anspruch und auch einen damit verbundenen Bescheidungsanspruch geltend zu machen. Der Kläger gehört jedoch nicht zu den in § 19 Abs. 6 SGB XII aufgeführten Berechtigten, auf die der Anspruch übergegangen sein könnte. Denn der von der Hilfeempfängerin eingelegte Widerspruch vom 3. November 2006 gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2006 betraf weder Leistungen für Einrichtungen noch Ansprüche auf Pflegegeld (Auch der Bescheid vom 23. April 2007 hatte im Übrigen solche Leistungen oder Ansprüche nicht zum Inhalt).
Pflegegeld gemäß § 64 SGB XII wurde der Hilfeempfängerin erst auf ihren Antrag vom 17. Mai 2007 mit Bescheid vom 20. Juni 2007 vom Beklagten gewährt. Aus diesem Bewilligungsbescheid sind aber offensichtlich keine Ansprüche mehr offen oder zumindest nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Hilfeempfängerin hat sich mit ihrem Widerspruch aber auch nicht gegen die Berechnung von "Leistungen für Einrichtungen" gewandt. Denn zu den nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf den Leistungsträger übergehenden Ansprüchen gehören nicht die angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII und insoweit für einen ambulanten Pflegedienst. Der Beklagte hat den vom Kläger betriebenen ambulanten Pflegedienst mit der Erbringung der der Hilfeempfängerin durch die Bescheide vom 4. Oktober 2006 beziehungsweise 23. April 2007 gewährten Hilfe zur Pflege gemäß §§ 61, 65 SGB XII in Verbindung mit §§ 36 -38 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI – , 19 Abs. 5 SGB XII beauftragt, damit hat er aber nicht eine Einrichtung im Sinne der Vorschrift mit der Leistungserbringung beauftragt. Die Hilfeempfängerin wurde nicht in einer Einrichtung, sondern ambulant – in ihrer Wohnung – durch den Dienst des Klägers versorgt.
Unter den Begriff der Einrichtung im Sinne von § 19 Abs. 6 SGB XII fallen nach Auffassung des erkennenden Senates jedoch nur stationäre oder teilstationäre Einrichtungen (vgl. Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 19 Rdnr. 38; Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 19 SGB XII Rdnr. 77; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 19 Rdnr. 59; OVG Bremen, Beschluss vom 28. November 2008 – S3 A 233/08 – zitiert nach juris; a.A. Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, § 19 Rdnr. 65; Seidel in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 19 Rdnr. 66; SG Hamburg, Urteil vom 14. März 2008 – S 58 SO 514/06 – mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand -; sowie noch zum BSHG: VG Hannover, Urteil vom 28. Januar 2003 - 7 A 1408/01-, beide zitiert nach juris). Ambulante Pflegedienste, wie sie in §§ 13 Abs. 1, 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII definiert sind, zu denen u. a. Pflegestationen, Sozialstationen und Pflegedienste gehören, sind – wie das Sozialgericht umfassend und zutreffend ausgeführt hat – in § 19 Abs. 6 SGB XII nicht genannt, und der Begriff der Einrichtung ist auch nicht entsprechend auszulegen.
Denn aus § 13 Abs. 1 SGB XII ergibt sich, dass zwischen Leistungen in Einrichtungen (teilstationär oder stationär) und außerhalb von Einrichtungen (ambulanten Leistungen) zu differenzieren ist. Die in § 13 Abs. 2 SGB XII vorgenommene funktionsbezogene Bestimmung des Einrichtungsbegriffs führt nicht dazu, dass die in Absatz 1 vorgenommene Unterscheidung zwischen Leistungen außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen) und Leistungen für Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Einrichtungen) aufgehoben wird. Eine Erfüllung des Einrichtungsbegriffs gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII ist nur gegeben, wenn die Leistungserbringung während eines teilweisen oder vollständigen Aufenthaltes des Leistungsempfängers unter geeigneter sozialhilferechtlicher Betreuung in einer besonderen Organisationsform von personellen und tatsächlichen Mitteln erfolgt (s.Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 13 Rdnr. 6). Ein ambulanter Pflegedienst erbringt weder Leistungen in noch für Einrichtungen, sondern außerhalb von Einrichtungen, denn in Einrichtungen können grundsätzlich nur teilstationäre und stationäre Leistungen erbracht werden (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand März 2009, § 13 Rdnr. 22; OVG Bremen a.a.O.). Ebenso macht der Verweis in § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII deutlich, dass der Gesetzgeber zwischen Einrichtungen und (ambulanten) Diensten unterscheidet. Die dort vorgenommene Einbeziehung der Dienste unter die Vorschriften des Zehnten Kapitels ist nur deshalb erforderlich, weil ansonsten zwischen Einrichtungen und ambulanten Diensten zu differenzieren ist (vgl. Münder in LPK- SGB XII, 8. Aufl. 2008 § 75 Rdnr. 3).
Auch aus den Motiven des Gesetzgebers bei der Fassung der Vorgängervorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII, dem § 28 Abs. 2 BSHG, kann nicht geschlussfolgert werden, dass der Gesetzgeber die ambulanten Pflegedienste habe mit einbeziehen wollen (so SG Hamburg a.a.O.). Vielmehr heißt es in der vom Kläger zitierten Stelle zur Gesetzesbegründung (BT-Dr. 13/3904, S. 45) nur: "Beansprucht jemand Sozialhilfe und stirbt vor der Entscheidung des Trägers der Sozialhilfe, so geht der Anspruch unter. Da bei der Hilfe in Einrichtungen oder bei ambulanter Pflege die Entscheidungen oftmals längere Zeit beanspruchen und die Leistungen bereits von Dritten erbracht werden, führt die geltende Rechtslage dazu, dass Einrichtungen und Pflegepersonen trotz berechtigten Vertrauens auf Leistungen der Sozialhilfe leer ausgehen. Dies erscheint nicht gerechtfertigt und erschwert schnelle Hilfe durch Dritte. Die Neuregelung verhindert dies, indem sie den Anspruch des Hilfesuchenden, soweit er bis zu dessen Tode zu erfüllen gewesen wäre, auf einen Dritten übergehen lässt." Der Gesetzgeber spricht dort keineswegs von ambulanten Diensten, sondern die Begründung korrespondiert vielmehr jeweils mit den Begriffen "Einrichtungen" und "Pflegegeld" im Gesetzestext. Unterschieden wird zwischen Hilfe in Einrichtungen und ambulanter Pflege und dem berechtigten Vertrauen dieser Einrichtungen und der Pflegepersonen. Der Begriff "ambulante Pflege" bezieht sich dabei auf die Pflege, die von den Pflegepersonen, bei denen es sich gemäß §§ 69 Satz 1, 69 b Abs. 1 Satz 1 BSHG bzw. jetzt §§ 63 Satz 1, 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII um dem Hilfebedürftigen, dem Pflegegeld bewilligt worden ist, nahe stehende Personen handelt, erbracht wird. Deren Vertrauen soll geschützt werden, indem der Pflegegeldanspruch nach dem Tod des Hilfeempfängers auf sie übergeht. Der Gesetzesbegründung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass auch das Vertrauen ambulanter Dienste geschützt werden sollte. Ambulante Pflegedienste erbringen keine Leistungen in Einrichtungen und es sind auch keine Pflegepersonen im Sinne der oben genannten Vorschriften, sondern besondere Pflegekräfte gemäß § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG bzw. jetzt § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Für die vom Kläger vorgenommene Auslegung der Gesetzesmaterialien, der aus der Erwähnung der Worte "ambulante Pflege" die Einbeziehung der ambulanten Pflegedienste unter den Einrichtungsbegriff im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII herleiten will, findet sich dort dagegen keine Stütze (vgl. ebenso OVG Bremen a.a.O.). Auch aus dem Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. September 2008 – B 8 SO 12/08 B – (zitiert nach juris) lassen sich keine die Auffassung des Klägers tragenden Argumente herleiten. Denn diesem Beschluss lagen Streitigkeiten wegen der Übernahme ungedeckter Heimkosten zu Grunde. Der Übergang von Ansprüchen auf ambulante Pflegedienste war nicht Verfahrensgegenstand, und das BSG hat zu der Frage auch nicht Stellung genommen.
Gegen eine ausweitende Auslegung der Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII im Sinne der Einbeziehung der ambulanten Dienste unter den Einrichtungsbegriff spricht auch der Ausnahmecharakter der Vorschrift. Grundsätzlich sind Ansprüche auf Leistungen der Sozialhilfe nicht vererbbar, denn nach dem Tod des Hilfeempfängers kann sein Bedarf nicht mehr gedeckt werden, da Sozialhilfe für die Vergangenheit grundsätzlich nicht geleistet wird (vgl. Schoch in LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 19 Rdnr. 54). Nur ausnahmsweise soll das Vertrauen besonders schützenswerter Personen beziehungsweise die Erbringung – nach Einschätzung des Gesetzgebers - besonders kostenintensiver Leistungen im Voraus geschützt werden.
Hinter dem in § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII geregelten Vorrang der ambulanten Hilfe steht zum einen der finanzpolitische Gedanke des Gesetzgebers, dass ambulante Hilfe gegenüber stationärer Hilfe kostengünstiger ist (s. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 13 Rdnr. 3). Da bei der Betreuung in teilstationären und insbesondere in vollstationären Einrichtungen schon für einen Monat Kosten von zwei- bis fünftausend Euro entstehen können, die ein Heimbetreiber ohne die Regelung des § 19 Abs. 6 SGB XII beim Tod des Hilfeempfängers während des Hilfegewährungsverfahrens nicht erstattet bekommen würde, erschienen dem Gesetzgeber Einrichtungen besonders schützenswert. Daneben steht der Gesichtspunkt, dass die Pflege in häuslicher Umgebung und im vertrauten Umfeld – und möglichst durch nahe stehende Personen – die humanere Hilfe ist und deshalb besonders unterstützt werden soll (vgl. W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 1). Insbesondere soll dabei durch die Regelung des § 63 SGB XII die Hilfe durch nahe Angehörige und Nachbarn angeregt und gefördert werden (vgl. H. Schellhorn a.a.O., § 63 Rdnr. 6). Ergänzt wird diese Unterstützung der Hilfe durch nahe stehende Personen durch den in § 19 Abs. 6 SGB XII geregelten Übergang des Pflegegeldanspruchs. Gründe dafür, entgegen dem Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII die Möglichkeit des Anspruchsübergangs auch anderen Leistungserbringern einzuräumen, sind nicht ersichtlich. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass die von seinem Pflegedienst für die verstorbene Hilfeempfängerin erbrachte 24-Stunden Assistenzpflege außergewöhnlich kostenintensiv war und dies insofern auch der Annahme des Gesetzgebers entgegenstehen könnte, dass ambulante Pflege weit weniger kostenintensiv ist und die Dienste deshalb auch nicht eines besonderen Schutzes bedürfen. Konkret ist aber nur die endgültige Berechnung des Eigenanteils der Hilfeempfängerin offen geblieben, die sie in Höhe von ca. 1.500,00 Euro nicht an den Kläger gezahlt hat. Im Übrigen dürfte es sich bei der Situation der verstorbenen Hilfeempfängerin, die ca. 20 Monate lang rund um die Uhr ambulant zu Hause betreut worden ist, um einen Ausnahmefall handeln, der keinen Anlass zu einer anderen Auslegung der Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII gibt. Diese Einschätzung wird auch durch die Entscheidung des Gesetzgebers bestätigt, dass der Vorrang der ambulanten Pflege dann nicht mehr gegeben ist, wenn diese ausnahmsweise höhere Kosten verursacht als die stationäre. Der Sozialhilfeträger hat dann, sofern es dem Berechtigten zumutbar ist, abzuwägen, ob die Leistungen trotz des Vorrangsprinzips stationär erbracht werden sollen (§13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Dies zeigt, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von niedrigeren Kosten bei ambulanter Pflege ausgeht und deshalb einen besonderen – ausnahmsweise zu gewährenden – Schutz der ambulanten Dienste vor Anspruchsverlust durch den Tod des Berechtigten offensichtlich nicht für erforderlich gehalten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger ist gemäß § 183 Satz 3 SGG von den Gerichtskosten befreit. Denn Einrichtungen, auf die gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII Ansprüche der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen übergehen, gehören zu dem Personenkreis, der unter § 183 Satz 1 SGG fällt (BSG, Beschluss vom 1. September 2008 – B 8 SO 12/08 – ; OVG Bremen a.a.O m.w. N.). Auch wenn der Kläger, wie ausgeführt, nicht berechtigt ist, die Bescheidung des von der verstorbenen Hilfeempfängerin eingelegten Widerspruch zu verlangen, ist er jedoch gemäß § 183 Satz 3 SGG den nach § 183 Satz 1 SGG privilegierten Personen gleichgestellt, weil er im Fall des Obsiegens zu ihnen gehören würde. Diese Regelung dient der Klarstellung, dass die Kostenfreiheit auch für den gilt, der die Zugehörigkeit zum kostenprivilegierten Personenkreis erst geltend macht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 183 Rdnr. 9). Entsprechend waren die erstinstanzliche Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung aufzuheben.
Die Entscheidung zur Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
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