L 3 R 1882/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 RA 4267/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 1882/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2008 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:
I.

Zwischen den Beteiligten ist in der Sache die Tragung des vollen Beitrags zur Pflegeversicherung streitig. Im Berufungsverfahren geht es jedoch darum, ob dem Kläger gegen die verspätet eingelegte Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) zu gewähren ist.

Der 1932 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 01. Februar 1997 eine Regelaltersrente. Mit Bescheid vom 08. März 2004 hob die Beklagte die bisherige Feststellung über die Einbehaltung des Beitrags zur Pflegeversicherung mit Wirkung vom 01. April 2004 auf, stellte die Rente des Klägers wegen der Änderung der Tragung des Beitrages zur Pflegeversicherung nach § 59 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB-VI-ÄndG) vom 27. Dezember 2003 (BGBl. Teil I, S. 313) neu fest und setzte den vom Kläger zu tragenden Beitrag zur Pflegeversicherung (1,70 %) ab dem 01. April 2004 in voller Höhe von dem monatlichen Rentenzahlbetrag ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. Juli 2004 unter Hinweis auf die ab dem 01. April 2004 durch § 59 Abs. 1 SGB XI geänderte Rechtslage zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhoben und vorgetragen, die Vorschrift des § 59 Abs. 1 SGB XI sei verfassungswidrig. Sie verletze den Rentner in seinem durch Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Eigentumsrecht und in seinem verfassungsrechtlich geschützten Vertrauen, dass der Rentenversicherungsträger auch weiterhin den halben Pflegeversicherungsbeitrag übernehmen werde. Außerdem rüge er eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG und des Sozialstaatsprinzips. Der Rentner werde gegenüber dem Arbeitnehmer ungerechtfertigt belastet. So habe der Arbeitnehmer an Steuerermäßigungen teil und müsse gleichwohl nur den halben Beitrag zur Pflegeversicherung tragen, wogegen der Rentner, der ohnehin aufgrund seines Alters häufiger mit Arzt- und Medikamentenkosten belastet sei, den vollen Beitrag aufbringen müsse. Zumindest aber seien sehr niedrige Renten wie die seine von der Belastung durch den vollen Pflegeversicherungsbeitrag auszunehmen. Der Staat könne sich die Mittel zur Bezuschussung der Pflegeversicherung auch auf andere Weise, etwa durch höhere Besteuerung der Reichen, verschaffen.

Mit Urteil vom 11. Januar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung seiner Rente unter Abzug nur des hälftigen Beitrags zur Pflegeversicherung und auf hälftige Tragung des Beitrags zur Pflegeversicherung durch die Beklagte. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der gesetzlichen Regelung zur alleinigen Beitragstragung durch den Rentenbezieher (§ 59 Abs. 1, 60 Abs. 1 SGB XI i. V. m. § 255 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]) bestünden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht. Es liege weder ein Verstoß gegen Artikel 14 Abs. 1 GG (BSG, Urteil vom 05. September 2006, B 4 R 71/06 R) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (BSG, Urteil vom 10. Mai 2006, B 12 KR 3/05/ R) vor.

Gegen das ihm am 05. März 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. November 2008 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) Berufung eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er angeführt, er sei wegen Krankheit (Herzrhythmusstörungen sowie Depressionen) an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels gehindert gewesen. Beim Lesen des Urteils habe er erneut einen seelischen Schock erlitten, wodurch sich seine Herzrhythmusstörungen verschlimmert hätten. Erst Anfang November 2008 habe sich sein Gesundheitszustand soweit gebessert, dass ihm nicht mehr übel werde, wenn er sich mit der Gerichtsakte befasse. Zum Beweis seiner Gesundheitsstörungen hat sich der Kläger auf ein nicht vorgelegtes Gutachten seiner behandelnden Ärztin Frau Dr. H Z bezogen.

In der Sache hat er an seiner Ansicht, die Vorschrift des § 59 Abs. 1 SGB XI sei verfassungswidrig, unter Wiederholung und Vertiefung seiner Argumente festgehalten und vorgetragen, er lehne vorsorglich Richter ab, die einer DGB-Gewerkschaft angehörten sowie Arbeitgeberbeisitzer, die einem Arbeitgeberverband angehörten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 08. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Juli 2004 aufzuheben, soweit die Beklagte darin die bisherige Entscheidung über die Tragung des hälftigen Beitrags zur Pflegeversicherung aufgehoben und festgestellt hat, dass der Kläger diesen Betrag ab dem 01. April 2004 allein zu tragen habe, sowie die Nachzahlungsbeträge zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

und verweist in der Sache auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.

Die Berichterstatterin hat den Kläger mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 auf die Versäumung der Berufungsfrist und die Voraussetzungen, unter denen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG gewährt werden kann, hingewiesen. Des Weiteren wurden die Beteiligten mit Schreiben vom 02. Januar 2009 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§§ 153 Abs. 4, 158 Satz 1 und 2 SGG) entscheiden, denn er hält die Berufung für unzulässig und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die Berufung des Klägers ist verspätet und damit unzulässig. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung beim LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf der Berufungsfrist mit dem Tag nach der Zustellung des Urteils, die hier ausweislich der Zustellungsurkunde der Deutschen Post am 05. März 2008 erfolgt ist. Der Kläger hat aber erst am 28. November 2008 bei dem LSG, und damit verspätet, Berufung eingelegt. Dies ist auch unstreitig.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nach dem gegebenen Sachverhalt nicht in Betracht. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist jemandem auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen.

Der Kläger war jedenfalls nicht ohne Verschulden an der Wahrung der Berufungsfrist gehindert. Verschulden ist grundsätzlich anzunehmen, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des Falles zuzumuten war. Damit entschuldigt nicht jede Erkrankung. Zur Beeinträchtigung des Gesundheitszustands und eines dadurch nicht zu vertretenden Fristversäumnisses ist es nach übereinstimmender Rechtsmeinung vielmehr erforderlich, dass der Beteiligte krankheitsbedingt gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst vorzunehmen oder eine andere Person damit zu betrauen. Eine Krankheit schließt Verschulden nur aus, wenn der Beteiligte so schwer erkrankt ist, dass er außerstande ist, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen oder einen Dritten hiermit zu beauftragen. Die Rechtsprechung ist hier streng (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Februar 1992, 9a BVg 10/91; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 67 Rdnr. 7c). Auf diese Rechtslage ist der Kläger durch Schreiben der Berichterstatterin vom 29. Dezember 2008 auch hingewiesen und darüber belehrt worden, dass die geltend gemachte krankheitsbedingte Versäumung der Berufungsfrist jedenfalls durch Vorlage eines Attestes der behandelnden Ärztin hätte glaubhaft gemacht werden müssen.

Der Kläger hat indes einen derart gravierenden krankheitsbedingten Verhinderungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Er hat kein ärztliches Attest oder einen sonstigen Nachweis, etwa über einen langen Krankenhausaufenthalt, vorgelegt, der Rückschlüsse auf eine ihn an der fristgerechten Einlegung der Berufung hindernde gesundheitliche Störung zulassen könnte. Sein Vortrag, er sei wegen Herzrhythmusstörungen sowie Depressionen an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels gehindert gewesen und habe beim Lesen des Urteils erneut einen seelischen Schock und eine Verschlimmerung seiner Herzrhythmusstörungen erlitten, so dass er gesundheitlich erst Anfang November 2008 in der Lage gewesen sei, sich mit der Gerichtsakte zu befassen, ist zu vage und lässt nicht erkennen, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, jedenfalls fristwahrend Berufung einzulegen und sich eine nähere Begründung vorzubehalten bzw. eine Person seines Vertrauens damit zu beauftragen. Bei dieser Sachlage sah sich der Senat auch nicht veranlasst, von Amts wegen einen Bericht der behandelnden Ärztin Frau Dr. Z beizuziehen, denn die Glaubhaftmachung ist Angelegenheit der die Frist versäumenden Partei.

Damit ist die Berufung verfristet und unzulässig. Sie ist nach § 158 Abs. 1 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Senat die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung teilt (vgl. Urteil des Senats vom 15. Oktober 2008 - L 3 R 1587/07 - in juris) und eine vom Kläger gerügte Verletzung von Verfassungsrechten durch die Neufassung von § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI als nicht gegeben ansieht.
Rechtskraft
Aus
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