Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 3037/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 415/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kenntnis im Sinne des § 103 Abs. 1 SGB X liegt auch vor, wenn der Sachbearbeiter nur aufgrund Organisationsverschuldens keine Kenntnis der anderen Leistung hat.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 335,82 EUR zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 335,82 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von 335,82 EUR hat.
Der Rentner H R (im Folgenden: der Versicherte - V) war und ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er bezog seit 1998 von der Klägerin eine Berufsunfähigkeitsrente. Diese übermittelte der Beklagten jeweils die entsprechenden Daten. V befand sich bis zum 31. Dezember 2006 in einem vollzeitigen Beschäftigungsverhältnis und war seit dem 22. Dezember 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte ihm in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2007 Krankengeld in voller Höhe. Konkret wurde das Krankengeld am 26. Februar 2007 für den Monat Januar, am 8. März 2007 für den Monat Februar, am 21. März 2007 für die restliche Zeit gezahlt. Gleichzeitig gewährte die Klägerin dem V während dieses Zeitraums (jeweils im Voraus) auch die Berufsunfähigkeitsrente in voller Höhe. Nachdem sie aufgrund der entsprechenden Meldung vom 28. März 2007 von der Krankengeldzahlung der Beklagten Kenntnis erlangt hatte, meldete sie mit Schreiben vom 11. April 2007 bei dieser einen Erstattungsanspruch i. H. v. insgesamt 335,82 EUR an. V habe durch den Krankengeldbezug die Hinzuverdienstgrenze überschritten. Daher sei die Berufsunfähigkeitsrente auf 1/3 zu kürzen gewesen. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab. Die Klägerin hat daraufhin am 8. November 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Ihr stehe ein Erstattungsanspruch nach § 103 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) zu, da ihre Pflicht zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente nachträglich teilweise entfallen sei aufgrund der Krankengeldzahlung der Beklagten. Das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze gemäß § 96 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) stelle nämlich ein teilweises Entfallen des Anspruches im Sinne des § 103 SGB X dar. Die Beklagte habe aufgrund der ihr elektronisch übermittelten Daten positive Kenntnis von der Rentenzahlung der Klägerin gehabt. Daher sei sie durch die Krankengeldzahlung auch nicht von ihrer Erstattungspflicht frei geworden. Für eine solche Kenntnis sei es nicht erforderlich, auch die Höhe des Erstattungsanspruches zu kennen, hier also die Höhe der konkreten Rentenüberzahlung. Die Bezifferung des Erstattungsanspruches obliege allein dem erstattungsberechtigten Leistungsträger, also hier der Klägerin. Die Beklagte habe insoweit nur die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X zu beachten gehabt. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Erstattungsanspruch der Klägerin bestünde nicht. Denn der Anspruch des V sei nicht nachträglich entfallen. Vielmehr sei lediglich die Hinzuverdienstgrenze des § 96 a SGB VI überschritten worden. Dies berühre den Rentenanspruch als solches nicht, sondern lediglich die Höhe der Rentenzahlung. Die Klägerin müsse deshalb selbst den überzahlten Betrag von V nach §§ 44 ff, 50 SGB X zurückfordern. Sie selbst sei auch gar nicht in der Lage gewesen, die Hinzuverdienstgrenze zu ermitteln, da sie weder den aktuellen Rentenwert noch die Summe der Entgeltpunkte des Versicherten gekannt habe und kenne. Sie als Krankenkasse dürfe keine Verwaltungsakte über die Anwendung der Hinzuverdienstgrenzen erlassen. Letzteres würde einen Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Sozialgesetzbuches und damit gegen § 30 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) bedeuten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. August 2008 abgewiesen. Die zulässige Leistungsklage habe keinen Erfolg, weil der Klägerin kein Erstattungsanspruch zustehe. Keine der möglichen Anspruchsgrundlagen, § 103 Abs. 1 SGB X und § 104 Abs. 1 SGB X, sei erfüllt. Welche der beiden Vorschriften einschlägig sei, wenn wie vorliegend, der Rentenanspruch nicht insgesamt entfalle, sondern sich nur die Höhe der monatlichen Rentenzahlung mindere, sei umstritten. Diese Frage könne hier dahingestellt bleiben, weil nach beiden Paragraphen ein Erstattungsanspruch nicht bestehe, soweit der an sich erstattungspflichtige Leistungsträger bereits geleistet habe, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt habe. Dies sei hier der Fall. Erforderlich sei hierfür eine positive Kenntnis. Ein bloßes Kennenmüssen genüge nicht (Bezugnahme auf Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 19. März 1992 - 7 RAr 26/91 - BSGE 70, 186). Der um Erstattung ersuchte Leistungsträger müsse wissen, welche Leistungen der andere für welche Zeiträume und in welcher Höhe erbracht habe. Nur dann sei er in der Lage, ohne weitere Nachforschungen zu entscheiden, welche Leistungsbestandteile zur Erfüllung des Erstattungsanspruches einzubehalten und welche weiterhin an den Versicherten auszubezahlen seien. Der Leistungsträger solle nicht erst Ermittlungen anstellen müssen, ob und in welcher Höhe bereits andere Träger Leistungen erbracht hätten, die einen Erstattungsanspruch auslösen könnten. In solchen Fällen bleibe der an sich erstattungsberechtigte Leistungsträger auf Ansprüche gegen den konkreten Leistungsempfänger angewiesen. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe könne hier nicht von einer Kenntnis der Beklagten von der Rentenleistung durch die Klägerin ausgegangen werden. Aus der Verwaltungsakte der Beklagten gehe zwar hervor, dass diese jedenfalls im Rahmen einer Arztanfrage am 22. Januar 2007 über den Bezug der Berufungsunfähigkeitsrente in Kenntnis gesetzt worden sei. Nicht erkennbar sei aber die Höhe der Rente gewesen. Die Beklagtenvertreterin habe in der mündlichen Verhandlung auch darauf hingewiesen, dass die Höhe der Rente aus den bei ihr verfügbaren Daten (generell) nicht erkennbar sei. Ob - wie die Klägerin behauptet habe - sie der Beklagten auch die konkrete Höhe übermittelt habe, müsse hier aus mehreren Gründen nicht weiter aufgeklärt werden. Zum einen sei nämlich die positive Kenntnis des für die Krankengeldzahlung selbst zuständigen Sachbearbeiters maßgeblich (Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - BVerwGE 70, 356, 364; BSG BSGE 60, 239, 240 und Kasseler Kommentar/Kater § 103 SGB X Rdnr. 31). Danach könne die bloße Datenübermittlung durch die Klägerin an die Beklagte im Wege der elektronischen Datenverarbeitung nicht ausreichen, wenn nicht feststehe, dass der zuständige Sachbearbeiter diese Daten auch konkret zur Kenntnis genommen habe. Eine solche Kenntnis sei durch die Klägerin nicht behauptet worden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich ein die Höhe der Rentenzahlung enthaltender Datenausdruck bei den Verwaltungsakten der Beklagten befinde. Außerdem hätte neben der Höhe der Rente für die Berechnung des nach § 107 SGB X einzubehaltenden Erstattungsbetrages auch noch der aktuelle Rentenwert sowie die Summe der Entgeltpunkte des V bekannt sein müssen, § 96 a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Diese Daten habe die Beklagte unstreitig nicht zur Verfügung gehabt. Sie hätte also weitere Nachforschungen zum etwaigen aufgrund des Erstattungsanspruchs einzubehaltenden Betrag anstellen müssen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung insbesondere zum Verletztengeld ein Rentenversicherungsträger grundsätzlich nicht befugt sei, die Höhe seiner Überzahlung und damit seines Erstattungsanspruches durch Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten festzustellen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 19. März 1992; Urteil vom 26. April 2005 - B 5 RJ 36/04 R -). In diesen vom BSG entschiedenen Fällen habe die dortige Berufsgenossenschaft im Hinblick auf den Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers und der Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X die Verletztenrente noch nicht ausgezahlt gehabt, so dass der Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers noch bestanden habe. Für diesen Fall scheide eine (teilweise) Aufhebung des Rentenbescheides durch den Versicherungsträger aus, da hierfür wegen § 107 SGB X der Unfallversicherungsträger zuständig sei. Die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X und damit auch die Zuständigkeit des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch für die Leistung des erstattungsberechtigten Leistungsträgers gelte jedoch nur solange, wie ein Erstattungsanspruch tatsächlich bestehe (Bezugnahme auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. August 2006 - L 12 RA 76/04 -). Im vorliegenden Fall sei der Erstattungsanspruch der Klägerin mit der Krankengeldzahlung durch die Beklagte an den V erloschen. Damit ende auch die Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X und dementsprechend die Zuständigkeit der Beklagten für die Einbehaltung bzw. die Rückforderung der überzahlten Berufsunfähigkeitsrente. Dafür sei nunmehr allein die Klägerin als Rentenversicherungsträger zuständig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2008 (Az.: S 36 KR 326/08) ihre Auffassung bekräftigt, § 104 SGB X verlange nicht die Kenntnis aller Umstände, welche für die Höhe des Einbehaltes erforderlich seien, sondern nur die "von der Leistung des anderen Leistungsträgers" (so ebenfalls SG Berlin Urteil vom 15. Februar 2008 - S 28 KR 1731/06 -). Um den Schwierigkeiten bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenze entgegenzuwirken, bestehe nach § 86 SGB X die Pflicht der Leistungsträger zur Zusammenarbeit (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 22. Mai 2002 - B 8 KN 11/00 R -). Wenn also der um Erstattung ersuchte Leistungsträger nicht die entsprechende Fachkompetenz habe, um die dem Erstattungsanspruch zugrunde liegende Regelung - also vorliegend die des § 96 a SGB VI anzuwenden - müsse er mit dem anderen Leistungsträger zusammenarbeiten. Die Kenntnis von der Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente hier sei unstreitig. Soweit das SG weiter darauf abgestellt habe, es käme auf die Kenntnis des konkreten zuständigen Sachbearbeiters an (hier auf die des für die Krankengeldauszahlung zuständigen), sei es alleine von der Beklagten zu vertreten, wenn diesem die Unterlagen nicht vorgelegen hätten. Es läge in der Organisationsbefugnis der Beklagten als Krankenkasse dem zuständigen Sachbearbeiter die erforderlichen Kenntnisse nicht nur aus der (Papier-) Akte, sondern auch aus dem Datenbestand zugänglich zu machen. Seien die notwendigen Daten im EDV-Konto enthalten, dann reiche dies für die geforderte Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters aus. Dass die Klägerin der Beklagten die Daten maschinell übermittelt habe, sei unstreitig. Mit Einführung des individuellen Beitragsatzes im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner zum 1. Juli 1997 sei ein vollmaschinelles Meldeverfahren zwischen den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und den Krankenkassen eingeführt worden. Im Rahmen dieses Verfahrens tauschten diese regelmäßig sämtliche erforderlichen Daten aus. Über die Rentengewährung sei die Beklagte mit dem Datensatz vom 24. November 1998 (Anlage 1 zur Klageschrift vom 5. November 2007) informiert worden. Dieser Datensatz habe u. a. Daten zur Rentenart, zum Rentenbeginn und zur Rentenhöhe enthalten. Im Rahmen dieses Meldeverfahrens seien in der Folgezeit diverse Datensätze zwischen den Beteiligten ausgetauscht worden. Auch der letzte vor Beginn der Krankengeldzahlung übermittelte Datensatz vom 8. Juni 2006 habe u. a. Angaben zur aktuellen Rentenhöhe enthalten. Die Beklagte habe die grundsätzliche Kenntnis in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten, sondern (lediglich) einen Datenauszug vorgelegt, wie sie ihn ihren Sachbearbeitern zur Verfügung stelle. In diesem sei die Rentenhöhe nicht enthalten. Überdies habe die erstinstanzlich zuständige Kammer des SG ihre im hier angegriffenen Urteil vertretene Rechtsaufassung mittlerweile selbst aufgegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 335,82 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge beider Beteiligten lagen zur Beratung vor.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten den geforderten Betrag nach § 103 Abs. 1 SGB X verlangen. Ihre Sozialleistung, die Berufsunfähigkeitsrente, ist nachträglich teilweise entfallen, indem die Beklagte dem V jeweils monatlich rückwirkend Krankengeld ausgezahlt hat. An sich - also von der materiellen Rechtslage, nach welcher sich die Rentenhöhe bestimmt - wäre die Klägerin nachrangig nach §104 SGB X verpflichtet, da sie bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers in Höhe der dadurch eintretenden Rentenzahlungskürzung selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 2005 - B 5 RJ 36/04 R - juris Rdnr. 12). Denn u. a. das Krankengeld wird gem. § 96 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit angerechnet. Allerdings musste und muss die Klägerin die Rente monatlich im Voraus leisten (§ 272 a SGB VI als Ausnahme von § 118 Abs. 1 SGB VI), weil der Beginn der Rentenzahlung an V vor dem 1. April 2004 liegt. Hingegen ist das Krankengeld hier im Nachhinein gewährt und geleistet worden, so dass hier im Ergebnis kein Nachrang der Rentenzahlung besteht, sondern dieser nachträglich rückwirkend der Rechtsgrund entzogen wurde (a. A. BSG, a.a.O mit der für Erstattungsstreitigkeiten unergiebigen Differenzierung zwischen Wegfall des Anspruches und bloßer Minderung des zu zahlenden Betrages).
Ob hier § 103 SGB X oder § 104 SGB X einschlägig ist, kann aber dahinstehen, wie das SG zutreffend im angefochtenen Urteil ausgeführt hat, auf welches insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird. Das hier maßgebliche zwischen den Beteiligten umstrittene Tatbestandsmerkmal der Kenntnis von der Leistung des Erstattungsberechtigten ist bei beiden Erstattungsanspruchsnormen das gleiche.
Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X sind erfüllt. Zum einen ist die Beklagte als Krankengeld leistende Krankenkasse ein "für die entsprechende Leistung zuständiger Leistungsträger". Zum anderen hat diese das Krankengeld nicht bereits geleistet, bevor sie von der Leistung der Klägerin Kenntnis erlangt hatte:
Eine entsprechende Leistung im Sinne des § 103 Abs. 1 SGB X ist gegeben, wenn diese der erbrachten gleichartig ist, weil sie eine gegebene Bedarfssituation vergleichbar befriedigt (BSG SozR 2200 § 562 Nr. 7). Gleichartige Leistungen sind alle Leistungen mit Lohnersatzfunktion. Dies trifft auf Rente und Krankengeld zu (ebenso KassKomm-Kater, § 103 SGB X RdNr. 28).
Die Beklagte hatte auch zu den Zeiten der Krankengeldauszahlung Kenntnis von der Rentenzahlung durch die Klägerin gehabt. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass dem für die Krankengeldgewährung zuständigen Sachbearbeiter allenfalls der Umstand der Rentenzahlung an sich bekannt gewesen ist, jedoch weder die genaue Höhe der Berufsunfähigkeitsrente, noch die Faktoren, welche zum Berechnen der Rentenkürzung nach § 96a SGB VI benötigt werden.
Zunächst ist festzustellen, dass § 103 Abs. 1 bzw. § 104 Abs. 1 SGB X nach dem Wortlaut nur auf die Kenntnis der Leistung schlechthin abstellen, also nicht auch auf die der konkreten Leistungshöhe geschweige auf die aller weiteren Umstände, welche für die Berechnung der Überzahlung der Leistung erforderlich sind. Die Klägerin weist ferner zu Recht auf § 86 Abs. 1 SGB X hin. Die Beklagte war gehalten, die erforderlichen Auskünfte beim Rentenversicherungsträger einzuholen.
Allerdings ist nach den Ausführungen des BSG im Urteil vom 19. März 1992 (a.a.O.) für eine Kenntnis die positive Kenntnis von den Leistungen des Erstattungsbegehrenden erforderlich. Ein bloßes Kennenmüssen genüge nicht. Da sich der Erstattungsanspruch nur im Hinblick auf Leistungen ergeben könne, die von anderen Leistungsträgern zeitgleich zu erbringen gewesen und von der Leistungsart vergleichbar seien, setze die Kenntnis voraus, dass der um Erstattung ersuchte Leistungsträger wisse, welche Leistungen der andere Leistungsträger für welche Zeiträume und in welcher Höhe erbracht habe. Nur dann sei er nämlich in der Lage, ohne weitere Nachforschungen zu entscheiden, welche Leistungsbestandteile zur Erfüllung des Erstattungsanspruches einzubehalten und welche weiterhin auszubezahlen seien.
Diese Ausführungen sind allerdings im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich gewesen, sondern waren Bestandteil einer so genannten Segelanweisung. Es handelte sich nur um Hinweise für das Landessozialgericht, an welches die Sache zurückverwiesen wurde.
Maßgeblich für den Rechtsstreit ist hier die Frage, ob sich die Beklagte darauf berufen darf, dass sie ihrem konkreten Sachbearbeiter die von der Klägerin übermittelten Daten nicht vollständig zur Verfügung gestellt hat, sondern nur Auszüge. Im Berufungsverfahren ist außer Streit und steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin der Beklagten jeweils zeitnah Angaben unter anderen über den Umstand der Rentenzahlung und deren Höhe im Wege des Datenaustausches hat zukommen lassen.
Der Senat stimmt der Klägerin in der Auffassung zu, dass ein Organisationsverschulden die Rechtslage nicht beeinflussen darf. Ebenso wenig, wie der Sachbearbeiter auch nach der angeführten Rechtsprechung vorsätzlich Daten ignorieren darf, darf die Beklagte ihm relevante Daten vorenthalten.
Die §§ 103 f und 107 SGB X sollen möglichst verhindern, dass es bei gleichartigen Leistungen zu Überzahlungen kommt. Um zu vermeiden, dass ohne die angemessene Prüfung Leistungen gewährt werden, ordnen die Regelungen der Sache nach an, dass nicht derjenige Leistungsträger, der unverschuldet ohne Rechtsgrund geleistet hat, diese vom Versicherten zurückfordern muss, sondern derjenige, der die Überzahlung hätte vermeiden können. Diesen Gesetzeszweck kann ein Sozialversicherungsträger nicht im Eigeninteresse an einem möglichst schlanken Verwaltungsaufwand vereiteln, indem er den Sachbearbeitern nicht die erforderlichen Unterlagen nicht zur Verfügung stellt.
Dass es für die Kenntnis speziell nur auf die Kenntnisse des konkreten Sachbearbeiters ankommt, ist im Übrigen kein allgemeiner Grundsatz. Anerkannt ist diese Sichtweise vielmehr von der Rechtsprechung speziell bei der Beschränkung der Aufhebung –insbesondere der Rücknahme- von begünstigenden Bescheiden auf eine Frist von einem Jahr nach Kenntnisnahme, vgl. §§ 46 Abs. 4 Satz 2, 47 Abs. 2 Satz 5, 48 Abs. 4 SGB X, §§ 48 Abs. 4, 49 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (vgl. die vom SG angeführten Entscheidungen BVerwG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Februar 1984 - GrSen 1/84, GrSen 2/84-, BVerwGE 70, 356, 364 und BSGE 60, 239f). In diesen Fällen wird im Interesse der herzustellenden materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns bei bestehender rechtswidriger Bescheidlage gefordert, dass die Jahresfrist zur Entscheidung nicht vorschnell, sondern erst ab Kenntnis der Umstände des für die etwaige Aufhebung zuständigen konkreten Sachbearbeiter zu laufen beginnen dürfe. Die §§ 103 f SGB X i. V. m. 107 SGB X zielen hingegen gerade darauf, dass ein materiell rechtswidriges Behördenhandeln bereits vermieden wird. Auch ist für die Jahresfrist bei Rücknahmeentscheidungen anerkannt, dass eine Behörde treuwidrig handelt und das Rücknahmerecht verwirkt, wenn sie den Beginn der Jahresfrist hinauszögert, in dem sie beispielsweise die erforderliche Anhörung nicht durchführt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 - 7 C 6/01 - NVwZ 2002, 485, 486). Entsprechend verhält sich hier die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich auf die Unkenntnis des konkreten Sachbearbeiters beruft, weil diese ausschließlich darauf beruht, dass sie ihm die bei ihr vorhandenen Datensätze nur unvollständig zur Verfügung gestellt hat.
Dass die Beklagte allein durch die Kenntnis der Rentenhöhe nicht in der Lage gewesen ist, die Höhe einer (eventuellen) Überzahlung der Berufsunfähigkeitsrente zu erkennen, ist unschädlich. Selbst nach dem Urteil des BSG vom 19. März 1992 reicht es aus, die Tatsachen zu kennen, um nicht selbst nachforschen zu müssen (BSGE 70, 186, 196). Das "Kennen" setzt also auch danach nicht voraus, die konkreten rechtlichen Schlussfolgerungen zu erkennen.
Der Umfang des Erstattungsanspruches nach § 103 SGB X steht hier außer Streit.
Als Konsequenz des Erstattungsanspruches gilt dem V gegenüber die Auszahlung der überzahlten Berufsunfähigkeitsrente als Teilerfüllung seines Krankengeldanspruches, § 107 Abs. 1 SGB X, weil ein Erstattungsanspruch besteht. Die Beklagte ihrerseits hat deshalb dem V zuviel Krankengeld ausgezahlt und ist gehalten, die Überzahlung bei V zurückzufordern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision war zuzulassen. Dem Rechtsstreit kommt grundsätzliche Bedeutung zu, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Der Beschluss über den Streitwert folgt aus § 63 Abs. 1 GKG.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von 335,82 EUR hat.
Der Rentner H R (im Folgenden: der Versicherte - V) war und ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er bezog seit 1998 von der Klägerin eine Berufsunfähigkeitsrente. Diese übermittelte der Beklagten jeweils die entsprechenden Daten. V befand sich bis zum 31. Dezember 2006 in einem vollzeitigen Beschäftigungsverhältnis und war seit dem 22. Dezember 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte ihm in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2007 Krankengeld in voller Höhe. Konkret wurde das Krankengeld am 26. Februar 2007 für den Monat Januar, am 8. März 2007 für den Monat Februar, am 21. März 2007 für die restliche Zeit gezahlt. Gleichzeitig gewährte die Klägerin dem V während dieses Zeitraums (jeweils im Voraus) auch die Berufsunfähigkeitsrente in voller Höhe. Nachdem sie aufgrund der entsprechenden Meldung vom 28. März 2007 von der Krankengeldzahlung der Beklagten Kenntnis erlangt hatte, meldete sie mit Schreiben vom 11. April 2007 bei dieser einen Erstattungsanspruch i. H. v. insgesamt 335,82 EUR an. V habe durch den Krankengeldbezug die Hinzuverdienstgrenze überschritten. Daher sei die Berufsunfähigkeitsrente auf 1/3 zu kürzen gewesen. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab. Die Klägerin hat daraufhin am 8. November 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Ihr stehe ein Erstattungsanspruch nach § 103 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) zu, da ihre Pflicht zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente nachträglich teilweise entfallen sei aufgrund der Krankengeldzahlung der Beklagten. Das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze gemäß § 96 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) stelle nämlich ein teilweises Entfallen des Anspruches im Sinne des § 103 SGB X dar. Die Beklagte habe aufgrund der ihr elektronisch übermittelten Daten positive Kenntnis von der Rentenzahlung der Klägerin gehabt. Daher sei sie durch die Krankengeldzahlung auch nicht von ihrer Erstattungspflicht frei geworden. Für eine solche Kenntnis sei es nicht erforderlich, auch die Höhe des Erstattungsanspruches zu kennen, hier also die Höhe der konkreten Rentenüberzahlung. Die Bezifferung des Erstattungsanspruches obliege allein dem erstattungsberechtigten Leistungsträger, also hier der Klägerin. Die Beklagte habe insoweit nur die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X zu beachten gehabt. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Erstattungsanspruch der Klägerin bestünde nicht. Denn der Anspruch des V sei nicht nachträglich entfallen. Vielmehr sei lediglich die Hinzuverdienstgrenze des § 96 a SGB VI überschritten worden. Dies berühre den Rentenanspruch als solches nicht, sondern lediglich die Höhe der Rentenzahlung. Die Klägerin müsse deshalb selbst den überzahlten Betrag von V nach §§ 44 ff, 50 SGB X zurückfordern. Sie selbst sei auch gar nicht in der Lage gewesen, die Hinzuverdienstgrenze zu ermitteln, da sie weder den aktuellen Rentenwert noch die Summe der Entgeltpunkte des Versicherten gekannt habe und kenne. Sie als Krankenkasse dürfe keine Verwaltungsakte über die Anwendung der Hinzuverdienstgrenzen erlassen. Letzteres würde einen Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Sozialgesetzbuches und damit gegen § 30 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) bedeuten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. August 2008 abgewiesen. Die zulässige Leistungsklage habe keinen Erfolg, weil der Klägerin kein Erstattungsanspruch zustehe. Keine der möglichen Anspruchsgrundlagen, § 103 Abs. 1 SGB X und § 104 Abs. 1 SGB X, sei erfüllt. Welche der beiden Vorschriften einschlägig sei, wenn wie vorliegend, der Rentenanspruch nicht insgesamt entfalle, sondern sich nur die Höhe der monatlichen Rentenzahlung mindere, sei umstritten. Diese Frage könne hier dahingestellt bleiben, weil nach beiden Paragraphen ein Erstattungsanspruch nicht bestehe, soweit der an sich erstattungspflichtige Leistungsträger bereits geleistet habe, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt habe. Dies sei hier der Fall. Erforderlich sei hierfür eine positive Kenntnis. Ein bloßes Kennenmüssen genüge nicht (Bezugnahme auf Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 19. März 1992 - 7 RAr 26/91 - BSGE 70, 186). Der um Erstattung ersuchte Leistungsträger müsse wissen, welche Leistungen der andere für welche Zeiträume und in welcher Höhe erbracht habe. Nur dann sei er in der Lage, ohne weitere Nachforschungen zu entscheiden, welche Leistungsbestandteile zur Erfüllung des Erstattungsanspruches einzubehalten und welche weiterhin an den Versicherten auszubezahlen seien. Der Leistungsträger solle nicht erst Ermittlungen anstellen müssen, ob und in welcher Höhe bereits andere Träger Leistungen erbracht hätten, die einen Erstattungsanspruch auslösen könnten. In solchen Fällen bleibe der an sich erstattungsberechtigte Leistungsträger auf Ansprüche gegen den konkreten Leistungsempfänger angewiesen. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe könne hier nicht von einer Kenntnis der Beklagten von der Rentenleistung durch die Klägerin ausgegangen werden. Aus der Verwaltungsakte der Beklagten gehe zwar hervor, dass diese jedenfalls im Rahmen einer Arztanfrage am 22. Januar 2007 über den Bezug der Berufungsunfähigkeitsrente in Kenntnis gesetzt worden sei. Nicht erkennbar sei aber die Höhe der Rente gewesen. Die Beklagtenvertreterin habe in der mündlichen Verhandlung auch darauf hingewiesen, dass die Höhe der Rente aus den bei ihr verfügbaren Daten (generell) nicht erkennbar sei. Ob - wie die Klägerin behauptet habe - sie der Beklagten auch die konkrete Höhe übermittelt habe, müsse hier aus mehreren Gründen nicht weiter aufgeklärt werden. Zum einen sei nämlich die positive Kenntnis des für die Krankengeldzahlung selbst zuständigen Sachbearbeiters maßgeblich (Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - BVerwGE 70, 356, 364; BSG BSGE 60, 239, 240 und Kasseler Kommentar/Kater § 103 SGB X Rdnr. 31). Danach könne die bloße Datenübermittlung durch die Klägerin an die Beklagte im Wege der elektronischen Datenverarbeitung nicht ausreichen, wenn nicht feststehe, dass der zuständige Sachbearbeiter diese Daten auch konkret zur Kenntnis genommen habe. Eine solche Kenntnis sei durch die Klägerin nicht behauptet worden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich ein die Höhe der Rentenzahlung enthaltender Datenausdruck bei den Verwaltungsakten der Beklagten befinde. Außerdem hätte neben der Höhe der Rente für die Berechnung des nach § 107 SGB X einzubehaltenden Erstattungsbetrages auch noch der aktuelle Rentenwert sowie die Summe der Entgeltpunkte des V bekannt sein müssen, § 96 a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Diese Daten habe die Beklagte unstreitig nicht zur Verfügung gehabt. Sie hätte also weitere Nachforschungen zum etwaigen aufgrund des Erstattungsanspruchs einzubehaltenden Betrag anstellen müssen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung insbesondere zum Verletztengeld ein Rentenversicherungsträger grundsätzlich nicht befugt sei, die Höhe seiner Überzahlung und damit seines Erstattungsanspruches durch Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten festzustellen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 19. März 1992; Urteil vom 26. April 2005 - B 5 RJ 36/04 R -). In diesen vom BSG entschiedenen Fällen habe die dortige Berufsgenossenschaft im Hinblick auf den Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers und der Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X die Verletztenrente noch nicht ausgezahlt gehabt, so dass der Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers noch bestanden habe. Für diesen Fall scheide eine (teilweise) Aufhebung des Rentenbescheides durch den Versicherungsträger aus, da hierfür wegen § 107 SGB X der Unfallversicherungsträger zuständig sei. Die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X und damit auch die Zuständigkeit des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch für die Leistung des erstattungsberechtigten Leistungsträgers gelte jedoch nur solange, wie ein Erstattungsanspruch tatsächlich bestehe (Bezugnahme auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. August 2006 - L 12 RA 76/04 -). Im vorliegenden Fall sei der Erstattungsanspruch der Klägerin mit der Krankengeldzahlung durch die Beklagte an den V erloschen. Damit ende auch die Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X und dementsprechend die Zuständigkeit der Beklagten für die Einbehaltung bzw. die Rückforderung der überzahlten Berufsunfähigkeitsrente. Dafür sei nunmehr allein die Klägerin als Rentenversicherungsträger zuständig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2008 (Az.: S 36 KR 326/08) ihre Auffassung bekräftigt, § 104 SGB X verlange nicht die Kenntnis aller Umstände, welche für die Höhe des Einbehaltes erforderlich seien, sondern nur die "von der Leistung des anderen Leistungsträgers" (so ebenfalls SG Berlin Urteil vom 15. Februar 2008 - S 28 KR 1731/06 -). Um den Schwierigkeiten bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenze entgegenzuwirken, bestehe nach § 86 SGB X die Pflicht der Leistungsträger zur Zusammenarbeit (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 22. Mai 2002 - B 8 KN 11/00 R -). Wenn also der um Erstattung ersuchte Leistungsträger nicht die entsprechende Fachkompetenz habe, um die dem Erstattungsanspruch zugrunde liegende Regelung - also vorliegend die des § 96 a SGB VI anzuwenden - müsse er mit dem anderen Leistungsträger zusammenarbeiten. Die Kenntnis von der Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente hier sei unstreitig. Soweit das SG weiter darauf abgestellt habe, es käme auf die Kenntnis des konkreten zuständigen Sachbearbeiters an (hier auf die des für die Krankengeldauszahlung zuständigen), sei es alleine von der Beklagten zu vertreten, wenn diesem die Unterlagen nicht vorgelegen hätten. Es läge in der Organisationsbefugnis der Beklagten als Krankenkasse dem zuständigen Sachbearbeiter die erforderlichen Kenntnisse nicht nur aus der (Papier-) Akte, sondern auch aus dem Datenbestand zugänglich zu machen. Seien die notwendigen Daten im EDV-Konto enthalten, dann reiche dies für die geforderte Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters aus. Dass die Klägerin der Beklagten die Daten maschinell übermittelt habe, sei unstreitig. Mit Einführung des individuellen Beitragsatzes im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner zum 1. Juli 1997 sei ein vollmaschinelles Meldeverfahren zwischen den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und den Krankenkassen eingeführt worden. Im Rahmen dieses Verfahrens tauschten diese regelmäßig sämtliche erforderlichen Daten aus. Über die Rentengewährung sei die Beklagte mit dem Datensatz vom 24. November 1998 (Anlage 1 zur Klageschrift vom 5. November 2007) informiert worden. Dieser Datensatz habe u. a. Daten zur Rentenart, zum Rentenbeginn und zur Rentenhöhe enthalten. Im Rahmen dieses Meldeverfahrens seien in der Folgezeit diverse Datensätze zwischen den Beteiligten ausgetauscht worden. Auch der letzte vor Beginn der Krankengeldzahlung übermittelte Datensatz vom 8. Juni 2006 habe u. a. Angaben zur aktuellen Rentenhöhe enthalten. Die Beklagte habe die grundsätzliche Kenntnis in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten, sondern (lediglich) einen Datenauszug vorgelegt, wie sie ihn ihren Sachbearbeitern zur Verfügung stelle. In diesem sei die Rentenhöhe nicht enthalten. Überdies habe die erstinstanzlich zuständige Kammer des SG ihre im hier angegriffenen Urteil vertretene Rechtsaufassung mittlerweile selbst aufgegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 335,82 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge beider Beteiligten lagen zur Beratung vor.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten den geforderten Betrag nach § 103 Abs. 1 SGB X verlangen. Ihre Sozialleistung, die Berufsunfähigkeitsrente, ist nachträglich teilweise entfallen, indem die Beklagte dem V jeweils monatlich rückwirkend Krankengeld ausgezahlt hat. An sich - also von der materiellen Rechtslage, nach welcher sich die Rentenhöhe bestimmt - wäre die Klägerin nachrangig nach §104 SGB X verpflichtet, da sie bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers in Höhe der dadurch eintretenden Rentenzahlungskürzung selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 2005 - B 5 RJ 36/04 R - juris Rdnr. 12). Denn u. a. das Krankengeld wird gem. § 96 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit angerechnet. Allerdings musste und muss die Klägerin die Rente monatlich im Voraus leisten (§ 272 a SGB VI als Ausnahme von § 118 Abs. 1 SGB VI), weil der Beginn der Rentenzahlung an V vor dem 1. April 2004 liegt. Hingegen ist das Krankengeld hier im Nachhinein gewährt und geleistet worden, so dass hier im Ergebnis kein Nachrang der Rentenzahlung besteht, sondern dieser nachträglich rückwirkend der Rechtsgrund entzogen wurde (a. A. BSG, a.a.O mit der für Erstattungsstreitigkeiten unergiebigen Differenzierung zwischen Wegfall des Anspruches und bloßer Minderung des zu zahlenden Betrages).
Ob hier § 103 SGB X oder § 104 SGB X einschlägig ist, kann aber dahinstehen, wie das SG zutreffend im angefochtenen Urteil ausgeführt hat, auf welches insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird. Das hier maßgebliche zwischen den Beteiligten umstrittene Tatbestandsmerkmal der Kenntnis von der Leistung des Erstattungsberechtigten ist bei beiden Erstattungsanspruchsnormen das gleiche.
Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X sind erfüllt. Zum einen ist die Beklagte als Krankengeld leistende Krankenkasse ein "für die entsprechende Leistung zuständiger Leistungsträger". Zum anderen hat diese das Krankengeld nicht bereits geleistet, bevor sie von der Leistung der Klägerin Kenntnis erlangt hatte:
Eine entsprechende Leistung im Sinne des § 103 Abs. 1 SGB X ist gegeben, wenn diese der erbrachten gleichartig ist, weil sie eine gegebene Bedarfssituation vergleichbar befriedigt (BSG SozR 2200 § 562 Nr. 7). Gleichartige Leistungen sind alle Leistungen mit Lohnersatzfunktion. Dies trifft auf Rente und Krankengeld zu (ebenso KassKomm-Kater, § 103 SGB X RdNr. 28).
Die Beklagte hatte auch zu den Zeiten der Krankengeldauszahlung Kenntnis von der Rentenzahlung durch die Klägerin gehabt. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass dem für die Krankengeldgewährung zuständigen Sachbearbeiter allenfalls der Umstand der Rentenzahlung an sich bekannt gewesen ist, jedoch weder die genaue Höhe der Berufsunfähigkeitsrente, noch die Faktoren, welche zum Berechnen der Rentenkürzung nach § 96a SGB VI benötigt werden.
Zunächst ist festzustellen, dass § 103 Abs. 1 bzw. § 104 Abs. 1 SGB X nach dem Wortlaut nur auf die Kenntnis der Leistung schlechthin abstellen, also nicht auch auf die der konkreten Leistungshöhe geschweige auf die aller weiteren Umstände, welche für die Berechnung der Überzahlung der Leistung erforderlich sind. Die Klägerin weist ferner zu Recht auf § 86 Abs. 1 SGB X hin. Die Beklagte war gehalten, die erforderlichen Auskünfte beim Rentenversicherungsträger einzuholen.
Allerdings ist nach den Ausführungen des BSG im Urteil vom 19. März 1992 (a.a.O.) für eine Kenntnis die positive Kenntnis von den Leistungen des Erstattungsbegehrenden erforderlich. Ein bloßes Kennenmüssen genüge nicht. Da sich der Erstattungsanspruch nur im Hinblick auf Leistungen ergeben könne, die von anderen Leistungsträgern zeitgleich zu erbringen gewesen und von der Leistungsart vergleichbar seien, setze die Kenntnis voraus, dass der um Erstattung ersuchte Leistungsträger wisse, welche Leistungen der andere Leistungsträger für welche Zeiträume und in welcher Höhe erbracht habe. Nur dann sei er nämlich in der Lage, ohne weitere Nachforschungen zu entscheiden, welche Leistungsbestandteile zur Erfüllung des Erstattungsanspruches einzubehalten und welche weiterhin auszubezahlen seien.
Diese Ausführungen sind allerdings im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich gewesen, sondern waren Bestandteil einer so genannten Segelanweisung. Es handelte sich nur um Hinweise für das Landessozialgericht, an welches die Sache zurückverwiesen wurde.
Maßgeblich für den Rechtsstreit ist hier die Frage, ob sich die Beklagte darauf berufen darf, dass sie ihrem konkreten Sachbearbeiter die von der Klägerin übermittelten Daten nicht vollständig zur Verfügung gestellt hat, sondern nur Auszüge. Im Berufungsverfahren ist außer Streit und steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin der Beklagten jeweils zeitnah Angaben unter anderen über den Umstand der Rentenzahlung und deren Höhe im Wege des Datenaustausches hat zukommen lassen.
Der Senat stimmt der Klägerin in der Auffassung zu, dass ein Organisationsverschulden die Rechtslage nicht beeinflussen darf. Ebenso wenig, wie der Sachbearbeiter auch nach der angeführten Rechtsprechung vorsätzlich Daten ignorieren darf, darf die Beklagte ihm relevante Daten vorenthalten.
Die §§ 103 f und 107 SGB X sollen möglichst verhindern, dass es bei gleichartigen Leistungen zu Überzahlungen kommt. Um zu vermeiden, dass ohne die angemessene Prüfung Leistungen gewährt werden, ordnen die Regelungen der Sache nach an, dass nicht derjenige Leistungsträger, der unverschuldet ohne Rechtsgrund geleistet hat, diese vom Versicherten zurückfordern muss, sondern derjenige, der die Überzahlung hätte vermeiden können. Diesen Gesetzeszweck kann ein Sozialversicherungsträger nicht im Eigeninteresse an einem möglichst schlanken Verwaltungsaufwand vereiteln, indem er den Sachbearbeitern nicht die erforderlichen Unterlagen nicht zur Verfügung stellt.
Dass es für die Kenntnis speziell nur auf die Kenntnisse des konkreten Sachbearbeiters ankommt, ist im Übrigen kein allgemeiner Grundsatz. Anerkannt ist diese Sichtweise vielmehr von der Rechtsprechung speziell bei der Beschränkung der Aufhebung –insbesondere der Rücknahme- von begünstigenden Bescheiden auf eine Frist von einem Jahr nach Kenntnisnahme, vgl. §§ 46 Abs. 4 Satz 2, 47 Abs. 2 Satz 5, 48 Abs. 4 SGB X, §§ 48 Abs. 4, 49 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (vgl. die vom SG angeführten Entscheidungen BVerwG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Februar 1984 - GrSen 1/84, GrSen 2/84-, BVerwGE 70, 356, 364 und BSGE 60, 239f). In diesen Fällen wird im Interesse der herzustellenden materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns bei bestehender rechtswidriger Bescheidlage gefordert, dass die Jahresfrist zur Entscheidung nicht vorschnell, sondern erst ab Kenntnis der Umstände des für die etwaige Aufhebung zuständigen konkreten Sachbearbeiter zu laufen beginnen dürfe. Die §§ 103 f SGB X i. V. m. 107 SGB X zielen hingegen gerade darauf, dass ein materiell rechtswidriges Behördenhandeln bereits vermieden wird. Auch ist für die Jahresfrist bei Rücknahmeentscheidungen anerkannt, dass eine Behörde treuwidrig handelt und das Rücknahmerecht verwirkt, wenn sie den Beginn der Jahresfrist hinauszögert, in dem sie beispielsweise die erforderliche Anhörung nicht durchführt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 - 7 C 6/01 - NVwZ 2002, 485, 486). Entsprechend verhält sich hier die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich auf die Unkenntnis des konkreten Sachbearbeiters beruft, weil diese ausschließlich darauf beruht, dass sie ihm die bei ihr vorhandenen Datensätze nur unvollständig zur Verfügung gestellt hat.
Dass die Beklagte allein durch die Kenntnis der Rentenhöhe nicht in der Lage gewesen ist, die Höhe einer (eventuellen) Überzahlung der Berufsunfähigkeitsrente zu erkennen, ist unschädlich. Selbst nach dem Urteil des BSG vom 19. März 1992 reicht es aus, die Tatsachen zu kennen, um nicht selbst nachforschen zu müssen (BSGE 70, 186, 196). Das "Kennen" setzt also auch danach nicht voraus, die konkreten rechtlichen Schlussfolgerungen zu erkennen.
Der Umfang des Erstattungsanspruches nach § 103 SGB X steht hier außer Streit.
Als Konsequenz des Erstattungsanspruches gilt dem V gegenüber die Auszahlung der überzahlten Berufsunfähigkeitsrente als Teilerfüllung seines Krankengeldanspruches, § 107 Abs. 1 SGB X, weil ein Erstattungsanspruch besteht. Die Beklagte ihrerseits hat deshalb dem V zuviel Krankengeld ausgezahlt und ist gehalten, die Überzahlung bei V zurückzufordern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision war zuzulassen. Dem Rechtsstreit kommt grundsätzliche Bedeutung zu, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Der Beschluss über den Streitwert folgt aus § 63 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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