L 14 AL 175/09 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 AL 5824/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 175/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2009 wird zurückgewiesen. Sein Antrag, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und den Rechtsanwalt RW beizuordnen, wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Kläger erstrebt mit seiner am 18. November 2008 erhobenen und noch beim Sozialgericht anhängigen Klage – bei sachgerechter Auslegung seines Vorbringens – die Erstattung von Gebühren für die Teilnahme an einem Lehrgang zum "Organisatorischen Leiter Rettungsdienst" vom 8. bis 12. Dezember 2008 in Höhe von 395 Euro sowie die Erstattung von Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 30 Euro.

Seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalts hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2009 abgelehnt, da die Klage "nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen" keine hinreiche Aussicht auf Erfolg habe. An weiteren Ermittlungen zu der vom Kläger behaupteten Abhängigkeit einer Verlängerung seines befristeten Arbeitsverhältnisses vom erfolgreichen Besuch dieses Lehrgangs sei das Gericht gehindert, da der Kläger trotz Aufforderung nicht bereit sei, den Namen des Personalsachbearbeiters zu nennen, der mit ihm ein entsprechendes Gespräch geführt habe. Zu Ermittlungen "quasi ins Blaue hinein‘" sei das Gericht nicht verpflichtet.

-

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Ihm ist für die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder Prozesskostenhilfe zu bewilligen noch ein Rechtsanwalt beizuordnen.

Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann (§ 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) nicht aufbringen kann. Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist für ihn kostenfrei (§ 183 Satz 1 SGG). Als Kosten der Prozessführung, die er nicht aufbringen könnte, käme danach lediglich die Vergütung (Gebühren und Auslagen) eines Rechtsanwalts in Betracht. Dem Kläger ist jedoch ein Rechtsanwalt nicht beizuordnen.

Nach § 121 ZPO (i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) ist ein Rechtsanwalt – bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe – nur beizuordnen, wenn eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben (§ 121 Abs. 1 ZPO) oder der Gegner (hier die Beklagte) durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2, 2. Alternative ZPO) – was hier beides nicht der Fall ist – oder wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 121 Abs. 2, 1. Alternative ZPO). Auch dies ist nicht der Fall.

Ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich i.S.d. § 121 Abs. 2 ZPO erscheint, beurteilt sich nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, sondern auch nach der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interesse beauftragen würde (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2007 – 1 BvR 681/07 –). Dabei ist auch das Prozessrisiko, d.h. das Verhältnis der im Fall des Unterliegens vom ("bemittelten") Beteiligten zu tragenden Kosten zum Wert des Streitgegenstands zu wägen.

Der Wert des Streitgegenstands beträgt vorliegend 425 Euro, die Vergütung eines Rechtsanwalts würde – bei Ansatz nur der Mindestgebühren – 85,68 Euro betragen (Gebühr 3102: 40 Euro, Gebühr 3106: 20 Euro, Auslagenpauschale nach Nr. 7002: 12 Euro, Umsatzsteuer: 13,68 Euro). Danach stehen die von einem Bemittelten ggfl. selbst – mindestens – zu tragende Vergütung und der Wert des Streitgegenstandes zwar nicht schlechthin in einem nicht mehr angemessenen Verhältnis (zu einer den Wert des Streitgegenstandes um ein Vielfaches übersteigenden Vergütung eines Rechtsanwalts vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 17. März 2003 – L 14 AL 47/02 –). Auch mag der Betrag, dessen Erstattung der Kläger begehrt, für ihn eine größere Bedeutung haben als für einen "bemittelten" Kläger. Gleichwohl würde ein "bemittelter" und das nicht zu vernachlässigende Kostenrisiko vernünftig wägender Kläger hier nicht "um jeden Preis" einen Anwalt mit seiner Vertretung beauftragen. Unter diesen Umständen gewinnt die Fähigkeit des Klägers, sich schriftlich und mündlich ausdrücken und den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch ohne anwaltliche Hilfe geordnet vortragen zu können, ausschlaggebende Bedeutung.

Der Senat hat keine Zweifel, dass der Kläger aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage ist, auch ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt den beim Sozialgericht noch anhängigen Prozess sachgerecht zu führen – und dies auch täte, wenn er als "Bemittelter" die Kosten der Prozessführung ggfl. selbst zu tragen hätte. Dies belegen vor allem seine selbst verfasste Klageschrift und die – ungeachtet der späteren Beauftragung von Rechtsanwälten – ebenfalls selbst verfasste und begründete Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Darauf, dass die Anträge in der Klageschrift auslegungsbedürftig erscheinen (aber auch auslegungsfähig sind), kommt es ebenso wenig an wie darauf, ob die vom Kläger geäußerten Rechtsansichten zutreffen oder nicht. Entscheidend ist, dass er auch ohne anwaltliche Unterstützung zu einem an dem von ihm verfolgten Klageziel ausgerichteten geordneten Vortrag in der Lage ist. Ein "deutliches Ungleichgewicht" im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der am vorliegenden Rechtsstreit Beteiligten (BVerfG, a.a.O.) besteht hier nicht.

Dass er sich auch selbst in der Lage sieht, einen Prozess sachgerecht zu führen, belegt nicht nur der Umstand, dass er die Klage selbst erhoben und begründet hat – und ein Grund für die spätere Beauftragung eines oder mehrerer Rechtsanwälte nicht recht ersichtlich ist (die Aufhebung der Anordnung seines persönlichen Erscheinens zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 10. Dezember 2008 nötigte jedenfalls nicht dazu) –, sondern auch, dass er in anderen Verfahren (S 66 AS 33386/08 und S 66 AS 33387/08) als Bevollmächtigter für andere aufgetreten ist.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe sehen weder das Sozialgerichtsgesetz noch die Zivilprozessordnung vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO (i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rechtskraft
Aus
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