Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 3121/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 406/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rentenversicherungspflicht der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) seit dem 1. März 1999.
Der Beigeladene zu 1) ist seit dem 5. September 1997 mit der Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 2), Dipl. Ing. AK, verheiratet. Gesellschafter sind die Ehefrau und deren Vater, nicht jedoch der Beigeladene zu 1). Für seine Tätigkeit erhält und erhielt er ein regelmäßiges Gehalt, zuletzt in Höhe von 1.339,- Euro, welches auf sein Konto überwiesen, von dem Lohnsteuern entrichtet und welches bei der Beigeladenen zu 2) als Betriebsausgabe verbucht wird. Das Entgelt wird im Krankheitsfall fortgezahlt. Er hat einen Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Tagen pro Jahr. Seine Tätigkeit umfasst die Auftragsbeschaffung, die Planung, Überwachung, Mitarbeitereinteilung, Abrechnung und Kalkulationen. Ihm ist Prokura erteilt.
Im September 2005 reichten die Beigeladenen zu 1) und 2) bei der Beklagten einen von beiden ausgefüllten und unter dem Datum 7. Juli 2005 unterschriebenen Fragebogen zur Feststellung der versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen ein. Darin gaben sie unter anderem an, das Arbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) entspreche nicht dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Lohn/Gehalt. Zur Formularfrage hierzu, "wenn Nein: Gründe" heißt es "schlechte Wirtschaftslage in der Vergangenheit". Die Frage nach Darlehen oder Bürgschaften bzw. Sicherheiten des mitarbeitenden Angehörigen dem Betrieb gegenüber ist verneint. Die Arbeitszeit sei nach Belieben bzw. unregelmäßig. Die Frage nach Weisungsgebundenheit ist verneint, die nach freier Bestimmung der Tätigkeit bejaht.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit seit dem 5. September 1997 zum Personenkreis der Selbständigen gehöre.
Mit Schreiben vom 2. März 2006 informierte die Beklagte die Klägerin über ihren Bescheid vom 4. Oktober 2005. Im Rahmen des Erstattungsbegehrens telefonierten die Beigeladene zu 2) und die Klägerin. Mit Faxschreiben vom 18. Mai 2006 übersandte die Klägerin der Beigeladenen zu 2) eine Seite des Erstattungsantrages "zur Ergänzung von Punkt 3) zu den Betriebsprüfungen und zur Überprüfung der Angaben zum Vertrauensschutz". Sie antwortete der Beklagten mit Schreiben vom 28. Juni 2006 und erklärte, der rechtlichen Bewertung zu widersprechen. Die steuerrechtliche Behandlung stelle einen wesentlichen Aspekt für die versicherungsrechtliche Beurteilung dar. Werde demnach steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis unter Ehegatten oder Verwandten ausgegangen, so müsse regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden. Der Beigeladene zu 1) sei weder Geschäftsführer einer Familien-GmbH noch Gesellschafter. Vielmehr sei von einer zumindest funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess auszugehen. Er trage auch kein Unternehmerrisiko. Mit Schreiben vom 11. September 2006 teilte sie dem Beigeladenen zu 1) mit, die Auffassung der Beklagten nicht zu teilen. Nach endgültiger Klärung erhalte er unaufgefordert weiteren Bescheid.
Sie hat am 1. November 2006 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und darin diese Rechtsauffassung wiederholt.
Der Beigeladene zu 1) hat vorgebracht, die Klage sei bereits unzulässig. Der Klägerin fehle ein Rechtschutzbedürfnis. Sie sei nicht beschwert. Sie habe allein ein wirtschaftliches Interesse, so dass es auch an der Klagebefugnis fehle. Das Klagebegehren sei auf ein unmögliches Verlangen gerichtet, da einer Aufhebung des angegriffenen Bescheides der Vertrauensschutz des Beigeladenen zu 1) entgegenstehe. Auch sei die Klage verfristet, jedenfalls habe die Klägerin das Klagerecht verwirkt. Die Klägerin habe erst rund acht Monate nach Kenntnis des angefochtenen Bescheides den Klageweg beschritten. In der Sache dürfe nicht auf die fehlende formale Bestellung zum Geschäftsführer abgestellt werden. Die steuerliche Behandlung habe keine nennenswerte Indizwirkung. Es bestehe keine Deckungsgleichheit der unterschiedlichen Vorschriften.
Mit Urteil vom 15. August 2008 hat das SG Berlin der Klage stattgegeben. Es hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und zusätzlich festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) seit dem 1. März 1999 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei. Die Klage sei zulässig. Die Klägerin werde durch den Bescheid der Beklagten unmittelbar betroffen, da in ihm über das Versicherungsverhältnis bei ihr unmittelbar entschieden werde. Die Klage sei auch begründet. Der Beigeladene zu 1) sei in den Betrieb der Beigeladenen zu 2) eingegliedert und ersetze eine fremde Arbeitskraft. Er übe nach seinen eigenen Angaben die ihm übertragene Tätigkeit tatsächlich aus und erhalte hierfür ein regelmäßiges Gehalt. Jedenfalls ein mündlicher Arbeitsvertrag liege vor. Die Beigeladenen zu 1) und 2) hätten kein anderes Rechtsverhältnis benannt, welches die Gehaltzahlung und die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) begründen könne, so dass - in Einklang mit der steuerlichen Behandlung - auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nur davon ausgegangen werden könne, dass ein Arbeitsvertrag Grundlage dieser Leistungen sei. Mit der tatsächlichen Ausführung der ihm übertragenen Tätigkeiten (Auftragsbeschaffung, Planung, Überwachung, Mitarbeitereinteilung, Abrechung und Kalkulation) erfülle der Beigeladene zu 1) auch funktionsgerecht dienend seine Aufgaben im Betrieb. Er habe auch keine rechtlichen Möglichkeiten, die Geschicke des Unternehmens zu lenken und insbesondere Weisungen an sich zu verhindern. Er verfüge über keine Beteiligung an der Beigeladenen zu 2). Darauf, dass Weisungen praktisch nicht erteilt würden, komme es nicht entscheidend an, da jedenfalls die Rechtsmacht zu solchen Weisungen bei den Organen der Beigeladenen zu 2) liege und diese auch nicht wirksam abbedungen worden seien. Dass aufgrund familienhafter Rücksichtnahme eine Weisungsunterworfenheit nur eingeschränkt vorliege, sei nicht entscheidungserheblich. Dies sei nämlich typisch für Arbeitsverhältnisse unter Familienangehörigen, die bei anderer Sichtweise ansonsten nie möglich wären. Dass der Beigeladene zu 1) in der Gestaltung der Arbeitszeit und in der Ausführung der übertragenen Aufgaben Freiheit habe, führe ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Dies sei bei Diensten höherer Art, wie er sie wahrnehme, typisch. Er trage auch kein unternehmerisches Risiko.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beigeladenen zu 1), zu deren Begründung er zunächst das Vorbringen zur Unzulässigkeit der Klage wiederholt. Das Klagerecht sei jedenfalls verwirkt. Im Verfahren der Statusbeurteilung erhalte der Betroffene einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Nach Ablauf der Monatsfrist werde der Bescheid für ihn unanfechtbar. Ab diesem Zeitpunkt vertraue er auf den Bestand. Die Einzugsstelle könne deshalb nur gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurücknehmen, soweit dies unter Beachtung der Vertrauensschutzerwägungen möglich sei. So zeige sich, dass nach Ablauf der Rechtsmittelfristen das schutzwürdige Vertrauen dem Aufhebungsinteresse vorgehe. Die Beigeladenen zu 1) und 2) seien gesteigert schutzwürdig, weil sich die Klägerin nach Kenntnis des streitgegenständlichen Bescheides acht Monate Zeit gelassen habe. Die Beigeladenen hätten sich auch darauf eingerichtet, dass ihnen die Begünstigung nicht mehr entzogen werde. Der Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) zu seinen Gunsten hätten verschiedene Vorsorgeverträge abgeschlossen, welche die Vorsorge für schwere Erkrankungen, eine Risikolebensversicherung sowie eine fondgebundene Rentenversicherung (Monatsbeitrag 210 Euro) umfassten. Im Übrigen sei § 66 Abs. 2 SGG teleologisch zu reduzieren. Die Vorschrift habe jedenfalls nicht den Zweck, dass - wie hier - mittels einer Vereinbarung der Spitzenverbände über den Verzicht auf Erteilung einer Rechtsbehelfserklärung der Klägerin als Rentenversicherungsträger zu ermöglichen, statt eines Monats ein ganzes Jahr Zeit zur Klage zu haben. Diese Vereinbarung sei noch nicht einmal veröffentlicht, so dass die Rechtsausübung gegen Treue und Glaube verstieße. In der Sache sei die praktizierte Beziehung, wie sie rechtlich zulässig sei, maßgeblich (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -). Hier sei die Rechtsmacht zu Weisungen durch die Beteiligten abbedungen. Unberücksichtigt sei ferner geblieben, dass der Beigeladene zu 1) für seine Tätigkeit eine unangemessen niedrige Vergütung beziehe. Es hätte deshalb geklärt werden müssen, ob nicht nur eine bloße familienhafte Mithilfe vorliege. Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen behaupteten einfach, dass das Weisungsrecht abgedungen sei, ohne dies zu vertiefen oder gar nachzuweisen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet, wie das SG im angefochtenen Urteil richtig ausgeführt hat. Auf die Ausführungen wird nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.
Die Klage ist rechtzeitig innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe erhoben worden, §§ 87 Abs. 1 S. 1, 66 Abs. 1, Abs. 2 SGG. Das SGG verlangt auch klagenden Versicherungsträgern gegenüber eine Rechtsbehelfsbelehrung, da generell gegenüber einem Beteiligten die Fristen nach § 66 Abs. 1 SGG nur zu laufen beginnen, wenn eine solche schriftlich erfolgt ist. Die Klägerin ist als solche Beteiligte, § 69 Nr. 1 SGG.
Die Klägerin hat ihr Klagerecht nicht verwirkt.
Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete (hier; die Beigeladenen) in Folge eines bestimmten Verhaltens (Verwirkungsverhalten) berechtigt vertrauen durfte, dass der Berechtigte (hier: die Klägerin) das Recht (hier: Klagerecht mit der möglichen Konsequenz im Falle eines obsiegenden Urteils, Beiträge nachfordern zu können) nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich in Folge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten) dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (so bereits Urteil des Senats vom 17. April 2008 - L 1 KR 356/06 - unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 BSGE 80, 41, Juris-Rdnr. 18 mit weiteren Nachweisen der ständigen Rechtssprechung des BSG). Bloße Untätigkeit alleine reicht für ein Verwirkungsverhalten nicht aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die spätere Geltendmachung als Verstoß gegen Treue und Glauben empfunden wird.
Hier sind zwar acht Monate zwischen erstmaliger Kenntnis des Bescheides der Beklagten im März 2006 und der Klage Anfang November 2006 vergangen. Allerdings wird aus dem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten bereits im Juni 2006 für die Beigeladenen zu 1) und 2) ersichtlich, dass die Klägerin nicht ohne weiteres von einem Erstattungsanspruch ausgegangen ist. Im Schreiben vom 11. September hat sich die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) gegenüber klar geäußert, ihn für abhängig beschäftigt anzusehen. Der Zeitablauf zwischen Kenntnis vom streitgegenständlichen Bescheid und der Klage konnte deshalb nicht Vertrauen erwecken, dass der Bescheid der Beklagten bestandskräftig werden würde. Weshalb die Beklagte bei der Bekanntgabe ihres Bescheides der Klägerin gegenüber diesen nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen hat, ist deshalb unerheblich. Im Übrigen haben die Beigeladenen keine Dispositionen getroffen, welche als Vertrauensbetätigung die Geltendmachung des Klagerechts durch die Klägerin als treuwidrig ansehen lassen könnten. Ein zwingender Zusammenhang zum (insoweit unterstellten) Vertrauen, keine Rentenversicherungsbeiträge mehr leisten zu müssen, wird nicht deutlich. Von den im September 2005 abgeschlossenen Verträgen lässt lediglich der Rentenversicherungsvertrag einen hinreichenden Bezug erkennen. Allerdings kann die Versicherung mit einem Beitrag von 210,- Euro, der von der Beigeladenen zu 2) als Arbeitgeberin aufgebracht wird, nicht als Ersatz für die Absicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung angesehen werden, sondern stellt sich als Beitrag zur zusätzlichen Altersvorsorge im Wege der Gehaltsumwandlung dar. Auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X können sich die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht berufen, weil § 49 SGB X diesen ausschließt, wenn - wie hier die Klägerin - ein Dritter den Bescheid anficht.
Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben:
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch -SGB VI) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 -7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 -B 2 U 48/98 R - USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird wiederum nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis und zum fehlenden Unternehmerrisiko Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beigeladenen ist durch einen Arbeitsvertrag geregelt, der auch praktiziert wird, auch wenn die Bezahlung unterdurchschnittlich sein sollte. Bei einem Bruttogehalt wie hier kann nicht von familienhafter Mithilfe in Erfüllung von Unterhaltspflichten ausgegangen werden, zumal der Beigeladene zu 1) hier nicht bei seiner Ehefrau selbst beschäftigt ist, sondern bei einer Gesellschaft, an welcher diese noch nicht einmal alle Anteile hält. Die Vereinbarung eines unterdurchschnittlichen Lohns ist auch bei Arbeitsverhältnissen gerade in für den Betrieb wirtschaftlich schlechten Zeiten gängige Praxis. Auch hat der Beigeladene zu 1) keine eigene Betriebsstätte und kann nicht über die eigene Arbeitskraft frei verfügen. Es ist auch nach seinem Vortrag beziehungsweise dem der Beigeladenen zu 2) nicht so, dass er nach eigenem Gutdünken wie ein Unternehmer auftreten kann. Er ist zwar für große Teile des Unternehmens verantwortlich (Auftragsbeschaffung, Planung, Überwachung, Mitarbeitereinteilung, Abrechnung und Kalkulationen). Das Unternehmen wird aber von seiner Ehefrau geleitet. Dass die Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben. Weiteres Indiz für eine abhängige Arbeitnehmereigenschaft ist, dass der Beigeladene zu 1) einen ansonsten anzustellenden Arbeitnehmer ersetzt. Für abhängige Beschäftigung spricht hier schließlich, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) über Jahre gegenüber dem Arbeitsamt und gegenüber den Steuerbehörden von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bzw. einer lohnsteuerpflichtigen Beschäftigung ausgegangen sind.
Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar (ebenso bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -): § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten und nicht umgekehrt automatisch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigender Bescheid der Beklagten als Einzugsstelle aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -). Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil der Beigeladene zu 1) als Berufungskläger als Versicherter zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rentenversicherungspflicht der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) seit dem 1. März 1999.
Der Beigeladene zu 1) ist seit dem 5. September 1997 mit der Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 2), Dipl. Ing. AK, verheiratet. Gesellschafter sind die Ehefrau und deren Vater, nicht jedoch der Beigeladene zu 1). Für seine Tätigkeit erhält und erhielt er ein regelmäßiges Gehalt, zuletzt in Höhe von 1.339,- Euro, welches auf sein Konto überwiesen, von dem Lohnsteuern entrichtet und welches bei der Beigeladenen zu 2) als Betriebsausgabe verbucht wird. Das Entgelt wird im Krankheitsfall fortgezahlt. Er hat einen Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Tagen pro Jahr. Seine Tätigkeit umfasst die Auftragsbeschaffung, die Planung, Überwachung, Mitarbeitereinteilung, Abrechnung und Kalkulationen. Ihm ist Prokura erteilt.
Im September 2005 reichten die Beigeladenen zu 1) und 2) bei der Beklagten einen von beiden ausgefüllten und unter dem Datum 7. Juli 2005 unterschriebenen Fragebogen zur Feststellung der versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen ein. Darin gaben sie unter anderem an, das Arbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) entspreche nicht dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Lohn/Gehalt. Zur Formularfrage hierzu, "wenn Nein: Gründe" heißt es "schlechte Wirtschaftslage in der Vergangenheit". Die Frage nach Darlehen oder Bürgschaften bzw. Sicherheiten des mitarbeitenden Angehörigen dem Betrieb gegenüber ist verneint. Die Arbeitszeit sei nach Belieben bzw. unregelmäßig. Die Frage nach Weisungsgebundenheit ist verneint, die nach freier Bestimmung der Tätigkeit bejaht.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit seit dem 5. September 1997 zum Personenkreis der Selbständigen gehöre.
Mit Schreiben vom 2. März 2006 informierte die Beklagte die Klägerin über ihren Bescheid vom 4. Oktober 2005. Im Rahmen des Erstattungsbegehrens telefonierten die Beigeladene zu 2) und die Klägerin. Mit Faxschreiben vom 18. Mai 2006 übersandte die Klägerin der Beigeladenen zu 2) eine Seite des Erstattungsantrages "zur Ergänzung von Punkt 3) zu den Betriebsprüfungen und zur Überprüfung der Angaben zum Vertrauensschutz". Sie antwortete der Beklagten mit Schreiben vom 28. Juni 2006 und erklärte, der rechtlichen Bewertung zu widersprechen. Die steuerrechtliche Behandlung stelle einen wesentlichen Aspekt für die versicherungsrechtliche Beurteilung dar. Werde demnach steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis unter Ehegatten oder Verwandten ausgegangen, so müsse regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden. Der Beigeladene zu 1) sei weder Geschäftsführer einer Familien-GmbH noch Gesellschafter. Vielmehr sei von einer zumindest funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess auszugehen. Er trage auch kein Unternehmerrisiko. Mit Schreiben vom 11. September 2006 teilte sie dem Beigeladenen zu 1) mit, die Auffassung der Beklagten nicht zu teilen. Nach endgültiger Klärung erhalte er unaufgefordert weiteren Bescheid.
Sie hat am 1. November 2006 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und darin diese Rechtsauffassung wiederholt.
Der Beigeladene zu 1) hat vorgebracht, die Klage sei bereits unzulässig. Der Klägerin fehle ein Rechtschutzbedürfnis. Sie sei nicht beschwert. Sie habe allein ein wirtschaftliches Interesse, so dass es auch an der Klagebefugnis fehle. Das Klagebegehren sei auf ein unmögliches Verlangen gerichtet, da einer Aufhebung des angegriffenen Bescheides der Vertrauensschutz des Beigeladenen zu 1) entgegenstehe. Auch sei die Klage verfristet, jedenfalls habe die Klägerin das Klagerecht verwirkt. Die Klägerin habe erst rund acht Monate nach Kenntnis des angefochtenen Bescheides den Klageweg beschritten. In der Sache dürfe nicht auf die fehlende formale Bestellung zum Geschäftsführer abgestellt werden. Die steuerliche Behandlung habe keine nennenswerte Indizwirkung. Es bestehe keine Deckungsgleichheit der unterschiedlichen Vorschriften.
Mit Urteil vom 15. August 2008 hat das SG Berlin der Klage stattgegeben. Es hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und zusätzlich festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) seit dem 1. März 1999 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei. Die Klage sei zulässig. Die Klägerin werde durch den Bescheid der Beklagten unmittelbar betroffen, da in ihm über das Versicherungsverhältnis bei ihr unmittelbar entschieden werde. Die Klage sei auch begründet. Der Beigeladene zu 1) sei in den Betrieb der Beigeladenen zu 2) eingegliedert und ersetze eine fremde Arbeitskraft. Er übe nach seinen eigenen Angaben die ihm übertragene Tätigkeit tatsächlich aus und erhalte hierfür ein regelmäßiges Gehalt. Jedenfalls ein mündlicher Arbeitsvertrag liege vor. Die Beigeladenen zu 1) und 2) hätten kein anderes Rechtsverhältnis benannt, welches die Gehaltzahlung und die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) begründen könne, so dass - in Einklang mit der steuerlichen Behandlung - auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nur davon ausgegangen werden könne, dass ein Arbeitsvertrag Grundlage dieser Leistungen sei. Mit der tatsächlichen Ausführung der ihm übertragenen Tätigkeiten (Auftragsbeschaffung, Planung, Überwachung, Mitarbeitereinteilung, Abrechung und Kalkulation) erfülle der Beigeladene zu 1) auch funktionsgerecht dienend seine Aufgaben im Betrieb. Er habe auch keine rechtlichen Möglichkeiten, die Geschicke des Unternehmens zu lenken und insbesondere Weisungen an sich zu verhindern. Er verfüge über keine Beteiligung an der Beigeladenen zu 2). Darauf, dass Weisungen praktisch nicht erteilt würden, komme es nicht entscheidend an, da jedenfalls die Rechtsmacht zu solchen Weisungen bei den Organen der Beigeladenen zu 2) liege und diese auch nicht wirksam abbedungen worden seien. Dass aufgrund familienhafter Rücksichtnahme eine Weisungsunterworfenheit nur eingeschränkt vorliege, sei nicht entscheidungserheblich. Dies sei nämlich typisch für Arbeitsverhältnisse unter Familienangehörigen, die bei anderer Sichtweise ansonsten nie möglich wären. Dass der Beigeladene zu 1) in der Gestaltung der Arbeitszeit und in der Ausführung der übertragenen Aufgaben Freiheit habe, führe ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Dies sei bei Diensten höherer Art, wie er sie wahrnehme, typisch. Er trage auch kein unternehmerisches Risiko.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beigeladenen zu 1), zu deren Begründung er zunächst das Vorbringen zur Unzulässigkeit der Klage wiederholt. Das Klagerecht sei jedenfalls verwirkt. Im Verfahren der Statusbeurteilung erhalte der Betroffene einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Nach Ablauf der Monatsfrist werde der Bescheid für ihn unanfechtbar. Ab diesem Zeitpunkt vertraue er auf den Bestand. Die Einzugsstelle könne deshalb nur gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurücknehmen, soweit dies unter Beachtung der Vertrauensschutzerwägungen möglich sei. So zeige sich, dass nach Ablauf der Rechtsmittelfristen das schutzwürdige Vertrauen dem Aufhebungsinteresse vorgehe. Die Beigeladenen zu 1) und 2) seien gesteigert schutzwürdig, weil sich die Klägerin nach Kenntnis des streitgegenständlichen Bescheides acht Monate Zeit gelassen habe. Die Beigeladenen hätten sich auch darauf eingerichtet, dass ihnen die Begünstigung nicht mehr entzogen werde. Der Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) zu seinen Gunsten hätten verschiedene Vorsorgeverträge abgeschlossen, welche die Vorsorge für schwere Erkrankungen, eine Risikolebensversicherung sowie eine fondgebundene Rentenversicherung (Monatsbeitrag 210 Euro) umfassten. Im Übrigen sei § 66 Abs. 2 SGG teleologisch zu reduzieren. Die Vorschrift habe jedenfalls nicht den Zweck, dass - wie hier - mittels einer Vereinbarung der Spitzenverbände über den Verzicht auf Erteilung einer Rechtsbehelfserklärung der Klägerin als Rentenversicherungsträger zu ermöglichen, statt eines Monats ein ganzes Jahr Zeit zur Klage zu haben. Diese Vereinbarung sei noch nicht einmal veröffentlicht, so dass die Rechtsausübung gegen Treue und Glaube verstieße. In der Sache sei die praktizierte Beziehung, wie sie rechtlich zulässig sei, maßgeblich (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -). Hier sei die Rechtsmacht zu Weisungen durch die Beteiligten abbedungen. Unberücksichtigt sei ferner geblieben, dass der Beigeladene zu 1) für seine Tätigkeit eine unangemessen niedrige Vergütung beziehe. Es hätte deshalb geklärt werden müssen, ob nicht nur eine bloße familienhafte Mithilfe vorliege. Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen behaupteten einfach, dass das Weisungsrecht abgedungen sei, ohne dies zu vertiefen oder gar nachzuweisen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet, wie das SG im angefochtenen Urteil richtig ausgeführt hat. Auf die Ausführungen wird nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.
Die Klage ist rechtzeitig innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe erhoben worden, §§ 87 Abs. 1 S. 1, 66 Abs. 1, Abs. 2 SGG. Das SGG verlangt auch klagenden Versicherungsträgern gegenüber eine Rechtsbehelfsbelehrung, da generell gegenüber einem Beteiligten die Fristen nach § 66 Abs. 1 SGG nur zu laufen beginnen, wenn eine solche schriftlich erfolgt ist. Die Klägerin ist als solche Beteiligte, § 69 Nr. 1 SGG.
Die Klägerin hat ihr Klagerecht nicht verwirkt.
Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete (hier; die Beigeladenen) in Folge eines bestimmten Verhaltens (Verwirkungsverhalten) berechtigt vertrauen durfte, dass der Berechtigte (hier: die Klägerin) das Recht (hier: Klagerecht mit der möglichen Konsequenz im Falle eines obsiegenden Urteils, Beiträge nachfordern zu können) nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich in Folge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten) dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (so bereits Urteil des Senats vom 17. April 2008 - L 1 KR 356/06 - unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 BSGE 80, 41, Juris-Rdnr. 18 mit weiteren Nachweisen der ständigen Rechtssprechung des BSG). Bloße Untätigkeit alleine reicht für ein Verwirkungsverhalten nicht aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die spätere Geltendmachung als Verstoß gegen Treue und Glauben empfunden wird.
Hier sind zwar acht Monate zwischen erstmaliger Kenntnis des Bescheides der Beklagten im März 2006 und der Klage Anfang November 2006 vergangen. Allerdings wird aus dem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten bereits im Juni 2006 für die Beigeladenen zu 1) und 2) ersichtlich, dass die Klägerin nicht ohne weiteres von einem Erstattungsanspruch ausgegangen ist. Im Schreiben vom 11. September hat sich die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) gegenüber klar geäußert, ihn für abhängig beschäftigt anzusehen. Der Zeitablauf zwischen Kenntnis vom streitgegenständlichen Bescheid und der Klage konnte deshalb nicht Vertrauen erwecken, dass der Bescheid der Beklagten bestandskräftig werden würde. Weshalb die Beklagte bei der Bekanntgabe ihres Bescheides der Klägerin gegenüber diesen nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen hat, ist deshalb unerheblich. Im Übrigen haben die Beigeladenen keine Dispositionen getroffen, welche als Vertrauensbetätigung die Geltendmachung des Klagerechts durch die Klägerin als treuwidrig ansehen lassen könnten. Ein zwingender Zusammenhang zum (insoweit unterstellten) Vertrauen, keine Rentenversicherungsbeiträge mehr leisten zu müssen, wird nicht deutlich. Von den im September 2005 abgeschlossenen Verträgen lässt lediglich der Rentenversicherungsvertrag einen hinreichenden Bezug erkennen. Allerdings kann die Versicherung mit einem Beitrag von 210,- Euro, der von der Beigeladenen zu 2) als Arbeitgeberin aufgebracht wird, nicht als Ersatz für die Absicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung angesehen werden, sondern stellt sich als Beitrag zur zusätzlichen Altersvorsorge im Wege der Gehaltsumwandlung dar. Auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X können sich die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht berufen, weil § 49 SGB X diesen ausschließt, wenn - wie hier die Klägerin - ein Dritter den Bescheid anficht.
Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben:
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch -SGB VI) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 -7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 -B 2 U 48/98 R - USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird wiederum nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis und zum fehlenden Unternehmerrisiko Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beigeladenen ist durch einen Arbeitsvertrag geregelt, der auch praktiziert wird, auch wenn die Bezahlung unterdurchschnittlich sein sollte. Bei einem Bruttogehalt wie hier kann nicht von familienhafter Mithilfe in Erfüllung von Unterhaltspflichten ausgegangen werden, zumal der Beigeladene zu 1) hier nicht bei seiner Ehefrau selbst beschäftigt ist, sondern bei einer Gesellschaft, an welcher diese noch nicht einmal alle Anteile hält. Die Vereinbarung eines unterdurchschnittlichen Lohns ist auch bei Arbeitsverhältnissen gerade in für den Betrieb wirtschaftlich schlechten Zeiten gängige Praxis. Auch hat der Beigeladene zu 1) keine eigene Betriebsstätte und kann nicht über die eigene Arbeitskraft frei verfügen. Es ist auch nach seinem Vortrag beziehungsweise dem der Beigeladenen zu 2) nicht so, dass er nach eigenem Gutdünken wie ein Unternehmer auftreten kann. Er ist zwar für große Teile des Unternehmens verantwortlich (Auftragsbeschaffung, Planung, Überwachung, Mitarbeitereinteilung, Abrechnung und Kalkulationen). Das Unternehmen wird aber von seiner Ehefrau geleitet. Dass die Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben. Weiteres Indiz für eine abhängige Arbeitnehmereigenschaft ist, dass der Beigeladene zu 1) einen ansonsten anzustellenden Arbeitnehmer ersetzt. Für abhängige Beschäftigung spricht hier schließlich, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) über Jahre gegenüber dem Arbeitsamt und gegenüber den Steuerbehörden von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bzw. einer lohnsteuerpflichtigen Beschäftigung ausgegangen sind.
Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar (ebenso bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -): § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten und nicht umgekehrt automatisch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigender Bescheid der Beklagten als Einzugsstelle aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -). Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil der Beigeladene zu 1) als Berufungskläger als Versicherter zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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