L 4 R 1019/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 R 1314/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 1019/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juni 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2005 werden abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, für das Jahr 1989 insgesamt 7.237,15 Mark und für das Jahr 1990 5.188,34 Mark als zu überführendes Entgelt festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme im Rahmen des ( sog. Entgelt-) Bescheides nach § 8 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) verpflichtet ist, in der Zeit vom 15. Februar 1984 bis zum 30. Juni 1990 für die Klägerin höhere Verdienste als tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte festzustellen.

Die 1947 geborene Klägerin war im hier streitgegenständlichen Zeitraum beim Magistrat von B und dem Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik beschäftigt. Mit Wirkung vom 15. Februar 1984 trat sie der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG) bei.

Auf Antrag der Klägerin vom 24. Februar 2004 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2004 die Zeit vom 15. Februar 1984 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu diesem Zusatzversorgungssystem und die erzielten Entgelte fest. Dabei berücksichtigte sie die ihr vom Statistischen Bundesamt aufgelisteten und gerundeten lohnsteuerpflichtigen Entgelte und Arbeitsausfalltage, wobei für die Zeit vor dem 30. April 1984 mangels Entgeltbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers ein fiktives Entgelt aus der Beitragsnachweiskarte angesetzt wurde. Festgestellt wurden folgende Arbeitsverdienste:

15.02. – 30.04.1984 2.448,10 Mark 01.05. – 31.12.1984 5.609,00 Mark 01.01. – 31.12.1985 7.012,00 Mark 01.01. – 31.12.1986 7.645,00 Mark 01.01. – 31.12.1987 8.039,00 Mark 01.01. – 31.12.1988 3.940,00 Mark 01.01. – 31.12.1989 7.114,00 Mark 01.01. – 17.03.1990 2.551,86 Mark 18.03. – 30.06.1990 2.618,14 Mark.

Ergänzend führte die Beklagte aus, bei fiktiv bescheinigten Arbeitsentgelten durch sog. Beitragsnachweiskarten seien diese Entgelte bei Unterbrechungen beispielsweise wegen Krankheit auf tatsächlich erzielte Verdienste heruntergerechnet worden. Dabei sei der Gesamtbetrag mit dem Teilzeitraum vervielfältigt und durch den Gesamtzeitraum geteilt worden und dabei das Kalenderjahr mit 360 Tagen und der Kalendermonat – außer bei anteiliger Ermittlung – mit 30 Tagen gerechnet worden. Weiter wurden Arbeitsausfalltage wie folgt mitgeteilt:

1984: 48 1985: 49 1986: 30 1987: 32 1988: 143 1989: 41 1990: 17

Hiergegen erhob die Klägerin unter Bezugnahme auf die Beitragsnachweiskarte Widerspruch und machte höhere Verdienste geltend. In der von der Klägerin eingereichten Beitragsnachweiskarte sind folgende Bruttoverdienste bescheinigt:

15.02. – 30.04.1984 2.448,10 Mark 01.05. – 31.12.1984 7.283,82 Mark 01.01. – 31.12.1985 8.409,23 Mark 01.01. – 31.12.1986 8.505,13 Mark 01.01. – 31.12.1987 9.063,83 Mark 01.01. – 31.12.1988 8.598,60 Mark 01.01. – 31.12.1989 8.598,60 Mark 01.01. –30.06.1990 5.986,55 Mark

Weiter wandte sie sich gegen die Feststellung von 143 Arbeitsausfalltagen im Jahr 1988. Ausweislich der Eintragungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (SV-Ausweis) der Klägerin sind für die hier streitgegenständliche Zeit im Jahr 1984 ab Mai 48 Arbeitsausfalltage, für 1985 insgesamt 49 Arbeitsausfalltage, 1986 insgesamt 30 Arbeitsausfalltage, im Jahr 1987 insgesamt 32 Arbeitsausfalltage, 143 Arbeitsausfalltage im Jahr 1988, 41 Arbeitsausfalltage für 1989 und für die Zeit vom 01. Januar bis 30. Juni 1990 zusammen 17 Arbeitsausfalltage bescheinigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Widerspruch, der nur zulässig sei, soweit er sich gegen die Feststellung der Zusatzversorgungszeiten und Entgelte richte, sei unbegründet. Nach dem AAÜG sei nur das tatsächlich erzielte Entgelt zu berücksichtigen. Dieses sei – wie vom Statistischen Bundesamt aufgelistet - festgestellt worden. Nur für die Zeit vor dem 30. April 1984 habe man das Entgelt aus der Beitragsnachweiskarte berücksichtigt. Hinsichtlich der Arbeitsausfalltage sei eine verbindliche Regelung nicht getroffen worden.

Am 10. März 2005 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mir der sie die Feststellung höherer Entgelte und Zusatzversorgungszeiten, auch ihrer zehn Dienstjahre bei der Deutschen Post begehrt. Zur Begründung hat sie - bezogen auf den hiesigen Rechtsstreit - vorgetragen, die Beklagte habe für die Zeit vom 15. Februar 1984 bis zum 30. Juni 1990 nicht ihr tatsächliches Entgelt berücksichtigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 06. Juni 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit die Klägerin die Feststellung von Entgelten bei der Deutschen Post begehre; hierfür sei die Beklagte bereits nicht zuständig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung höherer Verdienste. Die Beklagte habe zutreffend die Verdienste um Zeiten der Arbeitsunfähigkeit gekürzt und das Arbeitsentgelt zutreffend berücksichtigt. Denn das beitragsfreie Krankengeld der DDR sei nicht als Entgelt zu berücksichtigen. Nachweise für ein tatsächlich höheres Entgelt lägen nicht vor.

Gegen diesen ihr am 27. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 20. Juli 2007 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie im Wesentlichen darauf verweist, dass sie einen Anspruch auf Feststellung und Überführung höherer Entgelte wie in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesen ohne Absenkung habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juni 2007 sowie den Bescheid vom 18. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum vom 15. Februar 1984 bis zum 30. Juni 1990 das in der Beitragsnachweiskarte bescheinigte Bruttoentgelt und keine Arbeitsausfalltage festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung höherer Bruttoentgelte. Unterbrechungstatbestände (Arbeitsausfalltage, Arbeitsunfähigkeitszeiten, Schwangerschaftszeiten) würden vom Zusatzversorgungsträger lediglich vorgemerkt. Nach dem AAÜG sei nur das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Dies habe sie nach der Auflistung in der Bescheinigung des Statistischen Bundesamtes korrekt festgestellt.

Der Senat hat vom Statistischen Bundesamt eine Entgeltbescheinigung für die Klägerin angefordert. Darin sind u. a. als Akkumulationswerte die von der Beklagten als Entgelt berücksichtigten Beträge als Lohnsteuereinkommen enthalten. Weitere Unterlagen zu dem von der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum erzielten Entgelt existieren nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR 44 270447 H 502), die – soweit entscheidungserheblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte, statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und teilweise begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht in Gänze abgewiesen. Der Bescheid vom 18. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2005 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung höherer Entgelte zumindest in den Jahren 1989 und 1990. Die Feststellung von Arbeitsausfalltagen ist hingegen nicht angreifbar. Insoweit ist im Bescheid vom 18. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2005 keine verbindliche Regelung erfolgt und folglich die Klägerin nicht beschwert.

I.

Streitgegenstand ist nach dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren, soweit es sich überhaupt auf den hiesigen Rechtsstreit bezieht, die Frage der Höhe der festzustellenden Entgelte sowie die Anzahl der Arbeitsausfalltage im Zeitraum vom 15. Februar 1984 bis zum 30. Juni 1990. Das erstinstanzliche Begehren, Entgelte aus der Beschäftigung bei der Post festzustellen, hat die Klägerin im Berufungsverfahren ersichtlich nicht weiter verfolgt; dieser Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes ist deshalb nicht zur Entscheidung des Senats angefallen.

Soweit die Klägerin noch die Feststellung höherer Entgelte nach § 8 AAÜG begehrt, hat die Berufung teilweise Erfolg.

Das AAÜG findet auf die Klägerin Anwendung. Nach der von der Klägerin vorgelegten Beitrittsbestätigung vom 20. Februar 1984 wird sie gemäß § 1 Abs. 1 AAÜG von diesem Gesetz erfasst. Denn sie gehörte seit dem 15. Februar 1984 durch Beitritt zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG) diesem Versorgungssystem an. Hiervon ausgehend hat die Beklagte zutreffend die Zeiten ab dem 15. Februar 1984 bis zum 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeiten berücksichtigt. Weil der persönliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG eröffnet ist und Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem vorliegen, hat die Beklagte u. a. das während dieser Zeit erzielte Arbeitsentgelt festzustellen, § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG (dazu 1.). Weiter sind unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 3 AAÜG Feststellungen zu Arbeitsausfalltagen zu treffen. Die Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor und die Beklagte hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, die die Klägerin zulässigerweise angreifen könnte (dazu 2.).

1.) Das mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgte Begehren der Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, über die im angefochtenen Bescheid festgestellten Arbeitsentgelte hinaus höheres Arbeitsentgelt festzustellen, hat für die Jahre 1989 und 1990 Erfolg.

Da die Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten durch ihre Beschäftigung in der DDR keine unmittelbare nach Bundesrecht bewertbare Vorleistung für die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erbracht haben, erkennt ihnen das Gesetz einen Rangstellenwert zu, indem es auf Grund dieser Beschäftigung eine Vorleistung für die heutige bundesrechtliche Rentenversicherung fingiert. Zu diesem Zweck bestimmt § 5 Abs. 1 AAÜG, dass Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, – unabhängig von etwaigen Beitragsleistungen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R - SozR 3-8570 zu § 8 Nr. und zu § 5 Nr. 7 ; Urteil des 4. Senats des BSG vom 31. Juli 2003 – B 4 RA 25/02 R) – als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten. Diesen fiktiven Pflichtbeitragszeiten wird gemäß § 6 Abs. 1 AAÜG grundsätzlich das im jeweiligen Kalenderjahr erzielte Arbeitsentgelt bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze (oder zu einer der beiden niedrigeren Beitragsbemessungsgrenzen, § 6 Abs. 2 und 3 oder § 6 Abs. 4 in Verbindung mit § 7 AAÜG) zugeordnet. In diesem Zusammenhang hat der Versorgungsträger in einem der Rentenfeststellung vorgelagerten, dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI ähnlichen Verfahren, nach § 8 AAÜG Daten (Tatsachen) in einer Vielzahl von Verwaltungsakten verbindlich festzustellen, die für die spätere Feststellung der Rangstelle und des Wertes der SGB-VI-Rente durch den Rentenversicherungsträger von Bedeutung sein können (ständige Rechtsprechung, vgl. unter anderem BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R – SozR 4-8570 zu § 6 Nr. 4; Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R - SozR 3-8570 zu § 8 Nr. 7 m.w.N.). Zu den festzustellenden Daten zählt auch das Arbeitsentgelt, das in der von dem Versorgungssystem erfassten Beschäftigung tatsächlich erzielt wurde. Der Begriff "Arbeitsentgelt" ist bundesrechtlich im Sinne von § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und auch im Sinne von § 17 SGB IV zu definieren und nicht etwa nach der Verordnung der DDR über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung vom 21. Dezember 1961 (GBl. II Nr. 53 S. 551) in der Fassung vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 12 S. 253), die am 03. Oktober 1990 außer Kraft getreten war (vgl. Artikel 8 Einigungsvertrag vom 31. August 1990 – BGBl. II S. 889). Denn die in partielles Bundesrecht des Beitrittgebietes (zunächst) überführten Berechtigungen wurden am 01. Januar 1992 durch die entsprechenden Ansprüche und Anwartschaften aus der bundeseinheitlichen Rentenversicherung ersetzt; infolge dessen bestimmten sich Entstehung und (Geld-)Wert dieser Ansprüche ausschließlich nach dem primären Bundesrecht, dem SGB VI sowie hier dem SGB IV (vgl. (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R – a. a. O.; Urteil vom 29. Januar 2004 - B 4 RA 19/03 RSozR 4-8570 § 8 Nr. 1).

Nach § 14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer oder im Zusammenhang mit einer Beschäftigung (vgl. § 7 SGB IV, § 1 SGB VI) ohne Rücksicht auf deren Bezeichnung. Für den Entgeltbegriff des AAÜG ist es dabei unerheblich, ob die fraglichen Einkünfte sozialversicherungspflichtig (BSG, Urteil vom 02. August 2000 – B 4 RA 41/99 R -; Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 7/96 - SozR 3-8570 zu § 5 Nr. 2) oder nach dem Recht der DDR steuerpflichtig waren (BSG, Urteil vom 28. August 2007 – B 4 RS 4/06 R – a. a. O.).

Für die Höhe des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts sind alle im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielten Einnahmen zu berücksichtigen. Hierunter fallen jedoch nicht Sozialleistungen wie das beitragsfreie Krankengeld der DDR nach § 24 i. V. m. §§ 3, 17 der Verordnung zur Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17. November 1977 ([SVO], GBl. DDR I, S. 373). Nach dem Recht der DDR war eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht vorgesehen. Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit setzte sofort das Krankengeld der Sozialversicherung ein. Das Krankengeld ist als nach bundesdeutschem Steuerrecht steuerfreie Einnahme (§ 3 Nr. 1 Buchstabe a Einkommenssteuergesetz [EStG]) nicht als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 02. August 2000 – B 4 RA 41/99 R – a. a. O.; Urteil vom 04. Mai 1999 – B 4 RA 6/99 R – SozR 3-8570 zu § 8 Nr. 3). Der Versorgungsträger ist mit Blick hierauf daher berechtigt und verpflichtet, im Rahmen der Feststellung des tatsächlich erzielten Verdienstes nach § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ggf. fiktiv ermitteltes Entgelt unberücksichtigt zu lassen.

In welcher Höhe vorliegend im streitgegenständlichen Zeitraum Krankengeld bzw. Arbeitsentgelt bezogen wurde, ist nicht (mehr) aufklärbar. Im Rahmen der nach § 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) vom Senat durchgeführten Ermittlungen haben sich keine weiteren Erkenntnisse ergeben. Die Klägerin hat auf die gerichtliche Verfügung vom 20. April 2009 keine weiteren relevanten Unterlagen, insbesondere keine Lohnunterlagen für den hier streitigen Zeitraum eingereicht. Auf Anfrage des Senats vom gleichen Tag hat das Statistische Bundesamt die einzig dort vorhanden Unterlagen zur Akte gereicht. Hieraus ergeben sich lediglich die nach dem Recht der DDR sozialversicherungs- und steuerpflichtigen Entgelte, auf die es jedoch nicht ankommt (s. o.). Auch die Eintragungen im SV-Ausweis beziehen sich nur auf das sozialversicherungspflichtige Entgelt. Die Eintragungen in der Beitragsnachweiskarte sind ebenfalls nicht in der bescheinigten Höhe berücksichtigungsfähig. Denn hieraus ergibt sich - entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht die Höhe des tatsächlich erzielten Arbeitsentgeltes. Nach Teil C Nr. 3 der 2. Richtlinie zur Durchführung der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 17. Juni 1975 (abgedruckt in: Aichberger II Nr. 209) handelt es sich jedenfalls im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht um die Bescheinigung tatsächlich erzielten Verdienstes, sondern um die Dokumentation eines Rechenvorganges. Nach dieser Regelung war nämlich für Kalenderjahre mit Zeiten des Bezuges von Geldleistungen aus der Sozialversicherung (z. B. Krankengeld) das Bruttoentgelt zu errechnen und zu bescheinigen, das der Mitarbeiter erzielt hätte, wenn er in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit tätig gewesen wäre. Im hier streitgegenständlichen Zeitraum war die Klägerin in jedem Jahr arbeitsunfähig erkrankt und hatte Arbeitsausfalltage, für die in der Beitragsnachweiskarte nach den Regeln des Versorgungssystems fiktives Entgelt bescheinigt wurde.

Der Senat sieht keine weiteren Ermittlungsansätze, die Höhe des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts ohne Krankengeld zu ermitteln. Deshalb kommt nur eine Schätzung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts nach § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Nach der Begründung im angefochtenem Bescheid vom 18. März 2004 will auch die Beklagte eine Schätzung vorgenommen und die bescheinigten Entgelte auf das tatsächlich erzielte Entgelt heruntergerechnet und das Krankengeld aus den ausgewiesenen Bruttoverdiensten herausgerechnet haben. Dazu soll der in der Beitragsnachweiskarte bescheinigte Jahresbruttoverdienst zu den Arbeitsunfähigkeitszeiträumen ins Verhältnis gesetzt worden sein, wobei das Jahr mit 360 Kalendertagen und der Monat außer bei anteiliger Berechnung mit 30 Tagen gerechnet sein soll. Für eine Schätzung ist ein solches Vorgehen zulässig (BSG, Urteil vom 04. Mai 1999 – B 4 RA 6/99 R – a. a. O.). Die Beklagte hat aber eine Schätzung gar nicht vorgenommen. Tatsächlich und entgegen der Begründung im Bescheid hat sich die Beklagte für die Zeiten ab dem 01. Mai 1984 zu Unrecht darauf beschränkt, lediglich die vom Statistischen Bundesamt bescheinigten lohnsteuerpflichtigen Entgelte nach Rundung festzustellen. Lediglich für die Zeit vom 15. Februar bis 30. April 1984 hat sie das Entgelt aus der Beitragsnachweiskarte in Ansatz gebracht.

Der Senat nimmt eine Schätzung nach der Formel des § 252a Abs. 2 SGB VI vor und setzt die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zu dem in der Beitragsnachweiskarte bescheinigten Jahresbruttoverdienst ins Verhältnis, wobei das Jahr mit 360 Kalendertagen und der Monat außer bei anteiliger Berechnung mit 30 Tagen anzusetzen ist. Der so ermittelte, auf die Arbeitsausfalltage entfallende Betrag ist von dem in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Betrag in Abzug zu bringen und das Ergebnis dieser Subtraktion als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt im Entgeltbescheid festzustellen. Dabei hat der Senat die von der Beklagten mitgeteilten und im SV-Ausweis bescheinigten Arbeitsausfalltage berücksichtigt, die dann nach der Formel des § 8 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 AAÜG bzw. § 252a Abs. 2 Satz 2 SGB VI in Zeiträume umzurechnen waren. Die Arbeitsausfalltage rechnen multipliziert mit dem Faktor 7 und dividiert durch 5 als Kalendertage. Daraus ergeben sich folgende zu berücksichtigende Zeiträume, die entsprechend der Berechnungsgrundsätze nach §§ 121 ff. SGB VI zu runden waren:

ATA x 7: 5 nach Rundung 1984 48 x 7: 5 = 67,5 68 1985 49 x 7: 5 = 68,6 69 1986 30 x 7: 5 = 42 42 1987 32 x 7: 5 = 44,8 45 1988 143 x 7: 5 = 200,2 200 1989 41 x 7: 5 = 57,4 57 1990 17 x 7: 5 = 23,8 24

Für das Jahr 1984 ergibt sich daraus folgende Schätzung: 9.731,92 Mark bescheinigtes Jahresbruttoeinkommen: 315 Tage [15.02. – 31.12.1984] = 30,8949 x 68 = 2.100,8532 (gerundet: 2.100,85). Der so ermittelte, auf die Arbeitsausfalltage entfallende Betrag ist vom in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Betrag in Abzug zu bringen und das Ergebnis dieser Subtraktion als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt im Entgeltbescheid festzustellen (9.731,92 – 2.100,85 = 7.631,07 Mark). Tatsächlich berücksichtigt wurden für das Jahr 1984 jedoch 8.507,10 Mark. Davon entfielen 5.918,10 Mark auf die Sozialversicherung (wie im SV-Ausweis ausgewiesen) und 2.139,00 Mark auf die Zusatzversorgung. Die Klägerin ist damit durch die Feststellungen für 1984 nicht beschwert.

Für das Jahr 1985 ergibt sich folgendes: 8.409,23 Mark bescheinigtes Jahresbruttoeinkommen: 360 Tage = 23,3589 x 69 = 1.611,769 (gerundet: 1.611,77). Der so ermittelte, auf die Arbeitsausfalltage entfallende Betrag ist vom in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Betrag in Abzug zu bringen und das Ergebnis dieser Subtraktion als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt im Entgeltbescheid festzustellen (8.409,23 – 1.611,77 = 6.797,46 Mark). Tatsächlich berücksichtigt wurden für das Jahr 1985 7.012,00 Mark. Davon entfielen 5.872,00 Mark auf die Sozialversicherung (wie im SV-Ausweis ausgewiesen) und 1.140,00 auf die Zusatzversorgung. Die auf das Jahr 1985 bezogene Feststellung ist damit nicht zum Nachteil der Klägerin rechtswidrig.

Für das Jahr 1986 ergibt sich daraus folgende Rechnung: 8.505,13 Mark bescheinigtes Jahresbruttoeinkommen: 360 Tage = 23,6253 x 42 = 992,2651 (gerundet: 992,27). Der so ermittelte, auf die Arbeitsausfalltage entfallende Betrag ist vom in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Betrag in Abzug zu bringen und das Ergebnis dieser Subtraktion als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt im Entgeltbescheid festzustellen (8.505,13 – 992,26 = 7.512,86 Mark). Tatsächlich berücksichtigt wurden für das Jahr 1986 7.645,00 Mark.

Für das Jahr 1987 sind 32 Arbeitsausfalltage festgestellt, die nach der Formel des § 252a Abs. 2 SGB VI und Rundung einen 45-Tageszeitraum ergeben (32 x 7: 5 = 44,8). Insgesamt ist ein Entgelt in Höhe von 7.930,85 Mark festzustellen (9.063,83 Mark bescheinigtes Jahresbruttoeinkommen: 360 Tage = 25,1773 x 45 = 1.132,9787 gerundet: 1.132,98). Der so ermittelte, auf die Arbeitsausfalltage entfallende Betrag ist vom in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Betrag in Abzug zu bringen (9.063,83 – 1.132,98 = 7.930,85 Mark). Tatsächlich berücksichtigt wurden für das Jahr 1987 im angefochtenen Bescheid 8.039,00 Mark.

Für das Jahr 1988 ist die Klägerin durch die Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht beschwert. Denn das tatsächlich erzielte Entgelt dürfte unter dem Festgestellten gelegen haben. Nach der Berechnungsformel ergibt sich folgendes: 8.598,60 Mark bescheinigtes Jahresbruttoeinkommen: 360 Tage = 23,885 x 200 = 4.777,00. Der so ermittelte, auf die Arbeitsausfalltage entfallende Betrag ist vom in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Betrag in Abzug zu bringen und das Ergebnis dieser Subtraktion als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt im Entgeltbescheid festzustellen (8.598,60 – 4.777,00 = 3.821,60 Mark). Tatsächlich berücksichtigt wurden für das Jahr 1988 jedoch 3.940,- Mark.

Für das Jahr 1989 ergibt sich für die Klägerin ein höheres zu berücksichtigendes Entgelt. Für den auf Arbeitsausfalltage entfallenden Anteil an dem bescheinigten Entgelt (8.598,60 Mark bescheinigtes Jahresbruttoeinkommen: 360 Tage = 23,885 x 57 = 1.361,445) sind 1.361,45 Mark vom in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Betrag in Abzug zu bringen und das Ergebnis dieser Subtraktion (8.598,60 – 1.361,45 = 7.237,15 Mark) als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt im Entgeltbescheid festzustellen. Tatsächlich berücksichtigt wurden für das Jahr 1989 nur 7.114,00 Mark.

Schließlich ist für das Jahr 1990 (01. Januar bis 30. Juni) ein Entgelt in Höhe von 5.188,34 Mark festzustellen. Dies ergibt sich aus 5.986,55 Mark bescheinigtem Jahreseinkommen: 180 Tage (bis 30. Juni) = 33,2586 x 24 Tage = 798,2066 (gerundet: 798,21). Der so ermittelte, auf die Arbeitsausfalltage entfallende Betrag ist vom in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Betrag in Abzug zu bringen (5.986,55 – 798,21 = 5.188,34 Mark). Tatsächlich berücksichtigt wurden für das Jahr 1990 5.170,00 Mark.

Es ergeben sich somit zugunsten der Klägerin für die Jahre 1989 (7.237,15 Mark) und 1990 (5.188,34 Mark) höhere, festzustellende Entgelte.

2.)

Soweit sich die Klägerin gegen die Feststellung von Arbeitsausfalltagen wendet, liegt eine solche angreifbare Feststellung im angefochtenen Bescheid nicht vor. Insoweit hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zu Recht zurückgewiesen und das Sozialgericht zu Recht die Klage abgewiesen.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 AAÜG darf der Versorgungsträger für den Rentenversicherungsträger Arbeitsausfalltage verbindlich nur für Zeiten feststellen, die ohne Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung einzutragen gewesen wären; das Gesetz geht hierbei davon aus, dass der Sozialversicherungsausweis für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem keine Eintragungen über Arbeitsausfalltage enthält; deren (nachträgliche) Ermittlung und verbindliche Feststellung ist in diesen Fällen dem Versorgungsträger vorbehalten. In den übrigen Fällen ist es Aufgabe des Rentenversicherungsträgers, die Arbeitsausfalltage zwecks Anwendung von § 252a Abs. 2 SGB VI selbst zu ermitteln.

Nach § 94 SVO i. V. m. § 17 der 2. DB zur SVO vom 07. März 1985 (GBl. I, S. 111) war die Anzahl der Arbeitsausfalltage im SV-Ausweis einzutragen. Für die Klägerin sind solche Eintragungen auch vorgenommen worden. Im SV-Ausweis der Klägerin sind folgende Arbeitsausfalltage (ATA) eingetragen:

ab 01. Mai 1984 48 ATA 1985 49 ATA 1986 30 ATA 1987 32 ATA 1988 143 ATA 1989 41 ATA bis 30. Juni 1990 17 ATA

Exakt diese ATA hat die Beklagte auch im Bescheid vom 18. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2005 aufgeführt. Allerdings war damit keine unzulässige Feststellung von Arbeitsaufalltagen verbunden. Nach der Begründung im Bescheid im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Ermittlung des tatsächlich erzielten Verdienstes erfolgte die Aufführung der Arbeitsausfalltage zu dem Zweck, in den entsprechenden Kalenderjahren die in der Beitragsnachweiskarte enthaltenen tatsächlich nicht erzielten Verdienste herauszurechnen. Für die Feststellung der tatsächlichen Arbeitsentgelte erfolgt nur hilfsweise vorab eine Feststellung der Zahl der Arbeitsausfalltage. Es handelt sich – auch nach den Ausführungen im Bescheid – nicht um eine Feststellung im Sinne des § 252 a SGB VI i. V. m. § 31 SGB X durch Verwaltungsakt, sondern um die Begründung im Sinne des § 35 SGB X zur schätzungsweisen Feststellung des tatsächlichen Entgelts. Deshalb sind die Ausführungen zur Anzahl der Arbeitsausfalltage auch für den Rentenversicherungsträger für die Entscheidung über Anrechnungszeiten nach § 252a SGB VI nicht verbindlich (BSG, Urteil vom 04. Mai 1999 – B 4 RA 6/99 RSozR 3-8570 § 8 Nr. 3).

II.

Für die nach § 193 SGG zu treffende Kostenentscheidung ist der Teilerfolg der Klägerin zu berücksichtigen, und unter Veranlassungsgesichtspunkten sind der Beklagten die Kosten in voller Höhe aufzuerlegen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
Saved