Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 169 AS 637/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 478/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2009 insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner verpflichtet worden ist, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum vom 01. Januar 2009 bis 31. Juli 2009 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 214,75 Euro zu gewähren. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auch insoweit abgelehnt. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 2/3 der entstandenen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2009 ist gemäß § 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und in dem sich aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Finkelnburg/Janck, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 4. Auflage, 1998, Rdnr. 152, 338; jeweils m.w.N.).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch im Sinne einer Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1, § 19 SGB II nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 19 Satz 1 SGB II erhalten Personen Arbeitslosengeld II, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Hilfebedürftigkeit liegt gemäß § 9 Abs. 1 SGB II vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften, insbesondere nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe auch nicht durch Dritte geleistet wird.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Hier ist nicht glaubhaft gemacht, dass überhaupt laufend berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten angefallen sind.
Dass der Antragsteller die Voraussetzung für die Leistungsgewährung nach § 7 Abs. 1 SGB II im Falle des Aufenthaltes im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners erfüllt, ist zwischen den Beteiligten bislang unstreitig und bedarf im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Erläuterung. Soweit es hier im Wesentlichen um die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners für die Leistungsgewährung geht, ist diese derzeit zur Überzeugung des Senats zu bejahen.
Nach § 36 Satz 1 und 2 SGB II ist für die Leistung der Grundsicherung die Agentur für Arbeit bzw. der kommunale Träger zuständig, in deren bzw. dessen Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, so ist gemäß Satz 3 der Vorschrift derjenige Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige tatsächlich aufhält.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich der Antragsteller im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners im Sinne einer physischen Anwesenheit tatsächlich aufhält.
Diese tatsächliche Anwesenheit, die nicht an eine längere Verweildauer geknüpft ist, ist hier auch maßgeblich. Denn einen gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers vermochte der Senat nicht festzustellen. Nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Dabei kommt es für die Frage, ob sich jemand nicht nur vorübergehend an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält, maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse sowie auf eine vorausschauende Betrachtungsweise an. Hingegen ist die subjektive Vorstellung des Hilfebedürftigen nur von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt maßgeblich dann, wenn die subjektiven Merkmale durch die objektiven überlagert werden, z. B. weil die Erklärungen des Hilfebedürftigen widersprüchlich oder unplausibel sind. Dabei muss am gewöhnlichen Aufenthalt der Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse liegen.
Dass dies bei dem Antragsteller im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners der Fall ist, steht für den Senat nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Insbesondere folgt dies nicht daraus, dass der Antragsteller in der Sstraße über eine Meldeanschrift verfügt. Dieser kommt auch keine Aussagekraft zu. Denn jedenfalls in Berlin erfolgt eine Meldung unter einer bestimmten Anschrift in aller Regel ohne vorherige Prüfung, ob die Person unter der angegebenen Adresse tatsächlich ihre Wohnung hat.
Mangels gesicherter Untermauerung mit objektiven Fakten ist es aus Sicht des Senats vorliegend weiter auch nicht aussagekräftig, dass sich der Antragsteller nach eigenem Bekunden regelmäßig unter der Meldeanschrift aufhält. Maßgeblich ist für das Gericht vielmehr, wo sich der Antragsteller im Wesentlichen aufhält und einen zukunftsoffenen Verbleib hat.
Hierzu haben jedoch weder seine Aussagen noch die des gehörten Zeugen zu sicheren Erkenntnissen geführt. Der Antragsteller, der sich bereits im Vorfeld - wie das Sozialgericht in seinem angefochtenen Beschluss ausführlich und überzeugend dargelegt hat - in einige Widersprüche hinsichtlich seines tatsächlichen Aufenthaltes verwickelt hat, hat auch im Erörterungstermin zur Aufklärung nichts Wesentliches beitragen können. So gab er an, dass die gemeinsame Nutzung des Mietobjektes, bei dem es sich um Gewerberäume handelt, mit dem Zeugen B seit Sommer 2005 erfolge. Der Zeuge B hingegen hat ausgeführt, dass die gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten und die Unterstellung seines Mobiliars seit Sommer des Jahres 2008 erfolge. Des Weiteren lassen die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren eingereichten Fotos keinen Rückschluss auf die Nutzung der von ihm im Jahr 2000 angemieteten Gewerberäume als Wohnraum zu. Die Anmietung der Räume erfolgte zum Betrieb eines Büros. Aus dem Protokoll über den Hausbesuch am 08. Januar 2009 ergibt sich, dass die Räume nicht beheizt waren und weder Bett noch Kühlschrank hatten. Die im April 2009 vom Antragsteller eingereichten Fotos zeigen zwar eine Schlafstätte und einen Kühlschrank. Dieser ist jedoch leer und beinhaltet keinerlei Nahrungsmittel. Die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers vermochte auch der Zeuge B nicht auszuräumen. Der Zeuge, der aufgrund der Kenntnis des Schriftverkehrs in diesem Verfahren den Eindruck hinterlassen hat, von dem Antragsteller beeinflusst worden zu sein, hat bekundet, dass die Wohnung einen Schlafplatz sowie einen Kühlschrank habe. Ob die Wohnung von dem Antragsteller als Wohnraum genutzt wird, vermochte er hingegen nicht zu beurteilen, da er den Antragsteller nicht sehr oft sehe.
Dem Antragsteller ist spätestens seit Ende 2008 bekannt, dass der Antragsgegner Zweifel an seinem Aufenthaltsort hegt. Er weiß, dass diese Zweifel durch den Rücklauf der an ihn im Sommer 2008 gesendeten Post erhebliche Nahrung erfahren und letztlich im Januar 2009 zu einer Versagung der Weiterbewilligung der Leistung geführt haben. Schon allein dies hätte ausreichen müssen, um ihn dazu zu veranlassen, konkrete Angaben zu machen, wo er sich genau aufhält. Wenn ein derart gewarnter, anwaltlich vertretener Antragsteller im Termin noch immer keine konkreten Angaben dazu macht, wo er seinen tatsächlichen Aufenthalt hat und nur angibt, dass er sich nur zum Schlafen in der Wohnung befinde und tagsüber die Wohnung regelmäßig verlasse und sich an anderen, nicht von ihm benannten Orten aufhalte, dann bleibt der Verdacht, dass er seinen regelmäßigen Aufenthaltsort nicht offenbaren möchte.
Diese Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers werden auch durch die Angaben des Zeugen B nicht zum Schweigen gebracht. Der Zeuge, hat angegeben, dass er bei seinen Aufenthalten in den Räumlichkeiten, die er zu Beratungsgesprächen mit Mandanten nutzt, keinen Kontakt zum Antragsteller habe, da dieser sich dann nicht in der Wohnung befinde. Auch die schriftlichen Erklärungen des Herrn G haben nicht wesentlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Die schriftliche Erklärung des Herrn G vom 14. März 2009, in der er angibt, von Ende Oktober 2008 bis Januar 2009 dem Antragsteller vielleicht zwölf Mal eine Übernachtungsmöglichkeit gegeben zu haben, steht im Widerspruch zu dessen Erklärung im Verwaltungsverfahren vom 08. Januar 2009, in der er angegeben hat, dass der Antragsteller seit Oktober 2008 mietfrei bei ihm wohne. Dem steht die Erklärung des Antragstellers gegenüber, der ausweislich des Protokolls des Hausbesuches erklärt hat, die Wohnung des Herrn G in dessen Abwesenheit im Winter zu nutzen.
Abgesehen davon, dass sich bereits im Hinblick auf die voneinander abweichenden Angaben des Antragstellers Zweifel ergeben, dass der Hilfebedürftige zukunftsoffen an dem Ort seiner Meldeanschrift wohnt, gilt dies umso mehr angesichts der vom Zeugen B geschilderten räumlichen Verhältnisse, die einem längerfristigen Verbleib des Antragstellers in seiner Wohnung entgegenstehen dürften.
Dagegen spricht auch der Umstand, dass die vom Antragsteller vorgelegten Stromabschlagszahlungen von monatlich lediglich 35,00 Euro die Beheizung der Räume mit Radiatoren als nicht glaubhaft erscheinen lassen. Zumal der Antragsteller im Erörterungstermin erklärt hat, dass das Beheizen allein durch Radiatoren erfolge und auf Nachfrage des Senats ausgeführt hat, dass auch sporadisch mit Briketts geheizt worden sei. Diesbezügliche Quittungen habe er aber nicht aufbewahrt. Dies erscheint umso verwunderlicher, da der Antragsteller bereits im Jahr 2005 eine Pauschale wegen der geltend gemachten Kosten für die Ofenheizung erhalten hat.
Ist damit aufgrund des tatsächlichen Aufenthaltes des Antragstellers in seinem Zuständigkeitsbereich die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners gegeben, so ist er aktuell noch obigen Ausführungen zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II verpflichtet. Indes ist seine Verpflichtung zum einen auf die Gewährung von Leistungen in Höhe des Regelsatzes in Höhe von 351,00 Euro zu begrenzen, da insbesondere nicht ersichtlich ist, dass dem Antragsteller Unterkunftskosten nach § 22 SGB II entstehen, da nicht die Zweifel dahingehend ausgeräumt werden konnten, dass es sich bei den vom Antragsteller gemieteten Räumen allein um Gewerberäume handelt, die vom Antragsteller und dem Zeugen B ausschließlich zu diesem Zweck genutzt werden. Zudem war es dem Antragsteller durch die Gewährung des im Februar 2009 erhaltenen Privatdarlehens in Höhe von 1000,00 Euro möglich, wie er selbst ausgeführt hat, die Mietzahlungen vorzunehmen bzw. die entstandenen Mietschulden auszugleichen, so dass er ausgehend von einer monatlichen Mietbelastung von 214,75 Euro zumindest für den Zeitraum von Januar bis April 2009 in der Lage war, seinen Zahlungsverpflichtungen aufgrund des erhaltenen Darlehens nachzukommen. Eine Bedürftigkeit für diesen Zeitraum bestand demnach insoweit beim Antragsteller nicht. Darüber hinaus sind Schulden aus dem Mietverhältnis für die Monate Juni und Juli 2009 vom Antragsteller ebenfalls weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden.
Der Bewilligungszeitraum ist auf die Zeit bis zum 31. Juli 2009 zu beschränken. Dies folgt aus § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II. Auch soweit hinsichtlich des Zeitraums vom 01. bis 31. Januar 2009 einstweiliger Rechtsschutz nicht im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung (§ 86 b Abs. 2 SGG), sondern im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels (§ 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG) zu gewähren wäre, weil ein Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 10. Februar 2009 gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hätte, hat das dahingehend auszulegende Rechtsschutzgesuch des Antragstellers (§ 123 SGG) keinen Erfolg. Es lässt sich den Akten bereits nicht entnehmen und wurde auch nicht vorgetragen, dass der Antragsteller überhaupt Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Februar 2009, mit dem die Bewilligung von Leistungen für Kosten der Unterkunft für den Monat Januar 2009 aufgehoben wurde, eingelegt hat. Dies brauchte auch nicht aufgeklärt zu werden. Denn - die rechtzeitige Einlegung eines Widerspruches unterstellt - hätte ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch insoweit keinen Erfolg.
Bei Aufhebungsbescheiden handelt es sich um Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGG, Komm., 2. Aufl., § 39, Rn. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. November 2006, L 5 B 949/06 AS ER, Juris), so dass ein Widerspruch gegen diesen Bescheid gem. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hätte. Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung anordnen.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Komm., 9. Auflage, 2008, § 86a Rn. 27a). Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen aus den oben dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 10. Februar 2009 und liegt im Verlust einer Wohnung, die vom Antragsteller nicht genutzt wird, auch keine Härte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Die anteilige Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang in der Sache.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2009 ist gemäß § 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und in dem sich aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Finkelnburg/Janck, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 4. Auflage, 1998, Rdnr. 152, 338; jeweils m.w.N.).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch im Sinne einer Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1, § 19 SGB II nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 19 Satz 1 SGB II erhalten Personen Arbeitslosengeld II, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Hilfebedürftigkeit liegt gemäß § 9 Abs. 1 SGB II vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften, insbesondere nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe auch nicht durch Dritte geleistet wird.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Hier ist nicht glaubhaft gemacht, dass überhaupt laufend berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten angefallen sind.
Dass der Antragsteller die Voraussetzung für die Leistungsgewährung nach § 7 Abs. 1 SGB II im Falle des Aufenthaltes im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners erfüllt, ist zwischen den Beteiligten bislang unstreitig und bedarf im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Erläuterung. Soweit es hier im Wesentlichen um die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners für die Leistungsgewährung geht, ist diese derzeit zur Überzeugung des Senats zu bejahen.
Nach § 36 Satz 1 und 2 SGB II ist für die Leistung der Grundsicherung die Agentur für Arbeit bzw. der kommunale Träger zuständig, in deren bzw. dessen Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, so ist gemäß Satz 3 der Vorschrift derjenige Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige tatsächlich aufhält.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich der Antragsteller im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners im Sinne einer physischen Anwesenheit tatsächlich aufhält.
Diese tatsächliche Anwesenheit, die nicht an eine längere Verweildauer geknüpft ist, ist hier auch maßgeblich. Denn einen gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers vermochte der Senat nicht festzustellen. Nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Dabei kommt es für die Frage, ob sich jemand nicht nur vorübergehend an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält, maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse sowie auf eine vorausschauende Betrachtungsweise an. Hingegen ist die subjektive Vorstellung des Hilfebedürftigen nur von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt maßgeblich dann, wenn die subjektiven Merkmale durch die objektiven überlagert werden, z. B. weil die Erklärungen des Hilfebedürftigen widersprüchlich oder unplausibel sind. Dabei muss am gewöhnlichen Aufenthalt der Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse liegen.
Dass dies bei dem Antragsteller im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners der Fall ist, steht für den Senat nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Insbesondere folgt dies nicht daraus, dass der Antragsteller in der Sstraße über eine Meldeanschrift verfügt. Dieser kommt auch keine Aussagekraft zu. Denn jedenfalls in Berlin erfolgt eine Meldung unter einer bestimmten Anschrift in aller Regel ohne vorherige Prüfung, ob die Person unter der angegebenen Adresse tatsächlich ihre Wohnung hat.
Mangels gesicherter Untermauerung mit objektiven Fakten ist es aus Sicht des Senats vorliegend weiter auch nicht aussagekräftig, dass sich der Antragsteller nach eigenem Bekunden regelmäßig unter der Meldeanschrift aufhält. Maßgeblich ist für das Gericht vielmehr, wo sich der Antragsteller im Wesentlichen aufhält und einen zukunftsoffenen Verbleib hat.
Hierzu haben jedoch weder seine Aussagen noch die des gehörten Zeugen zu sicheren Erkenntnissen geführt. Der Antragsteller, der sich bereits im Vorfeld - wie das Sozialgericht in seinem angefochtenen Beschluss ausführlich und überzeugend dargelegt hat - in einige Widersprüche hinsichtlich seines tatsächlichen Aufenthaltes verwickelt hat, hat auch im Erörterungstermin zur Aufklärung nichts Wesentliches beitragen können. So gab er an, dass die gemeinsame Nutzung des Mietobjektes, bei dem es sich um Gewerberäume handelt, mit dem Zeugen B seit Sommer 2005 erfolge. Der Zeuge B hingegen hat ausgeführt, dass die gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten und die Unterstellung seines Mobiliars seit Sommer des Jahres 2008 erfolge. Des Weiteren lassen die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren eingereichten Fotos keinen Rückschluss auf die Nutzung der von ihm im Jahr 2000 angemieteten Gewerberäume als Wohnraum zu. Die Anmietung der Räume erfolgte zum Betrieb eines Büros. Aus dem Protokoll über den Hausbesuch am 08. Januar 2009 ergibt sich, dass die Räume nicht beheizt waren und weder Bett noch Kühlschrank hatten. Die im April 2009 vom Antragsteller eingereichten Fotos zeigen zwar eine Schlafstätte und einen Kühlschrank. Dieser ist jedoch leer und beinhaltet keinerlei Nahrungsmittel. Die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers vermochte auch der Zeuge B nicht auszuräumen. Der Zeuge, der aufgrund der Kenntnis des Schriftverkehrs in diesem Verfahren den Eindruck hinterlassen hat, von dem Antragsteller beeinflusst worden zu sein, hat bekundet, dass die Wohnung einen Schlafplatz sowie einen Kühlschrank habe. Ob die Wohnung von dem Antragsteller als Wohnraum genutzt wird, vermochte er hingegen nicht zu beurteilen, da er den Antragsteller nicht sehr oft sehe.
Dem Antragsteller ist spätestens seit Ende 2008 bekannt, dass der Antragsgegner Zweifel an seinem Aufenthaltsort hegt. Er weiß, dass diese Zweifel durch den Rücklauf der an ihn im Sommer 2008 gesendeten Post erhebliche Nahrung erfahren und letztlich im Januar 2009 zu einer Versagung der Weiterbewilligung der Leistung geführt haben. Schon allein dies hätte ausreichen müssen, um ihn dazu zu veranlassen, konkrete Angaben zu machen, wo er sich genau aufhält. Wenn ein derart gewarnter, anwaltlich vertretener Antragsteller im Termin noch immer keine konkreten Angaben dazu macht, wo er seinen tatsächlichen Aufenthalt hat und nur angibt, dass er sich nur zum Schlafen in der Wohnung befinde und tagsüber die Wohnung regelmäßig verlasse und sich an anderen, nicht von ihm benannten Orten aufhalte, dann bleibt der Verdacht, dass er seinen regelmäßigen Aufenthaltsort nicht offenbaren möchte.
Diese Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers werden auch durch die Angaben des Zeugen B nicht zum Schweigen gebracht. Der Zeuge, hat angegeben, dass er bei seinen Aufenthalten in den Räumlichkeiten, die er zu Beratungsgesprächen mit Mandanten nutzt, keinen Kontakt zum Antragsteller habe, da dieser sich dann nicht in der Wohnung befinde. Auch die schriftlichen Erklärungen des Herrn G haben nicht wesentlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Die schriftliche Erklärung des Herrn G vom 14. März 2009, in der er angibt, von Ende Oktober 2008 bis Januar 2009 dem Antragsteller vielleicht zwölf Mal eine Übernachtungsmöglichkeit gegeben zu haben, steht im Widerspruch zu dessen Erklärung im Verwaltungsverfahren vom 08. Januar 2009, in der er angegeben hat, dass der Antragsteller seit Oktober 2008 mietfrei bei ihm wohne. Dem steht die Erklärung des Antragstellers gegenüber, der ausweislich des Protokolls des Hausbesuches erklärt hat, die Wohnung des Herrn G in dessen Abwesenheit im Winter zu nutzen.
Abgesehen davon, dass sich bereits im Hinblick auf die voneinander abweichenden Angaben des Antragstellers Zweifel ergeben, dass der Hilfebedürftige zukunftsoffen an dem Ort seiner Meldeanschrift wohnt, gilt dies umso mehr angesichts der vom Zeugen B geschilderten räumlichen Verhältnisse, die einem längerfristigen Verbleib des Antragstellers in seiner Wohnung entgegenstehen dürften.
Dagegen spricht auch der Umstand, dass die vom Antragsteller vorgelegten Stromabschlagszahlungen von monatlich lediglich 35,00 Euro die Beheizung der Räume mit Radiatoren als nicht glaubhaft erscheinen lassen. Zumal der Antragsteller im Erörterungstermin erklärt hat, dass das Beheizen allein durch Radiatoren erfolge und auf Nachfrage des Senats ausgeführt hat, dass auch sporadisch mit Briketts geheizt worden sei. Diesbezügliche Quittungen habe er aber nicht aufbewahrt. Dies erscheint umso verwunderlicher, da der Antragsteller bereits im Jahr 2005 eine Pauschale wegen der geltend gemachten Kosten für die Ofenheizung erhalten hat.
Ist damit aufgrund des tatsächlichen Aufenthaltes des Antragstellers in seinem Zuständigkeitsbereich die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners gegeben, so ist er aktuell noch obigen Ausführungen zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II verpflichtet. Indes ist seine Verpflichtung zum einen auf die Gewährung von Leistungen in Höhe des Regelsatzes in Höhe von 351,00 Euro zu begrenzen, da insbesondere nicht ersichtlich ist, dass dem Antragsteller Unterkunftskosten nach § 22 SGB II entstehen, da nicht die Zweifel dahingehend ausgeräumt werden konnten, dass es sich bei den vom Antragsteller gemieteten Räumen allein um Gewerberäume handelt, die vom Antragsteller und dem Zeugen B ausschließlich zu diesem Zweck genutzt werden. Zudem war es dem Antragsteller durch die Gewährung des im Februar 2009 erhaltenen Privatdarlehens in Höhe von 1000,00 Euro möglich, wie er selbst ausgeführt hat, die Mietzahlungen vorzunehmen bzw. die entstandenen Mietschulden auszugleichen, so dass er ausgehend von einer monatlichen Mietbelastung von 214,75 Euro zumindest für den Zeitraum von Januar bis April 2009 in der Lage war, seinen Zahlungsverpflichtungen aufgrund des erhaltenen Darlehens nachzukommen. Eine Bedürftigkeit für diesen Zeitraum bestand demnach insoweit beim Antragsteller nicht. Darüber hinaus sind Schulden aus dem Mietverhältnis für die Monate Juni und Juli 2009 vom Antragsteller ebenfalls weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden.
Der Bewilligungszeitraum ist auf die Zeit bis zum 31. Juli 2009 zu beschränken. Dies folgt aus § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II. Auch soweit hinsichtlich des Zeitraums vom 01. bis 31. Januar 2009 einstweiliger Rechtsschutz nicht im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung (§ 86 b Abs. 2 SGG), sondern im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels (§ 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG) zu gewähren wäre, weil ein Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 10. Februar 2009 gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hätte, hat das dahingehend auszulegende Rechtsschutzgesuch des Antragstellers (§ 123 SGG) keinen Erfolg. Es lässt sich den Akten bereits nicht entnehmen und wurde auch nicht vorgetragen, dass der Antragsteller überhaupt Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Februar 2009, mit dem die Bewilligung von Leistungen für Kosten der Unterkunft für den Monat Januar 2009 aufgehoben wurde, eingelegt hat. Dies brauchte auch nicht aufgeklärt zu werden. Denn - die rechtzeitige Einlegung eines Widerspruches unterstellt - hätte ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch insoweit keinen Erfolg.
Bei Aufhebungsbescheiden handelt es sich um Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGG, Komm., 2. Aufl., § 39, Rn. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. November 2006, L 5 B 949/06 AS ER, Juris), so dass ein Widerspruch gegen diesen Bescheid gem. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hätte. Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung anordnen.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Komm., 9. Auflage, 2008, § 86a Rn. 27a). Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen aus den oben dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 10. Februar 2009 und liegt im Verlust einer Wohnung, die vom Antragsteller nicht genutzt wird, auch keine Härte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Die anteilige Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang in der Sache.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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