L 10 AS 1255/09 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 128 AS 17211/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 1255/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 02. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin (Agegn) gewährte der 1969 geborenen Antragstellerin (Ast) zu 1. und ihrer 1994 geborenen ältesten Tochter, der Ast zu 2., mit Bescheid vom 02. März 2009 für die Zeit vom 01. März bis zum 31. August 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich insgesamt EUR. Die beiden weiteren im selben Haushalt lebenden Kinder der Ast zu 1, die 2003 und 2007 geborenen Ast zu 3. und 4., erhielten wegen ihren Bedarf deckenden Einkommens in Form von Kindergeld und Unterhaltsvorschuss keine Leistungen. Da die Ast zu 1. kein Bankkonto hat, erhielt sie die monatlichen Leistungen für sich und die Ast zu 2. per Verrechnungsscheck, den ihr die Agegn jeweils postalisch übersandte. Bezüglich der Leistungen für Juni 2009 ergab sich Folgendes: Vor Übersendung des diesbezüglichen Schecks bat die Agegn die Ast zu 1. mit Schreiben vom 02. Juni 2009 unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht gemäß § 61 Erstes Buch Sozialgesetzbuch zu einem Gespräch über ihren Leistungsanspruch am 05. Juni 2009. Nachdem die Ast zu 1. zu diesem Termin nicht erschienen war, brachte die Agegn die bewilligten Leistungen für Juni 2009 am selben Tag in der beschriebenen Weise auf den Weg. Die Ast zu 1., die die Ladung nach ihren Angaben erst am 06. Juni 2009 (einem Samstag) erhalten hatte, übersandte der Agegn am 08. Juni 2009 ein am selben Tag ausgestelltes ärztliches Attest, wonach sie seit dem 02. Juni 2009 reiseunfähig erkrankt war. Ebenfalls am 08. Juni 2009 beantragten die Ast zu 1. bis 4. – anwaltlich vertreten – beim Sozialgericht (SG) Berlin, die Agegn im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihnen für Juni 2009 sofort und für die Folgemonate Juli und August 2009 jeweils spätestens zum 1. Werktag des laufenden Monats im voraus EUR zu zahlen. Gleichzeitig beantragten sie unter Vorlage einer Erklärung der Ast zu 1. über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten. Zur Begründung des Eilantrages wurde ua darauf verwiesen, dass die Ast zu 1. beim Jobcenter zweimal, am 03. und 05. Juni 2009, durch Vorsprache und einmal, am 08. Juni 2009, telefonisch den Scheck für Juni angemahnt habe, jedes Mal jedoch damit vertröstet worden sei, es liege ein Computerfehler vor, ansonsten sei alles in Ordnung, der Scheck werde in den nächsten Tagen kommen. Nach Stellung des Eilrechtsschutzantrages und unter Hinweis auf diesen übersandte die Bevollmächtigte der Ast am 08. Juni 2009 ein anwaltliches Mahnschreiben an die Agegn; dieses Schreiben trug versehentlich das Datum "04.06.2009" (Bl 6 der Gerichtsakten).

Auf den Eilrechtsschutzantrag forderte das SG die Agegn mit Fax vom 09. Juni 2009 zur Stellungnahme innerhalb von fünf Tagen auf. Darauf verwies diese unter dem 16. Juni 2009 auf die am 05. Juni 2009 erfolgte Scheckübersendung. Mit Schreiben vom 17. Juni 2009 erklärte die Bevollmächtigte der Ast das Eilverfahren mit dem Hinweis für erledigt, der Scheck über die Leistungen für Juni sei am 11. Juni 2009 bei der Ast zu 1. eingegangen. Gleichzeitig wurde eingeräumt, dass die Ast zu 1. am 03. und 05. Juni 2009 nicht vorgesprochen, die Leistungen vielmehr an diesen Tagen (nur) telefonisch angemahnt habe.

Auf den zugleich gestellten Kostenantrag der Ast entschied das SG mit Beschluss vom 02. Juli 2009, die Beteiligten hätten einander Kosten nicht zu erstatten. Es entspreche billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Ast nicht der Agegn aufzuerlegen, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung voraussichtlich nicht erfolgreich gewesen wäre. Es habe den Ast schon an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, da sie ihr Begehren auf einfachere Weise, nämlich durch "ordnungsgemäße Befassung" der Agegn (mittels direkter Kontaktaufnahme), hätten erreichen können. Außerdem hätten sie einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht; es sei nicht vorgetragen worden, dass sie sich in einer Notlage befunden hätten. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag hat das SG mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Eilrechtsschutzantrages auch das PKH-Gesuch der Ast zurückgewiesen.

II.

Die Beschwerde gegen die Versagung von PKH ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Bewilligung von PKH kam schon unter dem Gesichtspunkt nicht in Betracht, dass PKH grundsätzlich nur für die Zukunft, "die beabsichtigte Rechtsverfolgung" (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO)), bewilligt wird, also voraussetzt, dass die Sachentscheidung noch aussteht. Eine solche war hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der sozialgerichtlichen PKH-Entscheidung nicht mehr zu treffen, weil bereits Hauptsachenerledigung eingetreten war. Die danach nur noch mögliche rückwirkende Bewilligung kommt nur ausnahmsweise - aus Billigkeitsgründen – in Betracht, wenn dem vor Verfahrensabschluss gestellten PKH-Antrag bei einer früheren Entscheidung hätte entsprochen werden müssen und das Gericht die Beschlussfassung pflichtwidrig verzögert hat (vgl Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin, Beschluss vom 05. März 1998 – 8 M 9/98NVwZ 1998, 650; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 73 Rdnr 13a ff; Philippi in Zöller, ZPO, 27. Aufl, § 119 Rdnr 38 ff, jeweils mwNachw). Die zuletzt genannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil das erledigende Ereignis, der Erhalt des Schecks über die Junileistungen, zu einem Zeitpunkt - nach den Angaben der Ast zu 1. am 11. Juni 2009 - eingetreten ist, als der PKH-Antrag noch nicht entscheidungsreif war. Das ist nach der Rechtsprechung des Senats erst dann der Fall, wenn nicht nur (wie hier bereits am 08. Juni 2009) ein formgerechter Antrag gestellt ist und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt, sondern auch der Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat, wofür insbesondere Wortlaut des § 118 Abs 1 Satz 1 ZPO spricht, auf den § 73a Abs 1 Satz 1 SGG verweist (vgl etwa Senatsbeschluss vom 19. Mai 2008 - L 10 B 184/08 AS PKH – www.sozialgerichtsbarkeit.de; ebenso Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 01. Dezember 2005 – L 10 R 4283/05 – juris Rdnr 8, OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. November 2007 - 18 E 124/07 - juris RdNr 11 mwNachw; aA etwa Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl, § 166 Rdnr 14a). Danach war hier der PKH-Antrag erst entscheidungsreif, nachdem die der Agegn vom SG am 09. Juni 2009 für die erbetene Stellungnahme gesetzte Fünf-Tages-Frist abgelaufen war, mithin nach dem 11. Juni 2009.

Bei dieser Sachlage war eine Kostenentlastung der Ast folglich nur im Wege der Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs 1 Satz 3 SGG denkbar, bei der man aus Sicht des Senats aus Veranlassungsgesichtspunkten durchaus zu einer Beteiligung der Agegn an den außergerichtlichen Kosten der Ast hätte gelangen können. Es ist dem Senat jedoch verwehrt, den gesetzlichen Ausschluss einer Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung über die gegebene Beschwerdemöglichkeit gegen die PKH-Versagung in der Weise zu konterkarieren, dass er von den für das PKH-Verfahren begründet entwickelten Grundsätzen Abstand nimmt.

Unabhängig von der hier wie dargestellt fehlenden Möglichkeit einer rückwirkenden PKH-Bewilligung hat das SG dem Eilrechtsschutzantrag – genauer: den jeweiligen Eilrechtsschutzanträgen der Ast - zu Recht hinreichende Erfolgsaussichten abgesprochen. Dies gilt für die Ast zu 3. und 4. schon deshalb, weil ihnen mit dem Bescheid vom 02. März 2009 mangels Hilfebedürftigkeit keine Leistungen bewilligt worden sind. Bezüglich der Ast zu 1. und 2. hat das SG zutreffend ausgeführt, dass eine Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Regelung nicht glaubhaft gemacht war. Dass eine akute Notlage vorlag, verstand sich nicht etwa von selbst, sondern hätte unter den gegebenen Umständen substantiiert dargetan und belegt werden müssen. Insoweit ist festzuhalten, dass die Bedarfsgemeinschaft nicht mittellos ist, die Ast vielmehr über Einkommen in Form von Kindergeld (insgesamt 498,- EUR/Monat) und Unterhaltsvorschuss (für die Ast zu 3. und 4. in Höhe von insgesamt 234,- EUR/Monat) verfügen, mit dem ggfs einige Tage bis zum Erhalt des jeweiligen Arbeitslosengeldes II oder Sozialgeldes überbrückt werden können. Überdies sind bei Stellung der Eilanträge zu sonst vorhandenen Geldmitteln (zB nach dem SGB II geschontes Vermögen) keinerlei Angaben gemacht worden. Ferner besteht die Besonderheit, dass die Ast nach der Mitteilung der Ast zu 1. im PKH-Vordruck mit deren Ex-Schwiegervater zusammenleben, wobei sie ersichtlich (Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nach dem Bescheid vom 02. März 2009 nicht gewährt) nicht zur Mietzahlung verpflichtet sind.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht erstattet.

Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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