L 2 U 1101/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 728/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 1101/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Die Diagnose einer PTBS hat sich nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme zu richten (ICD-10, DSM IV) siehe auch Urteil des Bundessozialgerichts, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, AZ: B 2 U 1/05 R.
2) Eine PTBS setzt nach der ICD-10, F 43.1 ein belastendes Ereignis voraus, dass " bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" und normiert damit einen objektiven Schwerdegrad des Ereignisses. Die Behauptung eines nur subjektiv entsprechend belastenden Ereignisses erfüll die Voraussetzungen der Definition nicht.
3) Einem Gutachten, dass die Voraussetzungen der ICD-10 bzw. des DSM IV negiert, weil eine andere wissenschaftliche Lehrmeinung zugrunde zu lege sei, ist schon aus diesem Grund nicht zu folgen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Verletztenteilrente.

Die 1951 geborene Klägerin war als Krankenschwester in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des A Krankenhauses B tätig, als sie am 17. April 2003 gegen 18.30 Uhr von einer Patientin tätlich angegriffen wurde. Der Hergang ist in der Unfallanzeige vom 22. Mai 2003 wie folgt beschrieben: "Pat. wurde von der Toilette zurück ins Bett begleitet, als sie plötzlich das Pflegepersonal tätlich angriff und auf das Personal eingeschlagen hat. Durch Festhalten wurde versucht die Schläge zu unterbinden, wobei die Patientin sich wehrte, weiter um sich schlug und mich an der Schulter verletzte." Am Folgetag gegen 16.00 Uhr begab sich die Klägerin zu dem Chirurgen, Unfallchirurgen und Durchgangsarzt Dr. S, der nach Auswertung eines Röntgenbildes eine Schulterzerrung links diagnostizierte; im diesbezüglichen Bericht vom 24. Juni 2003 ist ferner festgehalten, dass die Klägerin seit mehreren Wochen wiederholt Schmerzen in der linken Schulter gehabt habe. Die Beklagte holte ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin, der BKK Berlin, ein, aus welchem sich u. a. frühere Diagnosen einer Cervicozephalgie und Radikulopathie ergaben. Am 20. Mai 2003 wurde eine Kernspintomografie des linken Schultergelenkes durchgeführt mit dem Ergebnis: Diffuses entzündliches Ödem DD Hämatom in der Umgebung der Supraspinatussehne. Geringe Auftreibung der Sehne und Verdacht auf kleine umschriebene Partialläsion. Subacromiales Impingement vorwiegend im posterioren Anteil. Da die Klägerin nach nur vorübergehender Besserung über fortdauernde Beschwerden im Bereich der linken Schulter klagte, wurde im M Krankenhaus am 29. September 2003 eine Schulterarthrographie links durchgeführt, die keinen Anhalt für eine Rotatorenmanschettenverletzung, jedoch eine erhebliche Schrumpfung der Gelenkkapsel ergab. Am 25. November 2003 teilten Prof. Dr. H/Dr. H, M Krankenhaus, der Beklagten mit, dass sich der klinische Befund erheblich gebessert habe, insgesamt bestehe jetzt ein gutes Ergebnis. Die Arbeitsunfähigkeit könne in zeitlich absehbarem Rahmen (zirka zwei Wochen) beendet werden.

Nachdem eine daraufhin durchgeführte betriebliche Belastungserprobung fehlgeschlagen war, holte die Beklagte ein Gutachten des Arztes für Unfall- und Gefäßchirurgie Dr. K vom 19. März 2004 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der von ihm auf seinem Fachgebiet erhobene Befund schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter, geringe Kraftminderung des linken Oberarmes bei degenerativen Veränderungen des linken Schultergelenkes und radikulärer Symptomatik der Halswirbelsäule (HWS) nicht auf das Ereignis vom 17. April 2003 zurückzuführen sei. Das Ereignis habe sich auch nicht etwa verschlimmernd auf Vorschäden ausgewirkt. Die Beschwerden seien auf eine Insertionstendinose der Supraspinatussehne mit Signalcyste zurückzuführen. Die Klägerin habe ihm gegenüber zwar angegeben, noch nie vor dem Arbeitsunfall wegen der Schulter in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein. Eine telefonische Rückfrage bei der Hausärztin der Klägerin, Frau F, habe jedoch ergeben, dass sich die Klägerin bereits am 03. April 2003 wegen anhaltender Schulterbeschwerden links mit Kribbelparästhesien im linken Arm bei ihr vorgestellt habe, zum damaligen Zeitpunkt habe eine Einschränkung der Beweglichkeit der linken Schulter auf 90 Grad Abduktion und 90 Grad Elevation bestanden. Die Hausärztin habe die Klägerin damals an einen Orthopäden überwiesen, zu dem sie sich jedoch nicht begeben habe. Die Bewegungseinschränkungen, die Dr. S zum Zeitpunkt des Unfallereignisses festgestellt habe, seien identisch mit dem Befund, der unfallunabhängig am 03. April 2003 von Frau F erhoben worden sei, was gegen eine Beeinflussung der Vorerkrankung durch das Unfallereignis spreche. Ferner hätten MRT Untersuchungen, die vier Wochen nach dem Unfallereignis und jetzt anlässlich seiner Zusammenhangsbegutachtung (MRT Befund vom 24. Februar 2004 durchgeführt worden seien, keinen Anhalt für eine traumatisch bedingte Verletzung ergeben. Aus den anamnestischen Angaben der Klägerin ergebe sich eine deutliche psychosoziale Belastungssituation, da ihr Ehemann seit vier Jahren ohne Arbeit sei, sich drei Kinder in der Endphase der schulischen Ausbildung befänden und erhebliche Schwierigkeiten mit einem Sohn bestünden.

Die Beklagte beendete daraufhin am 22. März 2004 die Behandlung zu ihren Lasten sowie die Gewährung von Verletztengeld und lehnte durch Bescheid vom 06. April 2004 die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht um wenigstens 20 v. H. gemindert sei. Der Arbeitsunfall habe lediglich zu einer ausgeheilten Schulterzerrung links geführt.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin, mit dem diese erneut ausführte, vor dem Arbeitsunfall völlig beschwerdefrei gewesen zu sein, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2004 zurück, da objektive Funktionseinschränkungen als Unfallfolge nicht feststellbar seien. Weiter ist ausgeführt, dass die Klägerin entgegen ihren Angaben vor dem Unfall auch nicht beschwerdefrei gewesen sei, vielmehr seien bereits im ersten Durchgangsarztbericht vom 24. Juni 2003 seit Wochen bestehende Schmerzen in der linken Schulter dokumentiert, dies habe auch die behandelnde Hausärztin F bestätigt. Auch habe die Klägerin ein direktes Verdrehtrauma des linken Armes gegenüber Dr. K bei dessen Begutachtung nicht vorgetragen. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2005 abgewiesen. Auf der Grundlage der von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen sei davon auszugehen, dass die Klägerin am 17. April 2003 allenfalls eine Zerrung im Bereich der linken Schulter erlitten habe, was nicht geeignet sei, anhaltende Beschwerden und funktionelle Beeinträchtigungen seitens des betroffenen Schultergelenkes zu verursachen. Ursache der anhaltenden Beschwerden seien nach allen vorliegenden medizinischen Unterlagen eindeutig degenerative Veränderungen im Sinne eines Impingementsyndroms (Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenks durch chronische Überlastung) mit Veränderungen im Bereich der Supraspinatussehne, Verwachsungen im Subacromialraum und hypertrophe Synovialzotten im vorderen Gelenkanteil. Für eine traumatische Genese dieser Veränderungen gäbe es keine Anhaltspunkte. Ferner habe die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen bereits vor dem 17. April 2003 erhebliche Schulterbeschwerden gehabt. Soweit die Klägerin zuletzt eine psychische Erkrankung geltend gemacht habe, sei dies u. a. aufgrund des zeitlichen Abstandes der Aufnahme der nervenärztlichen Behandlung zum streitgegenständlichen Ereignis und aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin das Überfallereignis selbst im Widerspruchsverfahren nicht als besonders traumatisierend beschrieben habe, nicht nachvollziehbar.

Gegen diesen ihr am 21. September 2005 zugegangenen Gerichtsbescheid richtet sich die am 20. Oktober 2005 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin trägt vor, dass ihr seitens des Rentenversicherungsträgers nunmehr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden sei. Weiter verweist die Klägerin auf die Einschätzung des sie behandelnden Arztes für Psychiatrie T, der u. a. mit Attest vom 12. April 2005 eine ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung bestätigte, sowie das Ergebnis des Gutachtens des von ihr nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannten Dr. B, der ebenfalls eine posttraumatische Belastungsstörung und erhebliche fortbestehende Unfallfolgen festgestellt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 06. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Unfalles vom 17. April 2003 eine Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. zu gewähren. Hilfsweise beantragt die Klägerin,

1. Akteneinsicht in die beigezogene Rentenakte der ehemaligen BfA, 2. eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. T B zu den medizinischen Ausführungen in dem Schriftsatz der Beklagten vom 26. Januar 2009 einzuholen, 3. gemäß § 109 SGG eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. T B zu den medizinischen Ausführungen in dem Schriftsatz der Beklagten vom 26. Januar 2009 einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen des Dr. K sowie die des im Berufungsverfahren gehörten Prof. Dr. G.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts zunächst die Hausärztin der Klägerin, die Praktische Ärztin F, befragt, die mit einem am 28. April 2006 eingegangenen Schreiben mitteilte, dass die Klägerin bei ihr erstmals am 29. April 1996 wegen Beschwerden im linken Arm bzw. einer Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk behandelt worden sei, die Bewegung sei schmerzhaft eingeschränkt, die Behandlung erfolge durch laufende Physiotherapie und Analgetika. Ferner hat das Gericht den behandelnden Arzt für Psychiatrie T befragt, der mit Schreiben vom 06. November 2006 mitteilte, dass sich die Klägerin bei ihm seit April 2004 in nervenärztlicher Behandlung befinde. Bei Beginn der Behandlung hätten sich alle Symptome einer schweren Depression gezeigt, später sei deutlich geworden, dass sich das depressive Syndrom nach dem Unfall und in Zusammenhang damit entwickelt habe. Er stelle die Diagnose einer ausgeprägten posttraumatischen Belastungsstörung. Das Gericht hat ferner die Akten der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beigezogen, in denen neben dem Entlassungsbericht der S Kliniken GmbH über eine Behandlung der Klägerin vom 29. September bis 10. November 2004 auch ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T vom 17. Februar 2006 enthalten ist.

Das Gericht hat ferner ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G vom 24. April 2007 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass als Folge des Unfallereignisses vom 17. April 2003 lediglich eine kurzzeitige akute traumatische Belastungsreaktion annehmbar sei. Für eine posttraumatische Belastungsstörung auf der Basis der Zehnten Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO (International Classification of Diseases - ICD 10) ergebe sich kein Anhalt. Fortbestehende Unfallfolgen seien seit 23. März 2004 nicht annehmbar. Die Beurteilung des Herrn T sei nicht in Übereinstimmung mit den Grundlagen des ICD 10 zu bringen. Diese enthalte klare Definitionen bezüglich einer akuten Belastungsreaktion und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Eine akute Belastungsreaktion sei eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickle und die im Allgemeinen innerhalb von Stunden und Tagen abklinge. Eine posttraumatische Belastungsstörung entstehe als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Der Beginn folge dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern könne. Eine derartige außergewöhnliche Bedrohung oder ein Erlebnis von katastrophenartigem Ausmaß habe bei der Klägerin nicht vorgelegen, diesbezüglich vermisse er auch eine Begründung in den Ausführungen von Herrn T und Dr. T. Der Angriff einer Patientin, auch wenn er mit einer körperlichen Verletzung verbunden sei, sei in diesem Ausmaß nicht begründet herbeiziehbar. Die Klägerin habe infolge des Angriffes einen Schock erlitten. Angst um ihr eigenes Leben habe sie nach eigenen Angaben dabei jedoch nicht gehabt. Allein aus einer Symptomatologie eine diagnostische Schlussfolgerung herbeiführen zu wollen, sei nicht möglich. Zusammenfassend bestehe bei der Klägerin eine depressiv-neurotische Fehlentwicklung, welche sich offensichtlich an eine akute traumatische Belastungsreaktion angeschlossen habe.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat das Gericht ferner ein Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Psychoanalyse Dr. B vom 02. Dezember 2008 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass als Folge des Unfallereignisses vom 17. April 2003 bei der Klägerin eine schwere posttraumatische Belastungsstörung nach ICD 10 F 43.1 bestehe, die durch das Unfallereignis erstmalig entstanden sei. Andere Ursachen könnten für diese Störung nicht angeführt werden; der nicht erhebliche gesundheitliche Vorschaden (Schulter-Nacken-Beschwerden) spiele ursächlich für das Krankheitsbild keine Rolle. Angesichts der doch vorhandenen Sprachschwierigkeiten, kultureller Besonderheiten, der ausgesprochen retentiven Grundhaltung sowie der offensichtlichen Neigung zur Idealisierung sei es ausgesprochen schwierig, aus der biografischen Anamnese eine Persönlichkeitsdiagnostik bzw. Strukturbesonderheiten abzuleiten, dies sei vorliegend aber auch nicht von sehr großer Bedeutung. Vor dem Unfall sei es für die Klägerin weder in ihrer Familie noch bei ihrer Arbeit zu ernsthaften Problemen gekommen. Nach dem Unfall hätten die heftigen Schulterschmerzen der Klägerin im Vordergrund gestanden, die zu einer umfangreichen somatischen Diagnostik geführt hätten, was jedoch keinen wesentlichen somatisch-pathologischen Befund erbracht habe. Dies müsse man als ausgesprochenes Somatisierungsstörungsgeschehen deuten. Das Hauptkrankheitsbild sei ohne Zweifel eine posttraumatische Belastungsstörung. Die Auffassung von Prof. Dr. G könne er in wesentlichen Punkten nicht teilen. Die Rubrik "Jetzige Beschwerden" sei kursorisch und total verkürzt abgehandelt worden. Zur Frage, wie schwerwiegend ein Trauma gewertet werden könne, sei wichtig auch die Bedeutung, die die Betroffenen dem Ereignis beimäßen; die subjektive Wahrnehmung des Ereignisses enthalte neben objektiven Charakteristika einen wichtigen Stellenwert in der Bewertung eines Ereignisses als Trauma. Die Klägerin habe ihre Hilflosigkeit und die Unmöglichkeit, das Geschehen zu kontrollieren, als besonders bedrohlich empfunden. Auch der folgende Suizidversuch der Patientin sei nun wirklich kein alltägliches Ereignis gewesen. Zum Beginn der Störung bzw. zur Dauer der Latenzzeit könne im Fall der Klägerin keine sichere Aussage gemacht werden. Es sei allerdings eher die Regel als die Ausnahme, dass eine psychosomatische Krankheit anfangs Monate bis Jahre unter der Annahme einer somatischen Störung behandelt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide und der erstinstanzliche Gerichtsbescheid sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenteilrente aufgrund von Folgen des Unfalles vom 17. April 2003.

Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, die u. a. nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) als Verletztenrente erbracht werden, setzen voraus, dass Schäden, die zu einer Erwerbsminderung geführt haben, "infolge" eines Versicherungsfalls entstanden sind. Gesundheitsstörungen infolge eines versicherten Ereignisses können nur dann anerkannt werden, wenn sie mit Wahrscheinlichkeit zumindest ihre wesentliche Teilursache in dem versicherten Unfallereignis haben. Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 19, 52; 32, 203, 209; 45, 285, 287) liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss und dass es keine Beweisregel gibt, wonach bei fehlender Alternativursache die naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a. F.; BSGE 19, 52, 56; BSG SozR 3 1300 § 48 Nr. 67).

Bei der Klägerin liegen fortbestehende Schäden, die ihre Ursache in dem von ihr am 17. April 2003 erlittenen Unfall haben, jedenfalls seit dem Zeitpunkt der Leistungseinstellung durch die Beklagte zum 22. März 2004 nicht mehr vor. Bei der Klägerin bestand infolge des Unfalles zunächst einmal eine Schulterzerrung links, die im genannten Zeitpunkt der Einstellung des Verletztengeldes folgenlos ausgeheilt war. Insoweit schließt sich auch der erkennende Senat den Ausführungen des Dr. K in dessen Gutachten vom 19. März 2004 an. Dieser kam nach einer Untersuchung der Klägerin und Auswertung von zwei MRTs, von denen eines zeitnah zum Unfall und eines von ihm im Rahmen seiner Begutachtung angefertigt worden waren, zu dem Ergebnis, dass Unfallfolgen nicht mehr fortbestanden. Insbesondere ist auch während des Berufungsverfahrens durch die behandelnde Hausärztin der Klägerin F gegenüber dem Gericht schriftlich bestätigt worden, dass sich die Klägerin - entgegen ihren anders lautenden Angaben – bereits vor dem Unfall wegen Beschwerden im Schulterbereich bei ihr in fortlaufender Behandlung befunden hat. Dr. K war insoweit von einer Anfang April 2003 begonnenen Behandlung ausgegangen; mit dem am 28. April 2006 bei Gericht eingegangenen Schreiben hat die Ärztin diesbezügliche Beschwerden der Klägerin und Behandlungen sogar bereits für die Zeit seit 1996 bestätigt. Da sich nach Dr. K die vor dem Unfall durch Frau F und die nach dem Unfall durch die Behandler erhobenen Befunde für den Schulterbereich nicht unterschieden, kam der Gutachter nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass Unfallfolgen diesbezüglich nicht feststellbar seien. Das Gericht folgt diesen überzeugenden Feststellungen des Gutachters Dr. K, Anhaltspunkte für unfallbedingte Schäden im Schulterbereich bestehen nicht.

Auch die bei der Klägerin festgestellten Einschränkungen auf psychiatrischem Gebiet sind nicht auf den Unfall vom 17. April 2003 zurückzuführen. Dieser Unfall hat nur zu einer akuten traumatischen Belastungsreaktion geführt, an welche sich eine depressiv-neurotische Fehlentwicklung angeschlossen hat; diese ist jedoch nicht mehr ursächlich auf den Unfall zurückzuführen. Dies hat der vom Gericht bestellte Gutachter Prof. Dr. G in seinem Gutachten vom 24. April 2007 festgestellt, dessen Feststellungen schließt sich das Gericht an. Das Gutachten ist insgesamt überzeugend und nachvollziehbar. Allein die Einschätzung des Prof. Dr. G ist mit den Vorgaben der ICD 10 zur posttraumatischen Belastungsstörung in Übereinstimmung zu bringen. An diese Vorgaben ist das Gericht jedoch gebunden. Denn zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist immer eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (ICD-10, DSM IV) erforderlich (BSG, Urteile vom 09. Mai 2006, Aktenzeichen B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, und B 2 U 40/05 R, zitiert nach juris.de). Die posttraumatische Belastungsstörung ist in der ICD-10, F 43.1 ausdrücklich definiert als verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Dieses Kriterium muss zunächst einmal erfüllt sein, um die festgestellten psychischen Reaktionen als posttraumatische Belastungsstörung bezeichnen zu können. Ein Kausalzusammenhang zwischen einem Arbeitsunfall und einer seelischen Krankheit kann danach nur bejaht werden, wenn nach dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand ein Unfallereignis der in Rede stehenden Art überhaupt geeignet ist, die betreffende Störung hervorzurufen, wobei die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung eine bestimmte Schwere des Unfallereignisses bereits voraussetzt (BSG, B 2 U 1/05 R, a. a. O.).

Eine Situation "mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" hat die Klägerin am 17. April 2003 nicht annähernd erlebt. Vielmehr handelte es sich hier lediglich um eine körperliche Auseinandersetzung mit einer Patientin, die nicht bewaffnet war, zudem war die Klägerin bei diesem Ereignis nicht allein, sondern eine zweite Pflegeperson, die von allen Gutachtern und Behandlern als männliche Person und lediglich von Dr. B als zweite weibliche Pflegeperson bezeichnet wurde, stand ihr zur Seite, weitere Hilfe konnte geholt werden. Nachvollziehbar ist, dass die Klägerin - wie Prof. Dr. G wiederholt ausgeführt hat - durch dieses Ereignis einen Schock erlitten hat. Angst um ihr Leben hat die Klägerin nach ausdrücklichen Angaben hierbei jedoch nicht gehabt. Auch der in der Folgezeit wohl stattgefundene Selbstmordversuch der Patientin ist von ihr nicht persönlich erlebt worden, hiervon hat sie lediglich später erfahren. Dieses Ereignis ist, wie Prof. Dr. G zu Recht ausgeführt hat, nicht geeignet, als belastendes Ereignis im Sinne des so genannten A Kriteriums der F 43.1 der ICD 10 angesehen zu werden. Auch wenn ein derartiges Erlebnis nachhaltig beeindruckend sein mag, so ist es jedoch kein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß und es würde auch keineswegs bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen.

Der entgegenstehenden Einschätzung des Dr. B konnte nicht gefolgt werden. Dr. B kam zu einer anderen Bewertung des Ereignisses, weil nach seiner Auffassung die subjektive Wahrnehmung des Ereignisses einen wichtigen Stellenwert in der Bewertung eines Ereignisses als Trauma erhalten solle. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist in der ICD-10 dahin beschrieben, dass das belastende Ereignis primärer oder ausschlaggebender Kausalfaktor ist; weiter ist in der Einleitung zu den unter F 43.- beschriebenen verschiedenen Belastungsstörungen ausgeführt, dass sich die Störungen dieses Abschnittes nicht nur aufgrund der Symptomatologie und des Verlaufs, sondern auch durch die Angabe der ursächlichen Faktoren unterscheiden. Diese Unterscheidung würde aufgegeben, wenn man mit der Auffassung des Dr. B maßgebend auf die Symptome abstellte und für die ursächlichen Faktoren die subjektive Bewertung durch die Betroffenen ausreichen ließe. Einer derartigen Interpretation steht letztlich auch der Wortlaut der ICD-10 entgegen, denn hiernach sollen für die Annahme einer PTBS nur Ereignisse maßgebend sein, die "bei fast jedem" eine tiefe Verzweiflung hervorrufen, hierdurch wird ein Abstellen auf die subjektive Bewertung des einzelnen Betroffenen ausgeschlossen. Für eine Erweiterung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut besteht kein Anlass. Denn das Erfordernis, psychische Unfallfolgen immer nach international anerkannten Diagnosemanualen zu bewerten, dient dem erklärten Ziel, derartige Diskrepanzen in der gutachterlichen Bewertung auszuschließen und eine Gleichbehandlung der Versicherten herbeizuführen. Aus demselben Grund kam es entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht darauf an, ob in der wissenschaftlichen Literatur entgegenstehende Auffassungen vertreten werden. Denn das BSG hat gerade auch wegen "möglicher Schulenstreite" die anerkannten Diagnosesysteme für verbindlich erklärt (BSG, a. a. O.).

Die Auffassung der Klägerin, dass die Voraussetzungen der Definition des amerikanischen Diagnosemanuals DSM IV (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, erfüllt seien, kann nicht geteilt werden. Auch die hier enthaltenen diagnostischen Kriterien setzen für die posttraumatische Belastungsstörung ein Ereignis voraus, das den tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person beeinhaltete (zitiert nach Saß u. a., 2. Aufl. 1998, S. 491 zu Nr. 309.81) und damit ein Ereignis mit einem objektiv gegebenen erheblichen Schweregrad. Ein solches Ereignis hat am 17. April 2003 nicht stattgefunden. Ein Angriff durch eine einzelne, nicht bewaffnete Person, der mehrere andere präsente, ihrerseits körperlich nicht eingeschränkte und tatsächlich hilfsbereite Personen gegenüberstanden, und bei denen auch nicht etwa fraglich war, ob sie einander behilflich sein würden, wie dies bei einander unbekannten Menschen möglich wäre, ist regelmäßig nicht mit der Gefahr ernsthafter Verletzungen verbunden. Gegenüber Prof. Dr. G hatte die Klägerin dementsprechend auch ausdrücklich angegeben, Angst um ihr eigenes Leben nicht gehabt zu haben. Dem Gutachter Dr. T hatte die Klägerin nach dessen Ausführungen in dem Gutachten vom 17. Februar 2006 ferner berichtet, die Verletzungen zunächst nicht ernst genommen zu haben, was angesichts des Umstandes, dass tatsächlich die erlittenen Verletzungen auch nur sehr geringfügig waren, nachvollziehbar ist.

Auch die übrigen Einwände gegen das Gutachten des Prof. Dr. G überzeugten nicht. Da dieser bereits das erforderliche so genannte A Kriterium eines objektiv ganz erheblichen Ereignisses von katastrophenartigem Ausmaß zu Recht nicht bejaht hat, kam es auf den Umfang und das Ausmaß der geschilderten Symptome nicht an, so dass die diesbezüglichen Einwände des Dr. B fehlgehen. Ein Rückschluss aus den Symptomen auf das stattgefundene Ereignis ist, wie Prof. Dr. G zu Recht ausgeführt hat, nicht zulässig. Da eine posttraumatische Belastungsstörung, die allein zu immer noch andauernden Beschwerden führen könnte, damit nicht vorlag, kam es letztlich auch nicht darauf an, ob andere Ursachen als wesentliche Ursachen für die Beschwerden der Klägerin in Betracht kamen. Denn eine akute Belastungsreaktion, wie sie nach Prof. Dr. G bestanden hat, führt nur zu vorübergehenden Beeinträchtigungen, die nach Prof. Dr. G in längstens vier Wochen abklingen; sie kommt als Ursache der andauernden Beschwerden daher nicht in Betracht.

Da nach allem eine PTBS nicht feststellbar ist, konnte auch den entgegenstehenden Einschätzungen der Ärzte T, Dr. T und der Ärzte der S Kliniken GmbH, auf welche die Klägerin verweist, nicht gefolgt werden. Den diesbezüglichen ärztlichen Einschätzungen fehlt es im Übrigen an einer nachvollziehbaren und mit den genannten Vorgaben der Diagnosemanuale kompatiblen Begründung ihrer Einschätzungen; die Ärzte der Reha-Klinik sind zudem fehlerhafter Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin bei dem Angriff "erhebliche" Verletzungen erlitten habe, was aus den ausgeführten Gründen nicht der Fall war.

Abgesehen davon fehlt es für die Nachvollziehbarkeit der Feststellungen des Dr. B auch an einer Auseinandersetzung mit sonstigen in Betracht kommenden Ursachen für die bei der Klägerin gefundene Symptomatik. Derartige Feststellungen sind jedoch erforderlich, sofern die Wesentlichkeit der Verursachung durch ein Unfallereignis bejaht werden soll; nur aufgrund einer solchen abwägenden Betrachtung könnte letztlich entschieden werden, dass und weshalb das Unfallereignis die gefundene Störung wesentlich verursacht hat. Eine Auseinandersetzung mit etwaigen Persönlichkeitsstörungen der Klägerin erfolgte jedoch nicht, diesbezüglich teilte Dr. B mit, dass ihm eine Persönlichkeitsdiagnostik angesichts der vorhandenen Sprachschwierigkeiten, kultureller Besonderheiten, der retentiven Grundhaltung und der Neigung der Klägerin zur Idealisierung nicht möglich gewesen sei. Derartige Schwierigkeiten machen eine Prüfung der Frage, ob und weshalb ein ausgesprochen geringfügiges Unfallereignis überhaupt als wesentliche Ursache für die erhebliche Symptomatik in Betracht kommen soll, jedoch keineswegs entbehrlich. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin gegenüber Dr. K nicht unerhebliche familiäre Probleme mit ihrem Sohn und aufgrund der Arbeitslosigkeit ihres Mannes berichtet hatte, die in der Vergangenheit bereits zu einer psychotherapeutischen Betreuung geführt hatten. Dies alles hielt Dr. B ohne weitere Begründung nicht für relevant, was jedoch nicht hinnehmbar ist. Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 26. Januar 2009 ausführlich mit weiteren Widersprüchlichkeiten im Gutachten des Dr. B auseinandergesetzt. Diese Einwände teilt das Gericht und nimmt auf den Schriftsatz Bezug. So hat sich Dr. B mit widersprüchlichen Angaben der Klägerin nicht auseinandergesetzt, er hat auch die Frage nicht beantwortet, wie angesichts des Umstandes, dass ein Erstschaden längst nicht mehr vorgelegen hat, ein derart gravierender Folgeschaden entstehen soll.

Den Hilfsanträgen der Klägerin war nicht stattzugeben. Der Antrag auf Akteneinsicht in die beigezogene Rentenakte hätte während des fast vier Jahre dauernden Berufungsverfahrens und nicht erst am Tag der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen. Zunächst einmal war davon auszugehen, dass der Inhalt der Rentenakte den Bevollmächtigten der Klägerin bekannt war. Denn diese hatten bereits mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2005 die Beiziehung dieser Akten beantragt, weil sich in den Rentenakten qualifizierte ärztliche Aussagen zur PTBS befänden, ohne dass dies im Konjunktiv formuliert worden wäre. Jedenfalls sind die Bevollmächtigten der Klägerin mit gerichtlichem Schreiben vom 19. Mai 2006 über die Beiziehung der Rentenakten informiert worden, weiter wurde ihnen der Schriftsatz der Beklagten vom 23. Juni 2006 mit Ausführungen zu den beigezogenen Unterlagen der Rentenversicherung am 30. Juni 2006 zur Stellungnahme übersandt. Letztlich ist im Gutachten des Prof. Dr. G auf Seite 2 ausgeführt, dass die Akten der BfA, jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund, vorlagen. Damit bestand Kenntnis von der Beiziehung der Akten, eine Belehrung der anwaltlich vertretenen Klägerin über das Recht auf Akteneinsicht war nicht erforderlich. Den weiteren Anträgen auf Einholung einer Rückäußerung des Dr. B brauchte ebenfalls nicht stattgegeben zu werden, da es hierfür an einer Rechtsgrundlage fehlt, zumal der Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts hinreichend aufgeklärt ist.

Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG bestanden nicht.
Rechtskraft
Aus
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