L 2 U 601/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 3 U 61/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 601/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Tetraparalyse ist nicht Voraussetzung für die Bewertung einer Querschnittslähmung mit einer MdE von 100 v. H.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. Juli 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer (höheren) MdE von 100 v.H. unter Höherbewertung der bereits als Folgen seines Schulunfalls vom 23. März 2000 anerkannten Unfallfolgen.

Der 1982 geborene Kläger war seit 1. September 1999 Schüler der Gesamtschule L. Am 23. März 2000 rutschte er während des Sportunterrichts beim Turnen vom Reck ab, fiel auf Brust und Kopf und zog sich eine instabile Halswirbelkörperfraktur bei C5 mit Querschnittsymptomatik zu. Noch am Unfalltag erfolgte die operative Stabilisierung der Wirbelsäule mittels Beckenkamminterponat und Spondylodese von C4 auf C6 im Unfallkrankenhaus B. Postoperativ wurde der Kläger auf die interdisziplinäre Intensivstation zur Überwachung verlegt. Am 24. März 2000 erfolgte die Verlegung auf die periphere Station des Behandlungszentrums für Rückenmarkverletzte des Unfallkrankenhauses B, hier wurde er bis zum 22. Dezember 2000 stationär behandelt.

Ab 26. Februar 2001 befand sich der Kläger im Neurologischen Rehabilitationszentrum G in stationärer beziehungsweise ambulanter Behandlung.

Der Chefarzt des Behandlungszentrums für Rückenmarkverletzte des Unfallkrankenhauses B Dr. N hat in seinem ersten Rentengutachten vom 1. Februar 2001 unter anderem ausgeführt, der Kläger leide unter einer kompletten Tetraplegie sub C5, einer neurogenen Blasen- und Mastdarmlähmung mit erektiver Dysfunktion, einer extremen spinalen Spastik und der Ausbildung periartikulärer Ossifikationen im Bereich beider Hüften. Es ergebe sich eine MdE von 100 v.H ...

Der Facharzt für Urologie und leitende Oberarzt des Behandlungszentrums für Querschnittsgelähmte GDr. B hat in seinem neuro-urologischen Gutachten vom 27. März 2001 unter anderem ausgeführt, der Kläger leide unter einer spastischen Harnblasenlähmung mit autonomer Dysreflexie bei kompletter Querschnittslähmung sub C5, einem Zustand nach rezidivierenden Harnwegsinfekten, einer spastischen Mastdarmlähmung und einer Lähmung des Geschlechtstraktes. Die MdE auf urologischem Fachgebiet betrage 40 v.H ...

Nach Einholung einer fachärztlichen Stellungnahme ihres beratenden Arztes Prof. Dr. S vom 24. August 2001 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 4. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2002 eine Rente als vorläufige Entschädigung vom 20. September 2001 bis auf weiteres, erkannte hierbei als Folgen des Arbeitsunfalles eine Tetraplegie (komplette Lähmung aller vier Extremitäten) nach Berstungsbruch des fünften Halswirbelkörpers mit sensiblen und motorischen Restfunktionen im Bereich der oberen Extremitäten an und bewertete die MdE mit 90 v.H ...

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) sind der Chefarzt der neurochirurgischen Abteilung des Krankenhauses Neukölln Prof. Dr. Z zum Hauptsachverständigen und der Chefarzt der urologischen Abteilung Prof. Dr. F zum Zusatzsachverständigen bestellt worden. Im Gutachten vom 10. August 2006 hat Prof. Dr. Z unter Einbeziehung des urologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. F vom 14. November 2005 unter anderem ausgeführt, der Kläger leide unter einer traumatischen Schädigung des Rückenmarks im mittleren und unteren Halsbereich mit unvollständigen motorischen Ausfällen von der Ebene C5 bis C7, kompletter motorischer Lähmung unterhalb C7 sowie komplettem Verlust der Sensibilität für alle Qualitäten unterhalb C4, einer spinalen Spastik mit Muskeltonuserhöhung im Bereich der unteren Extremitäten, einer spastischen Harnblasenlähmung mit asensibler Harnblase, eingeschränkter Blasencompliance, einer Lähmung des Geschlechtstraktes mit erektiler Dysfunktion, einer Mastdarmlähmung, einer leichten Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule nach der zentralen Spondylodese C4 bis C6 und Verknöcherungen rund um beide Hüftgelenke mit deutlicher Einschränkung der Bewegung der Hüfte auf der rechten Seite. Er bewertete die unfallbedingte MdE mit 100 v.H ... Er beziehe sich insoweit auf die Erfahrungssätze für die gesetzliche Unfallversicherung, nach denen eine "vollständige Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigung mit vollständiger Lähmung des Stammes und der Beine, mindestens vom Segment D1 an abwärts mit Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion" mit einer MdE von 100 v.H. eingeschätzt werde. Man müsse sich fragen, wieso eine vollständige Lähmung ab Dermatom D1 abwärts in der gesetzlichen Unfallversicherung mit einer MdE von 100 v.H. eingeschätzt werde und wieso bei dem hier vorliegenden Fall mit einer vollständigen Lähmung unterhalb von C7 und partieller Lähmung zwischen C5 und C 7 ein niedrigerer Satz möglich sei. Der Kläger habe eine vollständige Lähmung unterhalb des Segmentes D1, nicht aufgrund der Verletzung des Brustmarkes, sondern aufgrund einer schweren Verletzung des Halsmarkes, auch wenn diese unvollständig sei. Jemand, der eine vollständige Lähmung mindestens von D1 abwärts habe, habe voll erhaltende Kraft der oberen Extremitäten inklusive der Finger. Wenn nach den Erfahrungssätzen in solchen Fällen eine MdE von 100 v.H. zugestanden werde, so sei es schwer nachzuvollziehen, warum der Kläger aufgrund gewichtiger Teillähmungen beider Arme, was die Unterarmmuskulatur und Handmuskulatur betreffe, nicht zu dieser Kategorie gehören solle.

Der ebenfalls als Sachverständiger bestellte Arzt für Allgemeinmedizin und Oberarzt des Querschnittsgelähmten-Zentrums des berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H Dr. H hat in seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 2. Juli 2007 unter anderem ausgeführt, auch er gehe von einer MdE von 100 v.H. aus. Der Kläger sei in das Verletzungsbild: vollständige Halsmarklähmung mit vollständiger Lähmung beider Beine und Arme mit Störung der Blasen- und Mastdarmfunktionen einzuordnen. Insoweit werde auf den auch in der Gerichtsakte befindlichen Auszug aus dem Lehrbuch "Neurologische Begutachtung" (Suchenwirth et all, 3. Auflage 2000) Bezug genommen. Die komplette Halsmarkschädigung mit Tetraparalyse und Blasen- und Mastdarmstörung werde dort mit einer MdE von 100 v.H. in der gesetzlichen Unfallversicherung bewertet.

Die Beklagte hat ein Gutachten des Dr. N vom 8. Oktober 2002 eingereicht, der die MdE ebenfalls mit 100 v.H. bewertet hat. Mit Bescheid vom 14. Februar 2003 hat sie eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 90 v.H. festgestellt sowie mit Bescheid vom 31. August 2007 dem Kläger auch für die Zeit vom 10. April 2001 bis zum 19. September 2001 Verletztenrente unter Anrechnung des bereits ausgezahlten Verletztengeldes gewährt.

Mit Urteil vom 4. Juli 2008 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 10. April 2001 eine Rente auf Dauer nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v.H. zu gewähren. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Z, Prof. Dr. F und Dr. H gestützt.

Gegen das ihr am 17. September 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Oktober 2008 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, sie sei weiterhin der Ansicht, dass für die Bewertung der bei dem Kläger vorliegenden Unfallfolgen eine MdE zwischen 80 und 100 v.H. gegeben und dass die von ihr angenommene MdE in Höhe von 90 v.H. zutreffend sei. Soweit das Sozialgericht die beim Kläger verbliebene Restfunktion der oberen Extremitäten als im Hinblick auf die Eröffnung von Berufsfeldern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für vernachlässigenswert halte, könne sie dem nicht folgen. Dies ergebe sich aktuell und bereits auch vorher schon daraus, dass der Kläger in der Lage sei, selbstständig ein Kraftfahrzeug zu führen, seit 01. September 2008 eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin aufgenommen habe und hierzu den Ausbildungserfordernissen gemäß mit dem PKW von N nach B pendle. Es sei zwischen kompletten und inkompletten Lähmungen zu unterscheiden. Sie verweise auf die einschlägige unfallrechtliche Literatur. Sie halte wegen der funktionell bedeutsamen Restarmfunktionen an der MdE von 90 v.H. fest.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Az. ) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat wegen der Folgen des Schulunfalls vom 23. März 2000 einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 v. H.; die von der Beklagten anerkannte MdE von 90 v. H. ist unzutreffend.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die sechsundzwanzigste Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.

Unstreitig hat der Kläger am 23. März 2000 einen Schulunfall erlitten, der gemäß §§ 8, 2 Abs. 1 Nr. 8 b) SGB VII versichert ist und den die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid anerkannt hat. Außerdem erkannte die Beklagte in diesem Bescheid als Unfallfolge eine Tetraplegie (komplette Lähmung aller vier Extremitäten) nach Berstungsbruch des fünften Halswirbelkörpers mit sensiblen und motorischen Restfunktionen im Bereich der oberen Extremitäten an und gewährte dem Kläger (mit Bescheiden vom 4. Februar 2003 und 31. August 2007) eine Verletztenrente ab 10. April 2001 auf Dauer.

Unzutreffend hat die Beklagte die MdE für die anerkannten Unfallfolgen mit 90 v. H. bewertet, wie bereits das Sozialgericht überzeugend dargelegt hat. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteil vom 29. November 1956, Az: 2 RU 121/56, BSGE 4, 147, 149; Urteil vom 27. Juni 2000, Az: B 2 U 14/99 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; Urteil vom 02. Mai 2001, Az: B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. BSG Urteil vom 02. Mai 2001 SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).

Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985, Az: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23; Urteil vom 26. November 1987, Az: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27; Urteil vom 30. Juni 1998, Az: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rn. 10.3). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, Az: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).

Die Erfahrungswerte bei Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule sind unter anderem niedergelegt bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kapitel 8.3.6.3, Seite 589/590). Danach werden

1.) eine vollständige Halsmarkschädigung mit vollständiger Lähmung beider Beine und Arme mit Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktionen sowie

2.) eine vollständige Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigung mit vollständigen Lähmungen des Stammes und der Beine, mindestens von Segment D1 an abwärts mit Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktionen jeweils mit einer MdE von 100 v.H.;

3.) eine unvollständige schwere Halsmarkschädigung mit gewichtigen Teillähmungen beider Arme und Beine mit Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion dagegen mit einer MdE von 80 bis 100 v.H. bewertet.

Suchenwirth/Kunze/Krasney (Neurologische Begutachtung, 3. Auflage 2000, Kapitel 8.4, Seite 311) unterteilen Querschnittslähmungen in:

1.) komplette Halsmarkschädigung mit Tetraparalyse und Blasen- und Mastdarmstörung MdE 100 v.H.

2.) komplette Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigung mit Paraparalyse und Blasen-Mastdarm-Störung MdE 80 bis 100 v.H.

3.) inkomplette Halsmarkschädigung mit gewichtiger Tetraparese und Blasen-Mastdarm-Störung MdE 80 bis 100 v.H.

Die unfallversicherungsrechtliche Literatur unterscheidet damit einerseits innerhalb der Halsmarkschädigungen (Segmente C0 bis C8) zwischen der kompletten/vollständigen und der inkompletten/unvollständigen Halsmarkschädigung und andererseits zwischen der Halsmarkschädigung und der vollständigen/kompletten Brustmark- (D1 bzw. TH1 bis D12 bzw. Th12), Lendenmark- oder Kaudaschädigung.

Die bei dem Kläger vorliegenden Unfallfolgen entsprechen keiner dieser Gruppen in vollem Umfang, das bei ihm vorliegende Schadensbild erfüllt vielmehr die Beschreibungen der ersten und dritten Gruppe und ist vergleichbar mit der zweiten Gruppe.

Bei dem Kläger liegen eine "vollständige/komplette Halsmarkschädigung" mit kompletter motorischer Lähmung unterhalb C7 sowie ein kompletter Verlust der Sensibilität für alle Qualitäten unterhalb C5 vor, wie sich auch dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Z ergibt. Diese Schädigung bedingt eine "vollständige Lähmung beider Beine mit Störung der Blasen- und Mastdarmfunktion", nicht jedoch eine vollständige Lähmung beider Arme, wie sie für eine Einordnung in die jeweils erste Gruppe der Rückenmarkverletzten gefordert wird. Die bei dem Kläger vorliegende Rückenmarkschädigung oberhalb von C7/C8, nämlich in den Ebenen C5 bis C7, stellt dagegen eine "unvollständige/inkomplette schwere Halsmarkschädigung mit gewichtigen Teillähmungen" dar, wie sie jeweils in der 3. Gruppe der Rückenmarkverletzten beschrieben wird. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Z, Prof. Dr. F, Dr. H und den von der Beklagten eingeholten Gutachten des Dr. N fest. Überzeugend hat der Sachverständige Dr. Hausgeführt, dass sich bei dem Kläger die letzten Aktivbeweglichkeitssegmente in C7 (Musculus trizeps brachii der Ellbogenstrecker) finden und dass keine Aktivbeweglichkeit der Langfinger vorliegt. Eine solche Läsion unterhalb C7 in C8 stellt ein komplettes Transversalsyndrom beziehungsweise ein zervikales Transversalsyndrom in diesem Segment dar. Die Begriffe komplettes Transversalsyndrom/zervikales Transversalsyndrom sind Synonyme zu dem Begriff einer vollständigen Halsmarkschädigung.

Eine Einordnung in die Gruppe einer "vollständigen oder kompletten Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigung" ist vorliegend nicht gerechtfertigt, da die Schädigung des Klägers höher als D1 (Brustmark), nämlich im Segment C7/C8 liegt. Das bei dem Kläger vorliegende Verletzungsbild ist jedoch schwerwiegender als die vollständige Brustmarkschädigung mit vollständiger Lähmung des Stammes und der Beine, denn dem Kläger fehlt die Aktivbeweglichkeit im Bereich der Finger, die bei einer vollständigen Brustmarkschädigung erhalten ist.

Bei einer Zusammenschau der bei dem Kläger vorliegenden Befunde ist zur Überzeugung des Senats eine MdE von 100 v.H. gerechtfertigt. Dabei kann offen bleiben, ob bereits die vollständige Halsmarkschädigung im Segment C7/C8 eine Rückenmarkschädigung im Sinne der 1. Gruppe der Rückenmarkgeschädigten darstellt. Hieran könnten erhebliche Zweifel bestehen, da diese Gruppe auch eine vollständige Lähmung der Arme voraussetzt, die bei dem Kläger, der zwar nicht die Langfinger, jedoch noch die Arme bewegen kann, nicht vorliegt. Für eine Feststellung einer MdE von 100 v.H. spricht jedoch, dass sowohl die unvollständige Halsmarkschädigung, als auch die vollständige schwere Brustmark- und Lendenmarkschädigung mit einer MdE von 80 bis 100 v.H. zu bewerten sind, wobei Schönberger/Mehrtens/Valentin die vollständige Brustmark- und Lendenmarkschädigung sogar mit einer MdE von 100 v.H. bewerten. Da die bei dem Kläger vorliegende Schädigung schwerwiegender ist als eine vollständige Schädigung des Brustmarks, wie sich aus dem Gutachten des Dr. H ergibt, ist die MdE im vorliegenden Fall mit 100 v.H. zu bewerten.

Nach alledem ist die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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