Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 175 AS 7726/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1268/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, der Beschluss des Sozialgerichts erweist sich als zutreffend.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweiligen Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Aus dem in § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Bezug genommenen § 920 der Zivilprozessordnung ergibt sich, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraussetzt, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile drohen (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr 28).
Maßgebend sind – auch im Beschwerdeverfahren – in der Regel die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Beschluss des erkennenden Senats v. 4. September 2009 – L 14 AS 1063/09 B ER; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 18. Oktober 2007 – L 28 B 1637/07 AS ER, zitiert nach juris; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Rdnrn. 165, 166 m. w. N. zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht - BVerfG-, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 ). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Abs. 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Nach diesen Maßstäben liegt ein Anordnungsgrund hier nicht vor. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009. Das ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz vom 16. Juli 2009. Dieser Zeitraum ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt vollständig verstrichen, er war es im Wesentlichen auch schon bei Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht am 16. März 2009, wobei das Sozialgericht mit Recht darauf hingewiesen hat, dass die Antragstellerin auch zu diesem Zeitpunkt schon genügend finanzielle Mittel zur Verfügung hatte, um ihren Lebensunterhalt sicherstellen zu können. Das ergibt sich aus den beigebrachten Kontoauszügen, die für den 9. März 2009 ein Guthaben von 915,16 Euro und für den 1. April 2009 ein Guthaben von 743,96 Euro ausweisen.
Besondere Gründe, welche noch in die Gegenwart hineinwirken und so die Annahme eines Anordnungsgrundes für vergangene Zeiträume rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 ausgebliebenen bzw. in der Form eines Zuschusses zu den Aufwendungen für Krankenversicherung gewährten Leistungen haben heute keine Nachwirkungen mehr, welche noch eine Eilbedürftigkeit begründen könnten. Die Durchsetzung von Beitrags- oder Regressforderungen ihrer Krankenkasse ist vor dem rechtkräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens über die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderungen angesichts des zwischen der Antragstellerin und ihrer Krankenkasse vor dem Sozialgericht Berlin zum Az.: geschlossenen Vergleich vom 20. Mai 2009 nicht zu besorgen. Die verbleibende Unsicherheit muss die Antragstellerin hinnehmen. Sie könnte auch durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht beseitigt werden, da eine endgültige Entscheidung nicht in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergehen kann.
Der laufende Lebensunterhalt der Antragstellerin in dem – bereits vergangenen - Zeitraum war durch den Existenzgründungszuschuss gesichert, der ab Januar 2009 fortlaufend gezahlt wurde und der ohnehin als Einkommen auf den nach dem SGB II zu berücksichtigenden Bedarf anrechenbar wäre (Bundessozialgericht, Urt. v. 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 16/06 R -). Auch insoweit drängt sich nicht auf, dass in dieser Zeit erhebliche Defizite eingetreten sein könnten, welche die Antragstellerin gegenwärtig noch belasten. Die Antragstellerin ist demnach darauf zu verweisen, dass sie ihre – für die Vergangenheit erhobenen Ansprüche - im Wege eines Hauptsacheverfahrens verfolgt, das sich gegen den Versagungsbescheid vom 16. Dezember 2008 bzw. den Bewilligungsbescheid vom 13. und 17. März 2009 richtet. Dass die Antragstellerin dazu Widerspruchs- und Klageverfahren einleiten muss, ist der vom Gesetzgeber regelmäßig vorgesehene Weg, der nicht als unzumutbarer Nachteil angesehen werden kann.
Der Ablauf einer Frist aus § 28 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch vermag eine Eilbedürftigkeit ebenfalls nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass das angegebene Datum des Fristablaufs am 30. September 2009 mittlerweile verstrichen ist, wäre die Antragstellerin nicht daran gehindert gewesen, vorsorglich bereits vor diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Wohngeld zu stellen.
Fehlt es demnach an einem Anordnungsgrund, kommt es auf die Frage, ob ein Anordnungsanspruch besteht, nicht an. Zwar stehen Anordnungsanspruch und –grund in einer Wechselwirkung zueinander, so dass an den Nachweis des Anordnungsgrundes geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn der Anordnungsanspruch zweifelsfrei gegeben ist und umgekehrt. Das bedeutet aber nicht, dass auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes vollständig verzichtet werden könnte.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, der Beschluss des Sozialgerichts erweist sich als zutreffend.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweiligen Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Aus dem in § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Bezug genommenen § 920 der Zivilprozessordnung ergibt sich, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraussetzt, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile drohen (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr 28).
Maßgebend sind – auch im Beschwerdeverfahren – in der Regel die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Beschluss des erkennenden Senats v. 4. September 2009 – L 14 AS 1063/09 B ER; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 18. Oktober 2007 – L 28 B 1637/07 AS ER, zitiert nach juris; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Rdnrn. 165, 166 m. w. N. zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht - BVerfG-, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 ). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Abs. 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Nach diesen Maßstäben liegt ein Anordnungsgrund hier nicht vor. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009. Das ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz vom 16. Juli 2009. Dieser Zeitraum ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt vollständig verstrichen, er war es im Wesentlichen auch schon bei Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht am 16. März 2009, wobei das Sozialgericht mit Recht darauf hingewiesen hat, dass die Antragstellerin auch zu diesem Zeitpunkt schon genügend finanzielle Mittel zur Verfügung hatte, um ihren Lebensunterhalt sicherstellen zu können. Das ergibt sich aus den beigebrachten Kontoauszügen, die für den 9. März 2009 ein Guthaben von 915,16 Euro und für den 1. April 2009 ein Guthaben von 743,96 Euro ausweisen.
Besondere Gründe, welche noch in die Gegenwart hineinwirken und so die Annahme eines Anordnungsgrundes für vergangene Zeiträume rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 ausgebliebenen bzw. in der Form eines Zuschusses zu den Aufwendungen für Krankenversicherung gewährten Leistungen haben heute keine Nachwirkungen mehr, welche noch eine Eilbedürftigkeit begründen könnten. Die Durchsetzung von Beitrags- oder Regressforderungen ihrer Krankenkasse ist vor dem rechtkräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens über die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderungen angesichts des zwischen der Antragstellerin und ihrer Krankenkasse vor dem Sozialgericht Berlin zum Az.: geschlossenen Vergleich vom 20. Mai 2009 nicht zu besorgen. Die verbleibende Unsicherheit muss die Antragstellerin hinnehmen. Sie könnte auch durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht beseitigt werden, da eine endgültige Entscheidung nicht in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergehen kann.
Der laufende Lebensunterhalt der Antragstellerin in dem – bereits vergangenen - Zeitraum war durch den Existenzgründungszuschuss gesichert, der ab Januar 2009 fortlaufend gezahlt wurde und der ohnehin als Einkommen auf den nach dem SGB II zu berücksichtigenden Bedarf anrechenbar wäre (Bundessozialgericht, Urt. v. 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 16/06 R -). Auch insoweit drängt sich nicht auf, dass in dieser Zeit erhebliche Defizite eingetreten sein könnten, welche die Antragstellerin gegenwärtig noch belasten. Die Antragstellerin ist demnach darauf zu verweisen, dass sie ihre – für die Vergangenheit erhobenen Ansprüche - im Wege eines Hauptsacheverfahrens verfolgt, das sich gegen den Versagungsbescheid vom 16. Dezember 2008 bzw. den Bewilligungsbescheid vom 13. und 17. März 2009 richtet. Dass die Antragstellerin dazu Widerspruchs- und Klageverfahren einleiten muss, ist der vom Gesetzgeber regelmäßig vorgesehene Weg, der nicht als unzumutbarer Nachteil angesehen werden kann.
Der Ablauf einer Frist aus § 28 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch vermag eine Eilbedürftigkeit ebenfalls nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass das angegebene Datum des Fristablaufs am 30. September 2009 mittlerweile verstrichen ist, wäre die Antragstellerin nicht daran gehindert gewesen, vorsorglich bereits vor diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Wohngeld zu stellen.
Fehlt es demnach an einem Anordnungsgrund, kommt es auf die Frage, ob ein Anordnungsanspruch besteht, nicht an. Zwar stehen Anordnungsanspruch und –grund in einer Wechselwirkung zueinander, so dass an den Nachweis des Anordnungsgrundes geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn der Anordnungsanspruch zweifelsfrei gegeben ist und umgekehrt. Das bedeutet aber nicht, dass auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes vollständig verzichtet werden könnte.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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