L 2 U 342/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 U 110/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 342/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 21. August 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer höheren Verletztenrente unter Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Höherbewertung der bereits als Folgen eines Unfalls März 1946 anerkannten Unfallfolgen.

Der 1932 geborene Kläger arbeitete zum Zeitpunkt des Unfalls im März 1946 bei einem Kommando der Roten Armee, als er durch eine Luke im Heuboden stürzte, auf dem Zementboden aufschlug und sich das rechte Bein verletzte.

Nachdem die Beklagte die Anerkennung von rentenberechtigenden Arbeitsunfallfolgen zunächst abgelehnt hatte, schlossen die Beteiligten im dagegen angestrengten Verfahren L 1 U 9/94 am 13. März 1998 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger mit Beginn vom 1. Januar 1992 wegen eines Arbeitsunfalls vom März 1946 Unfallrente beziehungsweise Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v.H. zu gewähren und dabei als Unfallfolge "eine Einsteifung des rechten Hüftgelenks in Funktionsstellung mit Beinverkürzung bei seit 1954 ruhender Osteomyelitis" zu Grunde legen.

Am 4. März 2003 beantragte der Kläger die Überprüfung dieser Entscheidung und führte unter anderem aus, sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten drei Jahren zunehmend verschlechtert.

Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. Sp am 17. Juni 2003 ein chirurgisch/unfallchirurgisches Gutachten und führte in diesem unter anderem aus, bei dem Kläger liege seit vielen Jahren eine vollständige Versteifung des rechten Hüftgelenkes mit konsekutiver Verkürzung des rechten Beines um circa 2 cm infolge einer tuberkulösen Entzündung des rechten Hüftgelenkes vor. Die Entzündung ruhe seit vielen Jahrzehnten und sei seit 1954 nicht mehr aufgetreten. Die Versteifung des Hüftgelenkes mit konsekutiver Verkürzung des rechten Beines und die ruhende Entzündung des rechten Hüftgelenkes seien als Folge eines Unfalls aus dem Jahre 1946 durch einen gerichtlichen Vergleich anerkannt und mit einer MdE von 40 v.H. bewertet worden. Anlässlich seiner gutachtlichen Untersuchung des Klägers im Mai 2003 hätten sich an Gesundheitsstörungen, die ursächlich auf das als Arbeitsunfallfolge anerkannte Hüftleiden rechts zurückzuführen seien: die vollständige Versteifung des rechten Hüftgelenkes in funktionsgünstiger Stellung, die Verkürzung des rechten Beines um circa 2 cm, die vollständige Versteifung der rechten Kreuzbein-Darmbeinfuge, der vorauseilende Verschleiß des rechten Kniegelenks mit endgradiger Bewegungseinschränkung und die leichte Minderung der Muskulatur des rechten Beines

gefunden. Die nachfolgend genannten Gesundheitsstörungen am Haltungs- und Bewegungsapparat könnten nicht als unmittelbare oder mittelbare Folge der als Unfallfolge anerkannten Hüftgelenksversteifung rechts wahrscheinlich gemacht werden:

das weit fortgeschrittene Verschleißleiden der gesamten Wirbelsäule (Hals- und Rumpfwirbelsäule) mit ausgedehnten Bandscheibenerkrankungen der gesamten Lendenwirbelsäule, der Verengung des Wirbelkanals und des Verschleißes der Wirbelgelenke, das heiße aller funktionellen Strukturen der Wirbelsäule.

Die Fehlstatik der Wirbelsäule betreffe nicht nur die unteren Abschnitte, was als kompensatorische Folge der Beckenschiefstellung erklärbar wäre, sondern setze sich bis in die obere Brustwirbelsäule fort. Darüber hinaus bestehe eine deutliche Rotationskomponente, welche als Folge der leichten Beckenschiefstellung nicht infrage komme, sondern eindeutiger Beleg für die anlagebedingten Veränderungen der Rumpfwirbelsäule sei. Die darüber hinaus bestehenden osteochondrotischen Veränderungen der Halswirbelsäule (Verschleiß der Bandscheibenräume) seien darüberhinaus eindeutiges Indiz für die überragende Bedeutung der Schadensanlage für die Wirbelsäulenveränderungen. Auch die wiederholt bildtechnisch nachgewiesenen Veränderungen des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose) seien als reaktive Veränderungen auf die Hüftgelenksversteifung nicht erklärbar.

Hinsichtlich des Befundes an der rechten Hüfte hätten sich damit keine Veränderungen ergeben. Bereits zum Zeitpunkt des abgeschlossenen Vergleiches sei das rechte Hüftgelenk seit vielen Jahren vollständig versteift gewesen, ebenso die rechte Kreuzbein-Darmbeinfuge. Zugenommen habe der Verschleiß im rechten Kniegelenk mit nunmehr leichten Bewegungseinschränkungen, welcher in den genannten Vorgutachten noch nicht nachweisbar gewesen sei. Der Verschleiß des rechten Kniegelenkes sei vor allem bei Fehlen entsprechender Verschleißerscheinungen am gegenseitigen linken Kniegelenk als mittelbare Folge der gleichseitigen Versteifung des rechten Hüftgelenkes zu bewerten. Die Zunahme des rechtsseitigen Kniegelenkverschleißes führe zu keiner wesentlichen Änderung der MdE. In funktioneller Hinsicht komme es zu keiner zusätzlichen Minderung des rechten Beines.

Mit Bescheid vom 24. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2003 lehnte die Beklagte die Erhöhung der bereits gewährten Rente ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, es sei keine wesentliche Änderung in dem Unfallfolgezustand festzustellen. Der Bescheid beruhe auf dem ausführlichen und sorgfältig erstellten Gutachten des Dr. Sp. Hierin sei festgestellt, dass in den durch Vergleich anerkannten Unfallfolgen keine wesentliche Verschlimmerung eingetreten sei. Eine Rentenerhöhung komme aus diesem Grund nicht in Betracht.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Neuruppin zunächst Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt.

Der als Sachverständiger bestellte Facharzt für Orthopädie und Traumatologie Dr. M hat in seinem Gutachten vom 14. Januar 2005 im Wesentlichen die Einschätzung des Dr. Sp bestätigt. Auch er ist davon ausgegangen, dass zusätzlich zu der bereits anerkannten Arbeitsunfallfolge auch eine Versteifung der rechten Kreuzbein-Darmbeinfuge sowie eine Sekundärgonarthrose des rechten Kniegelenkes als Unfallfolgen anzuerkennen, dass die Unfallfolgen jedoch weiterhin mit einer MdE von 40 v.H. zutreffend bewertet seien. Die Wirbelsäulenveränderungen des Klägers hat er ebenfalls als nicht unfallbedingt bewertet. Auch in einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Juni 2006 ist er bei dieser Einschätzung verblieben.

Der Kläger hat daraufhin ärztliche Atteste des Facharztes für Chirurgie und Orthopädie Dr. G vom 2. Mai 2005 und 15. November 2005 übersandt, in denen dieser ausführt, die anerkannte Versteifung des rechten Hüftgelenkes in relativer Funktionsstellung mit Beinverkürzung und Beckenasymmetrie sei mit einer MdE um 40 v.H., die komplette Verlötung der rechten Kreuzdarmbeinfuge mit daraus resultierenden erheblichen muskulären Dysbalancen und schwankendem Gangbild mit einer MdE um 30 v.H. und die Sekundärgonarthrose des rechten Kniegelenkes mit einer MdE um 20 bis 30 v.H. zu bewerten. Als zusätzliche Unfallfolgen solle die Wirbelsäulenschädigung anerkannt und mit einer MdE von 20 bis 30 v.H. bewertet werden. Es sollten gegebenenfalls auch psychische Schäden anerkannt und bewertet werden. Insoweit rege er die Einholung eines Fachgutachtens der Neurologie/Psychiatrie an.

Des Weiteren hat der Kläger einen Entlassungsbericht über eine stationäre Behandlung in den H-Kliniken, S, vom 28. März 2006 bis 25. April 2006 übersandt.

Mit Urteil vom 21. August 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich hierbei im Wesentlichen auf die Gutachten des Dr. Sp und des Sachverständigen Dr. M gestützt. Die Atteste des Dr. G hielt es für wenig überzeugend.

Gegen das ihm am 1. Dezember 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Dezember 2006 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 21. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2003 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 40 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils und der von ihr übersandten Stellungnahmen des Arztes für Orthopädie B vom 5. September 2008 und vom 04. November 2009. Dieser habe unter anderem ausgeführt, es sei bereits zweifelhaft, dass eine Versteifung des Hüftgelenks in ungünstiger Stellung erfolgt sei. Selbst wenn man dies unterstelle, sei eine solche Einsteifung mit einer MdE von 40 bis 50 v.H. zu bemessen. Vorliegend sei dann eine MdE von 40 v.H. zutreffend. Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den im Verlauf diagnostizierten Schäden an der Brust- und insbesondere Lendenwirbelsäule ergebe sich keinerlei Begründungsansatz. Die MdE von 40 v.H. wie bereits anerkannt und der Rentengewährung zugrundegelegt, sei weiterhin zutreffend.

Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständiger bestellte Professor Dr. Sch hat in seinem Gutachten vom 13. April 2008 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. April 2009 unter anderem ausgeführt, bei dem Kläger liege eine Versteifung des Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung vor, die eine MdE in Höhe von 50 v.H. bedinge. Die weiterhin vorliegenden Verschleißerscheinungen am rechten Kniegelenk sowie die Einsteifung der Kreuzdarmbeinfuge würden keine eigenständige MdE bedingen. Des Weiteren bestehe bei dem Kläger ein Wirbelsäulenschaden mit mittleren bis schweren funktionellen Ausfällen in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Die Brust- und Lendenwirbelsäule des Klägers sei in ihrer Bewegungsfunktion weitgehend aufgehoben. Dies bedinge eine MdE von 30 v.H. Auch der Wirbelsäulenschaden stelle eine (mittelbare) Unfallfolge dar. Die Gesamt-MdE bewerte er mit 70 v.H.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Az. ) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Er hat - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - keinen Anspruch auf Erhöhung der der Gewährung seiner Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls von März 1946 zugrunde gelegten MdE, denn diese ist zur Überzeugung des Senats mit 40 v.H. zutreffend bewertet worden.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Versicherungsfall vor dem 01. Januar1997 und damit vor Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs eingetreten und über Leistungen vor dem 01.01.1997 zu entscheiden ist (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. Juni 2009, L 18 U 73/06, und Landessozialgericht BadenWürttemberg, Urteil vom 29. Juni 2006, L 10 U 3308/03, zitiert nach juris).

Das Klagebegehren stützt sich auf § 581 Abs. 1 RVO. Für die Rentenhöhe ist maßgeblich, in welchem Ausmaß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Unfallfolgen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens eingeschränkt wird. Etwas anderes würde sich im übrigen auch bei Zugrundelegung der Vorschriften des SGB VII nicht ergeben, da im Hinblick auf die Anerkennung von Unfallfolgen und die Bewertung der MdE keine Rechtsänderungen zwischen der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden RVO und dem ab 01. Januar 1997 geltenden Recht des SGB VII festzustellen (vgl. § 548 RVO und § 8 SGB VII einerseits § 580 RVO und § 56 SGB VII andererseits) sind.

Unstreitig hat der Kläger im März 1946 einen Arbeitsunfall erlitten, den die Beklagte im Vergleich vom 13. März 1998 auch anerkannt hat. Außerdem erkannte die Beklagte als Arbeitsunfallfolge eine Einsteifung des rechten Hüftgelenks in Funktionsstellung mit Beinverkürzung bei seit 1954 ruhender Osteomyelitis" an. Darüber hinaus liegen zur Überzeugung des Senates bei dem Kläger eine Versteifung der Kreuzbein-Darmbeinfuge rechts und eine Sekundärarthrose des rechten Kniegelenkes vor, wie sich aus den Gutachten des Dr. Sp sowie der Sachverständigen Dr. M und Prof. Dr. Sch ergibt; auch die von der Beklagten eingereichten ärztlichen Stellungnahmen des Gutachters B gehen von dem Vorliegen dieser Erkrankung aus.

Darüber hinaus liegen keine weiteren Arbeitsunfallfolgen vor.

Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist erforderlich, dass sowohl zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis als auch zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Arbeitsunfall und die Gesundheitsschädigung im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung für die Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltendenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG Urteil vom 02. Mai 2001, Az. B 2 U 16/00 RSozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m.w.N.). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass die richterliche Überzeugung hierauf gestützt werden kann (BSG, Urteil vom 06. April 1989, Az. 2 RU 69/87, zitiert nach iuris; Urteil vom 02. Februar 1978, Az. 8 RU 66/77, BSGE 45, 285, 286).

Der Senat ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach Auswertung und Würdigung der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erstatteten Gutachten, insbesondere des im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. M vom 14. Januar 2005 zu der Überzeugung gelangt, dass sich die bei dem Kläger vorliegenden Wirbelsäulenschäden nicht mit der im Unfallrecht geltenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückführen lassen. Bei den Schädigungen der Lendenwirbelsäule handelt es sich um einen dynamischen, das heißt fortschreitenden Prozess, dies gilt insbesondere für die Einengung des Spinalkanals. Die Fehlstatik der Wirbelsäule betrifft nicht nur die unteren Abschnitte, was als kompensatorische Folge der Beckenschiefstellung erklärt werden könnte, sondern setzt sich bis in die obere Brustwirbelsäule fort. Darüber hinaus besteht eine deutliche Rotationskomponente, welche nicht als Folge der leichten Beckenschiefstellung erklärt werden kann, sondern eindeutiger Beleg für die anlagebedingten Veränderungen der Rumpfwirbelsäule ist. Des weiteren bestehen osteochondrotische Veränderungen der Halswirbelsäule (Verschleiß der Bandscheibenräumen), die eindeutiges Indiz für die überragende Bedeutung der Schadensanlage für die Wirbelsäulenveränderungen sind. Auch die wiederholt bildtechnisch nachgewiesenen Veränderungen des Wirbelkanals sind als reaktive Veränderungen auf die Hüftgelenksversteifung nicht zu erklären. Der Senat folgt insoweit dem überzeugenden Gutachten des Dr. Sp, den die Beklagte im Vorverfahren mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt hat. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die nachvollziehbaren Ausführungen des im erstinstanzlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen Dr. M, der ebenfalls ausgeführt hat, dass das fortgeschrittene Verschleißleiden der Wirbelsäule keine Unfallfolge darstellt.

Dem gemäß § 109 SGG erstellten Gutachten des Prof. Dr. Sch, der auch das Wirbelsäulenleiden als Unfallfolge anführt, kann der Senat dagegen nicht folgen. Auch Prof. Dr. Sch hat darauf hingewiesen, dass normalerweise bei einer nicht ausreichend ausgeglichenen Beinverkürzung rechts sich ein Beckentiefstand rechts ergeben würde mit einer konsekutiven rechtskonvexen Seitverbiegung. Weiter führt er aus, dass vorliegend jedoch durch die Adduktion- und Beugefehlstellung sich genau der umgekehrte Effekt ergeben würde, so dass hieraus die linkskonvexe Seitverbiegung resultiere, und dass die Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule im Wesentlichen sich dort abspielen würden, wo die Seitverbiegung bestehe und hält dies für auffällig. Im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule seien die Verschleißerscheinungen deutlich geringer, so dass er es für gerechtfertigt erachtet, auch die Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule einschließlich der sekundär eingetretenen Verschleißprozesse als mittelbare Folge des Ereignisses anzusehen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Zutreffend hat die Beklagte insoweit unter Berufung auf die übersandten beratenden Stellungnahmen des Arztes für Orthopädie B vom 5. November 2008 und vom 4. November 2009 ausgeführt, dass röntgenologisch zur Darstellung eine links-konvexe Dreh-Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule, das heißt eine statische Abweichung mit nach links-konvex gekrümmtem Lendenwirbelsäulenverlauf, begleitet von einer Rotationskomponente der in die Fehlstatik einbezogenen Lendenwirbel gelangt. Es handelt sich dabei typischerweise um den Ausdruck einer strukturellen Dreh-Seitverbiegung, das heißt um den Ausdruck einer anlagebedingten Fehlstatik. Dafür spricht insbesondere die kompensatorische nach rechtsgerichtete Krümmung der mittleren und unteren Brustwirbelsäule sowie die wiederum linksgerichtete Krümmung des oberen Brustwirbelsäulendrittels. Derartige S-förmig verlaufende Abweichungen von der physiologischen Wirbelsäulenfehlstatik sind regelmäßig Befunde krankhafter Natur aus innerer Ursache. Von strukturellen Rotationsskoliosen, wie vorstehend beschrieben und beim Kläger vorliegend, abzugrenzen, sind Seitverbiegungen der Lendenwirbelsäule, die kompensatorisch, zum Beispiel zum Ausgleich einer Beinlängendifferenz eintreten. Kommt es infolge eines Beinlängenunterschieds zu einem Schiefstand des Beckens, resultiert, um eine Aufrechterhaltung des Rumpfes zu gewährleisten, kompensatorisch eine Seitkrümmung im Verlauf der Wirbelsäule, dies bei einer Beinlängendifferenz typischerweise lokalisiert im Bereich der Lendenwirbelsäule und dort bevorzugt im unteren Lendenwirbelsäulenabschnitt. Zwar liegt im Falle des Klägers eine Beinlängendifferenz vor. Wiederkehrend beschrieben ist eine Verkürzung des rechten Beines um 2 cm als typische Folge der Einsteifung der rechten Hüfte in leichter Beugung. Dies führt in der Belastungsphase typischerweise zu einem Schiefstand des Beckens nach rechts. Eine kompensatorische diese Beckenschiefstellung ausgleichende Seitkrümmung der Lendenwirbelsäule muss dann typischerweise nach rechts konvex-bogig sein. Im Falle des Klägers besteht eine ausgeprägte, nach links konvex-bogig gerichtete Dreh-Seitverbindung des Lendenwirbelsäulenabschnitts, kompensatorisch dazu eine rechts-konvexe Krümmung der mittleren und unteren Brustwirbelsäule. Die nach links konvexe Krümmung der unteren Lendenwirbelsäule kann nicht als kompensatorische Seitverbiegung zur rechtsseitigen Beinverkürzung erklärt werden. Für die von vorstehenden Ausführungen abweichende Auffassung, demnach die Fehlstatik Folge der Hüfteinsteifung, also Unfallfolge sein soll, hat auch der Sachverständige Prof. Dr. Sch in seinem Gutachten eine plausible Erklärung nicht liefern können. Im Grundsatz bestätigen seine Ausführungen, dass bei nicht ausreichend ausgeglichener Beinverkürzung rechts bei Beckentiefstand nach rechts konsekutiv eine nach rechtskonvexe Seitausbiegung der Lendenwirbelsäule zu erwarten wäre. Daran ändert auch die im Gutachten beschriebene Beuge- beziehungsweise Anspreizstellung im Grundsatz nichts, denn Folge der Einsteifung der Hüfte in Beugung ist die (funktionelle) Verkürzung des rechten Beins, die in ihrem Ausprägungsgrad durch die Anspreizstellung nahe liegend zumindest teilweise kompensiert wird, ohne dass ein vollständiger Ausgleich der Beinverkürzung erreicht würde. Im Ergebnis bleibt es also auch in Anbetracht der beschriebenen Beuge-Adduktionsstellung bei einer Verkürzung des rechten Beines mit der Folge eines Tiefstandes des Beckens nach rechts dabei, dass kompensatorisch zwingend eine nach rechtsgerichtete Seitkrümmung der Lendenwirbelsäule vorliegen muss. Da bei dem Kläger eine ausgeprägte nach linkskonvexe Seitbiegung der Lendenwirbelsäule vorliegt, die insbesondere auch von einer Rotationskomponente begleitet ist, lässt sich dieser Befund nicht als Kompensationsmechanismus einer rechtsseitigen Beinverkürzung erklären. Dem steht nicht nur entgegen, dass die Konvexität zur falschen Seite, nämlich nach links gerichtet ist. Dem steht insbesondere auch entgegen, dass die linkskonvexe Krümmung mit einer Rotationskomponente einhergeht, was für eine bloße Ausgleichsskoliose grundsätzlich untypisch ist. Die Rotationskomponente unterstreicht vielmehr die rein anlagebedingte Genese der Fehlstatik. Dass die Lendenwirbelsäule insbesondere im konvexen Krümmungsscheitel, das heißt auf Höhe der Segmente L2 bis L4, aufgrund der dort höchsten mechanischen Belastung im Rahmen der Fehlstatik die am weitesten fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen aufweist, erstaunt in keiner Weise, wovon jedoch Prof. Dr. Sch ausgegangen ist. Der Befund ist vielmehr typische Folge einer langjährigen Fehlbelastung auf dem Boden der Rotationsskoliose. Da die nach rechts gerichtete Krümmung im Verlauf der mittleren und unteren Brustwirbelsäule sowie die linksgerichtete Krümmung im kopfwärtigen Brustwirbelsäulendrittel insgesamt weniger deutlich ausgeprägt sind als die Linkskonvexität im Bereich der Lendenwirbelsäule, ist es auch grundsätzlich plausibel, dass die Verschleißumformung im Brustwirbelsäulenabschnitt weniger deutlich ausgeprägt sind als im Lendenwirbelsäulenabschnitt. Dem schließt sich der Senat an; nach alledem ist der Beklagten darin zu folgen, dass die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers keine Unfallfolge sind.

Zutreffend hat die Beklagte die MdE für die anerkannten Arbeitsunfallfolge – selbst unter Berücksichtigung der bisher nicht anerkannten weiteren Unfallfolgen der Kreuzbein-Darmbeinfuge und der Sekundärarthrose des rechten Kniegelenkes – mit 40 v. H. bewertet, wie bereits das Sozialgericht überzeugend dargelegt hat. Eine Höherbewertung könnte angesichts des geschlossenen Vergleichs ohnehin nur aufgrund von Gesundheitsschäden erfolgen, die zweifelsfrei bei Vergleichsabschluss noch nicht vorlagen (siehe zu dieser Problematik auch die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 02. November 2006, Az. L 1 AL 24/06, Landessozialgericht Hamburg vom 01. Februar 2007, Az. L 6 R 93/06 und des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 01. September 1999, Az. L 8 U 23/99, alle zitiert nach Juris). Aber selbst, wenn der Senat davon ausginge, dass trotz des Vergleichs eine vollständige Überprüfung der dem Vergleich zugrunde liegenden MdE-Bewertungen möglich sei, ergäbe sich, dass die Bewertung der bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsschäden mit einer MdE von 40 v. H. nicht zu beanstanden ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteil vom 29. November 1956, Az: 2 RU 121/56, BSGE 4, 147, 149; Urteil vom 27. Juni 2000, Az: B 2 U 14/99 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; Urteil vom 02. Mai 2001, Az: B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. BSG Urteil vom 02. Mai 2001 SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).

Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985, Az: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23; Urteil vom 26. November 1987, Az: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27; Urteil vom 30. Juni 1998, Az: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rn. 10.3). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, Az: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).

Die Erfahrungswerte bei Funktionseinschränkungen der Hüfte sind wiedergegeben in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, (7. Auflage, Berlin 2003, Kapitel 8.8.3.3, S. 656). Danach beträgt die MdE bei Versteifung eines Hüftgelenkes in Funktionsstellung 30 v.H. und bei Versteifung eines Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung 40 v.H ... Selbst wenn man wie der Sachverständige Prof. Dr. Scholz annehmen würde, dass bei einer Versteifung eines Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung eine MdE zwischen 40 und 50 v. H. anzunehmen sei, hat die Beklagte insoweit zutreffend vorgetragen, dass bei dem Kläger maximal eine Versteifung eines Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung im unteren Bereich anzunehmen ist, was wiederum die bereits berücksichtigte MdE in Höhe von 40 v.H. bedingen würde. Dem schließt sich der Senat an.

Die weiteren bei dem Kläger vorliegenden Unfallfolgen der Kreuzbein-Darmbeinfuge und des rechten Kniegelenkes bedingen keine eigene MdE, wie übereinstimmend sämtliche Sachverständigen ausgeführt haben.

Eine MdE von mehr als 40 v.H. ergibt sich nach alledem nicht; die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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