L 16 R 1723/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 R 455/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1723/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 4. Oktober 1971 bis 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.

Der 1947 geborene Kläger erwarb in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach einem Studium an der Technischen Hochschule "O G" M die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde vom 11. August 1971). Er war anschließend ab 4. Oktober 1971 als Objektingenieur bei dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Waschmittelwerk Genthin (4. Oktober 1971 bis 30. August 1976) und bei der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Plaste- und Elasteverarbeitung Berlin (31. August 1976 bis 14. August 1978) beschäftigt. Ab 15. August 1978 war der Kläger als Ingenieur bei dem VEB Rationalisierung und Projektierung Berlin (im Folgenden VEB Rapro) beschäftigt, und zwar wie folgt: bis 31. August 1983 als wissenschaftlicher Mitarbeiter, vom 1. August 1983 bis 31. Januar 1985 als Leiter des Büros Grundsatz- und Prozessgestaltung und vom 1. Februar 1985 bis über den 30. Juni 1990 hinaus als Mitarbeiter Realisierungsvorbereitung (Änderungsvertrag vom 29. Januar 1985). Mit Wirkung vom 1. Januar 1988 war der Kläger der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten (Beitragszahlung bis monatlich 1.200,- Mark der DDR). Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.

Mit Bescheid vom 5. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab mit der Begründung, dass der Kläger am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne der einschlägigen Versorgungsordnung und auch nicht in einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt habe. Das AAÜG sei daher auf den Kläger nicht anwendbar. Mit der Klage hat der Kläger beantragt, die Anwendbarkeit des AAÜG festzustellen sowie die Beklagte zu verpflichten, die "geltend gemachten Beschäftigungszeiten" als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen. Er hat die Gemeinsame Verfügung Nr. 5/73 des Ministeriums für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau über die Bildung des VEB Rationalisierung Berlin vom 21. Dezember 1973 sowie das Statut des VEB Rapro vom 22. April 1983 vorgelegt; hierauf wird Bezug genommen. Nach Beiziehung der in dem Parallelverfahren S 7 RA 7335/02 - L 12 RA 24/03 (SG Berlin/LSG Berlin) zu den Akten genommenen Unterlagen zum VEB Rapro (u. a. Auszüge aus der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR - Ausgabe 1985 -; Rahmenrichtlinie des Ministeriums für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau vom 24. November 1980 für die Erprobung von Vorschlägen zur besseren Leistungsbewertung und ökonomischen Stimulierung im VEB Rapro, Werbeprospekt des VEB Rapro und Geschäftsbericht des VEB Rapro für das Planjahr 1989 vom 27. Februar 1990) hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI nebst den insoweit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelten für die Zeit vom 4. Oktober 1971 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG sei auf den Kläger nach § 1 Abs. 1 AAÜG nicht anwendbar. Die betrieblichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVTI seien am Stichtag, dem 30. Juni 1990, nicht erfüllt. Bei dem VEB Rapro habe es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gehandelt. Er sei auch kein gleichgestellter Betrieb nach Maßgabe der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die AVTI vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S. 487) gewesen. Nicht die industrielle Produktion habe dem VEB Rapro das Gepräge gegeben, sondern die Erbringung von Dienstleistungen. Der VEB Rapro sei schwerpunktmäßig als Generalunternehmer für Planung, Projektierung und Realisierung von Industrieanlagen tätig gewesen. Dies folge aus den vorliegenden Betriebsunterlagen, wie etwa dem Geschäftsbericht für das Jahr 1989 und der Zusammenstellung zur Warenproduktion. In dem vom Kläger als Einheit dargestellten Prozess der Errichtung von gesamten Industrieanlagen seien nur insoweit unmittelbar Sachgüter produziert worden, als die Anlagen durch den Bau von Gebäuden und die Ausstattung mit Maschinen und sonstigen Gegenständen realisiert worden seien. Da das Versorgungsrecht der DDR aber gerade an die Herstellung von Sachgütern anknüpfe, sei dieser Vorgang von dem Entwurf, der Abnahme und der Übergabe von Industrieanlagen zu unterscheiden. Auf einen möglicherweise weiteren Produktionsbegriff der Sozialistischen Wirtschaftslehre in der DDR komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe die notwendigen Einzelkomponenten der Industrieanlagen (Maschinen, Werkzeuge, sonstige Einrichtungsgegenstände und Gebäude) nicht selbst hergestellt oder zusammengesetzt, sondern auf andere Betriebe als Zulieferer zurückgegriffen und neben der Leitung lediglich Anpassungsarbeiten selbst vorgenommen. Schwerpunkt der betrieblichen Aufgaben sei daher nicht die eigentliche Produktion gewesen, sondern deren Planung, intellektuelle Anleitung und Koordinierung, die als Dienstleistung anzusehen sei (Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Februar 2006 - L 12 RA 24/03 -; BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 3/06 R – juris).

Mit der Berufung verfolgt der Kläger (nur) noch sein Begehren auf Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI vom 4. Oktober 1971 bis 30. Juni 1990 weiter. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten habe es sich bei seinem Beschäftigungsbetrieb am Stichtag um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie bzw. des Bauwesens gehandelt. Zugrunde zu legen sei insoweit das Sprachverständnis der DDR am 30. Juni 1990 und mithin der im Gegensatz zur einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) weitere Produktionsbegriff der Sozialistischen Wirtschaftslehre. Das SG sei dem insoweit gestellten Beweisantrag zur Klarstellung dieses Sprachverständnisses zu Unrecht nicht gefolgt, obgleich dieses Sprachverständnis der Versorgungsordnung nach der Rechtsprechung des BSG selbst als bloße Tatsache zu verstehendes "ausländisches Recht" anzusehen sei (Verweis auf BSG, Urteile vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 25/07 R -, - B 4 RS 28/07 R -). Das BSG habe auch den Bau kompletter Produktionsanlagen, der durch die Bau- und Montagekombinate durchgeführt worden sei, zum Bereich der Produktionsbetriebe des Bauwesens gezählt. Auch diese Bau- und Montagekombinate hätten als Generalauftragnehmer (GAN) fungiert.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. September 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 5. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2005 zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 4. Oktober 1971 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, hilfsweise zur Klärung der Begriffsbestimmung der Tatsache "Volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung" Beweis zu erheben durch Vernehmung von Prof. Dr. J R, M, B, als Zeugen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Unterlagen zur Betriebstätigkeit des VEB Rapro aus dem Verfahren S 7 RA 7335/02L 12 RA 24/03 (SG Berlin/LSG Berlin-Brandenburg) in das Verfahren eingeführt; hierauf wird verwiesen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Zusatzversorgungshilfsakte der Beklagten, die Akten des SG Berlin S 7 RA 7335/02 - L 12 RA 24/03 (2 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) (nur) noch hinsichtlich der begehrten Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI nebst der insoweit erzielten tatsächlichen Entgelte für die Zeit vom 4. Oktober 1971 bis 30. Juni 1990 weiter verfolgt, ist nicht begründet.

Die Klagen sind zwar in dem noch aufrecht erhaltenen Umfang zulässig. Insbesondere besteht ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einem gesonderten gerichtlichen Verfahren gegen die Beklagte zur isolierten Überprüfung der von ihr insoweit abgelehnten Datenfeststellungen nach dem AAÜG. Denn neben der vorliegenden Klage auf Vormerkung der begehrten Daten ist ein weiteres Verfahren gegen die Beklagte auf Verurteilung zur Zahlung höherer Rente nicht anhängig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 7/06 R = SozR 4-1500 § 54 Nr 11).

Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen mit den von ihm erhobenen Klagen durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie gegebenenfalls der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 4. Oktober 1971 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG ist auf den Kläger schon deshalb nicht anwendbar, weil er am 01. August 1991, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, keinen Versorgungsanspruch iSv § 1 Satz 1 AAÜG hatte. Denn der Versorgungsfall (des Alters oder der Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Der Kläger war aber auch am 01. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft iSv § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte – unstreitig – bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. Die Beklagte hat zudem in dem angefochtenen Bescheiden eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG nicht getroffen.

§ 1 Abs. 1 AAÜG ist zwar im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage am 01. August 1991 einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (st. Rspr. des BSG: vgl. zB BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 16 mwN). Ein derartiger fiktiver Anspruch ist aber nur dann zu bejahen, wenn am Stichtag (30. Juni 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem betreffenden Versorgungssystem vorgesehen war (st. Rspr. des BSG: vgl. zB BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 1; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 23/04 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 6). Allein maßgebend sind insoweit die Texte der Verordnung über die AVTI in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVTI-VO) vom 17. August 1950 (GBl. S. 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB, soweit diese am 3. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind. Die genannten Vorschriften der DDR sind dabei unabhängig von deren Verwaltungs- und Auslegungspraxis allein nach bundesrechtlichen Kriterien auszulegen (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Von diesen Grundsätzen ausgehend liegt ein fingierter Anspruch im Bereich der AVTI nur vor, wenn der Betreffende zum Stichtag am 30. Juni 1990 drei Voraussetzungen erfüllt: Er muss 1. die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit oder Beschäftigung verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben (betriebliche Voraussetzung: vgl. hierzu z. B. BSG SozR 3-8570 § 1 Nrn 3, 6). Der Kläger war zwar am 30. Juni 1990 berechtigt, die ihm durch staatlichen Zuerkennungsakt verliehene Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Ob er als "Mitarbeiter Realisierungsvorbereitung" an dem genannten Stichtag dieser Berufsbezeichnung entsprechend beschäftigt war, kann jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls die betriebliche Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Kläger war am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) noch in einem gleichgestellten Betrieb (§ 1 Abs. 2 der 2. DB) beschäftigt.

Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 20/03 R = SozR 4-8570 § 5 Nr. 3). Ausschlaggebend hierfür sind die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990. Arbeitgeber des Klägers im vorgenannten Sinne war am Stichtag der VEB Rapro. Bei diesem Beschäftigungsbetrieb des Klägers handelte es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Denn der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebs des Klägers, auf den abzustellen ist, bestand nicht in der regelmäßig wiederkehrenden, serienmäßigen Massenproduktion von Sachgütern oder Bauleistungen (zu diesem Erfordernis vgl. z. B. BSG, Urteil vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 3). Im Hinblick auf die in der Präambel zur AVTI-VO zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion von Gütern zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe spezialisierter, monofunktionaler Maschinen beruhte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 16).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens war indes der Hauptzweck der betrieblichen Tätigkeit des VEB Rapro am Stichtag die Durchführung von Investitionsvorhaben auf dem Gebiet des Anlagenbaus als GAN auf vertraglicher Grundlage. Wie aus den beigezogenen Unternehmensunterlagen anschaulich erhellt (vgl. Unternehmensprospekt des VEB Rapro, Unternehmensprospekt des Nachfolgeunternehmens r GB, Statut des VEB Rapro, Geschäftsbericht des VEB Rapro für das Planjahr 1989), hatte der VEB Rapro dabei die Aufgabe, komplette Anlagen für Schlacht- und Versorgungsbetriebe, Werke für Kraftfahrzeugmontage und Gesundheitseinrichtungen zu planen und zu realisieren. Die dabei erbrachten Leistungen bestanden im Wesentlichen in der Projektierung der Anlagen, der Organisation und Leitung des Bau- und Montageprozesses und in der Abnahme und Übergabe der "schlüsselfertigen" Anlage sowie der Einweisung des Erwerbers, wie sie auch in § 2 des Statuts des VEB Rapro als Gegenstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Betriebs bezeichnet werden. Dem VEB Rapro gaben damit Dienstleistungen in Gestalt der Projektierung von Anlagen in kleinerer Stückzahl über langfristige Zeiträume das Gepräge, nicht aber die damit dem Investitionsauftraggeber durch die Fertigstellung der Anlage erst ermöglichte Massenproduktion von Gütern (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 aaO). Dass dem VEB Rapro selbst keine Massenproduktion von Gütern oblag, folgt bereits aus der vorliegenden Referenzliste der realisierten Anlagen, die zuletzt für das Jahr 1989 nur die Errichtung einer Industrieanlage zur Herstellung von Vergasern für Pkw-Motoren für den VEB Berliner Vergaser- und Filterwerke, die Errichtung eines Werkes zur Produktion von Verdichtern für den VEB dkk Scharfenstein sowie die Erarbeitung des "Know-hows" und von "Consulter-Leistungen" für die Lizenzproduktion von Krankenhausbetten und Zubehör in Ägypten ausweist. Auch die für die Fertigstellung der kompletten Anlagen benötigten Sachgüter (zB Hallen) produzierte der VEB Rapro im Wesentlichen nicht selbst. Er bediente sich dazu vielmehr seiner Kooperationspartner im Industriebausektor (zB des Metallleichtbaukombinats L bei der Realisierung von Montagewerken für Kraftfahrzeuge), und zwar nach der Prämisse "Tausende Erzeugnisse der Investitionsgüterindustrie – Hunderte Produzenten und Lieferanten – Ein Generallieferant" (Prospekt des VEB Rapro). Demgemäß weist der Geschäftsbericht für das Jahr 1989 vom 17. Februar 1990 auch einen im Verhältnis zur weit überwiegenden "nichtindustriellen" Warenproduktion (insgesamt 1,2004 Milliarden Mark – M - der DDR) nur untergeordneten Umfang der "Nettoproduktion" von 35 Millionen M aus.

Dieser hauptsächlich verfolgte Betriebszweck entsprach daher den Vorgaben der Verordnung über die Vorbereitung und Ausführung von Investitionen vom 30. November 1988 (Inv-VO; GBl. I Nr 26), nach deren § 30 GAN für einen Investitionsauftraggeber komplette nutzungsfähige Anlagen, Gebäude und bauliche Anlagen oder Wohnkomplexe als Finalprodukte errichten oder rekonstruieren. Die Verantwortung der GAN umfasst dabei die Forschung und Entwicklung, die Mitwirkung an der Ausarbeitung realer technischer und ökonomischer Vorgaben für die Vorbereitung der Investition sowie an der Vorbereitung der Grundsatzentscheidung einschließlich der dazu erforderlichen Projektierung, die Erarbeitung der Ausführungsprojekte einschließlich der Koordinierung der Ausführungsprojekte ihrer Kooperationspartner, die Errichtung der Investitionsvorhaben einschließlich der Leitung und Durchführung des Probebetriebs mit Leistungsnachweis und die Anleitung des Personals des Investitionsauftraggebers im Anlaufzeitraum (§ 30 Abs. 2 Inv-VO). Im Einklang damit steht auch, dass der VEB Rapro in der "Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR" (Ausgabe 1985) der Wirtschaftsgruppe 63310 zugeordnet worden war. Dies waren technologische Projektierungsbetriebe (selbständige Organisationen zur technischen Projektierung und Betreuung in allen Zweigen der materiellen Produktion).

Der Kläger war am Stichtag auch nicht in einem Betrieb beschäftigt, der gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt war. Betriebe der Rationalisierung und Projektierung sind dort ebenso wenig aufgeführt wie GAN (vgl. BSG aaO).

Eine erweiternde Auslegung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG angelegte Modifikation hinaus, die eine Einbeziehung des Klägers in das AAÜG ermöglichte, ist nicht erlaubt, so dass ein Analogieverbot besteht (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2006 – B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 11; BSG, Beschluss vom 13. Februar 2008 – B 4 RS 133/07 B – juris - mwN). Diese verfassungsrechtliche Wertung des BSG, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 04. August 2004 – 1 BvR 1557/01 = SozR 4-8570 § 5 Nr 4; Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 = SozR 4-8560 § 22 Nr 1).

Dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers war nicht zu entsprechen. Dieser Beweisantrag ist bereits unzulässig, da er sich nicht auf aufklärungsbedürftige Tatsachen bezieht. Entgegen der Auffassung des Klägers sind nämlich die heranzuziehenden abstrakt-generellen Vorschriften der Versorgungsordnung und der hierzu ergangenen 2. DB nicht im Rahmen der Tatsachenfeststellung als "ausländisches Recht" festzustellen, sondern als sekundäres und partielles Bundesrecht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Denn bei der – hier streitigen - fiktiven Einbeziehung in die AVTI im Rahmen des § 1 Abs. 1 AAÜG ist die Rechtslage am 1. August 1991 maßgebend und damit betrifft die Auslegung des Begriffs "Produktionsbetrieb" die Auslegung von – sekundärem – Bundesrecht (anders als bei § 5 AAÜG; siehe dazu: BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 – B 4 RS 28/07 R = SozR 4-8570 § 5 Nr 10).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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