L 1 KR 270/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 765/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 270/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Klage auf Ausstellung einer Krankenversicherungskarte ist keine Klage im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der bei der Beklagten versicherte Kläger beantragte mit Schreiben vom 8. März 2009 eine zweite Krankenversicherungskarte. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2009 ab. Nach § 291 Abs. 1 Satz 1 SGB V stelle die Krankenkasse für jeden Versicherten eine Krankenversicherungskarte aus. Daher könne dem Antrag auf Ausstellung einer Zweitkarte nicht entsprochen werden. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 13. März 2009 hiergegen Widerspruch. Es sei eine wiederholt von der Beklagten verbreitete Unwahrheit, dass nur eine Karte ausgestellt werden dürfe. Das Gesetz enthalte kein widersinniges "Nur". Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2009 zurück.

Der Kläger hat hiergegen am 6. Mai 2009 Klage bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Die Beklagte habe seinen Antrag nur mittels Fälschung des Gesetzestextes abgelehnt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. August 2009 abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 31. August 2009 Berufung als das zulässige Rechtsmittel erhoben. Der Propagandaslogan der Nationalsozialisten "ein Reich, ein Volk, ein Führer" habe sich bis heute insoweit gehalten, dass bei Gesetzesauslegungen das Wort "ein" automatisch im Sinne von "nur ein" verstanden werde. Das SG habe ferner nicht im Gerichtsbescheidsverfahren entscheiden dürfen. Unter Verletzung rechtlichen Gehörs und des Gebotes fairen Verfahrens seien nämlich erst in der Entscheidung Verfahrensfragen des Klägers beantwortet worden. Im Übrigen beruft sich der Kläger auf seine Klagebegründung.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. August 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine zweite Krankenversicherungskarte auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 20. November 2009 hat der Senat den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG). Es konnte entschieden werden, obgleich für den Kläger in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Der Kläger ist auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist ohne vorherige Zulassung nach § 144 SGG zulässig. Es handelt sich nicht um eine Streitigkeit, die nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (nur) auf eine Sachleistung im Wert von bis zu 750 Euro gerichtet ist. Zwar soll die Beklagte eine Sache im Sinne eines körperlichen Gegenstandes gemäß § 90 Bürgerliches Gesetzbuch zur Verfügung stellen. Angestrebt wird aber primär der mit dem Besitz der Karte verbundene Nachweis der Leistungsberechtigung, also nicht bereits Sach-, Dienst- oder Geldleistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG (vgl. zur Festsetzung des Streitwertes auf den Regelstreitwert bei Klagen auf Ausstellung eines Reiseausweises: VGH München, Beschluss vom 13. Mai 2009 - 10 ZB 09.318; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. September 2007 - 5 S 56/07 -).

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausstellung einer Zweitkarte. Er kann nur eine Karte beanspruchen. Dies ergibt sich aus § 15 SGB V. Nach § 15 Abs. 2 SGB V haben die Versicherten dem Arzt vor Beginn der Behandlung ihre Versicherungskrankenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Sie haben nach dem Gesetz "ihre" Karte vorzulegen. Sie sollen sich nicht mit einer ihrer Karten legitimieren. Im Gegensatz dazu verwendet das Gesetz in § 15 Abs. 3 SGB V für Berechtigungsscheine den Plural. Auch § 15 Abs. 5 SGB V geht von der Existenz nur einer Krankenversicherungskarte aus, in dem geregelt wird, dass ein Leistungsanspruch in dringenden Fällen auch ohne Vorlage der Karte besteht. Auch der Verfahrensvorschrift des § 15 Abs. 6 SGB V liegt die Annahme nur einer Karte zugrunde ("die Krankenversicherungskarte"). Bereits die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid auf § 15 Abs. 6 Satz 2 SGB V hingewiesen, wonach die Krankenkassen einen Missbrauch der Karten entgegen zu wirken haben. Umso mehr Karten im Umlauf sind, umso größer ist die Gefahr eines Missbrauchs. Ebenso regelt § 15 Abs. 6 Satz 3 SGB V die Neuausstellung der einen Karte ("die Karte"). Entsprechendes gilt für Satz 4 dieses Absatzes. Gleiches ergibt sich schließlich auch aus § 291 SGB V: Auch diese Norm geht davon aus, dass jeder Versicherte nur eine Karte erhält. Nach dessen Absatz 1 stellt die Krankenkasse diese Karte aus und zieht sie nach Maßgabe des Absatzes 4 auch wieder ein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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