Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 78 AS 31169/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1941/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2009 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerinnen gegen den Erstattungsbescheid vom 29. September 2009 wird festgestellt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für Leistungszeiträume ab 1. Oktober 2009 wird abgelehnt. Der Antragsgegner trägt ein Viertel der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen. Der von den Antragstellerinnen mit der Beschwerdeschrift sinngemäß gestellte Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für Leistungszeiträume ab 1. Oktober 2009 ist bereits unzulässig.
Gegenstand des Verfahrens ist bei verständiger Würdigung des Begehrens (vgl. § 123 SGG) ein Rechtsschutzantrag der im Rubrum bezeichneten Antragstellerinnen, nicht aber ihrer gesetzlichen Vertreter. Ausweislich der ausdrücklich nur im Namen der Antragstellerinnen eingelegten Beschwerde und auch des Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren haben deren gesetzliche Vertreter nur individuelle Ansprüche der Antragstellerinnen auf höhere monatliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) geltend gemacht. Ferner wenden sie sich gegen den Bescheid vom 29. September 2009, mit dem der Antragsgegner die Leistungsbewilligung für die Antragstellerinnen für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2009 teilweise aufgehoben hat und die Erstattung von 440,42 EUR (Antragstellerin zu 1.) bzw. 458,42 EUR (Antragstellerin zu 2.) fordert. Gegen den von dem Antragsgegner seinen Bewilligungsentscheidungen (Bescheide vom 3. April 2009 und 29. September 2009) zugrunde gelegten Ausschluss eigener Leistungen nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II wenden sich die gesetzlichen Vertreter ersichtlich nicht. Das Rubrum war daher von Amts wegen entsprechend zu berichtigen.
Hinsichtlich des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 29. September 2009 hat der Widerspruch der Antragstellerinnen in Bezug auf die darin verlautbarte Erstattungsentscheidung kraft Gesetzes (vgl. § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG) aufschiebende Wirkung. Der in § 39 Satz 1 Nr. 1 SGB II angeordnete Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Verwaltungsakte, die Leistungen nach dem SGB II aufheben, bezieht sich nämlich lediglich auf die Aufhebungsentscheidung als solche (vgl. Rechtsprechungsnachweise in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 39 Rz. 12, 16b). Es besteht entgegen der Sachlage zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des SG auch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche (deklaratorische) Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die im Bescheid vom 29. September 2009 enthaltene Erstattungsentscheidung (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Denn der Antragsgegner hat durch die zwischenzeitlich betriebene Vollstreckung (vgl. Mahnungen vom 22. November 2009) zu erkennen gegeben, dass er die gesetzlich angeordnete aufschiebende Wirkung nicht beachtet. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass auch eine nach Erteilung des Widerspruchsbescheides gegebenenfalls eingereichte Klage nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat.
Den Erlass einer Regelungsanordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG für den Leistungszeitraum vom 1. April 2009 bis 30. September 2009 hat das SG hingegen im Ergebnis zutreffend abgelehnt.
Soweit die Antragstellerinnen eine einstweilige Anordnung für Leistungszeiträume vor Eingang des Rechtsschutzantrags bei dem SG (17. September 2009) erstreben, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Denn die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kommt als "Notfallhilfe" für bereits abgelaufene Zeiträume grundsätzlich nicht in Betracht. Ein besonderer Nachholbedarf oder eine Fortwirkung der Nichtgewährung von (höheren) Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart sind nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als der Bedarf der aus den Antragstellerinnen und ihren Eltern bestehenden Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) – auch für Zeiträume nach Antragseingang – ohnehin durch die tatsächlichen Einkünfte der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gedeckt ist, wobei zur Existenzsicherung einstweilen auch im Rahmen des SGB II nicht anrechenbares Einkommen vorrangig einzusetzen ist. Nach einer ggf. zusprechenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren kann dies wieder ausgeglichen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – nicht veröffentlicht).
Ausgehend von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum vom 1. April 2009 bis 30. Juni 2009 von monatlich 1.666,80 EUR (2 x Regelleistungen nach § 20 Abs. 3 SGB II – 632,- EUR - zzgl. 2 x Regelleistungen nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II – 422,- EUR - zzgl. anteilige Unterkunftskosten von 612,80 EUR) und im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 30. September 2009 von monatlich 1.688,80 EUR (2 x Regelleistungen nach § 20 Abs. 3 SGB II – 646,- EUR - zzgl 2 x Regelleistungen nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II – 430,- EUR - zzgl. anteilige Unterkunftskosten von 612,80 EUR) übersteigt das tatsächliche Einkommen den Gesamtbedarf erheblich. Die Antragstellerinnen haben das Einkommen der Eltern im Schriftsatz vom 9. Oktober 2009 mit monatlich annähernd 1.731,- EUR beziffert. Selbst bei Abzug der aufgezeigten studienbedingten Aufwendungen der Eltern (= 233,60 EUR monatlich) verbleibt ein Elterneinkommen von 1.497,40 EUR. Hinzu kommt das Kindergeld für die Antragstellerinnen in Höhe von 334,- EUR monatlich, dh es verbleibt ein tatsächliches Einkommen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft von 1.831,40 EUR. Damit ist die Existenzsicherung der Antragstellerinnen einstweilen ohne weiteres gewährleistet, ohne dass damit eine Entscheidung über die geltend gemachten Anordnungsansprüche unter Berücksichtigung der Vorschriften des SGB II über anzurechnendes Einkommen vorweggenommen würde.
Der mit der Beschwerdeschrift sinngemäß gestellte Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung auch für Leistungszeiträume ab 1. Oktober 2009, für die der Antragsgegner zwischenzeitlich mit Bescheid vom 29. September 2009 eine Verwaltungsentscheidung getroffen hat, ist bereits unzulässig. Denn das SG hat hierüber ausdrücklich keine – mit der Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) anfechtbare (vgl. § 29 Abs. 1 SGG) – Entscheidung getroffen. Das LSG ist mit Ausnahme der in § 29 Abs. 2 SGG geregelten Fälle funktional nicht zuständig, erstinstanzlich über Rechtsschutzanträge zu befinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen. Der von den Antragstellerinnen mit der Beschwerdeschrift sinngemäß gestellte Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für Leistungszeiträume ab 1. Oktober 2009 ist bereits unzulässig.
Gegenstand des Verfahrens ist bei verständiger Würdigung des Begehrens (vgl. § 123 SGG) ein Rechtsschutzantrag der im Rubrum bezeichneten Antragstellerinnen, nicht aber ihrer gesetzlichen Vertreter. Ausweislich der ausdrücklich nur im Namen der Antragstellerinnen eingelegten Beschwerde und auch des Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren haben deren gesetzliche Vertreter nur individuelle Ansprüche der Antragstellerinnen auf höhere monatliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) geltend gemacht. Ferner wenden sie sich gegen den Bescheid vom 29. September 2009, mit dem der Antragsgegner die Leistungsbewilligung für die Antragstellerinnen für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2009 teilweise aufgehoben hat und die Erstattung von 440,42 EUR (Antragstellerin zu 1.) bzw. 458,42 EUR (Antragstellerin zu 2.) fordert. Gegen den von dem Antragsgegner seinen Bewilligungsentscheidungen (Bescheide vom 3. April 2009 und 29. September 2009) zugrunde gelegten Ausschluss eigener Leistungen nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II wenden sich die gesetzlichen Vertreter ersichtlich nicht. Das Rubrum war daher von Amts wegen entsprechend zu berichtigen.
Hinsichtlich des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 29. September 2009 hat der Widerspruch der Antragstellerinnen in Bezug auf die darin verlautbarte Erstattungsentscheidung kraft Gesetzes (vgl. § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG) aufschiebende Wirkung. Der in § 39 Satz 1 Nr. 1 SGB II angeordnete Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Verwaltungsakte, die Leistungen nach dem SGB II aufheben, bezieht sich nämlich lediglich auf die Aufhebungsentscheidung als solche (vgl. Rechtsprechungsnachweise in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 39 Rz. 12, 16b). Es besteht entgegen der Sachlage zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des SG auch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche (deklaratorische) Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die im Bescheid vom 29. September 2009 enthaltene Erstattungsentscheidung (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Denn der Antragsgegner hat durch die zwischenzeitlich betriebene Vollstreckung (vgl. Mahnungen vom 22. November 2009) zu erkennen gegeben, dass er die gesetzlich angeordnete aufschiebende Wirkung nicht beachtet. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass auch eine nach Erteilung des Widerspruchsbescheides gegebenenfalls eingereichte Klage nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat.
Den Erlass einer Regelungsanordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG für den Leistungszeitraum vom 1. April 2009 bis 30. September 2009 hat das SG hingegen im Ergebnis zutreffend abgelehnt.
Soweit die Antragstellerinnen eine einstweilige Anordnung für Leistungszeiträume vor Eingang des Rechtsschutzantrags bei dem SG (17. September 2009) erstreben, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Denn die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kommt als "Notfallhilfe" für bereits abgelaufene Zeiträume grundsätzlich nicht in Betracht. Ein besonderer Nachholbedarf oder eine Fortwirkung der Nichtgewährung von (höheren) Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart sind nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als der Bedarf der aus den Antragstellerinnen und ihren Eltern bestehenden Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) – auch für Zeiträume nach Antragseingang – ohnehin durch die tatsächlichen Einkünfte der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gedeckt ist, wobei zur Existenzsicherung einstweilen auch im Rahmen des SGB II nicht anrechenbares Einkommen vorrangig einzusetzen ist. Nach einer ggf. zusprechenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren kann dies wieder ausgeglichen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – nicht veröffentlicht).
Ausgehend von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum vom 1. April 2009 bis 30. Juni 2009 von monatlich 1.666,80 EUR (2 x Regelleistungen nach § 20 Abs. 3 SGB II – 632,- EUR - zzgl. 2 x Regelleistungen nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II – 422,- EUR - zzgl. anteilige Unterkunftskosten von 612,80 EUR) und im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 30. September 2009 von monatlich 1.688,80 EUR (2 x Regelleistungen nach § 20 Abs. 3 SGB II – 646,- EUR - zzgl 2 x Regelleistungen nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II – 430,- EUR - zzgl. anteilige Unterkunftskosten von 612,80 EUR) übersteigt das tatsächliche Einkommen den Gesamtbedarf erheblich. Die Antragstellerinnen haben das Einkommen der Eltern im Schriftsatz vom 9. Oktober 2009 mit monatlich annähernd 1.731,- EUR beziffert. Selbst bei Abzug der aufgezeigten studienbedingten Aufwendungen der Eltern (= 233,60 EUR monatlich) verbleibt ein Elterneinkommen von 1.497,40 EUR. Hinzu kommt das Kindergeld für die Antragstellerinnen in Höhe von 334,- EUR monatlich, dh es verbleibt ein tatsächliches Einkommen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft von 1.831,40 EUR. Damit ist die Existenzsicherung der Antragstellerinnen einstweilen ohne weiteres gewährleistet, ohne dass damit eine Entscheidung über die geltend gemachten Anordnungsansprüche unter Berücksichtigung der Vorschriften des SGB II über anzurechnendes Einkommen vorweggenommen würde.
Der mit der Beschwerdeschrift sinngemäß gestellte Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung auch für Leistungszeiträume ab 1. Oktober 2009, für die der Antragsgegner zwischenzeitlich mit Bescheid vom 29. September 2009 eine Verwaltungsentscheidung getroffen hat, ist bereits unzulässig. Denn das SG hat hierüber ausdrücklich keine – mit der Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) anfechtbare (vgl. § 29 Abs. 1 SGG) – Entscheidung getroffen. Das LSG ist mit Ausnahme der in § 29 Abs. 2 SGG geregelten Fälle funktional nicht zuständig, erstinstanzlich über Rechtsschutzanträge zu befinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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