Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 32097/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1772/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. Oktober 2009 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 01. Oktober 2009 bis zum 31. Januar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 184,- EUR zu gewähren. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im gesamten Verfahren. Dem Antragsteller wird sowohl für das erstinstanzliche Verfahren als auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt F G, G, B, beigeordnet.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist das Rechtsmittel nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
Für die Zeit ab 01. Oktober 2009 bis 31. Januar 2010 war der Antragsgegner gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu monatlichen Leistungen in Höhe des Leistungsbetrages nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu verpflichten (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG). Der im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernde Anordnungsanspruch ergibt sich aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris) im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Tragweite des gesetzlichen Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für nichtdeutsche Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), deren Aufenthaltsrecht – wie bei dem Antragsteller - auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU beruht. Wegen der in Art. 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbürgten Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU stellt sich jedenfalls die Frage, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - (Urteil vom 4. Juni 2009 - C - 22/08 - juris) kann sich nämlich ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats hergestellt hat, auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, die ggf. einem derartigen Leistungsanspruch entgegensteht, betrifft demgegenüber aber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe"; insoweit wird darauf hingewiesen, dass eine Leistungsvoraussetzung wie die der Erwerbsfähigkeit in § 8 SGB II ein Hinweis darauf sein könne, dass Leistungen der Grundsicherung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern sollten (vgl. EuGH a.a.O.). Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 findet dann indes keine Anwendung.
Angesichts des existenzsichernden Charakters der beanspruchten Leistungen wiegen die dem Antragsteller drohenden Nachteile bei einer (vollen) Ablehnung des gestellten Rechtsschutzantrages und einem späteren Obsiegen im Hauptsacheverfahren jedenfalls ungleich schwerer als der dem Antragsgegner drohende Nachteil einer ggf. nicht zu realisierenden Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Leistungsbeträge. Daher war der Antragsgegner zu verpflichten, - nur - das absolute Existenzminimum des Antragstellers zu sichern.
Soweit der Antragsteller allerdings Leistungen für Unterkunft und Heizung geltend macht, fehlt es bereits an dem erforderlichen Anordnungsgrund für die begehrte gerichtliche Anordnung i.S. eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses. Eine derzeit drohende Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers sind nicht zu besorgen, da nach dem Vorbringen des Antragstellers bislang nur die Mietzahlungen für die Monate Oktober und November 2009 nicht entrichtet werden konnten und eine Kündigung des Mietverhältnisses bislang nicht ausgesprochen worden ist (Schriftsatz des Antragstellers vom 27. Oktober 2009). Dem Antragsteller ist daher zurzeit ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuzumuten, zumal in § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 SGB II Regelungen zur Sicherung der Unterkunft selbst für den Fall einer - nicht in Rede stehenden - Räumungsklage enthalten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 - 1 BvR 535/07 - n. v.).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dem - bedürftigen - Antragsteller war für das erstinstanzliche Verfahren und für das Beschwerdeverfahren jeweils Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen, da sich der Rechtsverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht nicht absprechen lässt (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff., 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist das Rechtsmittel nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
Für die Zeit ab 01. Oktober 2009 bis 31. Januar 2010 war der Antragsgegner gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu monatlichen Leistungen in Höhe des Leistungsbetrages nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu verpflichten (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG). Der im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernde Anordnungsanspruch ergibt sich aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris) im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Tragweite des gesetzlichen Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für nichtdeutsche Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), deren Aufenthaltsrecht – wie bei dem Antragsteller - auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU beruht. Wegen der in Art. 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbürgten Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU stellt sich jedenfalls die Frage, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - (Urteil vom 4. Juni 2009 - C - 22/08 - juris) kann sich nämlich ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats hergestellt hat, auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, die ggf. einem derartigen Leistungsanspruch entgegensteht, betrifft demgegenüber aber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe"; insoweit wird darauf hingewiesen, dass eine Leistungsvoraussetzung wie die der Erwerbsfähigkeit in § 8 SGB II ein Hinweis darauf sein könne, dass Leistungen der Grundsicherung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern sollten (vgl. EuGH a.a.O.). Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 findet dann indes keine Anwendung.
Angesichts des existenzsichernden Charakters der beanspruchten Leistungen wiegen die dem Antragsteller drohenden Nachteile bei einer (vollen) Ablehnung des gestellten Rechtsschutzantrages und einem späteren Obsiegen im Hauptsacheverfahren jedenfalls ungleich schwerer als der dem Antragsgegner drohende Nachteil einer ggf. nicht zu realisierenden Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Leistungsbeträge. Daher war der Antragsgegner zu verpflichten, - nur - das absolute Existenzminimum des Antragstellers zu sichern.
Soweit der Antragsteller allerdings Leistungen für Unterkunft und Heizung geltend macht, fehlt es bereits an dem erforderlichen Anordnungsgrund für die begehrte gerichtliche Anordnung i.S. eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses. Eine derzeit drohende Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers sind nicht zu besorgen, da nach dem Vorbringen des Antragstellers bislang nur die Mietzahlungen für die Monate Oktober und November 2009 nicht entrichtet werden konnten und eine Kündigung des Mietverhältnisses bislang nicht ausgesprochen worden ist (Schriftsatz des Antragstellers vom 27. Oktober 2009). Dem Antragsteller ist daher zurzeit ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuzumuten, zumal in § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 SGB II Regelungen zur Sicherung der Unterkunft selbst für den Fall einer - nicht in Rede stehenden - Räumungsklage enthalten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 - 1 BvR 535/07 - n. v.).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dem - bedürftigen - Antragsteller war für das erstinstanzliche Verfahren und für das Beschwerdeverfahren jeweils Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen, da sich der Rechtsverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht nicht absprechen lässt (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff., 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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