L 7 KA 130/09 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 247/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 130/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Das Recht zur Erhebung von Gerichtskosten und Festsetzung des Streitwerts ist nicht allein deshalb verwirkt, weil das Sozialgericht erst ca. 15 Monate nach Erledigung des Rechtsstreits den Streitwert festsetzt.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 25 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (a.F.), die gemäß § 72 Nr. 1 GKG anzuwenden ist, zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 233.709,03 EUR festgesetzt. Auf die entsprechenden Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 4. Juli 2008 (L 7 KA 118/06) bezüglich des Berufungsverfahrens wird verwiesen. Nichts anderes gilt für das erstinstanzliche Verfahren. Soweit der Kläger geltend macht, das Sozialgericht dürfe wegen Verwirkung des Anspruchs auf Erhebung von Gerichtskosten den Streitwert nicht mehr festsetzen, kann der Senat dem nicht folgen.

Gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 GKG a.F. setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 25 Abs. 2 S. 2 GKG a.F. mit Ausnahme der Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit von Amts wegen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 63 GKG, Rn 20). Lediglich ausnahmsweise kann die Verpflichtung des Prozess-gerichts zur Festsetzung des Streitwerts entfallen, wenn mit Sicherheit keine Gerichtskosten anfallen und wenn auch keine Anwaltsgebühren in Abhängigkeit vom festzusetzenden Streitwert gegenüber dem Gegner erhoben werden können (Hartmann, a.a.O., Rn 25 a.E.). Ob bereits dann ein Bedürfnis für eine Streitwertfestsetzung entfällt, wenn der Anspruch auf Zahlung von Gerichtskosten verwirkt ist, oder dies erst gegen den Kostenansatz geltend zu machen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der Anspruch der Staatskasse auf Erhebung von Gebühren nach dem GKG für das Verfahren vor dem Sozialgericht ist nicht verwirkt.

Grundsätzlich kommt auch bei der Erhebung von Gerichtskosten neben der Verjährung eine Verwirkung in Betracht (Hartmann, a.a.O., § 5 GKG, Rn. 5 a.E.). Auf Grund dieses Rechtsinstitutes entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts wäh-rend eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten
(Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. z.B. BSGE 80, 41). Hier fehlt es aber bereits an einem Verwirkungsverhalten. Denn dieses kann nicht allein in der
Unterlassung der Geltendmachung des Anspruchs liegen. Die bloße Untätigkeit begründet lediglich das sog. Zeitmoment und führt, soweit nicht weitere Umstände im o.g. Sinne hinzutreten, allein zur Verjährung des Anspruchs, nicht aber zu einer Verwirkung. Es bedarf daher für ein Verwirkungsverhalten eines positiven Tuns des Anspruchsgläubigers, aus dem der Schuldner berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Anspruch werde nicht geltend gemacht. Ein derartiges postives Tun hat der Kläger weder vorgetragen, noch ist dieses ersichtlich. Er bezieht sich allein auf das zeitliche Moment und trägt lediglich vor, es seien längere Zeit keine auf Geltendmachung der Gerichtskosten gerichtete Handlungen vorgenommen worden, obwohl bereits bei Erhebung der Klage der Gerichtskostenvorschuss fällig gewesen sei. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Argumentation des Klägers aber bereits deshalb hinkt, weil der Gerichtskostenvorschuss im sozialgerichtlichen Verfahren (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG) nicht bereits zum 1. Januar 2002, sondern erst mit Wirkung vom 1. Juli 2004 eingeführt wurde und daher bei Erhebung der Klage im August 2003 vom Sozialgericht keine Gerichtskosten zu erheben waren. Es somit schon fraglich, ob durch die Streitwertfestsetzung ca. 15 Monate nach Erledigung des Rechtsstreits das zeitliche Moment überhaupt erfüllt ist.

Darüber hinaus hat der Kläger auch nichts zu einem Vertrauensverhalten vorgetragen, also welche Maßnahmen und Vorkehrungen er in einem Vertrauen darauf, er müsse keine
Gerichtskosten zahlen, getroffen hat.

Einen nachvollziehbaren Grund, weshalb nicht der tatsächliche Streitwert, sondern nur der Regelstreitwert anzusetzen sei, hat der Kläger nicht angegeben. Eine Reduzierung des Streitwertes allein wegen später Festsetzung des Streitwertes und Erhebung der Gerichtsgebühren kommt nicht in Betracht. Insoweit regelt § 10 GKG a.F. mit der Verjährung der Ansprüche auf Erhebung von Gerichtskosten abschließend den Fall der alleinigen längeren Untätigkeit.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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