L 1 KR 96/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1678/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 96/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2009 wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) S S ab 1. April 2004 in seiner Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 2) der Rentenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch unterliegt. Die Berufung des Beigeladenen zu 1) wird zurückgewiesen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben. Im Berufungsverfahren findet eine Kostenerstattung nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf das erstinstanzliche Verfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit ist die Rentenversicherungspflicht der Beschäftigung des Beigeladenen zu1) bei dem Beigeladenen zu 2) seit dem 1. April 2004.

Der 1980 geborene Beigeladene zu 1) ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann. Er ist seit 1. Juli 1999 beim Beigeladenen zu 2) beschäftigt, einem von seinem Vater als Einzelhandelsunternehmen betriebenen Autohaus. Außer seinem Vater, der gelernter Kraftfahrzeugmeister ist, und ihm arbeiten beim Beigeladenen zu 2) derzeit ein weiterer Kraftfahrzeugmeister, zwei Kraftfahrzeugmechaniker, eine Buchhalterin und ein Auszubildender. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) umfasst Internetangelegenheiten, die Kundenbetreuung, den Ersatzteiledienst, die Garantieberechnungen, die Werbemaßnahmen, die Personaleinteilung, die Werkstattaufsicht, das Rechnungswesen, die sich ergebenden Terminierungen und die (Mit)Geschäftsleitung. Er ist der Umweltbeauftragte und Gefahrengutbeauftragte des Autohauses. Da er nicht in Deutschland wohnt, wurde und wird von seinem Gehalt keine Lohnsteuer entrichtet.

Mit Schreiben vom 23. September 2005 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten, ihn als nicht sozialversicherungspflichtig zu beurteilen. Beigefügt war ein von ihm und vom Beigeladenen zu 2) ausgefüllter "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen". Danach sollte die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit "nach Bedarf" betragen, bei fester Arbeitszeit zu einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt von 1.625,00 EUR. Die Tätigkeit werde nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages ausgeübt, der Beigeladene zu 1) sei in den Betrieb eingegliedert. An seiner Stelle müsste eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Er sei nicht weisungsgebunden, könne vielmehr seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Er wirke an der Führung des Betriebes aufgrund besonderer Fachkenntnisse mit. Die Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ein Urlaubsanspruch sei nicht vereinbart, jedoch werde bei Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsentgelt für mindestens 6 Wochen fortgezahlt. Das Gehalt entspreche nicht dem ortsüblichen, sondern sei aufgrund der wirtschaftlichen Lage gekürzt. Das Arbeitsentgelt werde auf ein privates Bankkonto überwiesen. Es werde als Betreibsausgabe gebucht.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 15. November 2005 mit zu beabsichtigten, den Beigeladenen zu 1) rückwirkend ab dem 1. Juli 1999 von der Versicherungspflicht zu befreien und bat um Stellungnahme. Nach zwei Erinnerungsschreiben teilte die Klägerin ihrerseits unter dem 3. April 2006 mit, dass eine abschließende Bearbeitung bislang nicht habe erfolgen können.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2006 stellte die Beklagte fest, dass für den Beigeladenen zu 1) ab dem 1. April 2004 keine Versicherungspflicht als Arbeitnehmer zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 15. November 2005, sich der beabsichtigten Entscheidung nicht anschließen zu können. Die Beklagte antwortete, weil mit Untätigkeitsklage gedroht worden sei, sei sie zwischenzeitlich gezwungen gewesen, eine Beurteilung durchzuführen. Sie halte an ihrer Entscheidung fest (Schreiben vom 22. November 2006, Eingang bei der Klägerin 23. November 2006).

Am 15. März 2007 telefonierten die Klägerin und die Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1) und 2) und informierte diese über ihre Rechtsauffassung.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2007 ließ die Beklagte der Klägerin eine Kopie ihres Bescheides vom 18. Mai 2006 zukommen.

Diese hat am 25. Mai 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben.

Der Beigeladene zu 1) hat vorgebracht, er habe zum 1. Juli 2006 eine private Rentenversicherung abgeschlossen, für welche er monatliche Beiträge i. H. v. 200,00 EUR zu zahlen habe. Die Klage sei rechtsmissbräuchlich erhoben worden

Das SG hat im Urteil vom 24. Februar 2009 den Bescheid der Beklagten aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Anfechtungsklage sei zulässig und begründet. Die Klagefrist sei eingehalten. Die Monatsfrist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) habe gemäß § 66 Abs. 1 SGG nicht zu laufen begonnen, weil die Klägerin über den ihr gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2006 zustehenden Rechtsbehelf nicht belehrt worden sei. Die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG sei eingehalten. Das Klagerecht sei auch nicht verwirkt. Die Klägerin habe bereits binnen neun Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides Klage erhoben. Darüber hinaus sei ein Verwirkungsverhalten der Klägerin nicht ersichtlich. In der Sache überwögen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Eine bloße familienhafte Mithilfe des Beigeladenen zu 1) scheide aus. Er erhalte für seine Tätigkeit ein angemessenes Entgelt, das als Betriebsausgabe verbucht werde. Er trage auch kein Unternehmensrisiko. Weiter sei er in die Arbeitsprozesse des Autohauses im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe eingegliedert. Für ihn müsste ansonsten eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Der Feststellungsklage der Klägerin fehle es an einem berechtigten Interesse im Sinne des § 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Hiergegen richten sich die Berufungen der Klägerin und des Beigeladenen zu 1).

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe ein berechtigtes Feststellungsinteresse und beruft sich herzu auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Juli 1999 (B 12 KR 2/99 R, SozR 3-2400 § 28 h SGB IV Nr. 9) und auf das Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 2009 (L 1 KR 555/07).

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2009 festzustellen, dass der Versicherte S S ab 1. April 2004 der Rentenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch unterliege und im Übrigen die Berufung des Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, ihre Entscheidung sei rechtsfehlerhaftfrei ergangen. Sie rüge auch die Streitwertfestsetzung im angefochtenen Urteil.

Der Beigeladene zu 1) hat zur Berufungsbegründung vorgebracht, die Klägerin habe bereits im März 2007 deutlich zu erkennen gegeben, den Bescheid der Beklagten bereits zu kennen. Weiterhin habe sie sich widersprüchlich verhalten. Indem sie auf die wiederholten Abstimmungsanfragen der Beklagten nicht reagiert habe, habe sie deutlich gemacht, deren Entscheidung zu akzeptieren. Die spätere Anfechtungsklage sei deshalb rechtsmissbräuchlich. Auf die Jahresfrist des § 66 SGG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie selbst über die "gemeinsame Verlautbarung zur Behandlung von Beitragsbescheiden durch die am gemeinsamen Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger" der Spitzenverbände einen Verzicht der Rentenversicherungsträger auf eigene Rechtsbehelfsbelehrungen beschlossen habe. Der Beigeladene sei schließlich weder in das Weisungsgefüge noch in den Betrieb des Autohauses wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter allein nach §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.

Die Berufung der Klägerin hat im Gegensatz zu der des Beigeladenen zu 1) Erfolg. Das SG hat der Klage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide zu Recht stattgegeben. Die Klage ist auch darüber hinaus zulässig und begründet.

Vor Klageerhebung bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist. Die Klagefrist hat hier nicht einen Monat gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG nach Bekanntgabe betragen. Die Monatsfrist beginnt nämlich gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der "Beteiligte" über den Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die Klägerin ist Beteiligte, auch wenn sie als mittelbare Bundesverwaltung keiner Rechtmittelbelehrung bedarf. Beteiligte sind nämlich nach § 69 SGG (alle) Kläger. Statt der Monatsfrist hat deshalb gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 eine Jahresfrist seit der Bekanntgabe gegolten. Der hier streitgegenständliche Bescheid der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1) ist der Klägerin mit dem Schreiben vom 20. Juni 2006 bekannt gegeben worden.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid im Sinne des § 54 Abs. 1 und Abs. 2 SGG beschwert und deshalb zur Klage befugt. Sie kann wie alle anderen Versicherungsträger ihre Belange gegenüber der Einzugsstelle wahrnehmen. Speziell für die hier betroffene Rentenversicherung kommt hinzu, dass ihre Leistungen wesentlich von der Beitragsentrichtung abhängen und diese durch etwaige Schadensersatzansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen die Einzugsstelle nicht gesichert wird (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 1. Juli 1999 - B 12 KR 2/99R - BSGE 84, 136,139ff).

Die Klägerin hat ihr Klagerecht nicht verwirkt. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete (hier; die Beigeladenen zu 1) und 2) in Folge eines bestimmten Verhaltens (Verwirkungsverhalten) berechtigt vertrauen durfte, dass der Berechtigte (hier: die Klägerin) das Recht (hier: Klagerecht mit der möglichen Konsequenz im Falle eines obsiegenden Urteils, Beiträge nicht rückerstatten zu müssen) nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich in Folge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (so bereits Urteil des Senats vom 17. April 2008 - L 1 KR 356/06 - unter Bezugnahme auf BSGE 80, 41, 43f mit weiteren Nachweisen der ständigen Rechtssprechung des BSG). Bloße Untätigkeit alleine reicht für ein Verwirkungsverhalten nicht aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die spätere Geltendmachung als Verstoß gegen Treue und Glauben empfunden wird. Hier fehlt es bereits an einem Verwirkungsverhalten. Zum anderen fehlt es auch an einer Vertrauensbetätigung. Der Abschluss einer privaten Rentenversicherung mit Beiträgen in Höhe von 200,00 EUR pro Monat kann nicht als Ersatz für die Altersvorsorge durch die gesetzliche Rentenversicherung angesehen werden sondern nur - wie allgemein propagiert - als so genannten dritte Säule der Altersvorsorgung (Stichwort Riester-Rente).

Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar (ebenso bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -): § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungsinteresses bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung des eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheides der Beklagten. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass damit nicht umgekehrt die Rentenversicherungspflicht festgestellt wird. Insbesondere die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, ihr Bescheid als Einzugsstelle aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -).

Die Klage ist begründet:

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - SGB VI -) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R USK 9975).

Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis

Auch der Senat durch den erkennenden Richter geht weiter davon aus, dass die steuerliche Behandlung des Beschäftigungsverhältnisses als normales Arbeitsverhältnis den rechtlichen Gegebenheiten entsprochen hat. Der Beigeladenen zu 1) und sein Vater hatten und haben kein gemeinsames Unternehmen. Angesichts der regelmäßigen Einnahmen kann auch nicht von bloßer familienhafter Mithilfe ausgegangen werden. Der Beigeladene zu 1) trägt keinerlei Unternehmerrisiko. Nach außen hin ist allein sein Vater für das Unternehmen verantwortlich. Dieser ist auch nicht fachfremd. Dass beide über die Jahre die Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln, ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben, auch wenn Umstände für eine Selbstständigkeit sprechen.

Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil der Beigeladene zu 1) als Berufungsklägerin als Versicherte zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache. Für die bis dahin entstandenen Kosten richtet sich die Entscheidung nach § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

Der Beschluss über den Streitwert folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat hat sich für Fälle außerhalb des Antragsverfahrens nach § 7a SGB IV der Rechtsprechung des 9. Senates im Hause angeschlossen, wonach sich der Streitwert in einem Rechtsstreit über die Versicherungspflicht regelmäßig nach dem Auffangstreitwert bemisst (vgl. Beschluss vom 12.August 2008 -L 9 KR 119/08 -). Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Rechtsstreits kann nämlich regelmäßig nicht überblickt werden. Er korrespondiert regelmäßig nicht mit der Höhe der entweder zu erstattenden oder nachzufordernden Versicherungsbeiträge. Auch kann der wirtschaftliche Wert, gesetzlich rentenversichert zu sein, kaum bemessen werden. Sind aber Zeiträume von mehr als fünfzehn Jahren streitbefangen, ist regelmäßig eine Verdoppelung des Streitwertes angemessen, ab dreißig Jahren eine Verdreifachung. Ein Ausnahmefall, in welchem eine Eingrenzung aufgrund der Umstände des Einzelfalles geboten ist (zum Beispiel bei fehlender Zukunftsbezogenheit, Begrenzung der Versicherung auf wenige Tage oder ähnliches) liegt vorliegend nicht vor. Hier ist erstinstanzlich über die Versicherungspflicht über einen Zeitraum von weniger als fünfzehn Jahren entschieden worden. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG. Gegen diese Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht statthaft (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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