Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 270/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 131/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine eingeschränkte Einzelfallprüfung kann auch dann zulässig sein, wenn ein statistischer Vergleich von Arzneimittelverordnungen (hier: für selektive β-Blocker) das Aufgreifkriterium bildet.
2. Beanstanden die Prüfgremien, dass der Vertragsarzt ein bestimmtes Arzneimittel verordnet hat, obwohl therapeutisch gleichwertige, jedoch preiswertere Arzneimittel zur Verfügung gestanden hätten, steht ihnen bei der Prüfung der Unwirtschaftlichkeit kein - gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer - Beurteilungsspielraum zu.
Die Prüfung der Unwirtschaftlichkeit erfolgt wirkstoffbezogen.
3. Über die Rechtsfolge der Unwirtschaftlichkeit treffen die Prüfgremien eine Ermessensentscheidung, in deren Rahmen in einem ersten Schritt der beanstandeten Verordnung ein konkret zu bezeichnendes Alternativpräparat (und nicht nur ein Wirkstoff) gegenüberzustellen und die therapeutische Gleichwertigkeit beider Arzneimittel durch einen auf den betroffenen Versicherten bezogenen Vergleich möglicher Nebenwirkungen sowie ggf. pharmakodynamischer und -kinetischer Eigenschaften zu klä¬ren ist.
Erweisen sich beide Arzneimittel als therapeutisch gleichwertig, ist in einem zweiten Schritt anhand eines Wirkstärkenvergleichs zu prüfen, welches Arzneimittel preiswerter ist. Weitere Umstände des Einzelfalls, wie z.B. Besonderheiten der Dosierung oder der bereits erfolgte Einsatz weiterer Alternativpräparate, können Berücksichtigung verlangen.
In einem dritten Schritt ist schließlich zu prüfen, ob im Hinblick auf eine als ausreichend erachtete Beratung von der Festsetzung eines Regresses abzusehen ist oder ob bei der Entscheidung über die Höhe des Regresses weitere Besonderheiten des Einzelfalls (z.B. Unsicherheit über die Schadenshöhe, Anfängerpraxis) zu berücksichtigen sind.
2. Beanstanden die Prüfgremien, dass der Vertragsarzt ein bestimmtes Arzneimittel verordnet hat, obwohl therapeutisch gleichwertige, jedoch preiswertere Arzneimittel zur Verfügung gestanden hätten, steht ihnen bei der Prüfung der Unwirtschaftlichkeit kein - gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer - Beurteilungsspielraum zu.
Die Prüfung der Unwirtschaftlichkeit erfolgt wirkstoffbezogen.
3. Über die Rechtsfolge der Unwirtschaftlichkeit treffen die Prüfgremien eine Ermessensentscheidung, in deren Rahmen in einem ersten Schritt der beanstandeten Verordnung ein konkret zu bezeichnendes Alternativpräparat (und nicht nur ein Wirkstoff) gegenüberzustellen und die therapeutische Gleichwertigkeit beider Arzneimittel durch einen auf den betroffenen Versicherten bezogenen Vergleich möglicher Nebenwirkungen sowie ggf. pharmakodynamischer und -kinetischer Eigenschaften zu klä¬ren ist.
Erweisen sich beide Arzneimittel als therapeutisch gleichwertig, ist in einem zweiten Schritt anhand eines Wirkstärkenvergleichs zu prüfen, welches Arzneimittel preiswerter ist. Weitere Umstände des Einzelfalls, wie z.B. Besonderheiten der Dosierung oder der bereits erfolgte Einsatz weiterer Alternativpräparate, können Berücksichtigung verlangen.
In einem dritten Schritt ist schließlich zu prüfen, ob im Hinblick auf eine als ausreichend erachtete Beratung von der Festsetzung eines Regresses abzusehen ist oder ob bei der Entscheidung über die Höhe des Regresses weitere Besonderheiten des Einzelfalls (z.B. Unsicherheit über die Schadenshöhe, Anfängerpraxis) zu berücksichtigen sind.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2006 (betreffend die Versicherte C P) wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Regress wegen der Verordnung des Arzneimittels Nebilet im Quartal III/03.
Die Klägerin nimmt als Fachärztin für Innere Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk B-K (Ortsteil B) teil. Sie verordnete ihrer bei der Beigeladenen zu 2) krankenversicherten, 1958 geborenen Patientin C P (im Folgenden: die Versicherte) zur Behandlung eines hyperkinetischen Herzsyndroms mit arteriellem Hypertonus am 14. Juli 2003 das Arzneimittel Nebilet 50 Tbl. (Packungsgröße N 2). Ausweislich der Fachinformation (Stand: März 2001) war dieses Arzneimittel, ein selektiver &946;-Rezeptorenblocker, damals zur Behandlung der essenziellen Hypertonie zugelassen und enthält als Wirkstoff 5 mg Nebivolol (als Nebivololhydrochlorid). Nach Auffassung des pharmazeutischen Herstellers unterscheidet sich der Wirkmechanismus von Nebivolol wesentlich von den Wirkmechanismen anderer &946;-Rezeptorenblocker wie z.B. Bisoprolol und Metoprolol. Deren Wirkung beschränke sich darauf, dem Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz entgegen zu wirken, indem sie an die &946;-1-Rezeptoren anbänden. Der pharmakologische Effekt von Nebivolol gehe darüber hinaus, weil es gleichzeitig - nach Ziffer 5.1 der o.g. Fachinformation allerdings nur milde - vasodilatierend (gefäßerweiternd) und somit ebenfalls blutdrucksenkend wirke (vgl. Beschluss des Senats vom 19. Dezember 2008, Az.: L 9 B 192/08 KR ER, veröffentlicht in Juris).
Mit am 17. Juni 2004 beim Prüfungsausschuss eingegangenen Schreiben stellte die Beigeladene zu 2) einen "Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nach § 106 SGB V und § 25 Abs. 1 der Prüfvereinbarung" wegen der o.g. Verordnung der Klägerin. Zur Begründung führte die Beigeladene zu 2) aus:
"Die Auswertung der Verordnungen von Betablockern im 3. Quartal 2003 hat ergeben, dass in der Arztpraxis mehr als 15 % der Verordnungen auf das kostspielige Präparat Nebilet (Wirkstoff Nebivolol) entfielen, obwohl preiswertere, therapeutisch gleichwertige Alternativen zur Verfügung standen. Damit liegt der Verordnungsanteil mehr als 100 % über dem Durchschnitt, den die Berliner Ärzte bei den Betablockern erreichten. Bei Zugrundelegung von mehr als 70 % der GKV-Verordnungen in Berlin im angesprochenen Quartal hat sich gezeigt, dass bei den drei Betablockern Atenolol, Metoprolol und Nebivolol insgesamt der Anteil der Nebivolol-Verordnungen 7,4 % ausmacht.
Nebivolol ist nach der Bewertung im Arzneiverordnungsreport (AVR 2003, S. 359), nur als Analogpräparat mit dreifach höheren Therapiekosten als Atenolol zu betrachten’. Für die zusätzlichen vasodilatierenden Eigenschaften dieses langwirkenden Betablockers wurden signifikante Unterschiede in der blutdrucksenkenden Wirkung und im peripheren Widerstand nicht nachgewiesen. Eine klinische Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Betablockern, z. B. Atenolol, ist durch Studien nicht belegt. Auch die von der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft im Jahr 1998 veröffentlichten Empfehlungen zur Therapie der arteriellen Hypertonie, welche der Vertragsarzt zu beachten hat, gaben keinen Hinweis auf besondere Eigenschaften des Nebivolols.
Die Therapie mit Nebivolol ist in allen Packungsgrößen unwirtschaftlicher als mit den genannten vergleichbaren Betablockern, die auch als preisgünstige Generika zur Verfügung stehen. Daher ist für eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechende Therapie die Verordnung von Nebivolol weder notwendig noch wirtschaftlich. Sie stellt somit einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V dar.
Auf diese Zusammenhänge und die Alternativen haben die Berliner Krankenkassen gemeinsam mit der KV Berlin in den letzten Jahren mehrmals hingewiesen.
Wir beantragen daher, ein Schadenersatzverpflichtung in Höhe von 161,8 EUR festzusetzen. Die Einzelheiten sind aus der Anlage zu entnehmen."
In ihrer vom Prüfungsausschuss veranlassten Stellungnahme vom 11. Juli 2004 gab die Klägerin bzgl. der Versicherten zusätzlich zu den bereits genannten Diagnosen an:
"Klinisch imponiert das Bild eines hyperkinetischen Herzsyndroms mit art. Hypertonus. Die Patientin fühlte sich wegen beobachteter Tachykardieneigung unter normaler Belastung deutlich körperlich eingeschränkt. Da die Patientin auch berufstätig ist, sollte vorzugsweise ein Antihypertensivum mit gesicherter 24- Stunden- Wirkung verordnet werden. Daneben bedarf es auch eines einfachen Behandlungsschemas. Im weiteren wurde ein Augenmerk auf die Erhaltung der körperlichen Aktivität der Patientin gelegt, um letztlich auch hier einen Arbeitsausfall zu vermeiden. Konventionelle &946;- Blocker schränken häufig die körperliche Leistungsfähigkeit deutlich ein, da sowohl Stoffwechsel als auch die periphere Durchblutung negativ beeinflusst werden ... Sollen Patienten zur sportlichen Aktivität motiviert werden, darf ihre körperliche Leistungsfähigkeit nicht beschnitten werden. Nebivolol erhält die körperliche Leistungsfähigkeit der hypertonen Patientin."
Mit Beschluss vom 4. Oktober 2004 setzte der Prüfungsausschuss "gemäß § 25 der Prüfvereinbarung vom 20. Juni 2003 [.] eine Schadensersatzverpflichtung in Höhe von EUR 66,52 fest" und führte zur Begründung u.a. aus: Bei drei Patientinnen der Klägerin, u.a. der Versicherten, sei Nebilet in der Primärtherapie eingesetzt worden, d.h., die Klägerin habe, um evtl. Nebenwirkungen zu vermeiden, das Präparat verordnet, ohne vorher einen Therapieversuch mit einem wirtschaftlicheren Medikament durchzuführen. Dies sei nicht nachvollziehbar, weil die in den Fachinformationen angegebenen Kontraindikationen Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen für alle &946;-Rezeptorenblocker gleichermaßen gälten. Den auf die Versicherte entfallende Schadensbetrag in Höhe von 22,17 EUR errechnete der Prüfungsausschuss aus der Nettodifferenz zwischen Nebilet und dem Referenzwirkstoff Bisoprolol bei der verordneten Packungsgröße N 2, da dieses Präparat der Wirkungsweise von Nebilet am nächsten komme.
Gegen diese Entscheidung erhoben sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene zu 1) Widerspruch. Die Klägerin brachte im Widerspruchsverfahren vor, Therapieziel sei die Senkung des Bluthochdrucks bei gleichzeitiger Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit gewesen. Im Vergleich zu anderen &946;-Blockern habe Nebivolol keinen negativen Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit. Bei Bisoprolol schwankten unter körperlicher Belastung die Plasmaspiegel, während sie unter Nebivolol stabil blieben. Dies ergebe sich aus den näher benannten Studien. Der vom Prüfungsausschuss geforderte Therapieversuch mit Bisoprolol scheide daher bei der Versicherten aus medizinisch-wissenschaftlichen Gründen aus.
Mit Beschluss vom 02. Juni 2005 wies der Beklagte den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) zurück, da diese nicht Beteiligte an dem nach § 25 Prüfvereinbarung (PV) durchgeführten Verfahren sei und mangels Verletzung eigener Rechte auch nicht hätte beteiligt werden müssen. Zugleich änderte der Beklagte auf den Widerspruch der Klägerin den Beschluss des Prüfungsausschusses vom 4. Oktober 2004 insoweit ab, als eine Ersatzverpflichtung in Höhe von 44,34 EUR festgesetzt werde. Während sich bezüglich der Patientin I S. die medizinische Notwendigkeit der Verordnung von Nebilet aus dem Gesamtkrankheitsbild ergebe, seien für die Versicherte sowie eine weitere Patientin weitere sich auf den Einsatz des beanstandenden Präparates Nebilet beziehende Diagnosen bzw. Informationen auch nach Hinzuziehung der jeweiligen Behandlungsscheine nicht zu entnehmen.
Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, dass dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die Besonderheit liege darin, dass hier nicht die antragstellende Krankenkasse nach interner Prüfung zu der Überzeugung gelangt sei, eine unwirtschaftliche Verordnung habe im Einzelfall vorgelegen. Stattdessen nutzten nach der früheren BKK Berlin (heute: City BKK) nun auch 3 Ersatzkassen das Verfahren der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit im Einzelfall, um ohne konkrete Informationen zum Einzelfall sämtliche Verordnungen bestimmter Fertigarzneimittel unter Regress zu stellen. Durch die Einleitung dieser Regressverfahren seien die Ärzte trotz der vergleichsweise geringen Regressdrohung gezwungen, ihre Verordnungsweise im Einzelfall darzulegen. Da sämtliche Nebivolol-Verordnungen unter Regressdrohung gestellt würden, käme auf die betroffenen Vertragsärzte regelmäßig ein enormer Arbeitsaufwand zu. Da die mit dem umfangreichen Prüfverfahren einhergehenden Kosten in keinem Verhältnis zum möglichen Regressbetrag stünden, erkläre sich die Vorgehensweise der Krankenkassen allein so, dass durch Verursachung von Mehrarbeit bei den Ärzten von der Verordnung von Nebivolol abgeschreckt werden solle. Es gehe also weniger um die Überprüfung einer Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall als vielmehr um einen Verdrängung so genannter Analogpräparate (noch unter Patentschutz stehende Arzneimittel mit "analogen" Wirkungen wie die älteren Präparate derselben Medikamentenklasse). Durch eine neuerliche Antragswelle der Krankenkassen im Sommer 2005 habe sich die Bedeutung der Angelegenheit dramatisch verschärft.
Der Bescheid des Beklagten sei aus mehreren Gründen rechtswidrig. Zum einen sei die vom Beklagten in Bezug genommene Prüfvereinbarung vom 20. Juni 2003 erst im August 2003 im KV-Blatt veröffentlicht worden und könne daher nur Sachverhalte erfassen, die sich nach dem August 2003 ereignet hätten. Soweit § 28 Abs. 1 Satz 1 der PV vom 20. Juni 2003 das Inkrafttreten dieser Vereinbarung zum 1. Oktober 2002 anordne, liege eine verfassungswidrige echte Rückwirkung vor, da in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen werde. Der Antrag der Beigeladenen zu 2) hätte daher als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden müssen. Darüber hinaus beeinträchtige die Einleitung eines Wirtschaftlichkeitsprüfverfahrens den betroffenen Vertragsarzt in seiner Berufsfreiheit, weil er unabhängig vom Ausgang des Verfahrens jedenfalls durch seine Mitwirkungspflichten belastet werde. Aber auch sämtliche Vertragsärzte sowie die Versicherten würden durch die Auslösung von kostenverursachenden Prüfverfahren finanziell belastet und damit ebenfalls in ihren Grundrechten beeinträchtigt. Ohne konkrete Anhaltspunkte, quasi "ins Blaue hinein" gestellte Prüfanträge seien unzulässig. Die Möglichkeit, evtl. einzelne unwirtschaftliche Verordnungen dadurch herauszufiltern, dass sämtliche Arz¬neimittelverordnungen dem Pauschalverdacht der Unwirtschaftlichkeit unterworfen werden, sei kein von § 106 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verfolgtes Ziel. Auch wenn konkrete Anhaltspunkte fehlten, könne die Unwirtschaftlichkeit bei der Verordnungsweise durch andere nach § 106 SGB V vorgesehene Instrumentarien, insbesondere die Richtgrößenprüfung, geprüft werden. Entgegen der Darstellung der Beigeladenen zu 2) entfielen von den gesamten &946;-Blocker-Ver¬ord¬nungen der Klägerin im Quartal III/03 nur 10,9 % auf Nebilet. Dieses Arzneimittel überschreite damit den von der Beigeladenen zu 2) behaupteten Durchschnittsanteil der Nebivolol-Verordnungen an den &946;-Blocker-Verordnungen in Höhe von 7,4 % nur um 40 %, was für eine auf die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen spezialisierte Fachärztin eher wenig erscheine. Schließlich sei die Mitwirkung von Herrn W Sch als Vertreter der Krankenkassen an der Entscheidung des Beklagten gemäß § 3 Abs. 3 PV i.V.m. § 17 Abs. 2, § 16 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verfahrensfehlerhaft, weil Herr Sch gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht geeignet gewesen sei, an der Entscheidung mitzuwirken. Da Herr Sch an der Erarbeitung des Konzepts zum flächendeckenden Angriff auf Analogpräparate maßgeblich beteiligt gewesen sei, liege ein Grund vor, der geeignet sei, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Er habe die standardisierten Formulierungen in den Anträgen der BKK Berlin, denen sich einzelne andere Krankenkassen für spätere Quartale angeschlossen hätten, ausgearbeitet und zahlreiche Widerspruchsbegründungen in durch Anträge der BKK Berlin eingeleiteten Prüfverfahren verfasst. Der Prüfantrag vom 17. Juni 2004 verstoße jedoch auch gegen die in § 25 Abs. 2 Satz 2 PV geregelte Bagatellgrenze von 50,00 EUR je Arzneimittelverordnung. Der Prüfantrag sei ferner unbegründet, weil die Auffassung, vor dem Einsatz eines teureren Arzneimittels sei ein Therapieversuch mit einem billigeren Arzneimittel durchzuführen, rechtlich nicht haltbar sei. Sei das teurere Präparat aus medizinischen Gründen notwendig, die die Preisdifferenz überwögen, so sei die Verordnung wirtschaftlich, ohne dass es eines vorhergehenden Therapieversuchs mit einem billigeren Präparat bedürfe. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Ausarbeitung der abstrakten Unterschiede zwischen Nebivolol und Atenolol belege, dass in Einzelfällen eine Verordnung von Nebivolol statt Atenolol wirtschaftlich, weil medizinisch notwendig sein könne. Vor dem Hintergrund von § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V, wonach gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen sollten, sei die angegriffene Entscheidung auch ermessensfehlerhaft. Die Verordnung von sieben unterschiedlichen &946;-Blockern im streitigen Quartal III/03 belege, dass die Klägerin eine patientenindividuelle Auswahl treffe. Außerdem lasse sich den Frühwarndaten für das Quartal III/03 entnehmen, dass die Klägerin die Arzneimittelrichtgröße um über 73 % unterschreite, was die kostenbewusste und wirtschaftliche Verordnungsweise der Klägerin verdeutliche.
Mit Urteil vom 31. Mai 2006 hob das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2005 auf und führte zur Begründung aus, eine Einzelfallprüfung bezüglich der Verordnung zugunsten der Versicherten habe mangels Anhaltspunkten für eine Unwirtschaftlichkeit sowie wegen Unterschreitens der Bagatellgrenze nicht durchgeführt werden dürfen.
Gegen dieses ihr am 31. Oktober 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. November 2006 eingelegte, vom Sozialgericht zugelassene Berufung des Beklagten, zu dessen Begründung er ausführt: Das Sozialgericht habe die Frage der Zulässigkeit eines Antrages mit dessen Begründetheit verknüpft. Auch seine Ausführungen zur so genannten Bagatellgrenze seien rechtsirrig. Sowohl § 24 Abs. 3 PV als auch § 25 Abs. 2 PV knüpften an § 51 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) an. Dort heiße es, dass der Schadensbetrag pro Vertragsarzt, Krankenkasse und Quartal über der Bagatellgrenze liegen müsse. Als Alternativmedikament werde Bisoprolol-ratiopharm 10 benannt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Dass § 24 Abs. 3 und § 25 Abs. 2 PV an § 51 BMV-Ä anknüpften, sei sowohl wegen der andersartigen Formulierung als auch der unterschiedlichen Höhe der Bagatellgrenze (25,26 EUR nach § 51 BMV-Ä) sehr unwahrscheinlich.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich nicht zur Sache.
Mit Beschluss vom 31. Juli 2007 hat der Senat das die Patientin G S betreffende Verfahren vom hiesigen Rechtsstreit L 7 KA 131/06 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen L 7 KA 119/07 fortgeführt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2005 aufgehoben, denn dieser erweist sich als rechtswidrig.
I. Einer Entscheidung des Senats steht nicht entgegen, dass das Sozialgericht Berlin im Rechtsstreit S 79 KA 260/05 mit rechtskräftigem Urteil ebenfalls vom 31. Mai 2006 auf eine Klage der hiesigen Beigeladenen zu 1) hin den (auch im hiesigen Rechtsstreit) angegriffenen Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2005 aufgehoben hat. Obwohl der Antrag der dortigen Klägerin auf vollständige Aufhebung dieses Bescheids gerichtet war und der Urteilstenor eine nur eingeschränkte Aufhebung des Bescheids nicht erkennen lässt, ist aufgrund einer sachgerechten Auslegung des Urteils und des dortigen klägerischen Vorbringens davon auszugehen, dass eine Aufhebung des Bescheids vom 2. Juni 2005 nur insoweit erfolgen sollte, als dieser die dortige Klägerin durch Zurückweisung ihres Widerspruchs wegen Unzulässigkeit beschwerte.
II. Rechtsgrundlage des Bescheids vom 2. Juni 2005 sind § 106 Abs. 2 und 3 SGB V in der vom 1. Januar 2004 bis zum 7. November 2006 geltenden, hier maßgeblichen Fassung (alte Fassung - aF) i.V.m. § 14 der zwischen der Beigeladenen zu 2) und den (Landes-)Verbänden der Krankenkassen im Land Berlin abgeschlossenen Prüfvereinbarung vom 10. Januar 1994 (PV aF).
Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung geprüft durch 1. arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 SGB V (Auffälligkeitsprüfung), 2. arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 vom Hundert der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung). Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (§ 106 Abs. 2 Satz 4, 1. Halbsatz SGB V). Nach Abs. 3 Sätze 1 und 3 dieser Vorschrift vereinbaren die in Absatz 2 Satz 4 genannten Vertragspartner Inhalt und Durchführung u.a. der Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 2 gemeinsam und einheitlich. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen vorgenommen werden; festzulegen ist ferner, dass der Prüfungsausschuss auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkasse oder ihres Verbandes Einzelfallprüfungen durchführt.
1. Da die hier streitgegenständliche Verordnung bereits im Juli 2003 erfolgte, konnte der Klägerin zu diesem Zeitpunkt die erst am 1. August 2003 veröffentlichte Prüfvereinbarung vom 20. Juni 2003 noch nicht bekannt sein. Ob in der rückwirkend zum 1. Oktober 2002 erfolgten In-Kraft-Setzung dieser Vereinbarung ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liegt, kann offen bleiben, da die streitgegenständliche Regressforderung auch auf die Vorgängervorschrift (§ 14 aF) gestützt werden kann. Dieser Austausch der Rechtsgrundlage ist zulässig, da das Gericht nur die Rechtmäßigkeit des Verfügungssatzes überprüft, ohne an die von der Behörde herangezogene Begründung gebunden zu sein.
§ 14 PV aF ("Prüfung in besonderen Fällen / sonstiger Schaden") lautete:
"1. Der Prüfungsausschuss entscheidet auf Antrag einer Krankenkasse im Einzelfall über einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Vertragsarzt oder eine der Personen, für die er haftet, bei Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat. Unterschiedliche vertragliche Regelungen (Bundesmantelvertrag, Arzt-/Ersatzkassenvertrag) finden Anwendung.
2. Der Antrag ist zu begründen und muss innerhalb einer Frist von 6 Monaten seit Bekanntwerden des Sachverhalts beim Prüfungsausschuss vorliegen. Bei nicht verordnungsfähigen Präparaten beginnt die Frist mit dem Eingang der sortierten Rezepte bei der jeweiligen Krankenkasse. Die Krankenkasse muss dem Antrag alle zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen und die Nachweise zur Schadenshöhe beifügen sowie die Höhe des Schadens benennen.
3. Hält die KV Berlin Regressansprüche gegen einen Vertragsarzt wegen der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln, die von der Versorgung ausgeschlossen sind, für berechtigt, wird sie den Vertragsarzt entsprechend informieren und den jeweiligen Schadensbetrag bei Einverständnis des Vertragsarztes einbehalten und an die Krankenkasse abführen.
4. Der Antrag kann sich nur auf den Zeitraum der letzten, dem Antrag vorausgegangenen 2 Kalenderjahre erstrecken.
5. Ein Antrag ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Schadensbetrag DM 100,00 nicht übersteigt. Dies gilt nicht für Anträge betreffend ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel gemäß gesetzlicher oder vertraglicher Regelungen."
Der Bescheid des Beklagten erweist sich als rechtswidrig. Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine auf § 14 PV aF gestützte Schadensersatzforderung des Beklagten vor. Der Beklagte hat jedoch das ihm zustehende Ermessen nicht ausgeübt.
2. Nach dem dem Senat bekannten Sachverhalt ist die Durchführung einer - eingeschränkten, d.h. die von der Klägerin angegebenen Diagnosen als zutreffend unterstellenden (BSG, Urteil vom 21. Juni 1995, Az.: 6 RKa 43/94 = BSGE 77, 53) - Einzelfallprüfung durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (BSG, Urteile vom 5. November 2008, Az.: B 6 KA 63/07 R und B 6 KA 64/07 R, und vom 6. Mai 2009, Az.: B 6 KA 3/08 R, aller veröffentlicht in Juris). Zwar könnte das von der Beklagten zu 2) gewählte Aufgreifkriterium - der statistische Vergleich der Verordnung von &946;-Blockern - eine Prüfung nach Durchschnittswerten nahe legen. Die u.U. vorrangige statistische Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, Az.: B 6 KA 36/98, veröffentlicht in Juris m.w.N.) hätte allerdings vorausgesetzt, dass die beim geprüften Arzt zugrunde gelegte Fallzahl mindestens 20 % der durchschnittlichen Fallzahl je Arzt (BSG a.a.O. m.w.N.) innerhalb einer aus mindestens sieben Kollegen bestehenden Vergleichsgruppe (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005, Az.: B 6 KA 72/03, veröffentlicht in Juris) beträgt. Dies war anhand der dem Senat mitgeteilten Daten nicht zu beurteilen. Eine als Alternative ebenfalls in Betracht kommende Richtgrößenprüfung hätte sämtliche Arzneimittelverordnungen der Klägerin innerhalb eines Jahres zum Gegenstand gehabt, jedoch die quartalsbezogene Prüfung, ob die Verordnung bestimmter Arzneimittel bzw. Wirkstoffe wirtschaftlich erfolgte, gerade nicht ermöglicht.
3. Die streitgegenständliche Verordnung vom 14. Juli 2003 war unwirtschaftlich.
Grundsätzlich gilt das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der Gesetzlichen Krankenversicherung auch im Verhältnis zweier therapeutisch gleichwertiger, aber unterschiedlich teurer Arzneimittel. Dies zählt als sog. Minimalprinzip schon seit der Einführung von § 368 p Reichsversicherungsordnung zum 1. Januar 2005 zu den Kernbestandteilen des Wirtschaftlichkeitsgebots im engeren Sinne (BSG, Urteil vom 31. Mai 2007, Az.: B 6 KA 13/05 R - "Clopidogrel" -, veröffentlicht in Juris) und ist vom Vertragsarzt bei der Auswahl der Präparate zu beachten (BSG, Beschluss vom 31. Mai 2006, Az.: B 6 KA 68/05 B; Urteil vom 20. Oktober 2004, Az.: B 6 KA 41/03 R, beide veröffentlicht in Juris).
Im Rahmen der Prüfung, ob die Verordnung eines Arzneimittels unwirtschaftlich war, ist dem Beschwerdeausschuss kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Zwar besteht für die Prüfgremien bei einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007, Az.: B 6 KA 27/06 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.) oder einer Richtgrößenprüfung (BSG, Urteil vom 2. November 2005, Az.: B 6 KA 63/04 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.) ein eingeschränkter Beurteilungsspielraum. Bei einem Einzelverordnungsregress kann die Frage der Unwirtschaftlichkeit jedoch regelmäßig nur bejaht oder verneint werden (BSG, Urteile vom 5. November 2008 und vom 6. Mai 2009, a.a.O.)
Unwirtschaftlich ist eine Arzneimittelverordnung schon dann, wenn anstelle des verordneten Wirkstoffes ein preiswerterer, therapeutisch generell gleichwertiger Wirkstoff zur Verfügung steht. Der Senat stellt insofern bewusst auf den abstrakten, d.h. losgelöst von der betroffenen Versicherten vorgenommenen Vergleich von Wirkstoffen ab. Zwar könnte auch bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe ein Vergleich konkreter Arzneimittel vorgenommen werden. Dem steht jedoch zum einen entgegen, dass hierfür in der Entscheidung des Beschwerdeausschusses ein konkretes Alternativpräparat benannt werden müsste. Sollte sich dieses im Laufe des Gerichtsverfahrens - z.B. wegen Kontraindikationen oder Nebenwirkungen im Hinblick auf weitere Erkrankungen der konkreten Versicherten - als ungeeignet herausstellen, hätten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit wegen des fehlenden Beurteilungsspielraums bei der Prüfung der Unwirtschaftlichkeit selbst zu ermitteln, welches der generell in Betracht kommenden Alternativpräparate im konkreten Fall vorzugswürdig gewesen wäre. Der Umstand, dass gegenwärtig allein 107 bisoprolol-haltige, 164 metoprolol-haltige und 85 atenolol-haltige Arzneimittel (recherchiert über das vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information - DIMDI - unter www.pharmnet-bund.de zur Verfügung gestellt Arzneimittelinformationssystem) zugelassen sind - die weiteren 9 in der Untergruppe C07AB ("Beta-Adrenorezeptor-Antagonisten, selektiv") des ATC-Codes aufgeführten Wirkstoffe seien an dieser Stelle unberücksichtigt - , belegt, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hiermit überfordert wären. Gegen einen Arzneimittelvergleich schon auf dieser ersten Prüfungsstufe spricht zum anderen, dass dieser sinnvoll nur unter Berücksichtigung des gesamten Gesundheitszustands sowie ggf. weiterer Lebensumstände (Berufstätigkeit etc.) der konkret betroffenen Versicherten durchgeführt werden kann. Die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls findet jedoch nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.) typischerweise erst im Rahmen der Ermessensausübung statt.
Die Unwirtschaftlichkeit im vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass anstelle des teureren Wirkstoffs Nebivolol der - wohl aufgrund einer Festbetragsfestsetzung - preiswertere Wirkstoff Bisoprolol zur Verfügung steht und letzterer ausweislich der Fachinformation (Stand: Januar 2002) ebenfalls zur Behandlung der arteriellen Hypertonie zugelassen ist. Soweit im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Feststellung eines Mehraufwandes gefordert wird, besteht dieser zumindest in der Differenz zwischen dem packungsgrößenbezogenen Nettopreis (d.h. nach Abzug von Apothekenrabatt und Eigenanteil der Versicherten) von Nebilet und dem teuersten Arzneimittel aus der Gruppe der selektiven &946;-Rezeptorenblocker.
4. Die vom Beklagten aufgrund der festgestellten Unwirtschaftlichkeit verfügte Rechtsfolge, die Festsetzung einer Ersatzverpflichtung i.H.v. 22,17 EUR, steht wegen fehlender Ermessensausübung mit geltendem Recht nicht in Einklang.
a.) Grundsätzlich ist im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen gemäß § 106 SGB V Ermessen hinsichtlich der Höhe des Regresses auszuüben (BSG a.a.O.; Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann (Hrsg), jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 m.w.N.)Bei der Festlegung der Regresshöhe als Reaktion auf die festgestellte Unwirtschaftlichkeit steht den Prüfgremien regelmäßig ein Ermessensspielraum zu, der die Möglichkeit einer ganzen Bandbreite denkbarer vertretbarer Entscheidungen eröffnet. Gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG ist eine derartige Ermessensentscheidung von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ein Gericht darf sein Kürzungsermessen dagegen nicht an die Stelle desjenigen der Prüfgremien setzen (BSG, Urteil vom 21. Mai 2003, Az.: B 6 KA 32/02 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.)
Im Rahmen der Ermessensausübung hat der Beschwerdeausschuss zunächst dem beanstandeten Arzneimittel ein konkretes Alternativpräparat gegenüber zu stellen (hierzu unter aa), um ausgehend hiervon den (maximalen) Schadensbetrag zu bestimmen (hierzu unter bb). In einem weiteren Schritt hat er sodann zu prüfen, in welcher konkreten Höhe ein Regress festgesetzt werden soll oder ob ggf. im Hinblick auf eine vorrangige Beratung von einem Regress abzusehen ist (hierzu unter cc).
aa.) Soll wegen der Verordnung eines teureren Arzneimittels ein Regress festgelegt werden, weil eine preiswertere, therapeutisch gleichwertige Alternative zur Verfügung steht, setzt dies zwingend einen Vergleich des beanstandeten mit einem anderen nach Wirkstärke und Darreichungsform konkretisierten Arzneimittel voraus, welches vom Beschwerdeausschuss in seiner Entscheidung zu benennen ist. Erst auf der Grundlage einer solchen Konkretisierung sind die Fragen nach der therapeutischen Gleichwertigkeit und - darauf aufbauend - dem Kostenvergleich möglich. Denn nur wenn - typischerweise zunächst anhand der arzneimittelrechtlichen Fachinformation nach § 11 a Arzneimittelgesetz - feststeht, für welche Anwendungsgebiete das Alternativpräparat zugelassen ist und welche Kontraindikationen, Warnhinweise, Neben- und Wechselwirkungen bestehen, ist zu beurteilen, ob dieses Alternativpräparat aus medizinischer Sicht bei der konkreten Versicherten unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustands sowie ggf. weiterer Lebensumstände (Berufstätigkeit etc.) hätte zum Einsatz kommen können. An dieser Stelle kommt der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidungsspielraum zum Tragen, der in der Rechtssprechung des BSG (Urteil vom 28. Juni 2000, a.a.O.) den Prüfgremien nach § 106 Abs. 4 SGB V als paritätisch und fachkundig besetzten Einrichtungen zugestanden wird. In diesem Zusammenhang sind die zwischen den Beteiligten und dem Senat in der mündlichen Verhandlung erörterten Fragen zu klären, ob im Hinblick auf bestimmte Nebenwirkungen ggf. bestehende Begleiterkrankungen ein Ausschlusskriterium darstellen und welche Bedeutung der Häufigkeit dieser Nebenwirkungen sowie den pharmakodynamischen und -kinetischen Eigenschaften der zu vergleichenden Arzneimittel zukommen.
bb.) Hat ein Vergleich des beanstandeten Arzneimittels mit einem oder mehreren Alternativpräparaten ergeben, dass diese als therapeutisch gleichwertig anzusehen sind, ist in einem weiteren Schritt zu ermitteln, ob zumindest eines dieser Alternativpräparate preiswerter ist. Hierfür ist zunächst ein Wirkstärkenvergleich anhand der definierten Tagesdosis (defined daily dose - DDD) vorzunehmen. Letzter ergibt sich aus der ATC-DDD, dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem (ATC-Code) - einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell herausgegebenen internationalen Klassifikation für Arzneistoffe -, das vom DIMDI seit dem 1. Januar 2004 in einer jährlich aktualisierten amtlichen Fassung mit definierten Tagesdosen gemäß § 73 Abs. 8 Satz 5 SGB V herausgegeben wird. Auf der Grundlage der DDD sind für die verglichenen Arzneimittel diejenigen Mengen zu ermitteln, die zur gleichen Wirkung bei der konkreten Versicherten führen (bei gleicher DDD je Verabreichungseinheit - z.B. Tablette - sind die Kosten gleicher Packungsgrößen gegenüberzustellen). Zu prüfen ist sodann, ob Besonderheiten der Dosierung Abweichungen bei den ansonsten wirkungsgleichen Mengen der zu vergleichenden Arzneimittel nach sich ziehen. So enthält Ziffer 4.2 ("Dosierung, Art und Dauer der Anwendung") der Fachinformation für Bisoprolol-ratiopharm 10 u.a. folgende Hinweise:
"Die Dosierung sollte individuell angepasst werden. Es wird empfohlen, mit der geringst möglichen Dosis zu beginnen. Bei manchen Patienten können 5 mg/Tag ausreichend sein. Die übliche Dosis beträgt 10 mg 1-mal täglich bei einer empfohlenen maximalen Tagesdosis von 20 mg. Die Behandlung sollte nicht abrupt beendet werden (siehe Abschnitt 4.4 "Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung”). Die Dosierung sollte langsam durch eine wöchentliche Halbierung der Dosis verringert werden."
Hinweise dieser Art veranlassen zur Prüfung, ob sich die Behandlung mit dem beanstandeten Arzneimittel in der Anfangs- oder Endphase befindet. Denn z.B. bei erstmaliger Verordnung wäre nach den o.g. Anwendungshinweisen zu prüfen, ob und ggf. wie lange zunächst Bisoprolol-ratiopharm 5 einzunehmen ist, sodass ggf. auch eine N1-Packung dieses Arzneimittels in den Preisvergleich eingestellt werden müsste. Entsprechendes gilt bei letztmaliger Verordnung.
Der Beschwerdeausschuss darf an dieser Stelle jedoch auch nicht außer Acht lassen, dass weder der Vertragsarzt noch der in der Regel pflichtversicherte Patient gehalten sind, zahlreiche Therapieversuche durchzuführen. Macht der Vertragsarzt z.B. geltend, einem Versicherten schon zwei preiswertere Arzneimittel mit demselben Anwendungsgebiet verordnet zu haben, die beide zu unerwünschten Nebenwirkungen geführt hätten, dürfte er nicht verpflichtet sein, vor Verordnung des teureren (Original-)Präparates zunächst sämtliche preiswerteren Nachahmerprodukte (Generika) bei diesem Versicherten auszutesten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass "der Gesetzgeber durch die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt" (BVerfGE 115, 25 m.w.N.), erscheint es auch im Lichte des Wirtschaftlichkeitsgebots unzumutbar, (Pflicht-)Versicherten im Rahmen der Versorgung mit Arzneimitteln Therapieexperimente abzuverlangen. Unabhängig hiervon hält es der Senat für möglich, dass der Versuch, bei einem Versicherten vor Verordnung eines teureren zunächst möglichst vie¬le preiswertere Arzneimittel zum Einsatz zu bringen, im Ergebnis unwirtschaftlicher sein kann, weil nach jedem Abbruch der Therapie mit einem der preiswerteren, aber medizinisch (z.B. wegen unerwünschter Nebenwirkungen) ungeeigneten Präparate der größte Teil der verordneten Medikamentenpackung ungenutzt bleibt.
cc.) Schließlich ist eine Entscheidung über die Höhe des Regressbetrages zu treffen. In diesem Zusammenhang können Abschläge wegen Unsicherheiten über die konkrete Schadenshöhe (z.B. für den soeben dargestellten Fall von Empfehlungen zur aufbauenden bzw. ausschleichenden Dosierung des Alternativpräparates) vorgenommen werden. Denkbar ist jedoch auch der völlige Verzicht auf die Festsetzung eines Regresses, weil in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles (z.B. Anfängerpraxis, geringe Schadenshöhe, Vielzahl der in Betracht zu ziehenden Alternativpräparate, Vielzahl der Begleiterkrankungen der konkreten Versicherten) eine Beratung als ausreichende Reaktion angesehen wird.
Das Erfordernis vorgängiger Beratung stellt gemäß § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V aF nur eine "Soll"-Vorgabe dar, die entsprechend dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt. Eine solche Konstellation ist bei statistischen Durchschnittsprüfungen daran festgemacht worden, ob ein Mehraufwand im Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses vorliegt; eine vorausgehende Beratung ist dann nicht erforderlich. Nichts anderes gilt bei Regressen aufgrund von Einzelfallprüfungen, wenn schon die Verordnungsfähigkeit fehlt. Dies ist ein "Basis"mangel, sodass unzweifelhaft Unwirtschaftlichkeit gegeben ist und somit ein Fall vorliegt, in dem eine vorgängige Beratung regelmäßig nicht mehr erforderlich ist (BSG, Urteil vom 6. Mai 2009, a.a.O.). In Fällen, in denen die Unwirtschaftlichkeit auf der Verordnung eines teureren Arzneimittel beruht, für das eine preiswertere, therapeutische gleichwertige Alternative besteht, könnte ggf. etwas anderes gelten, weil bereits eine Beratung dazu führt, dass der Vertragsarzt sich künftig die unterschiedlichen Kosten vergegenwärtigt und einzelfallbezogen abwägt, ob der Einsatz des preiswerteren Arzneimittels vertretbar ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004, a.a.O.).
b.) Ermessenserwägungen dieser Art finden sich in der angegriffenen Entscheidung des Beklagten nicht. Ungeachtet der fehlenden Benennung eines konkreten Alternativpräparates sowie der daraus folgenden fehlenden Auseinandersetzung mit Begleiterkrankungen der Versicherten einerseits und Nebenwirkungen dieses Alternativpräparates andererseits lässt die Entscheidung des Beklagten in keiner Weise erkennen, dass er sich seines Ermessensspielraums bewusst war. Eine wertende Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist ihr nicht zu entnehmen.
Ohne die erforderliche Ermessensausübung ist der Bescheid des Beklagten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG rechtswidrig. Diese Vorschrift ist über ihren Wortlaut hinaus auch auf den hier vorliegenden sog. Ermessensnichtgebrauch anzuwenden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Sozialgerichtsgesetz, 9.A., § 54 Rd. 27). Im Falle des Ermessensnichtgebrauchs ist auch eine Heilung des Begründungsmangels durch das Nachschieben von Ermessenserwägungen (vgl. § 41 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 SGB X) nicht möglich (a.a.O. Rd. 36 m.w.N.).
Deshalb kann offen bleiben, ob eine analoge Anwendung von § 114 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hier in Betracht käme. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Die erstmalige Ausübung von Ermessen während des gerichtlichen Verfahrens mit anschließender Mitteilung der Ermessenserwägungen ist von § 114 Satz 2 VwGO jedoch nicht erfasst (Bundesverwaltungsgericht DVBl. 07, 260).
Selbst wenn man das Nachholen einer Ermessensausübung während des Gerichtsverfahrens für zulässig hielte, stünden dem im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gewichtige Bedenken entgegen, sollte das Nachholen - wie hier - allein durch den - grundsätzlich umfassend zur Vertretung des Beschwerdeausschusses berechtigten - Vorsitzenden erfolgen. Denn die besondere aus seiner Zusammensetzung herrührende Fachkunde dieses Gremiums, die die Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraums rechtfertigt, käme in einem solchen Fall nicht zum Tragen.
5. Ob die Entscheidung des Beklagten vom 2. Juni 2005 aus weiteren Gründen - etwa wegen der Mitwirkung von Herrn Sch, wegen unzureichender "Begründung" i.S.v. § 25 Nr. 2 Satz 1 PV oder wegen Missachtung der Bagatellgrenze - unwirksam ist, kann demzufolge offen bleiben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Regress wegen der Verordnung des Arzneimittels Nebilet im Quartal III/03.
Die Klägerin nimmt als Fachärztin für Innere Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk B-K (Ortsteil B) teil. Sie verordnete ihrer bei der Beigeladenen zu 2) krankenversicherten, 1958 geborenen Patientin C P (im Folgenden: die Versicherte) zur Behandlung eines hyperkinetischen Herzsyndroms mit arteriellem Hypertonus am 14. Juli 2003 das Arzneimittel Nebilet 50 Tbl. (Packungsgröße N 2). Ausweislich der Fachinformation (Stand: März 2001) war dieses Arzneimittel, ein selektiver &946;-Rezeptorenblocker, damals zur Behandlung der essenziellen Hypertonie zugelassen und enthält als Wirkstoff 5 mg Nebivolol (als Nebivololhydrochlorid). Nach Auffassung des pharmazeutischen Herstellers unterscheidet sich der Wirkmechanismus von Nebivolol wesentlich von den Wirkmechanismen anderer &946;-Rezeptorenblocker wie z.B. Bisoprolol und Metoprolol. Deren Wirkung beschränke sich darauf, dem Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz entgegen zu wirken, indem sie an die &946;-1-Rezeptoren anbänden. Der pharmakologische Effekt von Nebivolol gehe darüber hinaus, weil es gleichzeitig - nach Ziffer 5.1 der o.g. Fachinformation allerdings nur milde - vasodilatierend (gefäßerweiternd) und somit ebenfalls blutdrucksenkend wirke (vgl. Beschluss des Senats vom 19. Dezember 2008, Az.: L 9 B 192/08 KR ER, veröffentlicht in Juris).
Mit am 17. Juni 2004 beim Prüfungsausschuss eingegangenen Schreiben stellte die Beigeladene zu 2) einen "Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nach § 106 SGB V und § 25 Abs. 1 der Prüfvereinbarung" wegen der o.g. Verordnung der Klägerin. Zur Begründung führte die Beigeladene zu 2) aus:
"Die Auswertung der Verordnungen von Betablockern im 3. Quartal 2003 hat ergeben, dass in der Arztpraxis mehr als 15 % der Verordnungen auf das kostspielige Präparat Nebilet (Wirkstoff Nebivolol) entfielen, obwohl preiswertere, therapeutisch gleichwertige Alternativen zur Verfügung standen. Damit liegt der Verordnungsanteil mehr als 100 % über dem Durchschnitt, den die Berliner Ärzte bei den Betablockern erreichten. Bei Zugrundelegung von mehr als 70 % der GKV-Verordnungen in Berlin im angesprochenen Quartal hat sich gezeigt, dass bei den drei Betablockern Atenolol, Metoprolol und Nebivolol insgesamt der Anteil der Nebivolol-Verordnungen 7,4 % ausmacht.
Nebivolol ist nach der Bewertung im Arzneiverordnungsreport (AVR 2003, S. 359), nur als Analogpräparat mit dreifach höheren Therapiekosten als Atenolol zu betrachten’. Für die zusätzlichen vasodilatierenden Eigenschaften dieses langwirkenden Betablockers wurden signifikante Unterschiede in der blutdrucksenkenden Wirkung und im peripheren Widerstand nicht nachgewiesen. Eine klinische Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Betablockern, z. B. Atenolol, ist durch Studien nicht belegt. Auch die von der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft im Jahr 1998 veröffentlichten Empfehlungen zur Therapie der arteriellen Hypertonie, welche der Vertragsarzt zu beachten hat, gaben keinen Hinweis auf besondere Eigenschaften des Nebivolols.
Die Therapie mit Nebivolol ist in allen Packungsgrößen unwirtschaftlicher als mit den genannten vergleichbaren Betablockern, die auch als preisgünstige Generika zur Verfügung stehen. Daher ist für eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechende Therapie die Verordnung von Nebivolol weder notwendig noch wirtschaftlich. Sie stellt somit einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V dar.
Auf diese Zusammenhänge und die Alternativen haben die Berliner Krankenkassen gemeinsam mit der KV Berlin in den letzten Jahren mehrmals hingewiesen.
Wir beantragen daher, ein Schadenersatzverpflichtung in Höhe von 161,8 EUR festzusetzen. Die Einzelheiten sind aus der Anlage zu entnehmen."
In ihrer vom Prüfungsausschuss veranlassten Stellungnahme vom 11. Juli 2004 gab die Klägerin bzgl. der Versicherten zusätzlich zu den bereits genannten Diagnosen an:
"Klinisch imponiert das Bild eines hyperkinetischen Herzsyndroms mit art. Hypertonus. Die Patientin fühlte sich wegen beobachteter Tachykardieneigung unter normaler Belastung deutlich körperlich eingeschränkt. Da die Patientin auch berufstätig ist, sollte vorzugsweise ein Antihypertensivum mit gesicherter 24- Stunden- Wirkung verordnet werden. Daneben bedarf es auch eines einfachen Behandlungsschemas. Im weiteren wurde ein Augenmerk auf die Erhaltung der körperlichen Aktivität der Patientin gelegt, um letztlich auch hier einen Arbeitsausfall zu vermeiden. Konventionelle &946;- Blocker schränken häufig die körperliche Leistungsfähigkeit deutlich ein, da sowohl Stoffwechsel als auch die periphere Durchblutung negativ beeinflusst werden ... Sollen Patienten zur sportlichen Aktivität motiviert werden, darf ihre körperliche Leistungsfähigkeit nicht beschnitten werden. Nebivolol erhält die körperliche Leistungsfähigkeit der hypertonen Patientin."
Mit Beschluss vom 4. Oktober 2004 setzte der Prüfungsausschuss "gemäß § 25 der Prüfvereinbarung vom 20. Juni 2003 [.] eine Schadensersatzverpflichtung in Höhe von EUR 66,52 fest" und führte zur Begründung u.a. aus: Bei drei Patientinnen der Klägerin, u.a. der Versicherten, sei Nebilet in der Primärtherapie eingesetzt worden, d.h., die Klägerin habe, um evtl. Nebenwirkungen zu vermeiden, das Präparat verordnet, ohne vorher einen Therapieversuch mit einem wirtschaftlicheren Medikament durchzuführen. Dies sei nicht nachvollziehbar, weil die in den Fachinformationen angegebenen Kontraindikationen Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen für alle &946;-Rezeptorenblocker gleichermaßen gälten. Den auf die Versicherte entfallende Schadensbetrag in Höhe von 22,17 EUR errechnete der Prüfungsausschuss aus der Nettodifferenz zwischen Nebilet und dem Referenzwirkstoff Bisoprolol bei der verordneten Packungsgröße N 2, da dieses Präparat der Wirkungsweise von Nebilet am nächsten komme.
Gegen diese Entscheidung erhoben sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene zu 1) Widerspruch. Die Klägerin brachte im Widerspruchsverfahren vor, Therapieziel sei die Senkung des Bluthochdrucks bei gleichzeitiger Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit gewesen. Im Vergleich zu anderen &946;-Blockern habe Nebivolol keinen negativen Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit. Bei Bisoprolol schwankten unter körperlicher Belastung die Plasmaspiegel, während sie unter Nebivolol stabil blieben. Dies ergebe sich aus den näher benannten Studien. Der vom Prüfungsausschuss geforderte Therapieversuch mit Bisoprolol scheide daher bei der Versicherten aus medizinisch-wissenschaftlichen Gründen aus.
Mit Beschluss vom 02. Juni 2005 wies der Beklagte den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) zurück, da diese nicht Beteiligte an dem nach § 25 Prüfvereinbarung (PV) durchgeführten Verfahren sei und mangels Verletzung eigener Rechte auch nicht hätte beteiligt werden müssen. Zugleich änderte der Beklagte auf den Widerspruch der Klägerin den Beschluss des Prüfungsausschusses vom 4. Oktober 2004 insoweit ab, als eine Ersatzverpflichtung in Höhe von 44,34 EUR festgesetzt werde. Während sich bezüglich der Patientin I S. die medizinische Notwendigkeit der Verordnung von Nebilet aus dem Gesamtkrankheitsbild ergebe, seien für die Versicherte sowie eine weitere Patientin weitere sich auf den Einsatz des beanstandenden Präparates Nebilet beziehende Diagnosen bzw. Informationen auch nach Hinzuziehung der jeweiligen Behandlungsscheine nicht zu entnehmen.
Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, dass dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die Besonderheit liege darin, dass hier nicht die antragstellende Krankenkasse nach interner Prüfung zu der Überzeugung gelangt sei, eine unwirtschaftliche Verordnung habe im Einzelfall vorgelegen. Stattdessen nutzten nach der früheren BKK Berlin (heute: City BKK) nun auch 3 Ersatzkassen das Verfahren der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit im Einzelfall, um ohne konkrete Informationen zum Einzelfall sämtliche Verordnungen bestimmter Fertigarzneimittel unter Regress zu stellen. Durch die Einleitung dieser Regressverfahren seien die Ärzte trotz der vergleichsweise geringen Regressdrohung gezwungen, ihre Verordnungsweise im Einzelfall darzulegen. Da sämtliche Nebivolol-Verordnungen unter Regressdrohung gestellt würden, käme auf die betroffenen Vertragsärzte regelmäßig ein enormer Arbeitsaufwand zu. Da die mit dem umfangreichen Prüfverfahren einhergehenden Kosten in keinem Verhältnis zum möglichen Regressbetrag stünden, erkläre sich die Vorgehensweise der Krankenkassen allein so, dass durch Verursachung von Mehrarbeit bei den Ärzten von der Verordnung von Nebivolol abgeschreckt werden solle. Es gehe also weniger um die Überprüfung einer Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall als vielmehr um einen Verdrängung so genannter Analogpräparate (noch unter Patentschutz stehende Arzneimittel mit "analogen" Wirkungen wie die älteren Präparate derselben Medikamentenklasse). Durch eine neuerliche Antragswelle der Krankenkassen im Sommer 2005 habe sich die Bedeutung der Angelegenheit dramatisch verschärft.
Der Bescheid des Beklagten sei aus mehreren Gründen rechtswidrig. Zum einen sei die vom Beklagten in Bezug genommene Prüfvereinbarung vom 20. Juni 2003 erst im August 2003 im KV-Blatt veröffentlicht worden und könne daher nur Sachverhalte erfassen, die sich nach dem August 2003 ereignet hätten. Soweit § 28 Abs. 1 Satz 1 der PV vom 20. Juni 2003 das Inkrafttreten dieser Vereinbarung zum 1. Oktober 2002 anordne, liege eine verfassungswidrige echte Rückwirkung vor, da in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen werde. Der Antrag der Beigeladenen zu 2) hätte daher als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden müssen. Darüber hinaus beeinträchtige die Einleitung eines Wirtschaftlichkeitsprüfverfahrens den betroffenen Vertragsarzt in seiner Berufsfreiheit, weil er unabhängig vom Ausgang des Verfahrens jedenfalls durch seine Mitwirkungspflichten belastet werde. Aber auch sämtliche Vertragsärzte sowie die Versicherten würden durch die Auslösung von kostenverursachenden Prüfverfahren finanziell belastet und damit ebenfalls in ihren Grundrechten beeinträchtigt. Ohne konkrete Anhaltspunkte, quasi "ins Blaue hinein" gestellte Prüfanträge seien unzulässig. Die Möglichkeit, evtl. einzelne unwirtschaftliche Verordnungen dadurch herauszufiltern, dass sämtliche Arz¬neimittelverordnungen dem Pauschalverdacht der Unwirtschaftlichkeit unterworfen werden, sei kein von § 106 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verfolgtes Ziel. Auch wenn konkrete Anhaltspunkte fehlten, könne die Unwirtschaftlichkeit bei der Verordnungsweise durch andere nach § 106 SGB V vorgesehene Instrumentarien, insbesondere die Richtgrößenprüfung, geprüft werden. Entgegen der Darstellung der Beigeladenen zu 2) entfielen von den gesamten &946;-Blocker-Ver¬ord¬nungen der Klägerin im Quartal III/03 nur 10,9 % auf Nebilet. Dieses Arzneimittel überschreite damit den von der Beigeladenen zu 2) behaupteten Durchschnittsanteil der Nebivolol-Verordnungen an den &946;-Blocker-Verordnungen in Höhe von 7,4 % nur um 40 %, was für eine auf die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen spezialisierte Fachärztin eher wenig erscheine. Schließlich sei die Mitwirkung von Herrn W Sch als Vertreter der Krankenkassen an der Entscheidung des Beklagten gemäß § 3 Abs. 3 PV i.V.m. § 17 Abs. 2, § 16 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verfahrensfehlerhaft, weil Herr Sch gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht geeignet gewesen sei, an der Entscheidung mitzuwirken. Da Herr Sch an der Erarbeitung des Konzepts zum flächendeckenden Angriff auf Analogpräparate maßgeblich beteiligt gewesen sei, liege ein Grund vor, der geeignet sei, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Er habe die standardisierten Formulierungen in den Anträgen der BKK Berlin, denen sich einzelne andere Krankenkassen für spätere Quartale angeschlossen hätten, ausgearbeitet und zahlreiche Widerspruchsbegründungen in durch Anträge der BKK Berlin eingeleiteten Prüfverfahren verfasst. Der Prüfantrag vom 17. Juni 2004 verstoße jedoch auch gegen die in § 25 Abs. 2 Satz 2 PV geregelte Bagatellgrenze von 50,00 EUR je Arzneimittelverordnung. Der Prüfantrag sei ferner unbegründet, weil die Auffassung, vor dem Einsatz eines teureren Arzneimittels sei ein Therapieversuch mit einem billigeren Arzneimittel durchzuführen, rechtlich nicht haltbar sei. Sei das teurere Präparat aus medizinischen Gründen notwendig, die die Preisdifferenz überwögen, so sei die Verordnung wirtschaftlich, ohne dass es eines vorhergehenden Therapieversuchs mit einem billigeren Präparat bedürfe. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Ausarbeitung der abstrakten Unterschiede zwischen Nebivolol und Atenolol belege, dass in Einzelfällen eine Verordnung von Nebivolol statt Atenolol wirtschaftlich, weil medizinisch notwendig sein könne. Vor dem Hintergrund von § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V, wonach gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen sollten, sei die angegriffene Entscheidung auch ermessensfehlerhaft. Die Verordnung von sieben unterschiedlichen &946;-Blockern im streitigen Quartal III/03 belege, dass die Klägerin eine patientenindividuelle Auswahl treffe. Außerdem lasse sich den Frühwarndaten für das Quartal III/03 entnehmen, dass die Klägerin die Arzneimittelrichtgröße um über 73 % unterschreite, was die kostenbewusste und wirtschaftliche Verordnungsweise der Klägerin verdeutliche.
Mit Urteil vom 31. Mai 2006 hob das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2005 auf und führte zur Begründung aus, eine Einzelfallprüfung bezüglich der Verordnung zugunsten der Versicherten habe mangels Anhaltspunkten für eine Unwirtschaftlichkeit sowie wegen Unterschreitens der Bagatellgrenze nicht durchgeführt werden dürfen.
Gegen dieses ihr am 31. Oktober 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. November 2006 eingelegte, vom Sozialgericht zugelassene Berufung des Beklagten, zu dessen Begründung er ausführt: Das Sozialgericht habe die Frage der Zulässigkeit eines Antrages mit dessen Begründetheit verknüpft. Auch seine Ausführungen zur so genannten Bagatellgrenze seien rechtsirrig. Sowohl § 24 Abs. 3 PV als auch § 25 Abs. 2 PV knüpften an § 51 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) an. Dort heiße es, dass der Schadensbetrag pro Vertragsarzt, Krankenkasse und Quartal über der Bagatellgrenze liegen müsse. Als Alternativmedikament werde Bisoprolol-ratiopharm 10 benannt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Dass § 24 Abs. 3 und § 25 Abs. 2 PV an § 51 BMV-Ä anknüpften, sei sowohl wegen der andersartigen Formulierung als auch der unterschiedlichen Höhe der Bagatellgrenze (25,26 EUR nach § 51 BMV-Ä) sehr unwahrscheinlich.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich nicht zur Sache.
Mit Beschluss vom 31. Juli 2007 hat der Senat das die Patientin G S betreffende Verfahren vom hiesigen Rechtsstreit L 7 KA 131/06 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen L 7 KA 119/07 fortgeführt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2005 aufgehoben, denn dieser erweist sich als rechtswidrig.
I. Einer Entscheidung des Senats steht nicht entgegen, dass das Sozialgericht Berlin im Rechtsstreit S 79 KA 260/05 mit rechtskräftigem Urteil ebenfalls vom 31. Mai 2006 auf eine Klage der hiesigen Beigeladenen zu 1) hin den (auch im hiesigen Rechtsstreit) angegriffenen Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2005 aufgehoben hat. Obwohl der Antrag der dortigen Klägerin auf vollständige Aufhebung dieses Bescheids gerichtet war und der Urteilstenor eine nur eingeschränkte Aufhebung des Bescheids nicht erkennen lässt, ist aufgrund einer sachgerechten Auslegung des Urteils und des dortigen klägerischen Vorbringens davon auszugehen, dass eine Aufhebung des Bescheids vom 2. Juni 2005 nur insoweit erfolgen sollte, als dieser die dortige Klägerin durch Zurückweisung ihres Widerspruchs wegen Unzulässigkeit beschwerte.
II. Rechtsgrundlage des Bescheids vom 2. Juni 2005 sind § 106 Abs. 2 und 3 SGB V in der vom 1. Januar 2004 bis zum 7. November 2006 geltenden, hier maßgeblichen Fassung (alte Fassung - aF) i.V.m. § 14 der zwischen der Beigeladenen zu 2) und den (Landes-)Verbänden der Krankenkassen im Land Berlin abgeschlossenen Prüfvereinbarung vom 10. Januar 1994 (PV aF).
Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung geprüft durch 1. arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 SGB V (Auffälligkeitsprüfung), 2. arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 vom Hundert der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung). Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (§ 106 Abs. 2 Satz 4, 1. Halbsatz SGB V). Nach Abs. 3 Sätze 1 und 3 dieser Vorschrift vereinbaren die in Absatz 2 Satz 4 genannten Vertragspartner Inhalt und Durchführung u.a. der Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 2 gemeinsam und einheitlich. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen vorgenommen werden; festzulegen ist ferner, dass der Prüfungsausschuss auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkasse oder ihres Verbandes Einzelfallprüfungen durchführt.
1. Da die hier streitgegenständliche Verordnung bereits im Juli 2003 erfolgte, konnte der Klägerin zu diesem Zeitpunkt die erst am 1. August 2003 veröffentlichte Prüfvereinbarung vom 20. Juni 2003 noch nicht bekannt sein. Ob in der rückwirkend zum 1. Oktober 2002 erfolgten In-Kraft-Setzung dieser Vereinbarung ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liegt, kann offen bleiben, da die streitgegenständliche Regressforderung auch auf die Vorgängervorschrift (§ 14 aF) gestützt werden kann. Dieser Austausch der Rechtsgrundlage ist zulässig, da das Gericht nur die Rechtmäßigkeit des Verfügungssatzes überprüft, ohne an die von der Behörde herangezogene Begründung gebunden zu sein.
§ 14 PV aF ("Prüfung in besonderen Fällen / sonstiger Schaden") lautete:
"1. Der Prüfungsausschuss entscheidet auf Antrag einer Krankenkasse im Einzelfall über einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Vertragsarzt oder eine der Personen, für die er haftet, bei Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat. Unterschiedliche vertragliche Regelungen (Bundesmantelvertrag, Arzt-/Ersatzkassenvertrag) finden Anwendung.
2. Der Antrag ist zu begründen und muss innerhalb einer Frist von 6 Monaten seit Bekanntwerden des Sachverhalts beim Prüfungsausschuss vorliegen. Bei nicht verordnungsfähigen Präparaten beginnt die Frist mit dem Eingang der sortierten Rezepte bei der jeweiligen Krankenkasse. Die Krankenkasse muss dem Antrag alle zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen und die Nachweise zur Schadenshöhe beifügen sowie die Höhe des Schadens benennen.
3. Hält die KV Berlin Regressansprüche gegen einen Vertragsarzt wegen der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln, die von der Versorgung ausgeschlossen sind, für berechtigt, wird sie den Vertragsarzt entsprechend informieren und den jeweiligen Schadensbetrag bei Einverständnis des Vertragsarztes einbehalten und an die Krankenkasse abführen.
4. Der Antrag kann sich nur auf den Zeitraum der letzten, dem Antrag vorausgegangenen 2 Kalenderjahre erstrecken.
5. Ein Antrag ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Schadensbetrag DM 100,00 nicht übersteigt. Dies gilt nicht für Anträge betreffend ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel gemäß gesetzlicher oder vertraglicher Regelungen."
Der Bescheid des Beklagten erweist sich als rechtswidrig. Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine auf § 14 PV aF gestützte Schadensersatzforderung des Beklagten vor. Der Beklagte hat jedoch das ihm zustehende Ermessen nicht ausgeübt.
2. Nach dem dem Senat bekannten Sachverhalt ist die Durchführung einer - eingeschränkten, d.h. die von der Klägerin angegebenen Diagnosen als zutreffend unterstellenden (BSG, Urteil vom 21. Juni 1995, Az.: 6 RKa 43/94 = BSGE 77, 53) - Einzelfallprüfung durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (BSG, Urteile vom 5. November 2008, Az.: B 6 KA 63/07 R und B 6 KA 64/07 R, und vom 6. Mai 2009, Az.: B 6 KA 3/08 R, aller veröffentlicht in Juris). Zwar könnte das von der Beklagten zu 2) gewählte Aufgreifkriterium - der statistische Vergleich der Verordnung von &946;-Blockern - eine Prüfung nach Durchschnittswerten nahe legen. Die u.U. vorrangige statistische Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, Az.: B 6 KA 36/98, veröffentlicht in Juris m.w.N.) hätte allerdings vorausgesetzt, dass die beim geprüften Arzt zugrunde gelegte Fallzahl mindestens 20 % der durchschnittlichen Fallzahl je Arzt (BSG a.a.O. m.w.N.) innerhalb einer aus mindestens sieben Kollegen bestehenden Vergleichsgruppe (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005, Az.: B 6 KA 72/03, veröffentlicht in Juris) beträgt. Dies war anhand der dem Senat mitgeteilten Daten nicht zu beurteilen. Eine als Alternative ebenfalls in Betracht kommende Richtgrößenprüfung hätte sämtliche Arzneimittelverordnungen der Klägerin innerhalb eines Jahres zum Gegenstand gehabt, jedoch die quartalsbezogene Prüfung, ob die Verordnung bestimmter Arzneimittel bzw. Wirkstoffe wirtschaftlich erfolgte, gerade nicht ermöglicht.
3. Die streitgegenständliche Verordnung vom 14. Juli 2003 war unwirtschaftlich.
Grundsätzlich gilt das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der Gesetzlichen Krankenversicherung auch im Verhältnis zweier therapeutisch gleichwertiger, aber unterschiedlich teurer Arzneimittel. Dies zählt als sog. Minimalprinzip schon seit der Einführung von § 368 p Reichsversicherungsordnung zum 1. Januar 2005 zu den Kernbestandteilen des Wirtschaftlichkeitsgebots im engeren Sinne (BSG, Urteil vom 31. Mai 2007, Az.: B 6 KA 13/05 R - "Clopidogrel" -, veröffentlicht in Juris) und ist vom Vertragsarzt bei der Auswahl der Präparate zu beachten (BSG, Beschluss vom 31. Mai 2006, Az.: B 6 KA 68/05 B; Urteil vom 20. Oktober 2004, Az.: B 6 KA 41/03 R, beide veröffentlicht in Juris).
Im Rahmen der Prüfung, ob die Verordnung eines Arzneimittels unwirtschaftlich war, ist dem Beschwerdeausschuss kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Zwar besteht für die Prüfgremien bei einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007, Az.: B 6 KA 27/06 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.) oder einer Richtgrößenprüfung (BSG, Urteil vom 2. November 2005, Az.: B 6 KA 63/04 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.) ein eingeschränkter Beurteilungsspielraum. Bei einem Einzelverordnungsregress kann die Frage der Unwirtschaftlichkeit jedoch regelmäßig nur bejaht oder verneint werden (BSG, Urteile vom 5. November 2008 und vom 6. Mai 2009, a.a.O.)
Unwirtschaftlich ist eine Arzneimittelverordnung schon dann, wenn anstelle des verordneten Wirkstoffes ein preiswerterer, therapeutisch generell gleichwertiger Wirkstoff zur Verfügung steht. Der Senat stellt insofern bewusst auf den abstrakten, d.h. losgelöst von der betroffenen Versicherten vorgenommenen Vergleich von Wirkstoffen ab. Zwar könnte auch bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe ein Vergleich konkreter Arzneimittel vorgenommen werden. Dem steht jedoch zum einen entgegen, dass hierfür in der Entscheidung des Beschwerdeausschusses ein konkretes Alternativpräparat benannt werden müsste. Sollte sich dieses im Laufe des Gerichtsverfahrens - z.B. wegen Kontraindikationen oder Nebenwirkungen im Hinblick auf weitere Erkrankungen der konkreten Versicherten - als ungeeignet herausstellen, hätten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit wegen des fehlenden Beurteilungsspielraums bei der Prüfung der Unwirtschaftlichkeit selbst zu ermitteln, welches der generell in Betracht kommenden Alternativpräparate im konkreten Fall vorzugswürdig gewesen wäre. Der Umstand, dass gegenwärtig allein 107 bisoprolol-haltige, 164 metoprolol-haltige und 85 atenolol-haltige Arzneimittel (recherchiert über das vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information - DIMDI - unter www.pharmnet-bund.de zur Verfügung gestellt Arzneimittelinformationssystem) zugelassen sind - die weiteren 9 in der Untergruppe C07AB ("Beta-Adrenorezeptor-Antagonisten, selektiv") des ATC-Codes aufgeführten Wirkstoffe seien an dieser Stelle unberücksichtigt - , belegt, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hiermit überfordert wären. Gegen einen Arzneimittelvergleich schon auf dieser ersten Prüfungsstufe spricht zum anderen, dass dieser sinnvoll nur unter Berücksichtigung des gesamten Gesundheitszustands sowie ggf. weiterer Lebensumstände (Berufstätigkeit etc.) der konkret betroffenen Versicherten durchgeführt werden kann. Die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls findet jedoch nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.) typischerweise erst im Rahmen der Ermessensausübung statt.
Die Unwirtschaftlichkeit im vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass anstelle des teureren Wirkstoffs Nebivolol der - wohl aufgrund einer Festbetragsfestsetzung - preiswertere Wirkstoff Bisoprolol zur Verfügung steht und letzterer ausweislich der Fachinformation (Stand: Januar 2002) ebenfalls zur Behandlung der arteriellen Hypertonie zugelassen ist. Soweit im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Feststellung eines Mehraufwandes gefordert wird, besteht dieser zumindest in der Differenz zwischen dem packungsgrößenbezogenen Nettopreis (d.h. nach Abzug von Apothekenrabatt und Eigenanteil der Versicherten) von Nebilet und dem teuersten Arzneimittel aus der Gruppe der selektiven &946;-Rezeptorenblocker.
4. Die vom Beklagten aufgrund der festgestellten Unwirtschaftlichkeit verfügte Rechtsfolge, die Festsetzung einer Ersatzverpflichtung i.H.v. 22,17 EUR, steht wegen fehlender Ermessensausübung mit geltendem Recht nicht in Einklang.
a.) Grundsätzlich ist im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen gemäß § 106 SGB V Ermessen hinsichtlich der Höhe des Regresses auszuüben (BSG a.a.O.; Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann (Hrsg), jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 m.w.N.)Bei der Festlegung der Regresshöhe als Reaktion auf die festgestellte Unwirtschaftlichkeit steht den Prüfgremien regelmäßig ein Ermessensspielraum zu, der die Möglichkeit einer ganzen Bandbreite denkbarer vertretbarer Entscheidungen eröffnet. Gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG ist eine derartige Ermessensentscheidung von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ein Gericht darf sein Kürzungsermessen dagegen nicht an die Stelle desjenigen der Prüfgremien setzen (BSG, Urteil vom 21. Mai 2003, Az.: B 6 KA 32/02 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.)
Im Rahmen der Ermessensausübung hat der Beschwerdeausschuss zunächst dem beanstandeten Arzneimittel ein konkretes Alternativpräparat gegenüber zu stellen (hierzu unter aa), um ausgehend hiervon den (maximalen) Schadensbetrag zu bestimmen (hierzu unter bb). In einem weiteren Schritt hat er sodann zu prüfen, in welcher konkreten Höhe ein Regress festgesetzt werden soll oder ob ggf. im Hinblick auf eine vorrangige Beratung von einem Regress abzusehen ist (hierzu unter cc).
aa.) Soll wegen der Verordnung eines teureren Arzneimittels ein Regress festgelegt werden, weil eine preiswertere, therapeutisch gleichwertige Alternative zur Verfügung steht, setzt dies zwingend einen Vergleich des beanstandeten mit einem anderen nach Wirkstärke und Darreichungsform konkretisierten Arzneimittel voraus, welches vom Beschwerdeausschuss in seiner Entscheidung zu benennen ist. Erst auf der Grundlage einer solchen Konkretisierung sind die Fragen nach der therapeutischen Gleichwertigkeit und - darauf aufbauend - dem Kostenvergleich möglich. Denn nur wenn - typischerweise zunächst anhand der arzneimittelrechtlichen Fachinformation nach § 11 a Arzneimittelgesetz - feststeht, für welche Anwendungsgebiete das Alternativpräparat zugelassen ist und welche Kontraindikationen, Warnhinweise, Neben- und Wechselwirkungen bestehen, ist zu beurteilen, ob dieses Alternativpräparat aus medizinischer Sicht bei der konkreten Versicherten unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustands sowie ggf. weiterer Lebensumstände (Berufstätigkeit etc.) hätte zum Einsatz kommen können. An dieser Stelle kommt der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidungsspielraum zum Tragen, der in der Rechtssprechung des BSG (Urteil vom 28. Juni 2000, a.a.O.) den Prüfgremien nach § 106 Abs. 4 SGB V als paritätisch und fachkundig besetzten Einrichtungen zugestanden wird. In diesem Zusammenhang sind die zwischen den Beteiligten und dem Senat in der mündlichen Verhandlung erörterten Fragen zu klären, ob im Hinblick auf bestimmte Nebenwirkungen ggf. bestehende Begleiterkrankungen ein Ausschlusskriterium darstellen und welche Bedeutung der Häufigkeit dieser Nebenwirkungen sowie den pharmakodynamischen und -kinetischen Eigenschaften der zu vergleichenden Arzneimittel zukommen.
bb.) Hat ein Vergleich des beanstandeten Arzneimittels mit einem oder mehreren Alternativpräparaten ergeben, dass diese als therapeutisch gleichwertig anzusehen sind, ist in einem weiteren Schritt zu ermitteln, ob zumindest eines dieser Alternativpräparate preiswerter ist. Hierfür ist zunächst ein Wirkstärkenvergleich anhand der definierten Tagesdosis (defined daily dose - DDD) vorzunehmen. Letzter ergibt sich aus der ATC-DDD, dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem (ATC-Code) - einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell herausgegebenen internationalen Klassifikation für Arzneistoffe -, das vom DIMDI seit dem 1. Januar 2004 in einer jährlich aktualisierten amtlichen Fassung mit definierten Tagesdosen gemäß § 73 Abs. 8 Satz 5 SGB V herausgegeben wird. Auf der Grundlage der DDD sind für die verglichenen Arzneimittel diejenigen Mengen zu ermitteln, die zur gleichen Wirkung bei der konkreten Versicherten führen (bei gleicher DDD je Verabreichungseinheit - z.B. Tablette - sind die Kosten gleicher Packungsgrößen gegenüberzustellen). Zu prüfen ist sodann, ob Besonderheiten der Dosierung Abweichungen bei den ansonsten wirkungsgleichen Mengen der zu vergleichenden Arzneimittel nach sich ziehen. So enthält Ziffer 4.2 ("Dosierung, Art und Dauer der Anwendung") der Fachinformation für Bisoprolol-ratiopharm 10 u.a. folgende Hinweise:
"Die Dosierung sollte individuell angepasst werden. Es wird empfohlen, mit der geringst möglichen Dosis zu beginnen. Bei manchen Patienten können 5 mg/Tag ausreichend sein. Die übliche Dosis beträgt 10 mg 1-mal täglich bei einer empfohlenen maximalen Tagesdosis von 20 mg. Die Behandlung sollte nicht abrupt beendet werden (siehe Abschnitt 4.4 "Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung”). Die Dosierung sollte langsam durch eine wöchentliche Halbierung der Dosis verringert werden."
Hinweise dieser Art veranlassen zur Prüfung, ob sich die Behandlung mit dem beanstandeten Arzneimittel in der Anfangs- oder Endphase befindet. Denn z.B. bei erstmaliger Verordnung wäre nach den o.g. Anwendungshinweisen zu prüfen, ob und ggf. wie lange zunächst Bisoprolol-ratiopharm 5 einzunehmen ist, sodass ggf. auch eine N1-Packung dieses Arzneimittels in den Preisvergleich eingestellt werden müsste. Entsprechendes gilt bei letztmaliger Verordnung.
Der Beschwerdeausschuss darf an dieser Stelle jedoch auch nicht außer Acht lassen, dass weder der Vertragsarzt noch der in der Regel pflichtversicherte Patient gehalten sind, zahlreiche Therapieversuche durchzuführen. Macht der Vertragsarzt z.B. geltend, einem Versicherten schon zwei preiswertere Arzneimittel mit demselben Anwendungsgebiet verordnet zu haben, die beide zu unerwünschten Nebenwirkungen geführt hätten, dürfte er nicht verpflichtet sein, vor Verordnung des teureren (Original-)Präparates zunächst sämtliche preiswerteren Nachahmerprodukte (Generika) bei diesem Versicherten auszutesten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass "der Gesetzgeber durch die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt" (BVerfGE 115, 25 m.w.N.), erscheint es auch im Lichte des Wirtschaftlichkeitsgebots unzumutbar, (Pflicht-)Versicherten im Rahmen der Versorgung mit Arzneimitteln Therapieexperimente abzuverlangen. Unabhängig hiervon hält es der Senat für möglich, dass der Versuch, bei einem Versicherten vor Verordnung eines teureren zunächst möglichst vie¬le preiswertere Arzneimittel zum Einsatz zu bringen, im Ergebnis unwirtschaftlicher sein kann, weil nach jedem Abbruch der Therapie mit einem der preiswerteren, aber medizinisch (z.B. wegen unerwünschter Nebenwirkungen) ungeeigneten Präparate der größte Teil der verordneten Medikamentenpackung ungenutzt bleibt.
cc.) Schließlich ist eine Entscheidung über die Höhe des Regressbetrages zu treffen. In diesem Zusammenhang können Abschläge wegen Unsicherheiten über die konkrete Schadenshöhe (z.B. für den soeben dargestellten Fall von Empfehlungen zur aufbauenden bzw. ausschleichenden Dosierung des Alternativpräparates) vorgenommen werden. Denkbar ist jedoch auch der völlige Verzicht auf die Festsetzung eines Regresses, weil in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles (z.B. Anfängerpraxis, geringe Schadenshöhe, Vielzahl der in Betracht zu ziehenden Alternativpräparate, Vielzahl der Begleiterkrankungen der konkreten Versicherten) eine Beratung als ausreichende Reaktion angesehen wird.
Das Erfordernis vorgängiger Beratung stellt gemäß § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V aF nur eine "Soll"-Vorgabe dar, die entsprechend dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt. Eine solche Konstellation ist bei statistischen Durchschnittsprüfungen daran festgemacht worden, ob ein Mehraufwand im Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses vorliegt; eine vorausgehende Beratung ist dann nicht erforderlich. Nichts anderes gilt bei Regressen aufgrund von Einzelfallprüfungen, wenn schon die Verordnungsfähigkeit fehlt. Dies ist ein "Basis"mangel, sodass unzweifelhaft Unwirtschaftlichkeit gegeben ist und somit ein Fall vorliegt, in dem eine vorgängige Beratung regelmäßig nicht mehr erforderlich ist (BSG, Urteil vom 6. Mai 2009, a.a.O.). In Fällen, in denen die Unwirtschaftlichkeit auf der Verordnung eines teureren Arzneimittel beruht, für das eine preiswertere, therapeutische gleichwertige Alternative besteht, könnte ggf. etwas anderes gelten, weil bereits eine Beratung dazu führt, dass der Vertragsarzt sich künftig die unterschiedlichen Kosten vergegenwärtigt und einzelfallbezogen abwägt, ob der Einsatz des preiswerteren Arzneimittels vertretbar ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004, a.a.O.).
b.) Ermessenserwägungen dieser Art finden sich in der angegriffenen Entscheidung des Beklagten nicht. Ungeachtet der fehlenden Benennung eines konkreten Alternativpräparates sowie der daraus folgenden fehlenden Auseinandersetzung mit Begleiterkrankungen der Versicherten einerseits und Nebenwirkungen dieses Alternativpräparates andererseits lässt die Entscheidung des Beklagten in keiner Weise erkennen, dass er sich seines Ermessensspielraums bewusst war. Eine wertende Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist ihr nicht zu entnehmen.
Ohne die erforderliche Ermessensausübung ist der Bescheid des Beklagten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG rechtswidrig. Diese Vorschrift ist über ihren Wortlaut hinaus auch auf den hier vorliegenden sog. Ermessensnichtgebrauch anzuwenden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Sozialgerichtsgesetz, 9.A., § 54 Rd. 27). Im Falle des Ermessensnichtgebrauchs ist auch eine Heilung des Begründungsmangels durch das Nachschieben von Ermessenserwägungen (vgl. § 41 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 SGB X) nicht möglich (a.a.O. Rd. 36 m.w.N.).
Deshalb kann offen bleiben, ob eine analoge Anwendung von § 114 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hier in Betracht käme. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Die erstmalige Ausübung von Ermessen während des gerichtlichen Verfahrens mit anschließender Mitteilung der Ermessenserwägungen ist von § 114 Satz 2 VwGO jedoch nicht erfasst (Bundesverwaltungsgericht DVBl. 07, 260).
Selbst wenn man das Nachholen einer Ermessensausübung während des Gerichtsverfahrens für zulässig hielte, stünden dem im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gewichtige Bedenken entgegen, sollte das Nachholen - wie hier - allein durch den - grundsätzlich umfassend zur Vertretung des Beschwerdeausschusses berechtigten - Vorsitzenden erfolgen. Denn die besondere aus seiner Zusammensetzung herrührende Fachkunde dieses Gremiums, die die Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraums rechtfertigt, käme in einem solchen Fall nicht zum Tragen.
5. Ob die Entscheidung des Beklagten vom 2. Juni 2005 aus weiteren Gründen - etwa wegen der Mitwirkung von Herrn Sch, wegen unzureichender "Begründung" i.S.v. § 25 Nr. 2 Satz 1 PV oder wegen Missachtung der Bagatellgrenze - unwirksam ist, kann demzufolge offen bleiben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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