L 23 SO 239/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 SO 2314/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 239/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht das Begehren, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen der Sozialhilfe an den in Thailand lebenden Antragsteller zu gewähren, zurückgewiesen.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Eine Rechtsgrundlage für das Begehren, Leistungen der Sozialhilfe, hier Leistungen für häusliche Pflege und Pflegegeld nach §§ 61, 63, 64 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII -, im Ausland zu beziehen, findet sich nicht.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Deutsche, die – wie der Antragsteller – ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, keine Leistungen nach dem SGB XII. Von diesem Grundsatz kann zwar nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens abgewichen werden, allerdings nur wenn die Voraussetzungen nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erfüllt sind. Dies ist hier nicht der Fall.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII kann im Einzelfall vom Grundsatz des Ausschlusses im Ausland lebender Deutsche von den Leistungen der Sozialhilfe dann abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist: 1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, 2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder 3. hoheitliche Gewalt.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, was der Antragsgegner zutreffend mit dem Bescheid vom 04. November 2009 festgestellt hat. Unabhängig davon, ob sich der Antragsteller in Thailand in einer außergewöhnlichen Notlage befindet, ist es ihm nicht unmöglich, nach Deutschland zurückzukehren. Die im Gesetz normierten Hinderungsgründe liegen bei ihm nicht vor.

Wie die Formulierung der Regelung zeigt, handelt es sich bei den gesetzlich normierten Hinderungsgründen nicht um Beispiele zur Konkretisierung eines Härte- oder Zumutbarkeitsbegriffs, sondern um eine abschließende Benennung der Umstände, unter welchen ein Verbleib des Hilfesuchenden im Ausland ausnahmsweise hinzunehmen ist (vgl. Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Aufl., 2008, § 24, Rn. 24). Dass der Antragsteller aus einem der im Gesetz genannten Gründe gehindert wäre, nach Deutschland zurückzukehren, ist nicht ersichtlich. Die den Antrag des Antragstellers aufnehmende Botschaft in Bangkok hat bestätigt, dass dem Antragsteller eine Rückkehr nach Deutschland möglich ist. Der Antragsteller hat selbst mit Email vom 07. April 2009 ausgeführt, dass er, soweit ihm nicht eine angemessene Hilfe zu Teil werde, "den nächsten Flieger nehme und wieder in Berlin sei". Dass er durch seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen an einer Rückkehr gehindert ist, ist auch deshalb ausgeschlossen, weil er mit denselben Erkrankungen und daraus resultierenden Einschränkungen erst im April die Reise nach Thailand unternommen hat, so dass kein Grund ersichtlich ist, aus welchen Gründen er nunmehr daran gehindert sein könnte, die Rückkehr anzutreten. Soweit der Antragsteller darauf verweist, ihm sei ein Leben in Deutschland nicht zumutbar, stellt dieses Vorbringen keinen gesetzlich normierten Hinderungsgrund dar.

Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 30. Juni 2005, L 23 B 109/05 SO ER, juris), bestehen keine Zweifel an der Vereinbarkeit der angewandten Vorschriften mit der Verfassung. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Umstände (von ihm empfundene Behördenwillkür, unerträgliche Wohnsituation, unzureichende fachärztliche Versorgung), führen nicht dazu, dass eine Rückkehr nach Deutschland als Verletzung seiner Menschenwürde oder seiner durch das Grundgesetz garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 1 und 2 Abs. 2 Grundgesetz [GG]) angesehen werden müsste. Im Inland stehen dem Antragsteller Leistungen der Krankenversicherung offen, er hat die Möglichkeit, seine Wohnsituation, unter Umständen unter Inanspruchnahme einer Beratung durch den Antragsgegner (§ 68 SGB XII), zu verbessern und ggf. gerichtlichen Rechtsschutz gegen von ihm empfundene unrechtmäßige Entscheidungen staatlicher Stellen in Anspruch zu nehmen. Die unter Durchbrechung des Territorialitätsprinzips erfolgende Gewährung von Sozialhilfe an im Ausland lebende Staatsbürger (Schoenfeld, a.a.O., Rn. 8 f.) darf der Staat an strenge Voraussetzungen knüpfen, ohne dabei in Grundrechte einzugreifen. Deren Bedeutung ist in Fällen, in denen das Begehren sich nicht gegen ein Ge- oder Verbot, sondern auf den Erhalt staatlicher Leistungen richtet, ohnehin auf die wertentscheidender Grundsatznormen beschränkt (VG Hamburg, Beschluss vom 25. August 2005, Az.: 13 E 4047/04, juris). Hat der Gesetzgeber gerade in Zeiten wirtschaftlicher Schwäche im Interesse des Gemeinwohls Sorge dafür zu tragen, dass staatliche Leistungen nur im Rahmen des absolut Notwendigen und unter der Voraussetzung der Kontrollierbarkeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen gewährt werden, so darf er die Gewährung staatlicher Hilfe zum Lebensunterhalt vom Aufenthalt im Inland abhängig machen.

Der Antragsgegner ist dem Antragsteller auch nicht nach § 5 Abs. 6 Konsulargesetz – KonsG - zur Hilfeleistung verpflichtet. Nach dieser Vorschrift ist vom Eintritt der Hilfebedürftigkeit an Hilfe nach dem SGB XII oder in entsprechender Anwendung dieses Gesetzes zu gewähren, wenn die Notlage eines Hilfeempfängers, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, länger als zwei Monate dauert. Aus der Systematik des Gesetzes ergibt sich, dass es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine neben den Regelungen des SGB XII bestehende, zusätzliche Anspruchsgrundlage, sondern um eine Organisationsnorm handelt (vgl. Beschluss des Senats vom 30. Juni 2005, L 23 B 109/05 SO ER, juris, m.w.N.).

Der Antragsteller kann seinen Anspruch auch nicht auf eine Leistungsbewilligung des Antragsgegners stützen. Mit Bescheid vom 22. Mai 2008 sind dem Antragsteller Leistungen nach §§ 61, 63 SG XII nur bis zum 30. April 2009 bewilligt worden, die ihm auch ausgezahlt worden sind. Soweit der Antragsgegner darüber hinaus auch für Mai 2009 bis Juni oder Juli 2009 Leistungen erbracht hat, liegt damit jedenfalls keine Dauerbewilligung vor.

Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SG.
Rechtskraft
Aus
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