L 18 AS 241/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 171 AS 623/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 241/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Januar 2010 aufgehoben, soweit das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers auch hinsichtlich der im Bescheid vom 29. Dezember 2009 verlautbarten Teilaufhebung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 und insoweit die Aufhebung der Vollziehung angeordnet hat. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Gründe:

Wegen der Dringlichkeit der Sache war in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 155 Abs. 4 SGG durch den Berichterstatter zu entscheiden.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Teilaufhebungsbescheid vom 29. Dezember 2009 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG und die insoweit erfolgte Anordnung der Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG) kommen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 schon deshalb nicht in Betracht, weil der Teilaufhebungsbescheid vom 29. Dezember 2009 insoweit rechtmäßig ist. Er genügt zum einen dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Denn entgegen der Auffassung des Sozialgerichts lässt sich aus dem beigefügten Berechnungsbogen ohne Weiteres entnehmen, in welcher Höhe die Bewilligungen der monatlichen Regelleistung und der monatlichen Leistung für Unterkunft und Heizung (KdU) teilweise aufgehoben worden sind, und zwar in Höhe von monatlich 36,- EUR (Regelleistung nach § 20 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II - ; Differenz zwischen den mit Bescheid vom 4. November 2009 bewilligten 359,- EUR monatlich und den mit Bescheid vom 29. Dezember 2009 ausgeworfenen 323,- EUR monatlich) bzw. in Höhe von monatlich 186,71 EUR (KdU; Differenz zwischen den mit Bescheid vom 4. November 2009 bewilligten 373,39 EUR und den mit Bescheid vom 29. Dezember 2009 ausgeworfenen 186,68 EUR). Der Antragsgegner hat auch ausdrücklich die Entscheidung verlautbart, dass die Bewilligungsentscheidung wegen Aufnahme von Frau F in die Haushaltsgemeinschaft "teilweise aufgehoben" werde.

Für den Aufhebungszeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 ist die – insoweit zukunftsgerichtete - Teilaufhebungsentscheidung nach Maßgabe von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X iVm § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch rechtmäßig. Danach ist ein Verwaltungsakt ohne Einräumung von Ermessen mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dies war vorliegend mit dem Eintritt von Frau F in die Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II) am 1. Dezember 2009 der Fall. Von diesem Zeitpunkt an stand dem Antragsteller (nur) noch eine Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II iHv 323,- EUR monatlich sowie die hälftigen KdU – nach Abzug der Warmwasserpauschale – zu (Aufteilung nach "Kopfzahl"; vgl. etwa BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 3). Frau F kann hinsichtlich des auf sie entfallenden KdU-Anteils bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eigene Ansprüche nach dem SGB II – ggf. auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes - geltend machen. Im Übrigen ist hinsichtlich der – gekürzten - KdU-Leistungen keine Eilbedürftigkeit erkennbar, die auch bei einer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergehenden Anordnung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu fordern ist. Denn es drohen derzeit weder Wohnungs- noch Obdachlosigkeit des Antragstellers. Trotz der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des SGB II über die Regelleistungen ist im Übrigen § 20 SGB II bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiterhin anwendbar (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.a. -).

Soweit der Antragsgegner mit dem Bescheid vom 29. Dezember 2010 hingegen eine Aufhebungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit, dh bereits für Dezember 2010, getroffen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsentscheidung, die rechtmäßig nur auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X iVm § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) hätte ergehen können. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass einer der in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X geregelten Tatbestände vorliegen würde. Die Beschwerde war daher, soweit das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und die Aufhebung der Vollziehung für Dezember 2010 angeordnet hat, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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