L 3 R 734/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 R 2367/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 734/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. April 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der der Klägerin gewährten Witwenrente.

Die Klägerin ist Witwe des 1912 geborenen und 1974 verstorbenen E R (im Folgenden: Versicherter), der im Beitrittsgebiet vom 06. Mai 1966 bis zum 04. Januar 1967 inhaftiert war. Vor seiner Inhaftierung war er als Leiter der Abteilung Flüssiggas im VEB M- und S tätig. Die Klägerin, die ihren Wohnsitz bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls in die Bundesrepublik verlegt hatte, bezieht von der Beklagten seit dem 01. April 1974 eine Hinterbliebenenrente nach § 45 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Aus dem Versicherungsverlauf des Bescheids vom 28. August 1974 ergibt sich, dass die Zeit vom 06. Mai 1966 bis zum 04. Januar 1967 als Ersatzzeit vorgemerkt und bei der Rentenberechnung berücksichtigt wurde. Der Klägerin wurde nach Ablauf des Sterbevierteljahres eine monatliche Witwenrente in Höhe von 674,70 DM gezahlt.

Mit Bescheid vom 19. Februar 2003 stellte das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin für den Versicherten eine Verfolgungszeit vom 06. Mai 1966 bis zum 04. Januar 1967 nach § 17 i. V. m. § 22 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (Ber-RehaG) fest und ordnete den Versicherten als Techniker, Leiter der Abteilung Flüs-siggas, für diese Zeit dem Wirtschaftsbereich 2 (Chemische Industrie) zu. Damit half sie dem Widerspruch der Klägerin gegen die Zuordnung der Verfolgungszeit in die Wirtschaftsgruppe 17 (Handel) ab.

Die Klägerin legte die Bescheinigung am 05. März 2003 der Beklagten vor und bat um Neufeststellung ihrer Witwenrente. Mit Bescheid vom 08. Oktober 2003 über die Vergleichsberechnung nach dem Ber-RehaG entschied die Beklagte, dass die auf Grund der tatsächlich zugrunde gelegten Versicherungszeiten errechnete Rente weiterzuzahlen sei. Die sich aus dem Vergleich unter Berücksichtigung der von der Rehabilitierungsbehörde anerkannten Verfolgungszeiten ergebende Rente habe bezogen auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns, frühestens ab dem 01. Juli 1990, zu keinem höheren als dem bisher gezahlten Rentenbetrag geführt. Die vier Vergleichsberechnungen nach § 13 BerRehaG ergaben 57,4583 bis 57,5653 Entgeltpunkte (EP), während die bereits gewährte Rente, umgewertet nach den Vorschriften des am 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), auf der Grundlage von 60,4890 EP berechnet wurde. Dagegen legte die Klägerin, die die Berechnungen nicht nachvollziehen konnte, Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 08. Januar 2004 erklärte die Beklagte der Klägerin die Berechnungsschritte. Bei der Vergleichsberechnung seien in dem Zeitraum vom 06. Mai 1966 bis zum 04. Januar 1967 die um 20 % erhöhten Tabellenentgelte der Anlage 13 und 14 des SGB VI zur Qualifikationsgruppe 2 des Wirtschaftsbereichs 2 entsprechend der Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde zugeordnet worden. Dies erge-be ein Tabellenentgelt von 14.674,80 DM. Für die Zeit vom 06. Mai 1966 bis zum 31. Dezember 1966 betrage das anteilige Entgelt 9.620,15 DM. Dieses Entgelt sei den entsprechenden Berechnungen nach dem BerRehaG zugrunde gelegt worden. Die sich aus dem Vergleich unter Berücksichtigung der von der Rehabilitierungsbehörde anerkannten Verfolgungszeiten ergebende Rente habe jedoch zu keinem höheren als dem bisher gezahlten Rentenbetrag geführt. Da die Klägerin den Widerspruch aufrecht hielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2005 zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, die das Sozial-gericht mit Gerichtsbescheid vom 06. April 2006 abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Rente der Klägerin sei in bisheriger Höhe weiterzuzahlen, da bei der Vergleichsberechnung unter Berücksichtigung der Zeiten nach dem BerRehaG keine höhere Rente habe ermittelt werden können. Wenn die Klägerin darauf hinweise, dass der Versicherte einer anderen Wirtschaftsgruppe zugeordnet worden sei, so berücksichtige sie nicht, dass den von der Beklagten angestellten Vergleichsberechnungen bereits die Entgelte nach der neuen, günstigeren Wirtschaftsgruppe zugrunde gelegen hätten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Gemäß § 300 Abs. 3 SGB VI sei die Neufeststellung einer bereits geleisteten Rente nach den Vorschriften durchzuführen, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden seien. Dies sei das AVG. Die von der Beklagten vorgenommenen Vergleichsberechnungen berücksichtigten dies nachweisbar nicht, da bei diesen Berechnungen die Vorschriften des SGB VI angewandt worden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. April 2006 und den Bescheid vom 08. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höheren Witwenrente ab dem 01. Juli 1990 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Witwenrente, denn die durchgeführten Vergleichsberechnungen unter Berücksichtigung der Wirtschaftsgruppe 2 und der Qualifikationsgruppe 2 der Anlagen 13 und 14 des SGB VI für die Zeit vom 06. Mai 1966 bis zum 04. Januar 1967 ergeben keine höheren EP, die der Rentenberechnung zugrunde zu legen wären.

Bei Anerkennung von Verfolgungszeiten nach dem BerRehaG sind Bestandsrenten auf Antrag bzw. von Amts wegen nach § 309 Abs. 1 a SGB VI neu festzustellen. Danach ist eine nach den Vorschriften dieses Buches berechnete Rente auf Antrag vom Beginn an neu festzustellen und zu leisten, wenn Zeiten nach dem BerRehaG anerkannt sind. Nach § 16 BerRehaG ist die Rente in neuer Höhe für die Zeit des Bezugs, frühestens für die Zeit vom 01. Juli 1990 an, zu leisten. Dementsprechend hat die Beklagte nach Vorlage der Bescheinigung nach § 22 Ber-RehaG die Witwenrente der Klägerin unter Anwendung des § 13 BerRehaG überprüft und ermittelt, dass sich keine höheren EP ergeben.

Für Verfolgungszeiten nach § 2 BerRehaG werden die allgemein anzuwendenden rentenrechtlichen Vorschriften durch §§ 10 ff. BerRehaG ergänzt. Gemäß § 10 Ber-RehaG sind die Vorschriften dieses Gesetzes nur dann anzuwenden, wenn sie gegenüber den allgemeinen rentenrechtlichen Vorschriften zu einem günstigeren Rentenbetrag führen. Es ist danach eine Vergleichsberechnung nach den Vorschriften des BerRehaG vorzunehmen, bei der die rentenrechtlichen Daten der politischen Verfolgung die Daten des tatsächlichen Versicherungsverlaufs ersetzen. Pflichtbeiträge gelten für Verfolgungszeiten, in denen der Verfolgte eine die Versicherungs- und Beitragspflicht begründende Beschäftigung wegen Verfolgungsmaßnahmen nicht ausgeübt hat, für die von der Rehabilitierungsbehörde angegebenen Beschäftigungen als gezahlt (§ 11 Satz 1 BerRehaG). Die Überprüfung, ob sich unter Berücksichtigung des Nachteilsausgleichs eine günstigere Rente ergibt, ist auf der Grundlage der Anzahl der ermittelten EP zum 01. Juli 1990 vorzunehmen.

Für einen Vergleich war zunächst die Höhe der bereits gezahlten Rente festzustellen. Da der Bezug der Hinterbliebenenrente lange vor dem 01. Januar 1992 lag und nach dem AVG berechnet worden war, musste sie zum 01. Januar 1992 nach den Vor-schriften des zum 01. Januar 1992 in Kraft getretenen neuen Rentenrechts nach § 307 SGB VI zunächst umgewertet werden. § 307 SGB VI modifiziert die Regelung des § 300 Abs. 3 SGB VI insoweit, als die Bestandsrenten für Bezugszeiten nach dem 31. Dezember 1991 nicht von Grund auf nach dem SGB VI neu festzustellen sind, sondern EP ermittelt werden müssen, damit die Renten auch nach dem 31. Dezember 1991 an späteren Rentenanpassungen (§ 65 SGB VI) teilnehmen können. Die Um-wertung selbst hat keinen Einfluss auf die Höhe der Rente, es handelt sich allein um einen rechnerischen Vorgang, um die Bestandsrenten den neuen gesetzlichen Vorga-ben anzupassen. Die Anwendung des AVG für die Vergleichsberechnung kommt nicht in Betracht. Eine ausdrückliche Regelung zu dem anzuwenden Recht gibt es zwar nicht, die Neuberechnung nach den Vorschriften des SGB VI muss jedoch aus Sinn und Zweck des § 16 BerRehaG geschlossen werden. Dies wird insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache deutlich, dass bei der Vergleichsberechnung nach § 10 BerRehaG in Anwendung des § 11 BerRehaG Verfolgungszeiten ggf. als bei-tragsgeminderte Zeiten gemäß § 54 Abs. 3 SGB VI zu berücksichtigen sind. Insoweit kann die Vergleichsberechnung nicht nach dem Recht des AVG erfolgen, das keine beitragsgeminderten Zeiten kennt (vgl. SED-Unrecht, Ausgleich von Nachteilen in der RV – Berufliches Rehabilitierungsgesetz – in Mitteilungen der bayerischen Landesver-sicherungsanstalten 12/2004, S. 568 ff., S. 585; Ausgleich beruflicher Benachteiligun-gen für in der ehemaligen DDR politisch Verfolgte in Mitteilungen der Landesversiche-rungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken Nr. 10/2001, S. 584 ff., S. 592). Bei der Berechnung haben sich 60,4890 EP ergeben. Diese Rentenhöhe ist ermittelt worden unter Berücksichtigung der als Ersatzzeit vorgemerkten Zeit vom 06. Mai 1966 bis zum 04. Januar 1967.

Die Vergleichsberechnung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BerRehaG hat dagegen nur 57,5653 EP ergeben. Dabei ergibt sich aus dem Versicherungsverlauf, dass die Ver-folgungszeit vom 06. Mai 1966 bis zum 04. Januar 1967 als Pflichtbeitragszeit ent-sprechend der Wirtschaftsgruppe 2 und der Qualifikationsgruppe 2 der Anlagen 13 und 14 des SGB VI berücksichtigt worden ist. Dieser Gruppe sind die Entgelte von 12.229 DM für das Jahr 1966 und 12.385 DM für das Jahr 1967 zugeordnet, die bei der Vergleichsberechnung um 20 v. H. erhöht worden sind. Eine andere Wirtschafts-gruppe bzw. Qualifikationsgruppe für die Verfolgungszeit mit möglicherweise höheren Entgelten kann der Vergleichsberechnung nicht zugrunde gelegt werden, denn sowohl die Beklagte als auch das Gericht sind an die Entscheidung der Rehabilitierungsbe-hörde vom 19. Februar 2003 gebunden. Die weiteren Vergleichsberechnungen nach § 13 Abs. 1 a BerRehaG unter Berück-sichtigung der Qualifikationsgruppe als beitragsgeminderte Zeiten sowie unter Be-rücksichtigung der Entgeltpunktesituation im letzten Kalenderjahr (oder in den letzten drei Kalenderjahren) vor der Verfolgung als vollwertige Beitragszeiten alternativ als beitragsgeminderte Zeiten haben mit 57,4583 EP, 57,5653 EP und 57,5163 EP keine höheren EP ergeben. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnungen der Beklagten nicht der Sach- und Rechtslage entsprechen. Auch die Klägerin hat keine konkreten Ein-wände vorgebracht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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