L 26 AS 2021/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 121 AS 40413/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 AS 2021/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 2) wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2009 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 2) für die Zeit ab dem 05. Februar 2010 bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, längstens bis zum 30. April 2010 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches in Höhe von monatlich 200,00 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zu 2) zurückgewiesen. Die Beschwerden der Antragsteller zu 1) und 3) werden verworfen. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche sowie für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, ihnen für die Zeit von Januar bis April 2010 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) zu gewähren.

Die miteinander verheirateten Antragsteller zu 1) und 2) zogen im Oktober 2007 gemeinsam mit ihrer im Mai 2005 geborenen Tochter, der Antragstellerin zu 3), in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Sie bewohnen eine Dreizimmerwohnung, für die bis Dezember 2009 eine monatliche Miete in Höhe von 548,80 EUR [Nettokaltmiete in Höhe von 325,00 EUR sowie kalte Betriebskosten in Höhe von 155,00 EUR und warme Betriebskosten in Höhe von 68,80 EUR] zu zahlen war. Zum 01. Januar 2010 wurde die Nettokaltmiete um 10,00 EUR erhöht.

Ab November 2007 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen zur Grundsicherung. Im Oktober 2009 beantragte der Antragsteller zu 1) deren Weiterbewilligung und gab in diesem Zusammenhang an, dass die Antragstellerin zu 2) aus einem Minijob Einkommen in Höhe von monatlich ca. 430,00 EUR (brutto = netto) beziehe. Um zur Arbeit zu gelangen, benötige sie eine Monatskarte zum Preis von 57,50 EUR. Zum Nachweis legte er Kontoauszüge vor, denen zu entnehmen ist, dass der Antragstellerin zu 2) von Frau S D im August, September und Oktober 2009 Lohn jeweils für den Vormonat in Höhe von 426,88 EUR, 431,13 EUR bzw. 267,91 EUR überwiesen worden war.

Nachdem es bereits zuvor zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit der Beschäftigung der Antragstellerin zu 2) zu Unstimmigkeiten gekommen war, gewährte der Antragsgegner zunächst keine Leistungen für die Zeit ab dem 01. November 2009, sondern forderte unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht die Vorlage von Einkommensbescheinigungen des Arbeitgebers der Antragstellerin zu 2) für die letzten sechs Monate.

Die Antragsteller suchten daraufhin beim Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz nach. Nachdem dieses den Antragsgegner mit Beschluss vom 05. November 2009 verpflichtet hatte, den Antragstellern für November 2009 vorläufig Leistungen in Höhe von 991,52 EUR zu bewilligen, gewährte der Antragsgegner ihnen mit Bescheid vom 09. November 2009 vorläufig sowohl für November als auch für Dezember 2009 Leistungen in entsprechender Höhe.

Mit Schreiben vom 17. November 2009 wies der Antragsgegner die Antragsteller darauf hin, dass der Bewilligungsabschnitt am 31. Dezember 2009 ende und bzgl. der Folgezeit ein Weiterbewilligungsantrag zu stellen sei. Nachdem der Antragsteller zu 1) dieser Aufforderung nachgekommen war und Kontoauszüge vorgelegt hatte, denen zufolge die Antragstellerin zu 2) im November 2009 von S D Lohn für Oktober 2009 in Höhe von 383,45 EUR überwiesen bekommen hatte, forderte der Antragsgegner die Vorlage des Antragsformulars, der Anlagen EK sowie einer Einkommensbescheinigung. Der Antragsteller zu 1) machte daraufhin u.a. geltend, bereits wiederholt mitgeteilt zu haben, dass eine Vorlage der Verdienstbescheinigungen nicht möglich sei, da die Antragstellerin zu 2) diese nicht erhalte und nicht verpflichtet sein könne, ihren Arbeitgeber zur Herausgabe zu verklagen. Der Antragsgegner wandte sich mit Schreiben vom 09. November 2009 an die Deutsche Rentenversicherung Bund und erklärte, dass die namentlich und mit der Rentenversicherungsnummer benannte Antragstellerin zu 2) ihrer Pflicht zur Mitwirkung nicht nachkomme. Sie beziehe Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, gebe jedoch den Arbeitgeber nicht an und lege keine Einkommensnachweise vor. Weiter bat er um Mitteilung des Arbeitgebers mit Namen und Anschrift. Dass hierauf eine Reaktion erfolgt wäre, ist ebenso wenig ersichtlich wie eine weitere Verfolgung der Angelegenheit durch den Antragsgegner.

Am 21. November 2009 haben die Antragsteller erneut beim Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen für die Monate Januar bis April 2010 Leistungen in Höhe von monatlich 1.013,28 EUR (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 471,45 EUR und Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 541,83 EUR) zu gewähren.

Mit Beschluss vom 30. November 2009 hat das Sozialgericht Berlin den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, dass das Bestehen einer Notlage nicht glaubhaft gemacht sei. Das Girokonto der Antragstellerin zu 2) weise am 23. November 2009 ein Guthaben von 1.574,22 EUR aus. Im Übrigen seien bis zum Jahresende Leistungen bewilligt. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner den Antragstellern ab Januar 2010 keine Leistungen bewilligen werde, lägen nicht vor. Selbst falls es erneut zur Bewilligung von nur 991,52 EUR statt der begehrten 1.013,28 EUR käme, stelle dies keinen wesentlichen Nachteil dar, weil die Antragsteller zusätzlich zu den bewilligten Leistungen über Einkommen in Höhe von etwa 420,00 EUR netto und Kindergeld in Höhe von 164,00 EUR verfügten, mit dessen Hilfe sie ihren Bedarf über 1.404,00 EUR monatlich decken könnten.

Gegen diesen ihnen am 02. Dezember 2009 zugestellten Beschluss richten sich die am selben Tage eingegangenen Beschwerden der Antragsteller, mit denen sie zunächst im Wesentlichen geltend gemacht haben, dass die Antragstellerin zu 2) nicht zusätzlich über 420,00 EUR verfüge, sondern nur über 135,39 EUR, da der Rest angerechnet werde. Im Übrigen sei das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie über ein Guthaben auf dem Konto verfüge. Tatsächlich habe es sich um ein Soll in der genannten Höhe gehandelt.

Während des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 08. Januar 2010 den Antragstellern zu 1) und 3) für das erste Halbjahr 2010 gestützt auf § 42 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) einen Vorschuss in Höhe von monatlich insgesamt 786,31 EUR gewährt. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Antragsgegner schließlich mitgeteilt, dass sich der Antragsteller zu 1) nach seinen Angaben von der Antragstellerin zu 2) getrennt habe. Die Antragstellerin zu 2) bilde nunmehr eine eigene Bedarfsgemeinschaft. Über ihren Leistungsanspruch sei aufgrund unvollständiger Unterlagen noch nicht entschieden.

Der Antragsteller zu 1) hat geltend gemacht, dass er weiterhin ein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens habe. Da der Antragsgegner der Antragstellerin zu 2) noch immer keine Leistungen bewilligt habe, könne sie ihren Mietanteil nicht aufbringen. Es sei daher zu befürchten, dass das Mietverhältnis wegen der Mietrückstände fristlos gekündigt werde. Dann aber würden er und die Antragstellerin zu 3) ebenfalls wohnungslos, da er als Gesamtschuldner für die Mietrückstände hafte. Der Vermieter habe bereits angekündigt, sie auf die Straße zu setzen, wenn sie nochmals die Miete verspätet zahlten. Die Antragstellerin zu 2) sehe sich daher nicht in der Lage, ihre Zustimmung für eine Rücknahme der Beschwerde zu geben.

II.

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2009 sind nach § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit dem 01. April 2008 geltenden Fassung statthaft. Die Beschwerde der Antragstellerin zu 2) ist darüber hinaus zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG), und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (hierzu im Folgenden zu 1). Hingegen sind die Beschwerden der Antragsteller zu 1) und 3) nach § 202 SGG i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu verwerfen, da sie wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden sind (hierzu im Folgenden zu 2.).

1. Der Antragsgegner war im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin zu 2) für die Zeit ab Entscheidung durch den Senat bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, längstens bis zum 30. April 2010 Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von monatlich 200,00 EUR zu bewilligen.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Ob der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren für die Zeit vom 01. Januar bis zum 30. April 2010 – so wie vor dem Sozialgericht beantragt - ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II zugesprochen werden wird, vermag der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu beurteilen. Ausgehend von dem ihm zur Verfügung gestellten Aktenmaterial (2 Band Leistungsakten bis einschl. Bl. 444) kann der Senat nur mutmaßen, dass der Antragsgegner, der die bisher nicht erfolgte Leistungsbewilligung mit dem Fehlen von Unterlagen begründet hat, Bedenken bzgl. der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin zu 2) hat. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Da die Antragstellerin zu 2) nicht über Vermögen verfügt, kommt es insoweit allein darauf an, ob ihr Einkommen zufließt, das ausreicht, ihren Bedarf zu decken. Dies abschließend zu ermitteln, insbesondere zu klären, ob die Antragstellerin zu 2) tatsächlich nur einem Minijob nachgeht oder Einkommen in größerem Umfang erzielt als bisher angegeben, ist dem Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht möglich. Weder ist im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse nachzuvollziehen, warum die Antragstellerin zu 2) sich bisher nicht selbst intensiver darum gekümmert hat, für einen aussagekräftigen Nachweis bzgl. des Umfangs ihrer Beschäftigung und ihrer Einnahmen zu sorgen, und nicht einmal den Namen und die Anschrift ihrer Arbeitgeberin bzw. ihres Arbeitgebers benannt hat. Noch ist allerdings auch zu verstehen, dass der Antragsgegner – gerade unter Berücksichtigung der auf Seiten der Antragstellerin zu 2) offenbar bestehenden Sprachschwierigkeiten - sich nicht angesichts des von dieser benannten Minijobs längst an die bei der Knappschaft angesiedelte Minijob-Zentrale gewandt und sich dort unter Angabe des Namens der den Lohn überweisenden Frau um Aufklärung bemüht hat.

Da dem Senat die Nachholung der bisher nicht erfolgten Aufklärung der Sachlage im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht möglich ist, hatte er anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese musste zugunsten der Antragstellerin zu 2) getroffen werden. Denn Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 12.05.2005, - 1 BvR 569/05 -, zitiert nach juris). Da der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er entsteht ("Gegenwärtigkeitsprinzip"), wären selbst im Falle einer nachträglichen Leistungsgewährung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens die Folgen der (zunächst) ungerechtfertigten Leistungsversagung ungleich schwerwiegender als die einer möglicherweise nicht gebotenen Gewährung. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass nach Lage der Akten zwar durchaus gewisse Zweifel bzgl. der rechtlichen Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses und der genauen Einkommenshöhe bestehen, umgekehrt aber auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Antragstellerin zu 2) in deutlich weitergehendem als angegebenen Umfang Einnahmen erzielt.

Soweit der Senat die Höhe der Leistungen auf monatlich 200,00 EUR festgesetzt hat, basiert dies auf dem Gedanken, dass die Antragstellerin zu 2) einen Bedarf in Höhe von etwa 540,00 EUR (Regelleistung 359,00 EUR zzgl. Mietkostenanteil abzgl. Warmwasserpauschale in Höhe von ca. 180,00 EUR) hat, diesem Bedarf jedoch Einkommen in Höhe von ungefähr 400,00 EUR gegenübersteht. Denn nach den vorgelegten Kontoauszügen ist der Antragstellerin zu 2) über Jahre hinweg monatlich Einkommen in Höhe von ca. 400,00 EUR zugeflossen und zuletzt im Dezember 2009 von S D Lohn für November 2009 in Höhe von 388,79 EUR überwiesen worden. Es ist daher – insbesondere mangels anderer Angaben der Antragstellerin zu 2) – davon auszugehen, dass sie weiterhin über monatliches Einkommen von ungefähr 400,00 EUR verfügt. Diesen Betrag sieht der Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens lediglich im Umfang von 60,00 EUR (Monatskarte, die für die Ausübung der Beschäftigung benötigt wird) als nicht anrechenbar an. Inwieweit der Antragstellerin zu 2) weitere Freibeträge zustehen, kann im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Bis dahin ist es ihr zuzumuten, etwaige ihr zustehende Freibeträge zunächst zur Sicherung ihres Bedarfs einzusetzen. Ihr stehen damit Einnahmen in Höhe von etwa 340,00 EUR zur Verfügung, sodass ein nicht gedeckter Bedarf in Höhe von ungefähr 200,00 EUR verbleibt.

Allerdings war der Antragsgegner zur vorläufigen Leistungsbewilligung an die Antragstellerin zu 2) - der ständigen Rechtsprechung des Senats folgend - erst für die Zeit ab Entscheidung durch den Senat zu verpflichten. Denn das Vorliegen eines Anordnungsgrundes beurteilt sich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung [Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Rn. 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO]. Die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 des Grundgesetzes (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, 1236 und vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit lediglich vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat. Insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt; das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar. Dass vorliegend anderes zu gelten hätte, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass es zwischenzeitlich zu Mietaußenständen gekommen sein könnte, die den Vermieter der von den Antragstellern genutzten Wohnung auch nur berechtigen würden, eine außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses auszusprechen.

Schließlich war die vorläufige Leistungsbewilligung auf die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, längstens bis zum 30. April 2010 zu befristen, nachdem die Antragsteller ihren im November 2009 an das Gericht herangetragenen Antrag selbst entsprechend begrenzt hatten.

2. Die Beschwerden der Antragsteller zu 1) und 3) sind unzulässig, nachdem das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Verfahrens durch sie entfallen ist.

Auch wenn dies im Sozialgerichtsgesetz keine ausdrückliche Erwähnung findet, so setzt doch jede Rechtsverfolgung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. In der Regel stellt dies keine gesonderte Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels dar, da es sich im Allgemeinen ohne weiteres aus der formellen Beschwer des Beschwerdeführers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist, ergibt. Indes gilt auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf. Trotz Vorliegens der Beschwer kann daher in Ausnahmefällen das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (vgl. BSG, Urteil vom 08. Mai 2007 – B 2 U 3/06 – juris, Rn. 13, Bernsdorff in Hennig, SGG, Stand Februar 2009, Vorbemerkung §§ 143-178, Rn. 21; vgl. Keller, in Keller/Leitherer/Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., Vor § 51 Rn. 16b und Meyer-Ladewig in Keller/Leitherer/Meyer-Ladewig, a.a.O., Vor § 143 Rn. 5). Entsprechendes hat für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu gelten, wobei insoweit zu berücksichtigen ist, dass dieses Verfahren von vornherein stets nur auf eine vorläufige Regelung ausgerichtet ist.

Gemessen daran bestand für die Antragsteller zu 1) und 3) keine Veranlassung mehr, das Verfahren fortzusetzen, nachdem der Antragsgegner ihnen mit Bescheid vom 08. Januar 2010 für das erste Halbjahr 2010 gestützt auf § 42 SGB I einen Vorschuss in Höhe von monatlich insgesamt 786,31 EUR bewilligt hatte und sie weitergehende Leistungen für sich selbst nicht mehr geltend gemacht haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG. Sie berücksichtigt gleichermaßen, dass die Antragsteller mit ihrem Begehren teilweise erfolgreich waren, dies teilweise erst auf eine Änderung der Sachlage zurückzuführen ist und jedenfalls die Antragsteller zu 1) und 3) es abgelehnt haben, eine sachgerechte, das sie betreffende Verfahren abschließende Erklärung abzugeben.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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