L 27 R 1437/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 1413/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 1437/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2005 wird zurückgewiesen. Die im Berufungsverfahren erhobene Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Höhe der Altersrente der Klägerin.

Die 1939 geborene Klägerin war in der DDR nach ihrem Studium der Ägyptologie seit 1962 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und zuletzt als stellvertretende Direktorin bei den S Museen tätig. Sie war bis zum 30. Juni 1990 Mitglied der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung und entrichtete Beiträge zu diesem Versorgungssystem. Daneben zahlte sie ab März 1971 Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung.

Auf ihren Antrag hin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27. Juli 2004 ab 1. September 2004 eine Regelaltersrente in Höhe von 1.660 EUR. Den – nicht begründeten – Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2005 als unbegründet zurück.

Mit der am 16. März 2005 bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin eine höhere Rente begehrt. Hierbei seien ihre Ansprüche auf Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. aus der Sozialversicherung der DDR bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze sowie ihre in einem zusätzlichen Versorgungssystem bzw. in der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung erworbenen Ansprüche als Ergänzung der Versichertenrente zu einer Vollversorgung zu berücksichtigen. Ferner hat die Klägerin sich im Klageverfahren gegen den Bescheid über Beitragsänderungen zum 1. Juli 2005 gewandt.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. August 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Soweit die Klägerin den nicht näher bezeichneten Bescheid über die Beitragsänderungen zum 1. Juli 2005 angreife, sei die Klage mangels Durchführung des nach § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlichen Vorverfahrens unzulässig.

Im Übrigen sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte habe die Rente der Klägerin rechtmäßig nach den einschlägigen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch (SGB VI) und des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) festgestellt.

Grundlage für die Überführung der verschiedenen Versorgungssysteme der DDR in die einheitliche gesetzliche Rentenversicherung sei die so genannte Systementscheidung des Gesetzgebers, die das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung für verfassungsgemäß erachte. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinen Urteilen vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95) die Systementscheidung ebenfalls für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt. Darüber hinaus habe es die allgemeine Geltung der Beitragsbemessungsgrenze bestätigt. Einen Anspruch auf eine Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG bzw. § 307 b SGB VI habe die Klägerin nicht, da deren Rente weder spätestens am 30. Juni 1995 begonnen habe noch ein Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente am 31. Dezember 1991 bestanden habe. Vor diesem Hintergrund könne die Klägerin auch nicht erfolgreich die Feststellung und Zahlung eines besitzgeschützten Zahlbetrags verlangen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Angesichts der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung gebe es keine Veranlassung, Beweise zu erheben, das Verfahren auszusetzen oder eine Revision gegen das Urteil zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Wegen der Begründung im Einzelnen wird insbesondere auf die Schriftsätze ihrer Bevollmächtigten vom 23. Februar und 2. Juni 2009 Bezug genommen. Die Klägerin wendet sich ausdrücklich auch gegen einen Bescheid der Beklagten über die Anpassung der Rente zum 1. Juli 2007.

Sie beantragt,

den Gerichtsbescheid vom 23. August 2005 aufzuheben und den Rentenbescheid vom 27. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2005 einschließlich der Entscheidungen über die Rentenanpassungen/-angleichungen Ost an West seit dem 1. Juli 2000 (zunächst fiktiv bis 1. Juli 2004) sowie alle im Laufe des Verfahrens weiteren erteilten Rentenbescheide abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ein höheres Alterseinkommen aus den von ihr in ihrem Arbeitsleben rechtmäßig erworbenen Anwartschaften auf Ansprüche auf ein angemessenes Alterseinkommen ab Rentenbeginn zu gewähren. Die Ansprüche der Klägerin auf Renten aus der SV, der FZR und der Zusatzversorgung sind in ihrer realen Höhe zu berücksichtigen und an die Lohn- und Einkommensentwicklung im Beitrittsgebiet anzupassen, in der diese Ansprüche in der DDR rechtmäßig erworben und als Eigentum in die Bundesrepublik Deutschland mitgebracht wurden. Es sind analog der Regelung für die Bestandsrentner der Zahlbetragsschutz des EV sowie ein angemessener Eigentums-, realer Bestands- und dauerhafter Vertrauensschutz zu gewähren. Dazu sind insbesondere

- das Eigentum der Klägerin, das sie in Form von Ansprüchen und Anwartschaften aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland mitgebracht hat, umfassend zu achten, die Ansprüche auf Rente aus der SV und auf Zusatzrente aus der FZR sowie auf Zusatzversorgung in Übereinstimmung mit dem Zahlbetragsschutz des EV, zum 31. Dezember 1991 erhöht um 6,84 % und ab 1. Juli 1990 (zunächst fiktiv) angepasst wie die Löhne und Einkommen im Beitrittsgebiet, zu berücksichtigen und ab Rentenbeginn nach den gleichen Konditionen zu gewähren, wie sie vom EV für Bestandsrentner vorgesehen und vom BVerfG (BVerfGE 100, 1 ff.) bestätigt wurden;

- die Versichertenrente nach dem SGB VI unter Berücksichtigung der Anwartschaften/Ansprüche im Rahmen der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze gemäß § 260 SGB VI und nicht abgesenkt auf die verfassungswidrige besondere Beitragsbemessungsgrenze Ost (§§ 228a und 256a SGB VI), also auch nicht nach dem ebenfalls verfassungswidrigen besonderen Alterssicherungsrecht Ost, zu berechnen und die Zusatzrentenansprüche aus dem Versorgungssystem anzuerkennen, die in der DDR per Gesetz, Anordnung, Verwaltungsakt und Versicherungsvertrag dauerhaft zum Erhalt des im Berufsleben erworbenen Lebensniveaus zugesichert worden sind; die Versichertenrente ist damit unter Einbeziehung der in der Bundesrepublik ab 1. Juli 1990 ergänzend erworbenen Anwartschaften zu einer mit Eintritt des Leistungsfalls im Rentenrecht lebensstandardwahrenden Vollversorgung aufzustocken;

- die Anpassungen der Rente sowie die Rentenangleichung Ost an West seit dem 1. Juli 2000 bis zum Rentenbeginn fiktiv und fortlaufend bis Rentenende nach den verbindlichen Vorgaben des EV und des GG durchzuführen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Anspruch auf die "Anpassung Ost" nach dem Leiturteil des BVerfG vom 28. April 1999 unter Eigentumsschutz steht (BVerfGE 100, 1 (44, 54)), wobei die Anpassung die jährliche Inflationsrate nicht unterschreiten darf (B 4 RA 120/00);

- die sich aus den unterschiedlichen Berechnungsarten des zu erwartenden Alterseinkommens ergebenden Resultate zu vergleichen; der höchste Betrag ist zu zahlen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen die Entscheidung über die Rentenanpassung zum 1. Juli 2007 abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2005 ist unbegründet. Die Klage gegen die Entscheidungen der Beklagten über die Anpassung der Rente, die während des Verfahrens vor dem Landessozialgericht ergangen sind, insbesondere über die Anpassung zum 1. Juli 2007, ist unzulässig.

Die Berufung ist unbegründet, weil das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Wie das Sozialgericht ausgeführt hat, ist die Klage unzulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidung über die Rentenanpassung zum 1. Juli 2005 richtet, da kein Vorverfahren durchgeführt wurde. Dieser Verwaltungsakt ist auch nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Denn die ursprüngliche Rentenwertfestsetzung wird durch die Rentenanpassungsentscheidungen weder geändert noch ersetzt; die Rentenwertfestsetzung bildet vielmehr lediglich die Grundlage für die Rentenanpassungsentscheidung (siehe etwa BSG, Urteil vom 10. April 2003, B 4 RA 41/02 R, SozR 4-2600 § 260 Nr. 1).

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Der Rentenbescheid vom 27. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2005 ist nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat den Wert der Altersrente des Klägers zutreffend festgestellt. Rechtsgrundlage für die Feststellung der persönlichen Entgeltpunkte der monatlichen Altersrente sind § 256 a SGB VI, soweit keine Entgelte nach dem AAÜG zu berücksichtigen sind, und § 259 b SGB VI für Zeiten, in denen Entgelte nach dem AAÜG festzustellen waren. Diese Bestimmungen ergänzen die allgemeinen Regelungen der §§ 63ff. SGB VI und finden auf ein Recht auf Rente Anwendung, das nach dem 1. Januar 1992 entstanden ist, soweit der Wert des Rechts auf Beitragszeiten im Beitrittsgebiet beruht, die gemäß § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI den Beitragszeiten nach Bundesrecht gleichgestellt sind. Dies ist vorliegend der Fall.

Nach § 256 a Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Als Verdient zählen nach § 256 a Abs. 2 Satz 1 SGB VI der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind. Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem im Sinne des AAÜG wird nach § 259 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI bei der Ermittlung der Entgeltpunkte der Verdienst nach dem AAÜG zugrunde gelegt. In Anwendung dieser Bestimmungen hat die Beklagte den Verdienst der Klägerin zutreffend und vollständig bestimmt. Hierbei war insbesondere gehalten, die durch Multiplikation der zugrunde gelegten Entgelte mit den Werten der Anlage 10 ermittelten fiktiven Verdienste in DM (§ 256 a Abs. 1 Satz 1 SGB VI) nur bis zu den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen (vgl. § 260 Satz 2 SGB VI) zu berücksichtigen.

Für Vergleichsberechnungen nach § 307 b SGB VI bzw. nach § 4 Abs. 4 AAÜG besteht kein Raum, da weder die Klägerin am 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente des Beitrittsgebietes hatte (§ 307b Abs. 1 SGB VI), noch deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1995 (§ 4 Abs. 4 Satz 1 AAÜG) begann.

Einen Anspruch auf eine höhere Rente hat der Kläger nicht. Für die Gewährung einer von den Regelungen des SGB VI abweichenden Leistung gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Bestimmungen der §§ 256 a, 259 b SGB VI und 260 Satz 2 SGB VI sind mit dem GG vereinbar; sie verstoßen insbesondere nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 und den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die mit der Überleitung der Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und aus dem Zusatzversorgungssystem in das gesamtdeutsche Recht verbundene Gewährung nur einer Rente und die Beschränkung der versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen durch die Beitragsbemessungsgrenzen West sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. August 2002, 1 BvR 596/98, BVerfGE 100, 1, 40).

Die Klage gegen die Rentenanpassungsbescheide, die während des Verfahrens vor dem Landessozialgericht ergangen sind, insbesondere gegen den Bescheid der Beklagten über die Anpassung der Rente zum 1. Juli 2007, ist unzulässig. Das Landessozialgericht entscheidet als Rechtsmittelgericht allein über Streitgegenstände, die bereits vor dem Sozialgericht zulässig anhängig gemacht worden sind. Verwaltungsakte, die nach Einlegung der Berufung erlassen worden sind, können nur dann angefochten werden, wenn sie gemäß § 96 Abs. 1 in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Soweit die Klägerin sich vorliegend gegen die während des Verfahrens vor dem Landessozialgericht ergangenen (oder unterbliebenen) Rentenanpassungen wendet, handelt es sich nicht um solche Verwaltungsentscheidungen, weil sie – wie bereits ausgeführt – die Rentenhöchstwertfestsetzung nicht ändern. Die genannte Regelung steht nicht zur Disposition der Beteiligten; deshalb ist es unerheblich, dass die Beklagte mit Schreiben vom 4. September 2007 gegenüber der Klägerin erklärt hat, keine Bedenken zu haben, den Bescheid über die Anpassung der Rente zum 1. Juli 2007 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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